On the road again

Nachdem ich mit meinen Touren dieses Jahr ja eher Pech hatte, werde ich jetzt hoffentlich mit meiner September-Tour erfolgreicher sein. Allerdings war auch bei dieser Tour der Start nicht planmäßig. Eigentlich sollte es am Samstag losgehen, doch ein privater Fall von Notfalllogistik bescherte mir am Samstag zwar 800km, allerdings in der Bahn.

R1 bei Potsdam
R1 bei Potsdam

Den Sonntag ließ ich gemütlich beginnen, der Tourstart war erst gegen halb elf. Auf meiner üblichen Südwest-Ausfallstrecke kenne ich mich ja hinreichend aus, so hatte ich zwar nichts vorgebucht, allerdings Dessau als passendes Ziel im Sinn. Da ich ja mit einer samstäglichen Abfahrt gerechnet hatte, hatte ich meine Route etwas länger, aber ruhiger über den R1 via Potsdam geplant. Auch sonntags ist das vermutlich die ruhigere und schönere Strecke aus der Stadt und ihrer Umgebung.

Ich merkte die Defizite bei der Sonnencremenutzung nicht und so lief es auch bei über 30°C und praller Sonne ziemlich gut. Ein Hungergefühl setzte erwartungsgemäß einige Kilometer vor Bad Belzig ein. Vermutlich wäre die bessere Entscheidung gewesen, 10km weiter nach Wiesenburg zu fahren, so landete ich mit im Bad Belziger Altstadtfest.

Elbe bei Dessau
Elbe bei Dessau

Essenstechnisch führte das eher zu einem Imbiss und Teile der Bevölkerung, die mir beim letzten Besuch schon aufgefallen waren zeigten sich auch diesmal wieder in (für einen Berliner) auffälliger Anzahl. Zum Glück bin ich nicht offensichtlich deren Hasszielgruppe, aber unangenehm sind sie mir dennoch.

Hatte ich bis hierher eine Schnitt nahe 29km/h gefahren, sank dieser in der Nachmittagshitze doch etwas. Meine Überlegung, die erste Etappe bis Halle zu verlängern verwarf ich, trotz der frühen Ankunft in Dessau, wo ich gegen 16 Uhr das Eiscafé an der Elbe erreichte. Ich suchte mir eine Unterkunft in der Nähe, auch nah beim Track und ruhte etwas aus, bevor ich in die Stadt lief, um ein Abendessen in passender Größe zu ergattern. Ein Schnitt von knapp 27km/h stand schliesslich bei über 130km immernoch auf dem Tacho.

Sonne, Schienen und schnelle Züge

Nach dem Aufstehen besorgte ich im nahegelegenen Supermarkt zunächst etwas Saft, um Geschmack in meine Getränke zu bringen, erst dann ging es zum Frühstück. Um kurz vor neun ging es zurück auf den Track.

Leere Landstraße hinter Dessau
Leere Landstraße hinter Dessau

Den ersten Teil der Strecke von Dessau bis Halle kannte ich ja hinreichend, ich spulte ihn einfach runter. Über ruhige Landstraßen geht es südwestlich aus Dessau raus, dann weiter durch Quellendorf und Hinsdorf, schließlich von Norden über eine Radweg nach Halle hinein. Einige Straßen später führt mich der Weg an die Saalepromenade. Im Normalfall steuere ich das Schiffsrestaurant Marie-Hedwig an. Dann ist es Sonntag, das Restaurant öffnet um 11 Uhr und ich komme später an. Heute aber ist Montag, das Restaurant öffnet um 12 Uhr und ich bin schon um 10:45 Uhr da. Ich brauche eine Alternative und finde sie ein Stück weiter im Peißnitzhaus-Café. Dort bekomme ich zumindest schon Kuchen und zwei große Rhabarberschorlen.

Von hier biete ich auf den mir unbekannten Teil der Strecke ab, ab jetzt kommen neue Eindrücke. Als erstes ein Stück der alten Hafenbahn, jetzt als Radweg genutzt. Die Ausfahrt aus Halle ist, wie auch auf meinem Standardweg in Richtung Südwest, hakelig. Schlechte Straßen, katastrophale Radwege (oft Benutzungspflichtig) – und zuguterletzt erwische ich, vermutlich aber durch einen Planungsfehler meinerseits, noch Kopfsteinpflaster. Irgendwann biege ich aber von der Landstraße auf einen Wirtschaftsweg ab und finde schließlich den Serviceweg der Schnellfahrstrecke (Bahn) Halle-Erfurt.

