Samstag, 26.03.2005 - 17:42

Von Gut und Böse

Freude stellte sich ein, als am Abend zuvor die Migration der ersten Kunden auf unsere neue Hard- und Softwareplattform in kurzer Zeit und nahezu ohne Hindernisse geklappt hatte. Doch wer Murphy kennt, der weiß, daß solcherlei Freude in meiner Branche meist ein Vorbote dunkler Schatten ist.

Heute früh um kurz nach fünf war es soweit: Diverse Alarme über ausgefallene Dienste auf verschiedenen Rechnern verhießen nichts Gutes. Von zu Hause war die Ursache des Problem nicht so leicht zu lokalisieren, im Rechnerraum fiel sie dann allerdings sehr schnell auf: Das Netzteil eines Fibre Channel Switches hatte schlapp gemacht. Nicht irgendwann, nein, an Ostern. Schließlich handelte es sich um ein Teil, wo wir nur einen teilweisen Workaround bauen konnten und wo ein Ersatznetzteil gerade nicht auf Lager war.

Mit etwas Aufwand fand sich ein PC-Netzteil und Jörn konnte mit Meßgerät und Erfahrung einen genügend großen Teil der Pinbelegung des Originalnetzteils extrapolieren, um den Switch wieder zum Booten zu bewegen. Da zwar Spannung anlag, aber natürlich nicht alle Steuerleitungen wie beim Original-Netzteil belegt waren, kamen wir in den Genuß der Komik konsequenter Programmierung: Die Maschine behauptete doch tatsächlich steif und fest, sie liefe derzeit ohne Strom...

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Mittwoch, 23.03.2005 - 18:35

Ein ganz normaler Tag

An einem ganz normalen Tag in einem ganz normalen Büro in einer ganz normalen Stadt. Mails kommen an, Telefone klingeln - Kommunikation auf Hochtouren. Ganz normal. Manche Tage sind allerdings dann doch immer etwas normaler als andere, wenn mal wieder Tag der Helden ist, dann tritt all die Normalität etwas gehäuft auf.

Wir haben hier heute:

  • Geister gejagt: Accounts, die es nie gab, gingen verloren, als die zugehörigen Accounts, die es gab, auf ein anderes System umzogen. Irgendwann war die Geisterstunde dann aber auch vorbei, als wir uns verständigen konnten, daß es die fraglichen Accounts einfach wirklich nie gab
  • Mit echt wichtigen Leuten Kontakt gehabt: Für erheblich wichtige Projekte, die an plötzlich nicht erreichbaren Leuten hingen theoretische Planungen durchgeführt, die furchtbar unwichtig wurden, sobald es um Verträge ging
  • Alte Gräber geöffnet: Gar unkonventionelle Inhalte von eher unwichtigen Datenfeldern korrigiert, die eigentlich in frischen Fällen nur deswegen so aussahen, wie sie aussahen, aber nicht aussehen sollten, weil Leute Mailaccounts anlegen konnten, die das bisher nicht konnten, es aber jetzt können müssen


Und das alles neben all den Dingen, die eigentlich wirklich unsere Arbeit sind.

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Sonntag, 20.03.2005 - 14:45

Die Gedanken sind frei?

Liebe Leute bei GMX: Noch immer läuft Eure Werbung mit dem Slogan Die Gedanken sind frei. Ich muß ganz ehrlich gestehen, daß dieses nervige singende Kind in dieser Werbung zwar schon fast genug wäre, reflexartig wegzuschalten, allerdings ausgerechnet zu einem Zeitpunkt diesen Slogan zu wählen, an dem die TKÜV (Telekommunikations-Überwachungsverordnung) technisch umgesetzt wird, empfinde ich als extrem unangebracht. Wir stehen an einem Punkt, wo jeder große Provider - und damit auch GMX - gezwungen ist, verschiedenen Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden das beliebige Mitschneiden der E-Mail-Kommunikation eines jeden Bürgers zu ermöglichen. Diese Überwachungsmaßnahmen sind dabei derart vereinfacht und vor allem keiner sinnvollen Kontrolle unterworfen, daß von Verhältnismäßigkeit keine Rede sein kann. Was im Zusammenhang mit Gedanken in E-mails also wirklich frei ist, ist lediglich der Zugriff Dritter darauf.

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten,
sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!


Kein Mensch braucht Gedanken in E-Mails zu erraten, sie fliegen auch nicht vorbei, wie nächtliche Schatten: Gedanken in E-Mails liegen auf dem Silbertablett.

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Donnerstag, 17.03.2005 - 11:40

CeBIT '05

Auch dieses Jahr konnte ich nicht widerstehen und habe die Gelegenheit wahrgenommen, einen Tag über die CeBIT zu laufen. Echte Neuigkeiten findet man dort seit der Erfindung des WWW natürlich nicht mehr: Über alles hat man schon gehört und gelesen. Der eigentlich interessante Punkt ist, dort konzentriert Leute treffen zu können, Fragen zu stellen - und sich über die Antworten zu wundern.

