Lange war im Blog nichts los, das heisst aber nicht, dass ich mein Hobby aufgegeben hätte – eigentlich hätte es noch so einiges zu bloggen gegeben, allein mir fehlte Zeit und Muße!
Nichtsdestotrotz war für den Spätsommer noch eine Radreise geplant, mit Micha plante ich eine Tour durch die verschiedensten Regionen Frankreichs. Nun ist die Zeit gekommen, ich sitze im Nachtzug nach Paris (den es leider in Kürze nicht mehr geben wird) und starte ab dort meine Tour. Micha musste leider kurzfristig absagen, ich entschloss mich dann dennoch zu fahren. Nach langer Zeit die erste Reise, bei der ich auf mich allein gestellt bin.
Die Tour, so wie sie geplant ist, hält einige Herausforderungen bereit. Ob ich am Ende bereit bin, alle wirklich anzunehmen wird sich zeigen. Drei Wochen sind geplant und vorbereitet sind viele Kilometer Haupt- und Alternativrouten. Die erste Herausforderung wird sein, am Montag morgen, dem ersten nach den französischen Sommerferien, zur Zeit des dicksten Berufsverkehrs aus Paris herauszukommen. Es geht in Richtung Südsüdwest, nach Orléans, wo ich die Loire erreiche, der ich anschließend in Richtung Atlantik folge.
Die Wettervorhersage sieht bisher recht freundlich aus – wenn sich das Wetter an diese Vorhersage hält, habe ich in den ersten Tagen allerbeste Bedingungen. Ich werde natürlich regelmäßig bloggen. Ob das Live-Tracking in der gleichen Regelmäßigkeit funktioniert und mitläuft werden wir dann sehen.
Ich wachte vor meinem Wecker auf und hatte so noch angenehm viel Zeit. Vor dem Fenster Nebelschwaden und der Blick auf einen der typischen französischen Kanalradwege. War die Tour bis jetzt noch weit entfernt, so erwachte langsam die Lust, endlich mit der Speedmachine wieder unterwegs zu sein. Als ich frisch geduscht in mein Abteil zurück kam und mir mein (doppeltes, so war es schön sättigend) Frühstück gönnte, kam auch langsam die Sonne durch.
In Paris Est hält der Nachtzug lang genug, um die Taschen nicht durch den Zug bugsieren zu müssen, sondern gemütlich über den Bahnsteig zu laufen und das Rad dann zu befreien. Noch auf dem Bahnsteig machte ich das Rad komplett reisefertig, dann rollte ich raus und startete das GPS. Paris am Montagmorgen im Berufsverkehr, der erste Tag nach den großen Ferien in Frankreich. Die Vorstellung bereitete mir Kopfzerbrechen. Aber sobald ich losfuhr, zerstreuten sich die Sorgen sofort. Zum einen bietet Paris viele Radspuren – die auch nicht zugeparkt waren – und zu anderen bringen die französischen Autofahrer selbst im Stadtverkehr Radfahrern viel Respekt entgegen. Es wird nicht gedrängelt, nicht gehupt, man lässt Platz und überholt nicht sinnlos. So machte die Fahrt aus Paris heraus bereits Spaß. Der einzige zu dicht überholende Autofahrer: schwarzer BMW, Münchner Kennzeichen. Ein Schuss, ein Treffer sag ich mal.
Da die Strecke mit 145km für den ersten Tag ja relativ lang war und ich im August wenig Gelegenheit zum Training hatte, erwartete ich, langsam voran zu kommen – das ging aber besser als geplant. Was wirklich zuschlug und im Höhenprofil der Planung kaum erkennbar war: Die vielen Hügel zwischen Paris und Orléans. Das kam am Ende auf fast 900hm, meist sanft, manchmal aber auch zwischen 5% und 7% – das spürt man nach dem ersten und langen Tag dann doch.
