Südwest 2011: Die Sonne lacht

Dienstag, 20.09.2011

Nicht allzu früh lasse ich den Tag beginnen, aber natürlich gibt es nur begrenzte Zeit Frühstück und irgendwann muß ich mein Zimmer räumen. Ich lasse mir Zeit beim Frühstücken, es gibt ein gutes Sortiment (für französische Verhältnisse). Als ich loskomme ist es fast 11 Uhr. Aber was soll’s, ich will ja nur 60 oder 80 Kilometer heute schaffen, der letzte Tag war hart genug.

Die Sonne scheint, es ist kühl, vor allem im Schatten, aber sobald die Sonnen einen trifft wird es angenehm warm. Ich entscheide mich, nicht die Schleife durch Besancon zuende zu fahren, sondern auf wieder zu dem Punkt, wo ich gestern aus der Schleife abbog und dann neben dem Kanal durch den Tunnel unter der Stadt hindurch. Heute endlich kann ich die atemberaubende Landschaft im Hellen genießen, die mir gestern entgangen ist. Gemütlich rolle ich, mache ab und zu Fotopause, betrachte die Gegend. An einem Kanaltunnel, durch den der Radweg leider nicht führt, ist ein “Wasservorhang”, vermutlich, damit keine Vögel oder Fledermäuse den Tunnel bevölkern. Als ich diesen Zustand gerade laut mit mir selbst redend kommentiere, entdecke ich neben mir – gut getarnt – eine Gruppe von ca. 25 Soldaten, bis an die Zähne bewaffnet, die den vor sich hin erzählenden Deutschen auf dem seltsamen Fahrrad vermutlich irgendwie in “Freund/Feind/WTF” einzuordnen versuchen. Keiner schießt, ich bin beruhigt.

Ich muß kurz über den Felsen, unter dem der Kanal hindurchgeht, dann wieder weiter neben dem Wasser und ohne Steigungen (oder Gefälle). Neben mir taucht dann einer der diversen Rastplätze auf, dieser ist bevölkert mit einer Gruppe Tourenradler. Ich geselle mich dazu. Es sind Australier, die (Stück für Stück, jedes Jahr ein bischen) Europa per Fahrrad vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer durchqueren wollen. Wir unterhalten uns gut und ich kriege vom reichhaltigen Picknick genügend ab, um mir ein Abbiegen in die kommenden Orte zu ersparen, das meist eher ernüchternd endet. Ich habe bereits gelernt, daß es im Französischen sehr viele Wörter für “geschlossenes Geschäft” gibt: Boulangerie, Patisserie, Bar, Restaurant, Café, Alimentaire Generale. Geöffnete Geschäfte sind oft mit “Kebab” oder “Chez Alibaba” bezeichnet, aber auch die haben am frühen Nachmittag oft nichts mehr, da sie spätestens um 16 Uhr, meist früher schließen. Supermärkte kenne ich nur von Hinweisschildern, die “10 min” (per Auto, auf stark befahrenen Kraftfahrstraßen) ankündigen.

Der nächste Stop ist Dole, die Geburtsstadt von Louis Pasteur. Von den doversen Cafés kann man mir am Ende eines nennen, das jetzt am frühen Nachmittag etwas anderes als Kaffee oder Eis bietet. Ich verdrücke ein Sandwich. Mittagszeit ist vorbei und der frühe Abend (ab 20 Uhr spätestens 21 Uhr ist nämlich auch wieder alles zu) ist noch nicht da. Ich beginne mich zu wundern, warum es in Frankreich eigentlich nicht Millionen von Hungertoten gibt. Offenbar gibt es irgendeinen Trick. Vermutlich hat er etwas mit Autos, Kraftfahrstraßen und 10 Minuten zu tun.