Ist die Branche erwachsener geworden im letzten Jahrzehnt? Nach einem Gang über die CeBIT neigt man zu einem eindeutigen "Nein". Älter? Ja. Größer? Ja. Lauter und bunter? Ja. Aber auch ein höherer Anteil an Schlipsen macht die Branche nicht erwachsener. Ich versuche mir gerade eine Industriemesse oder eine Nutzfahrzeugmesse vorzustellen, die überraschend von einem Publikum wie auf der CeBIT überrannt wird. OK, die Sales-Druiden mit vielen Buzzwords und wenig technischer Ahnung wird es auch dort geben - keine Frage. Aber wird neben einem hochgezüchteten Spezial-Fahrzeug, das 300 Tonnen ziehen kann und dabei nur 40 Liter Diesel auf 100 Kilometer braucht, ein Team aus Messehäschen stehen Luftmatratzen mit dem Markennamen an Kinder verteilen, die das neben aufblasbaren Sitzkissen und bunten Luftballons kaum noch tragen können? Erwachsene Menschen, die auf Tretrollern zwischen Baumaschinen hin- und herkurven? Ich weiß es nicht, aber ich kann es mir schwer vorstellen.

So ist neben dem ein oder anderen wichtigen Gespräch und all den Leuten, die man wiedertrifft doch immer wieder eines auf der CeBIT von Interesse: Ein Blick in diese irreale bunte Welt, die uns glauben machen will, daß es sich um mehr handelt, als eine Maschine. Sony bringt's mit dem AIBO auf den Punkt. AIBO wird Dein bester Freund. Kein Kommentar.

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Sonntag, 13.03.2005 - 12:40

Ooops!

Samstag, 16 Uhr 15 und 22 Sekunden. Ein leises, unbemerktes Klick geht im Rauschen eines menschenleeren Datacenters unter. Inmitten des akustischen Breis hätte wohl auch ein anwesender Mensch das folgende Abebben des Geräuschs weniger in einem geschlossenen Metallschrank versteckter Lüfter nicht bemerken können. Nichtsdestotrotz bemerkte allerdigs ein Borderrouter in einem anderen Schrank den Carrierverlust auf seinem ATM-Interface. Gemäß seiner Konfiguration erfolgt blitzschnell das Rerouting des Traffics auf einen anderen Uplink. In noch einem anderen Schrank bemerkt eine Telefonanlage den tragischen Verlust eines ISDN Primary Rate Interfaces, teilt das Glück jedoch nicht mit dem vorher erwähnten Borderrouter, eine Ausweichverbindung zur Verfügung stellen zu können. Einige Kilometer von dieser Szene entfernt freut sich der diensthabende Support-Mitarbeiter - ohne zu ahnen, warum er ihm vergönnt sei - über einen ruhigen Samstag Nachmittag. Wenige Kilometer entfernt, in derselben Stadt, beendet der grelle Klang einer SMS den ruhigen Nachmittag eines anderen Mitarbeiters der selben Firma.

Rekonstruktion der Ereignisse: Morgens, natürliches und künstliches Licht lieferten sich im Herzen Berlins am Bahnhof Zoo, den alltäglichen Wettkampf. Die Stadt schläft noch, nur einige wenige sind schon auf den Beinen. In vorgenanntem Datacenter geht ein leises Klick im Rauschen unter. Der Traffic fließt weiter. Das Telefon funktioniert. Der Borderrouter freut sich über die rege Kommunikation mit einem BGP Nachbarn. Die Batterie der USV im Technikschrank eines Telekommunikationsanbieters wird jäh aus dem Schlaf gerissen und beginnt langsam, aber sicher ihre Energie an die sie umgebenden Geräte abzugeben. Techniker, weit entfernt vom Ort des Geschehens, bemerken den Audfall eines Netzteils in selbigem Schrank, beschließen einen Austausch zu normalen Bürozeiten - es sind ja schließlich redundante Netzteile - und messen dem Vorfall keine weitere Bedeutung bei. Den Verlust der Spannungsversorgung auf den funktionierenden Netzteilen bemerken sie genausowenig, wie die sich leerenden Batterien der USV. Und so bleibt dann auch eine Benachrichtigung beim Kunden (sprich bei einem meiner Kollegen oder mir) aus.

Die Ereignisse nach ca. 16:30 Uhr fasse ich kurz zusammen: Anruf bei der Hotline des Telekomanbieters. Klärung der Situation. Eröffnung eines Tickets. Ich fahre in die Firma. Ich finde die rausgknallte Sicherung, schalte sie wieder ein. Internetuplink und Telefon funktionieren wieder. Meldung der Ergebnisse an den Telekomanbieter. Mitarbeiter desselben wird Montag das defekte Netzteil tauschen. Ticket bleibt derweil offen.

