Um vier Minuten nach neun ging mein Zug ab Berlin Zoo in Richtung Westen. Die Frage, mit der ich haderte, war, ob ich nach Ludwigslust oder Wittenberge fahren sollte. Wegen der Wettervorhersage zum Abend und um mich vor den kommenden Tagen nicht über Gebühr zu belasten, entschied ich mich für Ludwigslust. Von dort sind es 30, 40 Kilometer weniger bis nach Hamburg, dafür geht es ein langes Stück entlang der Bundesstraße B5 – von Wittenberge aus kann man schön längs Elbe fahren.
Der Kauf der Fahrkarte gestaltete sich schwieriger als geplant, da es am Automaten keine Fahrradkarten gibt. Eine Rückfrage an der Information ergibt, daß der Ticketverkauf erst um neun Uhr öffnet. Erst nach meiner Nachfrage bekomme ich die Information, daß ich selbstverständlich in diesem Falle die Fahrradkarte im Zug nachlösen könne. Oben am Bahnsteig warten schon einige Ausflügler, diverse auch mit Fahrrädern. Der Zug fährt ein – und ist ziemlich voll. Ich kämpfe mich durch das Getümmel mit der vollbepackten Speedmachine.
In Ludwigslust steige ich – endlich – aus. Aber zwischen mir und dem Wunsch, endlich in die Pedale treten zu können, steht zunächst mal ein Hindernis: Es gibt keinen Fahrstuhl, nichtmal einen abgesenkten Gleisübergang, um den Bahnsteig zu verlassen. Einzig eine Treppe. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich schon alle meine Taschen vom Rad nehmen, da fällt mir ein Bahn-Service-Mitarbeiter auf, den ich nach der Lösung des Problems frage. Er bietet sich kurzerhand an, mir beim Tragen zu helfen und so kann ich auch diese Hürde nehmen.
Bis Boizenburg fahre ich auf der Bundesstrasse B5. Wie üblich im Osten der Republik sind Radwege neben der Straße eher unüblich, so daß die Autos dicht an mir vorbeischießen. Ich erinnere mich an die wichtige Regel: Überholen Dich Autofahrer zu dicht, dann fährst Du zu weit rechts.
Ich fahre in Boizenburg durch den Ort und nicht auf der B5. Der Ort ist nicht sonderlich interessant, hält aber eine schöne Steigung für mich bereit. Als ich wieder auf die B5 treffe freue ich mich über einen gut ausgebauten Radweg, dennoch biege ich auf der Hälfte des Weges nach Lauenburg ab und fahre auf einem Radweg am Elbdeich abseits der Straße bis Lauenburg. Leider ist der radweg hinter dem Deich, so daß ich nur mal kurz einen Blick über die Elbe wage, bevor es wieder weitergeht. Lauenburg ist ein sehr schöner Ort an der Strecke, den ich dennoch eher schnell durchquere, denn mein Gefühl sagt: Das Wetter ändert sich. Nach der Durchquerung des Ortes folge ich einem ausgeschilderten Radweg – und treffe auf eine Steigung, die auch im kleinsten Gang nicht mehr zu bewältigen ist, selbst das Hochschieben ist schon extrem anstrengend. Dann geht es wieder auf der B5 weiter, die heute mein ständiger Begleiter sein wird.
Bei Schnakenbek folge ich dem Elberadweg durch das Naturschutzgebiet. Die Natur ist wunderschön und die Fahrt durch den Wald sehr erholsam und so störe ich mich nicht an der Tatsache, daß mich Waldboden, enge Kurven und knackige Anstiege ausbremsen. Lediglich die zwischendurch immer wieder anzutreffenden Sandkuhlen, die mit dem Liegerad mit 20-Zoll-Vorderrad nur durch schieben zu bewältigen sind, lassen mich etwas an der Streckenwahl zweifeln. Bei Tesperhude geht es wieder auf eine Straße bzw. einen besser befestigten Ufweg. Am Kernkraftwerk Krümmel vorbei fahre ich nach Geesthacht.
Nach wenigen Kilometern, in Hamburg Bergedorf, beginnt es erneut zu regnen. Ich ziehe meine Regenklamotten über und fahre weiter. Bei Billstedt hat der Regen aufgehört, die Sonne kommt durch und die Straßen dampfen. Ich entledige mich wieder der Schutzkleidung und folge einem gut ausgeschilderten Radweg nach Hamburg-Centrum.
Kurz vor dem Berliner Tor aktiviere ich die Routing-Funktion meines GPS (die mit openstreetmap noch immer experimentell ist). Ich biege ab in Richtung Norden und höre schon bald Flugzeuge – ein gutes Zeichen, denn Lars wohnt in der Nähe des Flughafens. Ohne größere Umwege und an wunderschönen Spotterplätzen vorbei, wo noch zwei Maschinen über mich hinweg rauschen kurz vor der Landung, finde ich zu Lars, der mich schon erwartet.
Nach einer warmen Dusche und einem guten Abendessen (Nudeln, was sonst?) schauen wir noch gemeinsam Höllentour, einen Dokumentar-Film über die Tour der France – leider bin ich so müde, daß ich das Ende wohl bei einer anderen Gelegenheit nochmal ansehen muß.
- Strecke: 136,7 km
- Schnitt: 22 km/h netto, 18,2 km/h brutto
- Maximum: 60,88 km/h.
- Reisezeit: Brutto 7,5 Stunden