Hinter Dole fällt mir zunächst auf, daß die Landschaft flacher wird, weitläufiger. Kanal und Fluß vereinigen sich streckenweise. Und der Asphalt wird schlechter, dennoch weiterhin gut fahrbar, wenn auch zeitweise etwas bremsend. Orte kommen erstmal keine mehr. Dann, plötzlich, endet der Kanal an der Saone. Ein kurzes Stück guter Radweg, dann wird es wieder schlechter, auch die Ausschilderung lässt nach, auf einem Stück erwartet mich sogar Schotter. Ich schlage mich irgendwie bis Seurre durch, wo ich einen offenen Supermarkt finde, bei dem ich mich versorge. Ab hier bevorzuge ich die Landstraße, noch 40 Kilometer bis Chalon sur Saone. Ich bin weiter als geplant gefahren, aber Chalon ist groß und wird auch später am Abend eine Möglichkeit bieten.

Auf dem Weg fällt mir ein Ort namens Verdun s/l Doubs. Ich bin irritiert. Ich hatte das ganz woanders eingeordnet. Und liege auch richtig damit, wie mir kurz danach über Twitter versichert wird, das Verdun mit der Schlacht liegt natürlich völlig woanders. Hier treffe ich zwei Deutsche, auf dem Weg nach Lyon. Von dort wollen sie für ihre Rückreise “dann noch schnell nach Genf” radeln. Ich bin mir nicht ganz so sicher, ob ihrer Einschätzung, daß sie da keine bedeutenden Höhenmeter erwarten…

Auf den letzten 20km nach Chalon s/ Saone fällt mir auf, daß die Orte belebter sind, das Mediterrane bilde ich mir sicher aufgrund des guten Wetters ein. Aber Hotel, Auberge, Pension, Chambre suche ich vergebens. Also durch nach Chalon s/ Saone. Dort sind die meisten Sachen voll, aber dank HRS finde ich dann doch ein Plätzchen, leicht abseits. Aber warm, trocken und mit Abendessen.

Auf dem Tacho stehen 149km.

Südwest 2011: Ein langer Tag

Montag, 19.09.2011

Nach dem Aufwachen zeigt sich der Himmel grau und regenschwanger. Noch ist es trocken, aber es ist klar, daß es wohl nicht lang so bleiben wird. Ich packe den größten Teil meiner Sachen, die Regensachen liegen wie immer ohnehin leicht zugreifbar oben im Gepäck. Zum Frühstück gehe ich runter, doch alle Plätze sind belegt. Kein Problem, die Wirtin bringt mir mein Frühstück in mein großzügiges Zimmer, wo ich am Küchentisch bei Musik aus dem Handy für französische Verhältnisse ausgiebig frühstücke.