Überraschung um 23 Uhr und 45 Minuten. Aus der lustigen Runde am Samstag abend reißt mich kurzfristig der Anruf eines Mitarbeiters des Telekomanbieters. ich befürchte das Schlimmste - ist die Sicherung schon wieder draußen??? Nein. Alles prima. "Dürfen wir das Ticket dann schließen?"...

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Dienstag, 08.03.2005 - 10:26

Der Migrator

Daß die Technik sich schnell entwickelt haben wir alle schon mitbekommen. Daß Kategorien wie "schnell" in Sachen Computer manchmal deutlich anders definiert werden müssen, als bei Autos oder Waschmaschinen, das weiß der Anwender auch - spätestens wenn er das neu erstandene völlig veraltete Gerät auf seinem Schreibtisch anschaut. Daß man von alter Technik auf neue Technik ohne erhebliche Verluste migrieren kann, das wissen vermutlich nur Admins. Und da auch nur Admins von Betriebssystemen, die sich nach ihrer Erfindung in den frühen 70ern (des 20. Jahrhunderts) dem Trend zur ständigen Neuerfindung des Rades nur mäßig bis gar nicht angeschlossen haben, sondern ihren alten Grundsätzen weitestgehend treu geblieben sind. Die Unixoiden als ruhender Pol des Informationszeitlters.

Ein wahres Fundstück aus meiner Reihe privater Migrationen tauchte dann gestern auf. Da fand jemand auf meinem Rechner eine ungelesene Mail. Soweit nichts ungewöhnliches. Diese Mail schlummerte allerdings ungelesen sei über 13 Jahren (seit dem 08.02.1992 um genau zu sein!) an dieser Stelle. Wohl die Folge eines nicht eingerichteten .forward files oder eines nicht aufgelösten Alias. Die in der Mail gestellte Frage hatte sich wohl auf anderem Wege geklärt.

Überlebt hat die Mail die folgenden Migrationen:

  • NeXT slab nach NeXT slab Color, dabei Upgrade auf NeXT Step 3.3
  • NeXT nach SunOS 4
  • SunOS 4 nach FreeBSD 3 auf AMD K6-2 und später AMD K6-3
  • FreeBSD 3 nach FreeBSD 4, dabei Umstellung auf Athlon XP
  • FreeBSD 4 nach FreeBSD 5 unter Wechsel des Diskcontrollers


Ebenso zwei schwere Crashs mit heftigen Filesystemschäden in diversen Verzeichnissen.

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Mittwoch, 02.03.2005 - 20:28

Die richtige Hardware

Man merkt, daß man die richtige Hardware ausgewählt hat, wenn der Entwickler beim Test sener Software erstmal eine Weile die Fehlermeldung sucht, weil er einfach nicht in Betracht zieht, daß das Starten der Software statt zwei Minuten auf den neuen Maschinen nur 13 Sekunden braucht.

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Mittwoch, 02.03.2005 - 20:21

Fundstück der besonderen Art

Heute mal etwas völlig untechnisches: Beim Stöbern in den Pressemeldungen der Berliner Polizei, einer Lektüre, die ich aufgrund ihres immer wieder ergreifenden Schreibstils nur jedem wärmstens empfehlen kann, fand ich einen Artikel, der mir die ein herzhaftes Lächeln ins Gesicht zauberte:

Die Berliner Polizei gibt Schülern in Berlin mit Hilfe eines Teddybären - Entschuldingung, natürlich einer (Zitat) Klappmaul-Schoßpuppe ein Anti-Gewalt-Training. Und weil es natürlich nicht geht, daß einfach nur ein paar begabte Beamte ein Puppenspiel unter Einbeziehung der Kinder machen, muß das in deutscher Tradition durchorganisiert werden. Und weil Organisation nur Spaß macht, wenn man gemeinsam organisiert: "Der Verein für die Förderung des kriminalpräventiven Puppenspiels veranstaltete im Mai in Hamm das Bundessymposium deutscher Polizeipuppenspieler." Nicht genug damit, nein, wir haben in Berlin sogar noch eine Dame, die "zuständig für die Aus- und Fortbildung brandenburgischer Polizeipuppenspieler an der Fachhochschule in Basdorf/Brandenburg" ist. Und ein Uni-Professor sorgt "für den Feinschliff in Puppenführung und Dramaturgie".

Was muß unsere Generation verkorkst sein, als das Kasperle noch ohne Hilfe von Dramaturgen und Verhaltenstrainern dem Krokodil mit dem Knüppel eins über den Schädel ziehen konnte.

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