(Berlin) – Amersfoort – Heusden

Mein Zug ab Berlin Hauptbahnhof fuhr erst um ca. halb elf ab, daher konnte ich den Tag ruhig beginnen und zu Hause noch ausgiebig frühstücken. Um kurz nach halb zehn machte ich mich – mit viel Puffer – auf den Weg und war früh am Hauptbahnhof. Auf dem Weg merkte ich, dass die Schaltung in den unteren Gängen nicht sauber schaltete und ich wollte die Wartezeit nutzen.

Fähre

Beim Runterschalten vor dem Hauptbahnhof sprang die Kette dann zwischen Speichen und Ritzel, so dass ich sie befreien musste und schwarze Hände hatte. Unten im Cube konnte ich die Hände halbwegs waschen. Das Problem führte ich auf ein unsauber eingespanntes Rad nach dem Wechseln der hinteren Bremsbeläge zurück. Das Rad spannte ich also nochmal sauber ein, dann ging es zum Bahnsteig.

Das Radabteil war am Hauptbahnhof nicht übermäßig voll und alle, die einstiegen, waren erfahrene Radfahrer, so dass das Einhängen der Räder ohne Chaos vonstatten ging. Ich nahm meine Tasche ab und nutzte nach dem Anschließen meines Rades den Weg nach Spandau um in die erste Klasse zu kommen – am anderen Ende des Zuges, aber in erquicklicher Nähe zum Bordbistro.

Hafen von Heusden

Die erste Klasse war angenehm leer, selbst die zweite nicht überfüllt. Unerwartet für einen Zug sonntags, wenn in manchen Bundesländern die Ferien enden, in anderen das Ferienende demnächst bevorsteht. So lief die Fahrt entspannt und ich stieg in Amersfoort auf die Minute pünktlich aus dem Zug – mit dem wir die dicke Regen- und Gewitterfront durchfahren hatten.

Kleine Regenschauer drohten zwar noch und kurz hinter Amersfoort tröpfelte es leicht, aber nichts, was die Nutzung von Regenklamotten vorausgesetzt hätte. Auf den typischen niederländischen Radwegen verlief die Fahrt gleichmäßig, entspannt und stressfrei, auch meine Schaltung tat in den unteren Gängen wieder, was sie sollte. Dachte ich zumindest – als ich von der Fähre über den Lek fuhr, sprang die Kette wieder ab, was beim Verklemmen zwischen Ritzel und Speichen zur unerwarteten Vollbremsung führt. Eine genauere Analyse ergab, dass vermutlich das Schaltauge etwas abbekommen hatte, als ich am letzten Arbeitstag auf glatter Fahrbahn weggerutscht war. Ich schaltete etwas vorsichtiger, wegen der Gefahr eines Bruches des Schaltauges wollte ich nicht irgendwo in der Botanik daran herumbiegen. Dies zeitigt aber die Suche nach einer Werkstatt, bevor es weiter in die hügeligen oder gar bergigen Regionen geht.

Auch als der Regen vorbei war, blieb der kräftige Seiten- bzw. Gegenwind. Gepaart mit einer Umleitung und der Umfahrung einer Fähre, die am Sonntag nicht fuhr, führte das – auch weil ich im Zug nur einen Snack gegessen hatte – dazu, dass ich ziemlich hungrig im Hotel in Heusden ankam. Nach dem Duschen gab es daher erst einmal ein schönes Abendessen und anschließend noch einen kleinen Rundgang durch den schönen Ort. Es wurde aber doch langsam empfindlich kühl. Und an warmen Klamotten hatte ich gespart.

Beaucaire – Montélimar

Nach einem Frühstück bei meinen Gastgebern rollte ich vom Hügel fast ohne treten bis an die Rhône hinunter. Die ersten 45km der Strecke legte ich auf Straßen zurück, die jedoch größtenteils ruhig waren, so dass das Fahren nicht allzu stressig war. Es gibt hier Teilstücke der Via Rhona Radroute, die nicht asphaltiert sind. Zwar sind die Oberflächen in der Regel recht gut, aber mit meinen 28mm Reifen fahre ich dann doch lieber Straße.

An Avignon fuhr ich nahezu ohne Kontakt mit der Stadt vorbei. Außer Avignon (wo es auch noch zu früh gewesen wäre) lagen aber nicht viele größere Orte am Weg. Ich versuchte – zu korrekten französischen Zeiten – mein Glück mit einem Abstecher nach Mondragon, doch außer einer Bar, in der ich zumindest etwas trinken konnte, war dort nichts. Vor allem kein Essen.