Nach dem Frühstück zahle ich und hole mein Rad aus der Garage, die noch immer nach Äpfeln duftet. Ich darf mir einen mitnehmen, sie sind unbehandelt, also problemlos ohne große Spülaktionen zwischendurch zu essen. Kaum setze ich mich auf die Speedmachine, schon beginnt ein sanfter Nieselregen, der mich zunächst einige Kilometer begleitet, mal mehr mal weniger stark. Doch am Himmel ist ein hellerer Streifen zu sehen, der Besserung verspricht.
Zunächst geht es auf der D468 weiter nach Süden, später biege ich über einige kleinere Landstraßen und als Radwege ausgewiesene Strecken durch den Wald (asphaltiert!) nach Westen in Richtung Mulhouse ab. Von Mulhouse selbst bekomme ich nicht so viel mit, ich belasse es dabei, den Ort zu streifen und mich möglichst bald auf dem EuroVelo 6 (EV6) Radweg einzufädeln. Dieser führt entlang des Rhein-Rhone-Kanals auf alten Treidelwegen, die mittlerweile alle durchgehend mit bestem Asphalt ausgestattet sind.
Der Weg ist wirklich eine Empfehlung für Radwanderer: Beste Fahrbedingungen. Wenn mal ein Drängelgitter kommt, dann steht oft mindestens eine Seite offen oder es ist so breit, daß man – langsam – auch mit dem bepackten Liegerad problemlos durchkommt. Und so viele, daß es wirklich problematisch wäre sind es nicht. Der Weg selbst ist perfekt ausgeschildert, selbst wenn mal irgendwo gebaut wird, ist eine Umleitung mit deutlichen Markierungen auf fahrbaren Wegen vorhanden. Zwar steigt der Gesamtweg an, doch die Steigung ist gut zu bewältigen: Zwischen den zahlreichen Schleusen ist keine oder eine minimale Steigung vorhanden, dann gibt es an den Schleusen jeweils eine kurze Rampe, die einen wieder die nächsten zwei bis drei Meter nach oben bringt.
Der Kanal – und damit der Radweg – tangiert die meisten Orte nur oder ist leicht abseits gelegen, für eine Versorgungspause muß man vom Weg runter, meist ohne zu wissen, ob und was einen in den Dörfern erwartet. Um den Weg richtig zu genießen, sollte man sich Zeit nehmen, so daß man immer wieder in die Orte abbiegen kann, denn über weite Strecken sieht man sonst nur den Kanal, Schleusen, niedlische Schleusenwärterhäuschen aber wenig von der umliegenden Landschaft. Dafür fliegen die Kilometer nur so dahin.
Längst habe ich die Wasserscheide überschritten, als ich nach einer Schlafgelegenheit zu suchen anfange. Doch wo ich auch hinkomme: voll oder geschlossen. Ich komme langsam in Probleme. Magen leer, die Sonne geht unter, kein Schlafplatz in Sicht. In einem der Orte, in die ich abbiege, finde ich zumindest ein geöffnetes Restaurant, wo ich sofort Energie nachtanke. Wenigstens ein Problem gelöst. Beim losfahren entdecke ich nur drei Häuser weiter ein Hotel. Auf die Frage, ob es noch ein Zimmer gäbe, kommt als Gegenfrage, ob ich auch noch etwas essen will, mein beruhigtes Lächeln versteinert allerdings, als auf mein “nein” (schließlich hatte ich ja gerade gegessen) die Auskunft kommt, daß dann auch kein Zimmer frei sei. Was für eine Frechheit.
Via Twitter bekomme ich Hilfe von Klaus, der mir für Baumes les Dames (>20 km) bzw. Besancon (ca. 50km) einiges suchen kann. Ich versuche es zunächst noch in einem Logis am Wegesrand. Die Dame dort teilt mir mit, daß alles voll sei, wohl auch in Baumes les Dames, wo sie vergeblich einige Hotels anruft. Sie bietet mir sogar einen Platz auf der Wiese hinter dem Haus für das Zelt an, doch in Anbetracht der Temperatur von gerade 10°C und der Nässe durch Regen und aufziehenden Dunst lehne ich ab. Als ich ihr sage, daß ich ca. 170km bereits hinter mir habe und die letzten 40km nach Besancon nun auch ncht mehr das Problem sind scheint sie sich fast Sorgen um mich zu machen.
Ich fahre weiter und Klaus um eine passende Reservierung in Besancon. Um mich herum Dunkelheit, anhan des Sternenhimmels, den ich noch sehe, kann ich erkennen, daß ich mittlerweile zwischen den Bergen in einem tiefen Tal fahre, das ich zu gern bei Tag gesehen hätte, hier ist sicherlich der landschaftlich spannendste Teil der Strecke. Die Reservierung in Besancon wird schwieriger als geplant, aber am Ende gibt es etwas mit 24h-Rezeption und freien Zimmern. Ich habe dafür das Problem, daß sich die Wolken ins Tal senken. Erst streift nur mein Fernlicht die Wolken, die 50 bis 100 Meter über mir die Baumwipfel berühren, dann tauche ich irgendwann ein. Fernlicht aus. Selbst der Edelux erzeugt manchmal nur noch eine graue Wand vor mir. Die Feuchtigkeit zieht in jeden Winkel. Was erstaunölich gut hilft ist meine Tchibo-Sportweste. Sie hat zusammen mit dem Rest genau die richtige Temperierung und ich koche nicht im eigenen Saft, wie wenn ich in dieser Situation die Regenjacke übergezogen hätte.
Das Leuchten des GPS Bildschirms vor mir, der Strahl des Edelux und wenn gerade keine Nebelbänke wabern des Fernlichts, werden meine Freunde in der Nacht. Langsam tickt die Restkilometer-Anzeige runter. Bis endlich Besancon in hinter einer Kurve auftaucht. Ich nehme mir sogar noch kurz Zeit für ein paar Nachtfotos, bevor ich den kräftigen Anstieg zu meinem Hotel auf mich nehme. Nach dem Duschen falle ich um ein Uhr morgens wie tot ins Bett.

