Immer wieder bringen Politiker, wenn
es um Terrorgefahren geht, die
schmutzige Bombe ins Spiel.
Zuletzt war das am 28.01.2006 unser Bundesinnenminister, Wolfgang
Sch�uble. In einem Interview mit der
Welt Am Sonntag fielen die folgenden
S�tze, die ich hier einmal ein wenig analysieren m�chte. Herr
Sch�uble ist ein erfahrener Politiker und ein geschickter Redner,
ich bin nur ein technisch versierter Sysadmin - und kann nicht
ausschlie�en, da� sich weit mehr hinter den �u�erungen versteckt,
als ich vermag, zu interpretieren.
Nicht anders gekennzeichnete Zitate stammen aus dem
Interview der
Welt am Sonntag von Hernn Sch�uble.
Tats�chlich l��t die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
oder schmutzigem Material die Gefahr wachsen, da� wir mit solchen
Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus rechnen
m�ssen.
Dieser Satz dient im wesentlichen einem einzigen Zweck: Er stellt
Massenvernichtungswaffen und sogenannte schmutzige Bomben in einen
Zusammenhang. Ein zweifelhafter Zusammenhang: Eine (nukleare)
Massenvernichtungswaffe beruht auf dem Prinzip der Kernspaltung.
Sie setzt ungeheure Mengen Energie in Form einer gewaltigen
Explosion mit anschlie�ender Druck- und Hitzewelle frei. Dabei
entstehen erhebliche Mengen radioaktiver Strahlung, die sich in
einem weiten und durch den radioaktiven Fallout unberechenbaren
Umkreis verbreiten. Auf einen Schlag k�nnen so Millionen von
Menschen get�tet werden, die Sp�tfolgen sind Jahrzehnte, wenn nicht
Jahrhunderte lang zu sp�ren. Eine schmutzige Bombe dagegen ist ein
konventioneller Sprengsatz, dem radioaktives Material beigemischt
wird. Dieses Material hat keinerlei Einflu� auf die St�rke der
Explosion. Der t�dliche Einflu�bereich liegt durch die Explosion
also im Bereich weniger Meter bis zu einigen zehn Metern, im Innern
von Geb�uden naturgem�� h�her als au�erhalb. Das nukleare Material
der schmutzigen Bombe soll durch radioaktive Strahlung, die durch
die Explosion "gro�r�umig" verteilt wird t�ten. Menge und
Intensit�t der Strahlung sowie der Radius der Ausbreitung ist nicht
ann�hernd vergleichbar mit den Folgen der Explosion einer atomaren
Massenvernichtungswaffe. Zur Wirksamkeit des Prinzips kommen wir
sp�ter noch.
Zwischen den Zeilen: Die Gefahr durch die schmutzige Bombe
wird stark dramatisiert, sie wird in die N�he von
Massenvernichtungswaffen ger�ckt. Der medienpr�sente Atomstreit mit
dem Iran wird als Aufh�nger genommen.
Auf die Frage nach Hinweisen auf Pl�ne f�r solche Anschl�ge bei uns
antwortet der Minister (aus gutem Grunde) ausweichend:
Da� in Kreisen terroristischer Aggressoren - das wei� man,
aus vielem, was man im Internet und sonstwo abfangen kann - solche
mehr oder weniger perversen �berlegungen angestellt werden, ist
leider nicht von der Hand zu weisen.
Die schwammige Formulierung verschleiert, da� es keinerlei
geheimdienstliche Erkenntnisse �ber eine konkrete Bedrohung gibt
(wie an anderer Stelle immer wieder gerne betont wird). Die
Formulierung "im Internet oder sonstwo abfangen" stellt eine N�he
zu Vorstellungen geheimdienstlicher Arbeit her, die mehr an
britische Filme �ber die Spione im zweiten Weltkrieg erinnert. Das
klingt nat�rlich weit dramatischer, als zu sagen, da� entsprechende
Diskussionen problemlos auf radikalen Websites nachzulesen sind.
Die �berwachungsma�nahmen, die allerorten gefordert und
durchgestezt werden taugen n�mlich gar nicht dazu, derlei Pl�ne
auch nur im entferntesten im Voraus erkennen zu k�nnen.
Zwischen den Zeilen: Der �berwachung des Internets wird ein
�bertriebener Stellenwert einger�umt. Die Tatsache, da� keine
konkreten Hinweise vorliegen wird durch eine dramatische
Formulierung ins Gegenteil verdreht.
