Heading North … again

Nach dem sehr erholsamen Ruhetag bei Christoph ging es heute weiter nach Norden. Da sich Christoph beruflich bedingt stark mit der Natur in seiner Umgebung auseinandersetzt, hatte ich in den letzten Tagen wertvolle Informationen mitnehmen können. Meine gesichteten Elche zum Beispiel waren in dieser Gegend eher eine Seltenheit: wegen der Bären- und Wolfspopulation. Ob mich das nun für das Wildcampen beruhigen konnte? Weiter im Norden soll es wieder andersrum sein. Wichtiger aber für meine Etappe: Hinter Orsa geht es erstmal bergauf.

Der Himmel war wolkenlos, es gibt hier nichtmal die bei uns allgegenwärtigen Kondensstreifen der Flugzeuge, die Sonne schien und ich setzte mir meinen neu erworbenen Hut auf. Und dann fuhr ich die nächsten 30 Kilometer quasi nur bergauf. Die kleinen Stücken Erholung dazwischen dienten nur als Rechtfertigung, daß die Steigung danach mit 5% bis 7% gleich wieder richtig zuschlagen durfte. Von 160m ü. NN auf fast 600 ü. NN. Sicher, nichts gegen eine Alpenüberquerung oder gegen das, was mich vermutlich in Norwegen erwartet. Aber ein ganz schöner Humpen, wenn man seine 150km Tagesschnitt schaffen möchte.

Die Landschaft wird zwar nicht eintönig, gerade die kleinen Seen und Flüsse bieten immer wieder idyllische Anblicke am Rand der Straße und manche der Rastplätze laden zum Verweilen ein – leider kommen die meist ghenau dann, wenn man aus lauter Verzweiflung gerade vorher an einem weniger schönen Platz eine Pause gemacht hat. Die Vorstellung, jetzt eine Woche durch genau diese Landschaft zu fahren ist meditativ schön auf der einen Seite, auf der anderen auch irgendwie etwas bedenklich.

Plötzlich sehe ich vor mir auf dem grauen Band der Straße einen leuchtend gelben Punkt. Dieser bewegt sich, wird langsam größer und Autos machen einen großen Bogen drum. Das kann nur ien Radfahrer sein! Ich lege einen Zahn zu und hole den Radfahrer ein. Besser gesagt die Radfahrer. Ein Ehepaar auf einem gelben Tandem mit Anhänger! Die Wahrscheinlichkeit für dieses Treffen auf der Straße hatte ich als äußerst gering eingeschätzt, eher erwartet, die beiden vielleicht zu überholen, wenn sie auf einem Campingplatz pausieren und ich abends noch am Fahren bin. „Hallo, Guten Tag!“, sage ich freudig. Vier Augen blicken mich fragend an … „Do you speak english???“ – Ich bin verdutzt, mir war ja von einem deutschen Ehepaar erzählt worden – in WIrklichkeit sind die beiden aber Franzosen, die schon von ihrer Heimat an der Atlantikküste aus unterwegs sind, zum Nordkap und zurück wollen. Wir unterhalten uns kurz auf der Straße und beschließen, eine gemeinsame Essenspause einzulegen. Helene und Gilles (ich hoffe, ich buchstabiere das gerade halbwegs korrekt) haben vier Monate Zeit. Sie zollen mir Respekt für meine Kilometerleistungen – insgeheim bin ich eher neidisch auf die viele Zeit, die sie für die Reise haben. Sie waren auf dem Campingplatz in Orsa und fahren etwa 80km pro Tag, so trennen sich unsere Wege nach Austausch der Internetadressen und Erinnerungsfotos wieder, denn ich will heute noch bis hinter Sveg und habe es etwas eiliger. Ich sehe sie nochmal kurz wieder, weil ich nach ein paar Kilometern eine Pause mache, um Wasser nachzubunkern.

Die Flüsse hier oben sind langsam sauberer, wenn ich nicht genug Leitungswasser hätte, damit würde ich problemlos kochen und es vermutlich sogar direkt trinken. Apropos Leitungswasser: Wo immer ich hinkam in Schweden versicherte man mir, daß an gerade dieseer Stelle einfach das beste Wasser aus der Leitung käme. Es schmeckt tatsächlich immer etwas unterschiedlich – über besser oder schlechter mache ich mir bei meinem Durst wenig Gedanken.

Die Fahrt nach Sveg ist wenig ereignisreich, Sveg auch eher ein verschlafener Ort, allerdings bietet er eine Pizzeria (wie immer im türkischer oder arabischer Hand) und offene Supermärkte, so daß ich mich noch versorgen kann. Am Sonntag wird das schwierig – nicht weil Sonntag ist oder keine Orte kommen, sondern weil am schwedischen Nationalfeiertag kein Geschäft offen hat. Wasser werde ich irgendwo bekommen, ansonsten muß ich morgen dann wohl meine Vorräte an Fertigessen dezimieren.

Hinter Sveg fällt mir die Fahrt etwas schwerer, mein rechter Fuß schmerzt ein wenig an der Ferse. Trotzdem krtiege ich die 150km noch voll, so daß mein nächstes Ziel, Östersund, in erreichbare Nähe rückt. Außerdem finde ich durch Zufall einen wunderbaren Lagerplatz, den ich mir mit einem deutschen Camper (Wohnwagen) teile. Ich zelte direkt am Fluß und habe das erste mal mit Mücken zu kämpfen. Diese sind sehr penetrant, aber offenbar noch nicht sehr stechwütig.

Im heller Dämmerung gehe ich um kurz vor Mitternacht schlafen und weiß, in dreieinhalb Stunden beginnt die Sonne mein Zelt zu trocknen, falls sich überhaupt Feuchtigkeit in der Nacht darauf sammelt.

4 Gedanken zu „Heading North … again“

  1. Na, da hast DU das „GELBE“ ja glatt eingehot – super!
    Hoffe Dein Fuß fängt sich auch wieder!
    Aber denke, auch der fängt sich wieder!

    Liebe Grüße aus Berlin,
    M.

  2. Über Bären und Wölfe würde ich mir in Schweden weniger Sorgen machen. Soweit ich weiß gab es bisher nicht die Probleme, die z.B. aus Kanada bekannt sind. Natürlich können auch Bären in Schweden gefährlich werden, es gab mal einen Fall, in denen ein Bär einen Jogger angegriffen hatte. Da standen sich aber auch beide plötzlich im Wald gegenüber…
    Vielfraße sollen da gefährlicher sein – und im Grenzgebiet zu Norwegen die Moschusochsen!
    By the way: Berichte über Elchpopulationen sind in Schweden auch stark von Interessengruppen geprägt. Da, wo die Elche seltener werden, sind schnell Raubtiere in Verdacht, für die Dezimierung verantwortlich zu sein. Nicht die Jäger, der Verkehr oder die Forstwirtschaft…

    1. Bären können dann ein Problem werden, wenn Du zwischen eine Mutter und ihr Jungtier gerätst. Also bei keinen Bären immer Augen auf, ob die da noch was größeres zugehört.

  3. Hallo Olli, habe auch gerade mehr als 2 Stunden beim Arzt gesessen. Wir beide sozusagen gemeinsam. Wir hoffen, bei Dir geht alles gut. Wir denken an Dich. Klaus und Karin

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