Auf dem Tacho stehen 218km.

Südwest 2011: Der nächste Abschnitt

Sonntag, 18.09.2011

Als ich aufwache prasselt Regen an die Dachfenster. Ich versuche dies eine Weile zu ignorieren, bevor ich mich aufraffe und das Wetterradar anschaue. Das Regengebiet zieht von West nach Ost durch, eine Zeit wird es noch erhalten bleiben, dahinter sieht es besser aus. Also kein Stress: Ich brauche die anderen nicht zu wecken, warte bis alle von selbst aufwachen. Eine Dusche gönne ich mir noch, dann geht es zum gemeinsamen Frühstück, das wir ausdehnen, bis es aufhört zu regnen.

Martin hat angekündigt, mich noch zu begleiten. Da es kühl, grau und noch immer sehr feucht draußen ist, frageich ihn, ob er das denn immernoch will und er bejaht. So machen wir uns fertig und auch der Rest der Liegeradler bereitet sich langsam auf die Heimfahrt vor. So komme ich noch zu einem größeren Geleit auf den ersten Metern in Richtung Rheinfähre, bevor Martin und ich allein weiterfahren. Wir haben Hannos Wegbeschreibung wohl beide nicht sonderlich gut zugehört und verfransen uns kurz, finden dann aber dank Ortskenntnis von Martin und meinem Garmin doch recht zügig den Weg zur Fähre.

Leichter Nieselregen trübt das Vergnügen noch, doch der Himmel wird langsam heller. Nach dem Übersetzen auf die andere Rheinseite sind im nächsten Ort die Schilder bereits in französisch – ich habe die Grenze übertreten, es beginnt gefühlt der zweite Teil der Tour: Nächstes Zwischenziel ist das Mittelmeer!

Der Regen hört endgültig auf, die Temperatur klettert von 13°C auf 15°C. Wir fahren auf einem hervorragenden Radweg, der nebenbei auch perfekt ausgeschildert ist, entlang des Rheins in Richtung Strasbourg. Da der Weg über weite Teile hinter dem Rheindeich verläuft, der hier teilweise eine beachtliche Höhe hat, bietet er landschaftlich nicht so viel Abwechslung, wir freuen uns über die Bäume, die den Gegenwind etwas mildern und unterhalten uns neben der Fahrt über unsere diversen Liegeraderlebnisse. Einige Kilometer vor Strasbourg kehren wir ein, um unsere Energiereserven aufzufüllen. Das Wort für Kartoffelpuffer kann ich leider nicht mehr wiedergeben (“Gumberbeerenkiechle” oder so ähnlich?), es scheint mir aber, als müßte ich mir dieses für den Rest von Frankreich nicht unbedingt merken.