Entlang der Schnellfahrstrecke der Bahn
Entlang der Schnellfahrstrecke der Bahn

Wegen der hügeligen Landschaft und der vielen Tunnels und Brücken muss ich den Weg aber bald wieder verlassen und komme dann immer wieder nach diversen Kilometern auf glücklicherweise guten und ruhigen Straßen zur Bahnstrecke zurück. Es ist ein ewiges Auf und Ab, Schatten gibt es nur unter Brücken, wo ich dann oft eine kurze Pause einlege, denn es sind 33°C und die Sonne brennt. Führt mich der Weg auf der Straße durch die Dörfer, so fällt auf, das es keine (geöffneten, falls überhaupt) Gasthäuser gibt, mit etwas Glück finde ich eine Tanke. So kann ich etwas trinken und meine Flüssigkeitsvorräte auffüllen, außer Schokoriegeln gibt es aber nichts Essbares. Aber eine Abkühlung durch die Klimaanlage.

Was folgt, ist ein langer Anstieg in sengender Sonne. Dann eine kurze Abfahrt und wieder geht es rauf bis ich irgendwann die Schnellfahrstrecke wieder an meiner Seite habe. Keine Autos, aber auch kein Schatten (außer unter Brücken), dafür rauschen nebenan die Züge mit irgendwas zwischen 250 und 300 km/h vorbei, ein toller Anblick. Wann hat man schonmal einen ICE in voller Fahrt im Rückspiegel?

Gamme Furt
Gamme Furt

Kurz vor Erfurt erwartet mich noch die Gramme Furt. Vielleicht zweieinhalb Meter breit, ca. 20-30 Zentimeter tief. Da ich sie noch nicht kenne, halte ich ersteinmal an und schaue, wo ich am besten durchfahren kann. Dann rauf auf’s Rad und durch, geht ganz einfach. Mit dem Liegerad kriegt man nicht mal nasse Füße. Und die Felgen sind wieder blank und frei vom Staub der Fahrt.

In Erfurt habe ich ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs, von hier ist es nicht weit zu Fuß in die Innenstadt, wo ich mir einen netten Italiener suche, um meine Energiebilanz zumindest in Teilen wieder auszugleichen.

Ewiges Auf und Ab

Leichter Dunst hing noch über Erfurt, als ich startete. Es dauerte etwas, bis sich das Garmin einkriegte bei der Berechnung der Route, während ich schonmal nach Gefühl losgefahren war, aber schließlich fand ich meinen Weg und mein Navi sind Contenance.

Allee in Thüringen
Allee in Thüringen

Wie so häufig ist die Ausfahrt aus Städten mit großen Straßen und Verkehr verbunden, aber an den Stellen, wo es keinen begleitenden Radweg gab, waren die Autofahrer ungewohnt fair. Das ist gerade bei den vielen Steigungen, wo man langsam voran kommt sehr wichtig. Und Steigungen gab es, bis Ilmenau waren es gerade 40km und ich hatte schon 500 Höhenmeter auf der Uhr.

Hinter Ilmenau ging es dann aber richtig zur Sache, eine lange Steigung mit mehr als 10% erwartete mich. Und in der Abfahrt auf einer engen kurvigen Straße ein Autofahrer, der es wohl eilig hatte und der hinter mir drängelte. Bis er versuchte, die erste Kurve in der gleichen Geschwindigkeit wie ich zu nehmen. Ich hörte quietschende Reifen, fliegenden Kies. Haarscharf ging es gut. Und ich verlor den Kandidaten aus dem Rückspiegel, da seine Eile offenbar schlagartig nachgelassen hatte.

Wetter voraus
Wetter voraus

Auf ruhigen Straßen fuhr ich weiter, auf dem Rennsteig Radwanderweg, der sich auf den Bergen hielt und dann runter nach Hildburghausen. Hier beschloss ich, eine Mittagspause einzulegen, bevor es auf die letzten Kilometer nach Haßfurt ging, wo ich mir eine Bleibe gesucht hatte.

Zwischendurch hörte ich hinter mir dumpfes Grollen, Gewitter bildeten sich um mich herum. Eines lag dann genau vor mir und ich näherte mich langsam. Weniger die Regentropfen, mehr die Häufigkeit an Blitzen und zunehmend kürzere Zeiten zwischen Blitz und Donner veranlassten mich, Schutz zu suchen. Eine Trauerhalle bot ihn mir. Draußen zog das Gewitter langsam durch. Drinnen bemerkte ich, dass etwas aus meiner Hecktasche tropfte. Ich hatte die Getränkeblase falsch gepackt und die Traubenschorle hatte sich in meine Tasche ergossen und die ungeschützten Dinge verklebt. Ein Problem für später.

Irgendwann ließen Blitze und Regen nach und ich fuhr weiter, die Straßen waren zunächst noch feucht, aber sie trockneten schnell. Gegen 18:30 Uhr erreichte ich dann das Hotel. Erste Aktion: Sachen waschen.

