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21. RTF Rund um Berlin

Von der RTF (Radtourenfahrt) “Rund um Berlin” hatte ich schonmal gehört. Für mich ernst genommen hatte ich das bisher nicht. Weit über 200km am Stück zwischen einem Haufen gut trainierter Rennradler? Bei gut über 200km lag bisher mein Maximum. Zugegeben, mit Gepäck durch das hügelige Mecklenburg-Vorpommern (und quasi ohne Langstreckenerfahrung damals) war das sicherlich eine andere kategorie als im Grüppchen relativ flach um Berlin herumzu fahren ohne nennenswerte Beiladung. Trotzdem, der Gedanke lag mir einfach fern.

Vor ein paar Tagen flimmerte über die Mailingliste der [[rennradgruppe.de]] die Anfrage, ob noch andere dabei sein, der der 21. RTF Rund um Berlin – und die Idee, die Runde mit der Rennliege zu fahren keimte in mir. Die Wettervorhersage sah nicht prickelnd aus: Regen, Regen, Regen. Doch ich bereite mich und mein Rad am Samstag vor. Eine Regenfront verharrte knapp östlich von Berlin, von Westen zog nur langsam etwas heran. Ich beschloss, einfach am Sonntag morgen den aktuellen Stand anzuschauen und dann zu entscheiden, ob ich mich auf den Weg machen wollte.

Der Sonntag morgen kam, mein Wecker klingelte um Viertel nach sechs. Totmüde – das ist wirklich nicht meine Zeit – quälte ich mich aus dem Bett, linste aus dem Fenster und schaute im Internet. Akzeptable Temperaturen, leichte Bewölkung, kein immanenter Regen in Sicht. Ich zog mich an, füllte den Wasservorrat auf, trug meinen M5 CrMo Lowracer die vier Stockwerke nach unten und rollte zur S-Bahn. bei so einer langen Tour mußte ich mich nicht 15km im Stadtverkehr einstimmen, ich würde heute noch genug fahren.

Vorher hatte ich mich erkundigt, wie man auf das Liegerad reagieren würde. Nach einem abendlichen Test, wie es sich mit Helm auf dem Lowracer fährt war klar: gehen tut das, aber es engt das Blickfeld nach hinten ein. Diverse Leute beruhigten mich, daß es bei der Veranstaltung zwar gefordert wird, es aber keine Helmpflicht gibt. Ich ließ den Helm also zu Hause.

Um 07:30 Uhr traf ich am S-Bahnhof Olympiastadion ein, war nicht der einzige der mit S-Bahn anreiste und traf die Jungs von der Rennradgruppe. Gemeinsam fuhren wir zum Start. Ich meldet mich an, zalte den Obulus, bekam die Rückennummer (die ich aus praktischen Gründen dann auf die Heckverkleidung und nicht auf meinen Rücken klebte), der Stempelkarte und eine Wegbeschreibung.

Gegen 08:00 Uhr rollten wir zum Start, starteten aber nicht gleich mit dem ersten Pulk, sondern in einer kleineren Gruppe dahinter. Ich hielt mich, auch wenn es nicht so richtig in Schwung kam, bei der Gruppe auf, bis wir Berlin verlassen hatten. Mit dem Liegerad kann man fairerweise nur ganz hinten, ganz vorn oder neben der Gruppe fahren. Als RTF-Neuling wollte ich nicht vorneweg fahren, dazu fehlte mir die Erfahrung. Neben der Gruppe ist im Straßenverkehr nicht immer angebracht. Und hinten dran wird es schnell anstrengend (vor allem wegen der Konzentration und weil man imemr die Schlußnudel beim Überqueren von Ampeln ist).

Ich erledigte also ein dringendes Bedürfnis am Straßenrand und überlegte mir, wie ich weitermachen wollte, während ich meine Aufholjagd auf die Gruppe startete. Ich beschloss, die Gruppe hinter mir zu lassen und allein weiterzufahren. Ich hatte den Lowracer bisher nie weiter als 100km am Stück bewegt und meine Erwartung an ie Veranstaltung war “mal sehen, wie weit ich komme”. 130, vielleicht 150km? Dann ab in die S-bahn und nach Hause.