Neben den umstrittenen Pl�nen zum Einsatz der Bundeswehr im Innern
kommt das Thema auf die Atomwaffenforderung des
Bundesverteidigungsministers a.D. Rupert Scholz. Ich m�chte dieses
Zitat als positives Beispiel nicht unerw�hnt lassen (bevor ich
danach die Legende der schmutzigen Bombe demontiere):
Ich wei� nicht genau, ob er das so gesagt hat. Ich jedenfalls
bin entschieden der �berzeugung, da� die Bundesrepublik Deutschland
dabei bleiben sollte, das nicht zu tun.
DANKE!
Nun nocheinmal zur�ck zur schmutzigen Bombe. Wie ich oben ja schon
er�rterte, hat das Funktionsprinzip mit dem einer Kernwaffe nichts
zu tun, es entspricht eher dem Funktionsprinzip einer Nagelbombe:
Die Wirkung der Explosion durch �nderungen an der Bauart zwecks
t�tlicherer Wirkung verst�rken.
Ob und wie das in einem Ma�e stattfinden k�nnte, der eine
ernstzunehmende Bedrohung darstellt, haben neben Politikern, die
versuchen bestimmte Interessen durchzusetzen, auch schon Leute
untersucht, die etwas davon verstehen. Und auch nicht irgendwelche
Leute, die selbst politische Interessen verfolgen, indem sie die
Gefahr aufplustern oder herunterspielen, zum Beispiel hat es das
Bundesamt f�r Strahlenschutz einem
Papier
getan.
Das BfS kommt in seiner Analyse zu dem Ergebnis, da� au�er
Plutonium-239 kaum ein Material geeignet w�re, eine akut sch�dliche
Radioaktivit�t, vor allem in einem gr��eren Umkreis als wenigen
Metern, zu verbreiten. W�hrend man all die (in diesem Zusammenhang)
ungef�hrlichen Strahlungsquellen aus medizinischen Anlagen, Anlagen
zur Bestrahlung von Lebensmitteln etc. relativ unbemerkt sammeln
k�nnte, handelt es sich bei Plutonium-239 um ein k�nstlich
hergestelltes Isotop, das seine Verwendung im Bau von Atomwaffen
findet. Plutonium ist relativ giftig und es ist ein starker
Alpha-Strahler. Alpha-Strahlung wiederum ist im wesentlichen
gef�hrlich, wenn der Strahler
in den K�rper gelangt, sonst
wir die Strahlung durch die Haut abgeschirmt. Gelangt Plutonium in
den K�rper, setzt es sich dort, wie alle Schwermetalle, f�r eine
lange Zeit fest und verursacht dadurch seine verheerende Wirkung.
Es reicht also nicht, da� man ein paar Kl�mpchen au�en an die Bombe
klebt, man m��te versuchen, einen m�glichst feinen Staub zu
erzeugen un diesen mit der Explosion effektiv zu verbreiten. Nicht
unm�glich, aber auch alles andere als einfach.
Kommen wir jetzt zur Beschaffung. Plutonium-239 wird in einem
aufw�ndigen Proze� als k�nstliches Isotop in Kernreaktoren
hergestellt. Das kann aber auch kein gew�hnlicher Kernreaktor, es
sind spezielle Brutreaktoren, bei denen in einem speziellen
Verfahren die weitere Umwandlung in Plutonium-240 verhindert wird.
Das Geheimnis hinter den "Atomanlagen zur Herstellung
kernwaffentauglichen Materials", an denen viele Staaten sich
jahrzehntelang versuchten. Und auch dann m�ssen gen�gend
Rohmaterialien zur Verf�gung stehen. Der Proze� ist komplex, die
Ausbeute gering, das Rohmaterial selten. Neben den diversen anderen
technischen Problemem bei der kontrollierten Z�ndung einer
Atombombe geh�rt dies mit zu dem Hauptproblemen bei der Herstellung
von Kernwaffen.
Angenommen ein Staat wie der iran ist nun in der Lage, in
Atomanlagen waffenf�higes Plutonium herzustellen - w�rden sie
dieses kostbare Material auf dem Weg zur Bombe Terroristen in die
Hand geben, die damit vielleicht 100 Leute bei einem Anschlag t�ten
k�nnten, wenn sie es denn soweit schafften? Immerhin sind Handling
in Transport ausreichender Mengen auch noch unbemerkt zu
bewerkstelligen. Und aus der Sicht von Terroristen: Das Material
ist schwer zu beschaffen und �u�erst teuer. Um eine Entdeckung zu
evrhindern sind Schutzma�nahmen beim Transport von N�ten, die
ihrerseits die Gefahr einer Entdeckung erh�hen (und damit die
Gefahr, das kostbare Material ohne Wirkung zu verlieren). Und der
ganze Aufwand, um eine Wirkung zu erzielen, die man unter Umst�nden
mit der Ausbringungen toxischer Materialien (Pflanzenschutzmittel,
Rattengift - was wei� ich) vermutlich ebenso erzielen k�nnte.