Die nächste Attraktion war das Kernkraftwerk Tricastin mit dem umliegenden Anlagen. Die hohen Kühltürme dampften nicht, ob nun wegen der Hitze oder wegen Drosselung, weil das Wasser der umliegenden Gewässer bereits wieder zu sehr erhitzt war, ließ sich nicht klären.

Pierrelatte, wo ich im letzten Jahr abgestiegen war, umfuhr ich diesmal – allerdings auf nicht oder schlecht asphaltierten Wegen, deren Zustand in den Karten nicht korrekt markiert war. Dafür kam ich am Modellflugplatz vorbei, wo gerade Modelle mit Turbinen geflogen wurden. Wenigstens gab es also etwas Show als Entschädigung.

Ich entschied mich, nach Montélimar abzubiegen. Der Ort ist hinreichend groß und nett und nach 120km waren die Energiereserven eines französischen Frühstücks auch aufgebraucht. In Montélimar gab es im kleinen Pavillon im Park gegenüber des Bahnhofs sogar um 20 vor 4 Pizza, so dass ich einen Snack hatte, während ich ein Hotel suchte.

Nach dem Checkin begab ich mich auf’s Zimmer, duschte und wusch meine durgeschwitzten Klamotten aus. Zuvor hatte ich die Klimaanlage eingeschaltet. Als ich aus dem Bad kam hörte ich verdächtige Geräusche – die Klimaanlage tropfte in Mengen, die den Fußboden des Zimmers fluteten und den darunter stehenden Mülleimer bereits zur Hälfte gefüllt hatten. So musste ich in ein anderes Zimmer umziehen.

Am Abend gönnte ich mir noch einen Spaziergang durch die Stadt und ein Abendessen, dann ging es ab ins Bett..

Béziers – Grau d’Agde

Wenn auch nur für 30 Kilometer, so sollte es doch heute wieder aufs Rad gehen. Kein Grund, allzu früh aufzustehen bei der kurzen Strecke. Vom Hotel fuhr ich per Aufzug in die Stadt hinunter, ziemlich direkt zum Anfang meines Tracks.

Zunächst führte der Track am Canal du Midi entlang, der hier einen asphaltierten Radweg hat. Dieser Abschnitt ist auch im September noch von Radfahrern aus vielen Ländern, aber auch Ausflüglern und Sportlern frequentiert. Irgendwann musste ich aber abbiegen und einen kleinen Bogen fahren, erst über Vias nach Süden, dann wieder etwas nördlich, um in Agde über den L’Herault zu kommen. Von dort ging es südlich bis vorn zur Mündung an Grau d’Agde, wo mein heutiges Hotel lag.

Da ich viel zu früh da war, stellte ich zunächst mein Rad und das Gepäck unter und vertrieb mir die Zeit mit einem kühlen Getränk. Nach dem Einchecken ging ich zum Strand – ein Bad im Mittelmeer musste jetzt sein und der größere Andrang am Strand war auch eher nachmittags zu erwarten.

Nach einem leckeren Eis widmete ich mich am Handy im Schatten unter Bäumen mit Blick aufs Meer der weiteren Routenplanung. Ich passte meine vorhandenen Tracks leicht an und überschlug, wie weit und wohin ich fahren wollte. Dann machte ich mich im Hotel etwas frisch und gönnte mir zum Abschluss des Tages noch ein Abendessen.

Béziers (Ruhetag)

Da ich noch nicht weiter geplant hatte und mir erst einmal klar werden musste, wie ich weiter fahren wollte, ging ich den Morgen gemächlich an. Nach dem Frühstück fragte ich, ob ich das Zimmer einen weiteren Tag behalten könne, was problemlos ging. Damit hatte ich Zeit, mich zu sortieren.

Schleusentreppe Fonseranes

Den Vormittag verbrachte ich mit einem kleinen Spaziergang. Zuerst ging ich zur Schleusentreppe von Fonseranes mit ihren neun Schleusen im Canal du Midi. Ich kannte diese bereits aus dem Jahr 2019, wo ich dort allerdings mit dem Boot durchgefahren war. Ich schaute mir das Treiben an und gönnte mir ein Getränk. Dann lief ich am Kanal entlang zum Stadthafen und von dort zum nahegelegenen Einkaufszentrum.

Eigentlich brauchte ich einen dünnen Schlauchschal und im Einkaufszentrum gab es ein Geschäft für Sportbekleidung. Sowas hatten sie allerdings nicht und ich wurde auf den örtlichen Decathlon verwiesen, welcher allerdings einige Kilometer entfernt war. So kehrte ich zum Hotel zurück, zog mich um und nahm mein Rad.

Im Decathlon vor den Toren der Stadt wurde ich fündig. Mein mitgenommener Schlauchschal war in ständiger Benutzung, um Mund und Nase zu bedecken und ich wollte einen weiteren als Kopfbedeckung haben.