Von Strasbourg sehe ich nicht viel, ich kann einen flüchtigen Blick aufs Europaparlament erhaschen, streife die Innenstadt, mehr Sightseeing verschiebe ich aber auf eine andere Tour. So geht es an den Rhein-Rhone-Kanal, neben dem über die kommenden Kilometer ein wunderbarer Radweg verläuft. Es geht ziemlich gerade durch die Landschaft, an jeder Staustufe geht auf der Radweg eine kurze Rampe hinauf, ansonsten ist es flach. Im Osten läßt sich ab und zu ein Blick auf die Berge des Schwarzwalds am Horizont erhaschen, auch im Westen tauchen in einiger Entfernung ein paar Berge im Dunst am Horizont auf.

In Krafft verläßt mich Martin, der von hier auch noch ein paar Kilometer nach Hause vor sich hat. Ich fahre noch ein kleines Stück weiter am Kanal entlang, bis der Radweg endet und ich mit einer kurzen Ostpassage auf die D468 gelange, der ich ab sofort weiter nach Süden folge. Zuerst ist mein Gedanke: “Mist, Straße”, doch das ändert sich nach kurzer Zeit. Die französischen Autofahrer lerne ich als rücksichtsvoll kennen, es wird in gutem Abstand und durchweg an übersichtlichen Stellen überholt. Kein Hupen, gerne aber ein Winken oder grüßen im Vorbeifahren. Die Landschaft ändert sich, die Sonne bricht durch die Wolken und gibt spektakuläre Blicke bei herrlichem Licht frei. Ich vergesse fast, daß ich mir noch eine Unterkunft suchen muß, bis die Sonne hinter den Bergen verschwindet.

Beim nächsten Schild “Chambre – Zimmer – Rooms” halte ich an, doch ist hier nichts frei. “Fahren Sie nach Marckolsheim”, rät mir die ältere Dame, “dort finden Sie etwas. Es sind noch 10 Kilometer.” Also geht es weiter. Ich verdrücke meine letzten Müsliriegel, denn ich habe meine Energie langsam verfahren, und hoffe, daß sie recht hat. Die 10km scheinen sich lang hinzuziehen.

Endlich komme ich in Marckolsheim an und finde auch dort alsbald ein Schild, das “Chambre” feilbietet. Ich folge, klingle und bekomme ein geräumiges Zimmer und einen abgeschlossenen Garagenstellplatz für mein Rad, der zudem den Vorteil hat, daß meine Sitzpolster am nächsten Morgen sicher nach frischen Äpfeln duften…

Im Ort bekomme ich um diese Uhrzeit – kurz vor 20 Uhr – noch etwas zu essen (“Beeilen Sie sich aber, duschen Sie hinterher!” – “Die armen anderen Gäste!” – “Die sollen ihre Nasen in ihre Suppe stecken!”). Nach der Rückkehr mache ich mich frisch und bettfertig und beschäftige mich noch ein wenig mit meiner Technik, um auch in den kommenden Tagen weiter hier berichten zu können.

Auf dem Tacho stehen 137 Kilometer.

Südwest 2011: Auf nach Karlsruhe

Freitag, 16.09.2011

Ich wache auf, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Da mich nur etwas mehr als 100km erwarten, gehe ich den Tag ruhig an. Erstmal ein gemütliches Frühstück, langsam die Sachen packen, nach einem kleinen Plausch mit der portugiesischen Dame von der Pension setze ich mich auf die Speedmache und folge dem Rheinradweg flußaufwärts in Richtung Süden.Das GPS habe ich mir vor allem für die Ortsdurchfahrten programmiert und wegen der netten Restkilometeranzeige. Jedenfalls für den ersten Teil der Strecke.

Auf irgendeiner der Ortsdurchfahrten verliere ich in diversen Baustellen die Radroutenbeschuilderung aus den Augen und folge fortan meiner Route auf großenteils ruhigen Landstraßen oder begleitenden Radwegen, die hier oft sehr großzügig gehalten sind.

