Für das Pfingstwochenende war nicht das beste, vor allem aber sehr windiges Wetter vorhergesagt. Wind aus Nordwest bis West. Nun kommt östlich von Berlin bereits nach kurzer Zeit Polen. Zum einen steht man dort Jaaa bekanntlich nicht so auf Radfahrer und Vegetarier (zumindest eines davon trifft vollumfänglich auf mich zu), zum anderen wird auch der Rückweg aufwändiger. Also blieb nur, den ersten Tag bis nahe an die polnische Grenze zu fahren und sich anschließend gegen den Wind kämpfen zu müssen.
Unterkünfte oder Camping buchten wir nicht vor, wir wollten sehen, wie weit wir so kommen. Also hielten wir zunächst nur halbwegs Rückenwind Cottbus an.von da wollen wir dann sehen, wo wir schlafen würden.
Aus Berlin heraus ging es über die Ostkrone, am Flughafen Schönefeld vorbei, am BER entlang und weiter in Richtung Süden. Der Nordwestwind machte das fahren leicht. Später drehte der Wind Richtung West, da half er dann weniger als erhofft.
Über weite Teile ist der Track über Radwege oder sehr ruhige Landstraßen geplant. Ausser einem innerörtlichen langen Kopfsteinpflaster hält er auch durchgehend Asphalt bereit.
Die Fahrt geht auf halbem Wege dann durch den Spreewald mit seinen niedlichen Orten, leider dort aber weniger Radwegen (ruhig sind die Strassen aber trotz des langen Wochenendes).
Erst kurz vor Cottbus geht es wieder über Radwege fernab der Strasse, auch in Cottbus selbst fahren wir autostrassenfrei.
In Cottbus steht dann auch die Entscheidung an, wohin für die Nacht. Es gibt zwei alternative Tracks in der Planung. Der eine geht weiter zur Neiße, der andere direkt in Richtung Spremberg am der Spree entlang. Wegen verfügbarer Campingplätze und weil wir einige Kilometer gegen den Wind sparen im gesamten Verlauf entscheiden wir uns für diese Route.
Den ersten Campingplatz finden wir nicht an der angegebenen Stelle, also fahren wir um den See zum Spreecamp Bagenz. Dort ist aber alles voll, zudem ist eine laute Party in vollem Gange (“geht die ganze Nacht durch, wenn das Ordnungsamt die Anlage nicht wieder mitnimmt!“). Helene Fischer läuft, wir entscheiden uns dazu, dem Lärm zu entfliehen, auch wenn es schon nach 21 Uhr ist.
Wenige Kilometer weiter finden wir etwas abseits des Radweges im Wald eine Lichtung, auf der wir unser kleines Camp aufschlagen. Eine mit 5°C kühle, aber trockene und ruhige Nacht.
Den Morgen beginnen wir früh, um nicht Gefahr zu laufen, dass unser kleines Camp entdeckt wird. Um 6 Uhr geht der Wecker, um kurz vor 7 Uhr sind wir abfahrbereit. Von unserer Lichtung müssen wir auf dem Waldweg zunächst zum Radweg zurück, dem wir dann nach Spremberg folgen – in der Hoffnung, dort ein Frühstück zu finden. Neben uns verläuft die Spree, wir fahren am Vorstaubecken vorbei und an der ockerfarbenen Brühe, die sich hier in der Talsperre dann hoffentlich in klareres Wasser verwandelt, wenn sich der Ockerschlamm absetzt.
Als wir nach Spremberg hereinfahren, sehen wir in der Altstadt jemanden mit einer Brötchentüte und fragen nach dem Ursprung. Am Markt finden wir eine offene Bäckerei, in die wir uns setzen können. Wir wärmen uns bei Tee und Kaffee und genießen ein ausführliches Frühstück. Denn ab jetzt geht es gegen den Wind – und der weht mit dreißig bis fünfzig Kilometern pro Stunde.
Zum Glück geht der Weg nach der Ausfahrt aus dem Ort schon bald auf ruhigen Radwegen durch häufig bewaldetes Gebiet, so daß wir gut vorankommen. Vieles hier deutet auf die nahen Tagebaue hin oder aber darauf, daß der Grund, auf dem man fährt, alte Tagebaue waren. Wälder stehen in Reih und Glied, am Wegesrand ein Stein mit dem Hinweis auf einen Ort, der nach hunderten von Jahren dann einfach spurlos verschwand, als die Bagger kamen.