Der Weg selbst war unspektakulär. Teils schöne Landschaften, über lange Strecken aber auch Feld an Feld und Dorf an Dorf. Keine Chance, mal hinter’n Baum zu gehen und in den Dörfern keinerlei Infrastruktur. Kein Bäcker, keine offenen Restaurants. Nichts. Und nur Automatentankstellen. Als ich endlich ein offenes estaurant fand hatte natürlich die Küche zu. Und ein Plätzchen zum Kochen abseits der Straße mit etwas Schatten war auch nicht zu finden. So überstand ich den Tag mit Notrationen und fuhr irgendwann hungrig in Orléans ein.
Ich hatte mir ein Hotel in der Stadt gebucht, das Rad stand sicher, ich konnte duschen und hinterher einen kleinen Stadtspaziergang mit ausführlichem Essen machen. Die Stadt ist wirklich hübsch und lohn sicher mal für einen längeren Besuch.
Noch etwas, was ich völlig unterschätzte, da mit ca. 22°C angenehme Temperaturen herrschten und das Wetter in der letzten Woche in Berlin eher zu wünschen übrig liess: Die Sonne. Morgen besser eincremen.
Das Frühstück im Hotel war – für französische Verhältnisse – reichhaltig und so konnte ich um kurz nach halb neun starten. Ich rollte langsam durch die Fußgängerzone runter zur Loire, überquerte diese und folgte dann meinem Track bzw. der gut ausgeschilderten Radroute. Der Weg aus Orléans heraus war angenehm zu fahren, aber nicht sonderlich schön – sobald ich die Stadt allerdings verlassen hatte und auf den Radweg an der Loire wechselte, war der Weg wunderschön.
Über weite Strecken ging es zunächst am Wasser entlang, mal asphaltiert, mal gut verdichtet. Wenn es stark regnet, könnte dies an einigen Stellen zum Problem werden, ich aber hatte eher mit starkem Sonnenschein zu kämpfen. Obwohl nur knapp über 20°C auf dem Thermometer standen, fühlte es sich deutlich wärmer an. Um meine Arme zu schonen, fuhr ich allerdings mit Ärmlingen – irgendwann bringt auch die stärkste Sonnnencreme nichts mehr.
Immer wieder waren alte Landsitze oder kleine Schlösser zu sehen, meist jedoch nur aus der Ferne: kam man in die Nähe war der Blick durch Bäume, Hecken und Mauern versperrt. Grandios dagegen die sich immer wieder öffnenden Ausblicke auf den Fluss.
Um 12 Uhr erreichte ich Blois. Ich hatte bereits Hunger und um 12 Uhr öffnet sich ein kurzes Zeitfenster, innerhalb dessen man in Frankreich ein Mittagessen ergattern kann. So gönnnte ich mir die „Plat du Jours“, ein Entrecote und anschließend einen leckeren Nachtisch. Frisch gestärkt ging es weiter, bald allerdings etwas abseits der Loire. Der Weg war größtenteils ein reiner Radweg oder auf so ruhigen Straßen, daß eigentlich nie ein Auto kam. Zwischendurch ging es auch immer wieder durch kleine Dörfer, hübsch anzusehen und da in einer der touristischsten Regionen Frankreichs selbst außerhalb der französischen Ferien noch ab und an mit geöffneten Cafés.
Bei der Anfahrt auf Tours verpasste ich den richtigen Zeitpunkt für eine Pause vorher, in Tours hatte ich, obwohl die Stadt schön ist, nur das Bedürfnis aus dem Trubel wieder herauszukommen. Und so war ich hinter Tours leergefahren und hatte das Problem, dass die Chancen, irgendeine Unterkunft zu finden (selbst geöffnete Campinglätze mit Zeltwiese sah ich hier nicht so häufig wie gedacht) massiv sinken würden, wenn ich jetzt eine Kochpause einlegte. Ich entschied mich, Villandry anzusteuern und dort auf gut Glück eine Unterkunft zu suchen.
Ziemlich fertig kam ich dort an (vermutlich vor allem fertig von der vielen Sonne), im ersten Hotel, was ich sah ergatterte ich für einen guten Preis ein annehmbares Zimmer – inklusive eines hervorragenden Abendessens sowie Frühstück. Nach einer erfrischenden Dusche und einem kurzen Spaziergang war ich auch in der Lage, etwas zu essen. Ein großer Vorteil in Frankreich: Stilles Wasser gibt es quasi unbegrenzt zum essen. Das ist bei langen Radtouren bei warmem Wetter ein enormer Vorteil!