Es wird (etwas) flacher

Mein erster Track führte bis nach Rothenburg ob der Tauber, nur knapp 100km. Die Ankunftszeit setzte das Navi schnell auf sehr optimistisch berechnete 13 Uhr fest. Klar, denn die Ausfahrt aus Haßfurt über den Main war zunächst auch relativ flach. Bald aber setzten die Hügel und das ständige Auf und Ab wieder ein, das so auf die Kondition geht, weil man keinen Rhythmus findet.

Straße mit Radweg
Straße mit Radweg

Große Pausen gönnte ich mir indes kaum, lediglich einen Stopp am Drogeriemarkt um eine Mini-Ressource aufzufüllen. Der Zähler stieg und stieg und pendelte sich auf 14 Uhr ein, was dann auch realistisch war. Ich fuhr in Rothenburg ob der Tauber dann unter Jubel und Geknipse einer chinesischen Reisegruppe ein. Und suchte nach einem Restaurant, das einen Platz im Schatten bei gleichzeitigem Blick auf’s Rad (möglichst auch im Schatten) bieten könnte – gar nicht so einfach, am Ende fand ich aber nahe der Stadtmauer einen Italiener.

Vom Spanier, der sich mit dem Wirt auf Spanisch verständigte über den Amerikaner, der beim Wirt Entsetzen auslöste, als er nach Tabasco zur Lasagne fragte war alles für eine herrliche Kulturstudie vorhanden. Allein mir fehlt auf Radreisen der Sinn für derlei Touristentrubel. Und so verließ ich den Ort nach zwei großen Kirschschorlen, einer Pizza, einer großen Spezi, einem großen Eiskaffee und einer Johannisbeerschorle für unterwegs ohne größere Besichtigung.

Endlose Landstraße unter blauem Himmel
Einfach fahren

Das Taubertal war noch sehr hügelig, aber zunehmend wurde die Landschaft flacher und ich folgte oft Radrouten auf ruhigen Wirtschaftswegen oder expliziten Radwegen. Ich wollte eigentlich nur 20-30 Kilometer noch fahren, aber es lief am Ende so gut, das noch gut 60km folgten. Einen Zwischenstopp gönnte ich mir an einem Freibad. Echtes Dorfleben, Eintritt war über den Förderverein geregelt, die Fahrräder vor der Tür standen einfach rum, die Autofenster waren offen. Als Stadtmensch für mich nah am Unvorstellbaren.

Ich folgte dem Tauber-Jagst-Radweg, der in den Jagst-Kocher-Radweg überging und hatte richtig Spaß, aber irgendwann entschied ich mich doch für die Hotelsuche. Zum einen war ich nicht sicher, wie lange man noch spontan ein Zimmer finden würde, zum anderen musste ich ja noch zu Abend essen, waschen und mich frisch machen. In Ellwangen kam ich nach 155km und mehr als 1600 Höhenmetern unter.

Ein kurzer Tag

Am Morgen kaufte ich schnell noch etwas Saft ein, um meine Getränke etwas isotonischer zu gestalten – und für den Geschmack. Im Hotel wurde mir eine Luftpumpe zur Kontrolle der Reifen angeboten, was ich auch gern tat, zumindest vorn. Meinen 9,5 Bar Hinterreifen konnte die Pumpe nicht bedienen.

Im Ebersburger Tal
Im Ebersburger Tal

Auf dem Jagst-Kocher-Radweg fuhr ich dann eher flach weiter. Das Wetter war heute angenehm kühler als in den letzten Tagen, der Himmel war zeitweise bedeckt, was meiner Haut etwas Gelegenheit zur Entspannung bot. Und so vergingen die ersten 25km der heutigen kurzen Etappe von nur etwa 100km wie im Flug, auch wenn ich mich nach den Anstrengungen der letzten Tage etwas schwer tat, auf Tempo zu kommen.

Überraschend war für mich die Landschaft an der Brenz im Eselsburger Tal, das mit einigen steinigen Felsformationen aufwartete. Und in Eselsburg auch mit einem ordentlichen Anstieg. Das Lontal war landschaftlich nochmals anders. Von hier ging es dann nach kurzem Anstieg hinab ins Donautal bei Günzburg.

Ulmer Münster (innen)
Ulmer Münster

Die ganze Zeit fuhr ich entlang einer Regenfront, blieb aber trocken. Bei der Abfahrt zur Donau sah ich vor mir dir Regenfelder und stellte mich darauf ein, heute noch nass zu werden. Doch der Regen zog sich zurück und ich blieb verschont.

Bis Neu-Ulm fuhr ich auf der Straße oder dem begleitenden Radweg, da der Donauradweg hier leider nich durchgehend asphaltiert ist. Dort angekommen kam ich privat unter. Da es erst gegen 14 Uhr war blieb mir noch Zeit, mit meinem Gastgeber Ulm zu besuchen und neben Sightseeing den deutschen Teil meiner Rückfahrt sicherzustellen.

Nach einem netten Abendessen und guten Gesprächen fiel ich dann müde ins Bett.