Und natürlich geraten wir auch mitten in die Proteste gegen den fortwährenden Tagebau in Welzow Süd, der noch für viele Jahre die Landschaft auffressen wird. An einem Bahnübergang wird uns das auch fast zum Verhängnis, denn der ist gesperrt, offensichtlich um den Zustrom von Demonstranten zu verhindern. Da der Tagebau aber gestoppt ist, verkehren auch keine Kohlezüge zur Schwarzen Pumpe und wir finden eine Möglichkeit unbemerkt über die Gleise zu kommen. Das ist relativ anstrengend, um die Durchfahrt von Autos zu verhindern, sind in der Mitte Abdeckplatten entfernt und am Rand gestapelt worden, über die wir die bepackten Räder tragen müssen.
Wir erreichen Lieske und damit die wunderschön zwischen den Seen (die gefluetete Tagebaue sind) angelegten Radweg. Dieser fährt sich toll, er ist breit, nicht verwurzelt, der Asphalt glatt. Gespenstisch wirkt jedoch die Tatsache, daß links und rechts des Weges häufig Schilder stehen, die wegen der nachrutschenden Abbruchkanten auf Lebensgefahr abseits des ausgewiesenen Weges hinweisen. Skurril wirken auch Schleusenanlagen zwischen erst teilweise gewflueteten Seen, die quasi auf dem Trockenen stehen, später aber für Sportboote geeignet sein werden. Terraforming in Aktion.
In Geierswalde sehen wir dann, wie die fertige Landschaft aussieht. Mit Yachthafen und Örtchen, fast wie auf einer Modellbahn. Auf dem Radweg ist jetzt mehr los, er windet sich zwischen Seeufer und der Schwarzen Elster, dem Fluß, der hier die Region durchquert und dem wir ab hier folgen werden.
In Senftenberg mach wir Halt und Essen zu Mittag. Gerade als wir fertig sind, zieht die erste Schauerwand über uns hinweg, so daß wir einfach noch kurz bleiben, bis wir weiter fahren.
Zwischen den grauen Wolken schaut immer wieder die Sonne hindurch, so gibt es auf den nassen Wegen schönes Licht – und immernoch jede Menge Wind auf dem Weg in Richtung Westen.
Kurz hinter Senftenberg kommen wir durch Niemtsch – wo uns am Wegesrand der Stand vom Lausitzer Liegeradverleih auffällt. Wir begutachten das Programm und halten ein nettes Schwätzchen mit den Leuten vom Stand. Wir bekommen noch ein paar Tipps bezüglich der Strecke mit auf den Weg und folgen dann dem Radweg an der Schwarzen Elster.
Doch schon nach wenigen Kilometern kommt kurz vor Ruhland der nächste Schauer, den wir an einer Tankstelle und nochmals an einer Bushaltestelle abwettern, bevor es dann auf recht guten Wegen durch den Wald geht. Bevor wir den schützenden Wald verlassen, zieht noch ein kurzer Schauer über uns hinweg, den wir in der mobilen Bushaltestelle (also unter dem Tarp) abwettern.
Kaum aus dem Wald geht es direkt an das Gewässer: WInd direkt von vorn und kein Schutz durch Bäume. Zwar haben wir die Schauer hinter uns, aber der Wind von mehr als 30 Kilometern in der Stunde lässt uns selbst unter größter Anstrengung nur noch schleichend voran kommen. Und weil Wind nun mal ungleichmäßig weht, geht das ganze wohl noch mehr in die Beine, als auf den Mt. Ventoux zu fahren.
In Elsterwerda haben wir uns ein Hotel gesucht, nach dem Einchecken und Duschen machen wir einen gemütlichen Rundgang im Ort, um die Beine zu lockern (nichts ist schlimmer, als direkt nach der Anstrengung stillzusitzen). Anschließend gibt es im zum Hotel gehörenden Restaurant chinesisches Essen.
Beim Frühstück merke ich ein leichtes ziehen in der Achillessehne, aber wenn ich aufpasse, dann habe ich das im Griff, ich kenne das ja schon. Dehnübungen, keine Extremtouren. Dann kriegt sich das wieder ein.
Doch nach dem Losfahren bremst mich etwas anderes: Meine Knie haben mir die gestrige Anstrengung wohl übel genommen. Hier rächt sich der nachlässige Saisoneinstieg – ich bin einfach zu wenig gefahren. Das mit den Knien wird mich noch einige Tage begleiten und bedarf einer Pause, ich kriege kaum Druck auf die Beine – damit ist die Tour dann leider beendet.
Ich beichte Micha mein Problem, der zum Glück viel Verständnis hat. Wir biegen nach Bad Liebenwerda ab, schauen uns das Örtchen an und sitzen noch bei einem zweiten Frühstück in der örtlichen Bäckerei, während wir auf den Zug nach Berlin warten.
Aus dem Zug sehen wir die Landschaft an uns vorbei rauschen – und immer wieder Regen. Ein wenig geknickt bin ich über den Ausgang der Tour natürlich, aber andererseits gibt es natürlich bessere Bedingungen für schöne Touren.