Eine deutsche Busreisegruppe auf Schlössertour an der Loire hatte den Frühstückssaal für die Zeit zwischen sieben und acht reserviert, so daß ich erst um acht frühstücken konnte, was mich trotz der langen Etappe aber nicht sonderlich störte. Ich genoss das reichhaltige Frühstück, dann machte ich mich bereit. Der Weg führte mich nach wenigen hundert Metern wieder direkt am Wasser entlang. Ob es sich gerade um einen Radweg oder eine Straße mit gelegentlichem Autoverkehr handelt, merkt man hier fast nur an den Schildern.
Nach einigen Kilometern führte die Stecke mich wieder etwas weiter weg vom Fluß, es ging über kleine Straßen und Dörfer. Eines davon fiel mit frisch gemachten Straßen, eine restaurierten und renovierten Kirche, eine Stadthalle, neuer Schule, offenen Geschäften und weiterer Infrastruktur auf. Da direkt daneben ein Atomkraftwerk – davon gibt es hier einige – stand, gehe ich mal davon aus, daß auf diese Weise der Rückhalt in der Bevölkerung erkauft wird. Dörfer ähnlicher Größe haben hier sonst kaum erkennbare Infrastruktur.
Die aufheulende Sirene des Atomkraftwerks, als ich gerade einige Minuten aus dem Dorf heraus war gab mir dann aber doch ein seltsames Gefühl, selbst wenn sie nach nicht einmal einer Minute wieder verstummte. Würde ich den Wein, der hier allerorten angebaut wird, wirklich gerne trinken, wäre auf dem Etikett auch das Kraftwerk zu sehen?
Weingüter begleiteten den Weg für einige Zeit, dann wieder am Fluss kamen Höhlen und Champignonzuchten dazu. Leider gab es in den zugehörigen Restaurants nur ganze Menüs mit diversen Gängen – dafür war ich noch nicht hungrig genug und zudem braucht soetwas auch viel Zeit. Einige weitere Chateaus folgten. Und irgendwann der Hinweis, daß ich den Null-Meridian nun überquert hätte. Nach einer Reihe Nullen zeigte mein GPS fortan westliche Länge an, nicht mehr die gewohnte östliche.
Ich kam halbwegs gut voran und so näherte ich mich dem Punkt, den ich mir persönlich zur Entscheidung gesetzt hatte. Ich wollte auf jeden Fall bis 50km vor Nantes kommen und dann entscheiden, ob ich noch bis Nantes weiterfahren würde. Es fühlte sich nach Fahren an, auch wenn es langsam spät wurde. So buchte ich ein Hotel am Ostrand von Nantes, nicht zu weit vom Track und mit 24h-Rezeption und fuhr. Als ich am Weg ein offenes Restaurant sah, gönnte ich mir noch etwas zu essen.
Leider verstopfte langsam meine Nase, so daß es teilweise anstrengender wurde zu fahren. Trotzdem ging der Ritt durch die Nacht dank meiner Lichtanlage recht gut voran, selbst auf keinen Wegen. Ich merkte nur: aufpassen sollte man hier mit kurzfristig umgeplanten Wegen. Zwar sparte ich sicher einen Kilometer zum Hotel, quälte mich aber auch vorher auf einer 7%-Steigung auf einen Hügel, von dem ich anschließend sofort wieder herunter schoß.
Ich hatte schlecht geschlafen und meine Nase war zu. Kein guter Start in den Tag. Ich frühstückte, machte das Rad abfahrbereit – und hielt nach dem ersten Kilometer zunächst einmal an einer Apotheke. Nasenspray und – zur Sicherheit – ein Thermometer. Außerdem extra starke Sonnencreme für das Gesicht. Dann ging es weiter durch Nantes, zurück zum Track. Laut Tacho kam ich besser voran, als es sich anfühlte.