Zum Teil kenne ich den Weg noch von meiner Fahrt zur Spezi im Frühjahr. Meine Essenspause habe ich für Germersheim angesetzt und so pausiere ich für einen Zwieback- und Bananensnack auf einem Feld, wo allerdings irgendwann eine größere Gruppe osteuropäischer Erntehelfer eintrifft, so daß es mit der Ruhe vorbei ist und ich weiterziehe.

In Germersheim esse ich Flammkuchen und trinke Bitter Lemon dazu, der Ort fühlt sich ohne die Spezialradmesse ungewohnt und leer an. Für die Weiterfahrt habe ich mir im wesentlichen die Route vom Frühjahr hergenommen, allerdings wird der Weg irgendwann durch eine fehlende Brücke und eine recht weiträumige Umfahrung gestört. Erst an der Rheinfähre Leimersheim stoße ich wieder auf meine Originalroute. Da ich diese allerdings in diesem Jahr schon einmal gefahren bin und ich mich an eine Menge Kurverei vor der Brücke bei Wört erinnere, beschließe ich diesmal dem Schild “Karlsruhe” zu folgen und die Fähre zu nehmen.

Der adweg auf der anderen Seite führt zunächst kreuz und quer, mal mehr mal weniger gut beschildert durch die Gegend. Erst mit Nachfragen bei ortskundigen Radlern kann ich ermitteln, daß ich noch auf der richtigen Strecke bin. Ich schließe mich ein paar anderen Tourenradlern von der Fähre an und fahre so bis an den Stadtrand von Karlsruhe. Leichtes Tröpfeln und ein paar dunkle Wolken deuten eine Wetteränderung an. Regen, der den EInsatz passender KLeidung bedingen würde, setzt allerdings nicht ein. Trotzdem gebe ich am Ende etwas Gas und lasse mich per Autorouting auf direktem Wege zu meinem Ziel lotsen.

Ich werde schon erwartet, kriege etwas zu trinken, kann duschen, meine Sachen waschen und dann gibt es noch ein wudnerbares thailändisches Essen, bevor der Abend bei gemeinsamen Geschichten rund ums Liegeradfahren ruhig ausklingt. Mehrere Gäste sind schon da, die am nächsten Tag zum Karlsruher Schloßparktreffen wollen.

Südwest 2011: Noch ‘n Berg, noch ‘n Fluß

Donnerstag, 15.09.2011

Ich ließ den Morgen gemächlich angehen, eine ruhige Etappe sollte es ja sein nach der ungeplanten Pause. Erstmal Frühstück, dann packen, noch schnell beim Drogeriemarkt gegenüber 50er Sonnencreme kaufen. Ich will wenigstens so tun, als sei ich lernfähig. Ich frage die Wirtin vom Hirschen noch, ob denn in meine Richtung noch viele Anstiege kämen: “Nein, nur ein kleiner direkt nach dem Ort…”

Und wirklch, der Anstieg nach dem Ort ist wirklich nur ein harmloser kleiner. Danach kommen allerdings durchaus noch ein paar 10%-Anstiege und auch diverse flachere, insgesamt geht es nochmal deutlich aufwärts. Die Temperatur liegt bei 17°C, in Wäldern etwas kühler, sonst auch mal etwas wärmer. Der WInd weht mäßig, aber er weht zunächst noch. Meinen Beinen hat der Ruhetag sehr gut getan, das spüre ich, Ansonsten leide ich durchaus noch etwas an den Folgen meiner kleinen Einlage, aber es geht.

Beim rauf fahren ist es mir im Langarmshirt zu warm, sobald aber eine leicht windige Ebene oder gar eine Abfahrt kommt, habe ich fast das Gefühl zu frieren. Ich entscheide mich also dafür, den Status Quo der Bekleidung beizubehalten, es scheint ja der perfekte Mittelweg zu sein: So daß es in keiner Situation richtig ist.