Als ich alleine davonzog fand ich meinen Tritt und es wurde deutlich entspannter zu fahren. Vor dem ersten Kontrollpunkt überholte ich noch zwei kleine Grüppchen. An der Kontrolle holte ich meinen Stempel ab, wartete noch kurz auf “meine” Gruppe um mich bei ihnen regulär auszuklinken, genoß die Verpfelgung und machte mich alsdann wieder auf den Weg. Nach und nach holte ich noch einige kleine Grüppchen ein und ließ sie hinter mir. Von der am Start durch einen der Veranstalter prognostizierten Feindseligkeit (“ein paar blöde Sprüche wirst Du da wohl hören!”) war nichts zu spüren. Meist hielt ich mich nur kurz am Schluß der Gruppe auf, bevor ich auf freier Strecke dann mit 40+km/h vorbeizog. In ausreichendem Abstand reduzierte ich dann wieder mein Wohlfühltempo von 35-37km/h.

Die Kilometer flogen nur so dahin, bis nordöstlich östlich von Berlin einige schlechte Straßenabschnitte meine fahrt und auch die Freude etwas bremsten. Aber auch das ging vorbei und in den kurzen Gesprächen am Kontrollpunkt oder beim Treffen auf offener Strecke war schnell klar, auch die Rennradkollegen hatten nicht umbedingt Spaß daran. Und zusammen leidet es sich ja doch viel schöner.

Bei Kilometer 160 der Tour merkte ich, wie ich mich langsam der leistungsgrenze näherte, die Reserven waren aufgebraucht und mein Magen tat sich schwer die Nahrung an den Verpflegungspunkten wirklich bei der Anstrengung zu verarbeiten. Mit etwas Willen, einem Powergel und einer etwas längeren Pause am nächsten Kontrollpunkt kriegte ich das aber wieder in den Griff, trotzdem pendelte mein Tacho jetzt nur noch zwischen 30 und 35 km/h. Das Feld war mittlerweile weit auseinandergerissen, so daß mich dennoch keine Gruppen überholten, an die ich mich hätte hängen können. Ich traf ein paar Einzelkämpfer, da ich aber nichts zu geben hatte, entscheid ich mich, dann dort auch lieber einfach vorbeizuziehen. Das Gelände südlich von Berlin kam mir deutlich welliger vor al im Norden, das kann aber auch einfach Einbildung gewesen sein, weil die Anstrengung ihren Tribut forderte.

Die Kontrollpunkte lagen zum Ende der Strecke (zum Glück) dichter beieinander. Ab dem letzten waren es noch etwa 20 Kilometer – aber die hatten es in sich, ging es doch hier nochmal über die Havelchaussee. Trotzdem beschloss ich auch hier, mich nicht an eine Gruppe zu hängen, sondern das in Einzelkämpfermanier anzugehen. Zum ersten mal schaltete ich auf freier Strecke auf das kleine Kettenblatt, als ich den WIlli erklomm. Nehme ich den mit dem Lowracer sonst bei 22-24 km/h, waren jetzt nach über 200km nur noch ca. 18-19km/h drin. Das reichte dennoch, um ein respektvolles “Gute Geschwindigkeit!” einer Rennradlerin zu erhaschen, die ich überholte. Mit einer kleinen Steigung und etwas Kopfsteinpflaster kam ich endlich am Startpunkt am Olympiastadion wieder an. 221km stabnden auf dem Tacho. 218 waren es offiziell, aber an einer Stelle hatte ich die (sonst hervorragende) Ausschilderung wohl übersehen – und zwei andere mit mir – was mir gute 3km Umweg einbrachte.

Nach dem Erhalt meiner Urkunde über die Teilnahme und einer kleinen Stärkung fuhr ich dann noch mit Leuten aus der Rennradgruppe, die bald nach mir eintrafen, die letzten 15 Kilometer nach Hause.

Fazit: Jederzeit wieder. Das war ein freundliches Miteinander, an keiner Stelle kam verbissenes Rennfeeling oder ein Kampf der Systeme auf, im gegenteil, ich kriegte interessierte Fragen zu meinem Gefährt gestellt und Respekt ob der gefahrenen Leistung. Nunja, ich hab ja auch niemanden geärgert. beim nächsten mal würde ich vermutlich die Runde gleich von Anfang an allein angehen und meine Pausenzeiten etwas kürzer halten (da fehlt dann die Gruppe, die einen weitertreibt…). Aber jetzt müssen sich meine Beine erstmal erholen.

Rund um Berlin – Track

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