Im Hafen sah ich eine Schlange von Leute, die auf ein Boot drängten. Am Schild stand etwas von St. Nazaire. Kurzerhand fragte ich, ob sie denn auch das voll bepackte Rad mitnehmen würden und die Antwort war „ja“. Das gab mir die Möglichkeit, den Tag ruhig anzugehen, mit weniger Kilometern, und dennoch voran zu kommen. Die Fahrzeit war mit etwa zweieinhalb Stunden angegeben, die gesparte Strecke waren etwa 60km – das kam also ziemlich gut hin. So ging es auf der Loire entlang bis St. Nazaire, vorbei an diversen Kunstinstallationen. An der Schleuse zum Hafen von St. Nazaire mussten wir warten, der Hafen ist eingerahmt von den großen U-Boot-Bunkern des Atlantikwalls. Kein schöner, aber doch ein beeindruckender Anblick.
Nachdem ich mein Rad von der Fähre hatte, fuhr ich durch den Hafen und weiter zur großen Brücke über die Loire. Diese hatte ich bei der Planung entdeckt und wollte unbedingt drüber fahren. Der Aufstieg verlief einfacher als erwartet, das Fahren auf der Brücke war bei dem schönen Wetter auch unproblematisch, kein Seitenwind, keine regennasse Fahrbahn. Die Schussfahrt nach unten war berauschend.
Der erste Abschnitt meiner Reise, entlang der Loire bis zum Atlantik, lag jetzt hinter mir – und ich gönnte mir erstmal ein Mittagessen. Auf dem durchgehend gut ausgeschilderten Velócèan ging es nun weiter. Vom Ozean sieht man allerdings nur zweitweise etwas, immer wieder geht es weit ins Hinterland – mal sind die Strecken sehr gut, mal gibt es Abschnitte mit festem Kies oder Schotter, die etwas bremsen. Ein paarmal kürzte ich dann einfach über die Landstraße ab.
Die Halbinsel um Préfailles kürzte ich direkt in Richtung Pornic ab, eigentlich hatte ich drüber nachgedacht, mir hier ein nettes Quartier zu suchen. Doch draußen kam schon die Ile de Noirmoutier in Sicht, die Passage du Gois war nicht mehr weit. Und ich wusste, es würde abends eine Möglichkeit zur Überfahrt geben. Also fuhr ich. Zwischendurch hielt ich an, ass ein Crepes mit Schokolade und fragte nach den Tidenzeiten. Die Einheimischen waren nicht überzeugt, ob ich rechtzeitig an der Passage sein würde, ich dagegen schon. Und ich war es auch.
Das Niedrigwasser war irgendwann zwischen 19:15 Uhr und 19:30 Uhr (je nach Quelle), in einem Zeitfenster von eineinhalb Stunden vor bis nach Niedrigwasser ist die Passage befahrbar. Ich war gegen 19 Uhr dort und begab mich also auf die Straße, die die meiste Zeit des Tages unter Wasser liegt und nur bei Ebbe befahrbar ist. Höchste Konzentration ist hier angesagt, besonders auf den Pflastersteinabschnitten, denn durch den Algenbewuchs ist die Straße teilweise sehr glatt. Dass es hier bei der Tour der France zum Massensturz kam wundert mich nicht, bremsen oder ausweichen ist quasi unmöglich.
Auf der Insel angekommen stellte sich die Frage nach der Unterkunft. Eigentlich wollte ich am Atlantik zelten, aber in Anbetracht eines anstehenden Ruhetages und meiner laufenden Nase begrub ich den Plan. Booking.com und HRS gaben nichts her, das erste Hotel, das ich sah war ausgebucht. Aber eine kurze Suche mit dem Navi führte mich zu einem Hotel, das freie Plätze hatte, einen Bruchteil der Vorschläge der Buchungsportale kostete und nicht allzuweit entfernt war. Ich kam gerade rechtzeitig, um sogar noch ein Abendessen zu bekommen, bevor ich ins Bett fiel und sofort einschlief.