Die ruhigen Wege sind sehr schön, bieten auch immer wieder grandiose Aussichten auf die Täler. Zweima allerdings scheitere ich fast an Baustellen. Bei der ersten habe ich, als ich ungeniert einfach an den Begrenzungen vorbeifahre, eine frisch asphaltierte Straße für mich allein – wenn man von den Arbeitern und Baufahrzeugen, die im wesentlichen mit den Zufahrten und der Seitenbefestigung beschäftigt waren. Bei der zweiten ist die Sache nicht so easy. Ich ignoriere zunächst wieder alle Warnschilder und denke mir: mit dem Rad kommst Du da irgendwie durch. Die Baustelle liegt in einem Ort, die Straße ist quasi weg. Die Frage, ob ich durchkäme, beantwortet ein Bauarbeiter mit einem mitleidigen Blick und: “ich würd aber nicht versuchen zu fahren…” – ich nehme das als “ja” und schiebe durch groben Schotter, vielleicht 200 Meter. Mein Track biegt nach rechts ab. Ich schaue nach rechts und sehe … den Dorfbach. Und eine dünne Holzplanke, wo einmal die Brücke war. Die Planke endet am anderen Ufer im Grünen, keine Möglichkeit, Fahrrad und Gepäck dort entlang zu bekommen. Ein Blick auf die Karte verrät mir aber, daß mit geringem Umweg eine weitere Brücke erreichbar sein sollte. Ist sie dann zum Glück auch. Schwein gehabt!

Nach Büdingen ändert sich die Landschaft. Es geht ins Maintal hinab. Die Anstiege haben ein Ende, aber könnte ich dieses aggrerssive Verkehsrchaos, was mich über Hanau bis Darmstadt begleitet gegen noch ein paar Höhenmeter tauschen, ich würde es sofort tun! Besonders Darmstadt fällt mir wieder auf. Schon auf der Landstraße dorthin: Huper, Drängler, 30-cm-Überholer. Die Stadt selbst rangiert bei mir unter Fahrradfeindlichste Stadt Deutschlands. Die Verkehrsführung mörderisch, die Straßen eng und das Pflaster so schlecht, daß man sich nach Berlin wünscht – und das will was heißen.

Nach Darmstadt geht es zum Glück ersteinmal weiter über einen, wenn auch nicht asphaltierten, aber gut fahrebaren Waldweg nach Pfungstadt. Eigentlich wollte ich mir hier eine Bleibe für die Nacht suchen, aber ich sehe auf dem Weg durch die Stadt nichts passendes und bevor ich mich noch an eine Straßenecke stelle und suche, bin ich auch schon wieder raus.

Klaus hatte mir angeboten, den hier abzweigenden Radweit-Track via Heidelberg nach Karlsruhe zukommen zu lassen, aber es läuft so gut und ich verpasse den Absprung, finde mich unversehens in Gernsheim wieder – ich hatte völlig verdrängt, wie dicht das schon an Pfungstadt war. In Gernsheim sehe ich auch keine passende Unterkunft, dafür aber, daß die Fähre abfahrbereit dasteht – also schnell noch drauf.

Hinter der Fähre kommt als nächster Ort Hamm. Meine Bett & Bike POI im GPS weisen eine Pension in Hamm am Rhein, nur drei bis vier km nach der Fähre aus. Ich beschließe, auf gut Glück dort hinzufahren, es ist gegen 19 Uhr. Und ich habe Glück, ein Zimmer ist frei in der Pension Linde!

Das Zimmer ist indviduell und liebevoll eingerichtet, nicht so ein unpersönlicher Hotel-Einheits-Stil. Ich fühle mich wohl. Nach einem Besuch beim örtlichen Italiener bekomme ich sogar noch alles für Apfelschorle in der Pension: Richtiges Mineralwasser (kein Tafelwasser) und naturtrüben 100% Direktsaft. So mag ich das. Dickes Lob!

Gefahren: Ungefähr 150km.