Pont Vieux und die Kathedrale von Béziers

Als ich wieder im Hotel war, machte ich mich daran, die Planung für die kommenden Tage anzugehen. Nach dem Wälzen von Fährfahrplänen war klar: Ich könnte es via Barcelona bis Mallorca und auch weiter nach Toulon und zurück nach Hause schaffen – allerdings wäre ich auf sehr viele funktionierende Verbindungen angewiesen und das ganze würde ziemlich knapp und stressig. So verwarf ich diesen Plan.

Stattdessen wollte ich auf halbwegs bekannten, derweil im letzten Jahre geplanten und genutzten, Wegen in Richtung Rhônetal fahren und noch mindestens einen Tag am Meer verbringen. Mehr würden es nicht werden, da am Wochenende die Hotels recht voll und teuer waren. Aber eine Nacht im nur 30 Kilometer entfernten Grau d’Agde war drin und so konnte ich wegen der kurzen Fahrzeit noch fast den ganzen Tag am Meer verbringen.

Nach einem Abendessen im Hotel ging es dann ins Bett.

Cercy-la-Tour – Vichy

Draußen maunzte eine Katze, als ich aufwachte. Ich hatte gut geschlafen, aber mein Bauch war etwas flau. Trotzdem ging ich erst einmal zum Frühstück, es gab leckere Dinge, viele von den Gastgebern, einem Schweizerisch-Peruanischen Paar, selbstgemacht.

Auf dem Rad war ich erst gegen dreiviertel zehn. Mit einer kleinen Abfahrt ging es für die nächsten rund 15km noch auf dem flachen Radweg am Canal du Nevernais entlang, die Temperaturen lagen bei noch halbwegs angenehmen 27°C und ich musste mich bereits mit dem Buff vor übermäßiger Sonne schützen. Die Beine hatte ich gut eingecremt und dies schien auch zu helfen.

In Campvert erreichte ich den Abzweig meiner “a”-Route, ich hatte mich aber schon am Vortrag entschieden, die “b”-Route zu fahren. Mehr Höhenmeter, dafür 60 Kilometer kürzer bis zur Zusammenführung beider Optionen nahe des Mittelmeers. Zudem bot die Route die Möglichkeit, durch Vichy zu kommen. Zunnächst stand aber nach Decize, wo es über die Loire ging und ich den Eurovelo 6 kreuzte, Moulins auf dem Plan.

Kurz hinter Decize wich ich von meiner geplanten Route ab, denn diese war auf eine verkehrsärmere Strecke gelegt, was am Sonntag aber keine Rolle spielte, und beim Abbiegen merkte ich, dass dort anderer Asphalt mit deutlich erhöhtem Rollwiderstand (“Bremsbelag”) verbaut war. Ansonsten ließ sich der Tag gut an, obwohl sich mein Bauch nicht ganz beruhigen wollte.

So war ich schon früh in Moulins und entschied wegen des dort stattfindenden Marktes, dem Trubel zu entfliehen und erst einmal weiterzufahren. Eine Entscheidung mit Risiko, aber ich hatte beim besten Willen keinen Hunger. Da es direkt an der Allier keinen Radweg gibt, fuhr ich parallel zur Nationalstraße auf kleinen Straßen, wo mir de facto kein Auto begegnete.

Quellen in Vichy

In Varennes-sur-Allier bog ich in den Ort ab, hatte auf die Pizza keinen Appetit und trotz anderer Info in Google Maps hatte keine der Boulangerien offen. Ich begnügte mich also mit Kaltgetränken und einem Griff in meine Vorräte, bevor es weiter ging. Bis kurz vor Saint-Germain-des-Fossés kürzte ich auf einer größeren Straße ab, dann ging es bald schon nach Vichy hinunter.

In Vichy suchte ich eine Brasserie in der Innenstadt, wo ich zumindest einen Mitleidsapfel bekam. Es hätte im Zentrum auch mehr gegeben, aber ich stellte fest, dass auf den kommenden 20-30 Kilometern, die ich in der Sonne noch gefahren wäre, entweder Orte mit Essen, aber ohne Unterkunft oder umgekehrt waren. So blieb ich nach nur 110 Kilometern in Vichy, suchte mit ein Hotel und machte nach einer Dusche einen Stadtrundgang mit Snack, bevor ich kurz nach 19 Uhr am Ufer des Flusses zu Abend aß.

Zwar war ich nicht so weit gekommen, wie ich wollte, aber der schöne Ort mit seinen berühmten Quellen und das tolle Restaurant am Fluss ließen die Zweifel schnell verfliegen und Urlaubsfeeling aufkommen.