Der Juni schlug eh mit wenigen Kilometern zu Buche – viel zu tun, schlechtes Wetter, Erkältung … irgendwie kam alles zusammen – so daß mir dann auch kleine Fahrten mit wenigen Kilometern schon mal Spaß machten. Trotz der negativen Erfahrungen mit den Radrouten in Mecklenburg-Vorpommern nahm ich mir vor, den Geburtstagsbesuch für meinen Vater zumindest zu einem kleinen Teil mit dem Rad als Verkehrsmittel in Angriff zu nehmen.
Meine Eltern waren mit der MS Andante auf dem Stettiner Haff und in der Peene unterwegs gewesen. Quasi als Geburtstagsgeschenk hatte ich mir überlegt, sie an einen für ihre Fahrten eher ungewöhnlichen Ort zu begleiten: Es sollte aus dem Peenestrom hinaus auf den Ruden, eine kleine deer Peenemündung vorgelagerte Insel, gehen und dann über den Bodden nach Greifswald.
Freitag nach der Arbeit fuhr ich mit der Speedmachine zunächst mal quer durch Berlin zum Bahnhof Gesundbrunnen. Mit dem IC ging es nach Greifswald. Ich wollte dem Freitag-Nachmittag-Chaos in den Regionalbahnen entfliehen – zeitlich bringt die Nutzung des IC gegenüber dem Regionalverkehr auf dieser Strecke quasi keinen nennenswerten Vorteil. Der IC hatte allerdings eine gewisse Verspätung, so daß ich eine Weile am Gesundbrunnen herumstand, bevor es losging. Zwar hatte ich auf meiner Reservierung die Wagennummer verzeichnet, doch dieser Wagen war auf dem Wagenstadsanzeiger nicht als Radwagen ausgezeichnet, so daß ich sicherheitshalber nocheinmal beim Personal zur Bestätigung nachfragte.
Die wenigen Radfahrer in meinem Wagen waren zum Glück alle recht pragmatisch, so daß es keine langen Diskussionen darum gab, daß die Speedmachine besser im langen Aufhänger aufgehoben ist anstatt auf dem eigentlich zugewiesenen Platz. Sonst war der Zug recht leer, so daß ich mir einen angenehmen Sitzplatz in der Nähe suchen konnte, später verschwand ich noch für einen Snack im Speisewagen.
Mit gut einer halben Stunde Verspätung erreichte ich Greifswald, was mich nicht so sehr störte – damit ging mein Plan, die leeren Straßen während des EM-Spiels der Deutschen Mannschaft auszunutzen sehr gut auf. Um meine Eltern nicht zu lang warten zu lassen, wählte ich dann auch den Straßenweg aus Greifswald heraus und sparte mir den teilweise nicht asphaltierten Radweg über Wieck. Sobald ich die Stadt verlassen hatte und die Straße links und rechts von Feldern gesämt wurde, gab es einen gut fahrbaren straßenbegleitenden Radweg bis Kemnitz – was mir trotz der gähnenden Leere entgegenkam, da so viele Fliegen in der Luft waren, daß gucken und Atmen zeitweise einfach keinen Spaß mehr machten.
Von Kemnitz bis Lubmin fuhr ich auf der gut asphaltierten L262 und kam sehr schnell voran. Ich warf einen Blick auf das ehemalige Kernkraftwerk, heute unter anderem Zwischenlager für Atommüll. Ab dort bis Freest war die Straße dann teiwleise etwas schlechter, von Freest bis Kröslin konnte ich nochmal Gas geben. So hatte ich mein Licht zwar zwischenzeitlich eingeschaltet, machte mir wegen des Wassers im Edelux allerdings wenig Sorgen, da ich noch vor Dunkelheit an der Marina Kröslin ankam. Von Greifswald bis Kröslin hatte ich einen knappen 30er Schnitt hingelegt.
Da ich Steg und Platz kannte, wo meine Eltern festgemacht hatten, schob ich das Rad dann über die Scwhimmstege – bei der Länge hätte ich das vielleicht auch fahren können. Früher als angekündigt (von der Verspätung hatte ich berichtet) kam ich also an und meine Eltern begrüßten mich erstaunt. Erstmal ging ich duschen, dann gab es noch ein Abendbrot und einen keinen Rundgang durch die Marina.
Am Samstag vormittag bereiteten wir die Andante vor, legten ab und nahmen Kurs auf den Ruden. Das ist nur etwa eine Stunde Fahrzeit ab Kröslin und auch leicht zu navigieren, denn wegen der diversen Flachs in den Gewässern folgt man hier besser – selbst mit nur wenig Tiefgang – dem betonnten Fahrwasser. Wir hatten westliche Winde um drei bis vier Beaufort, nur wenig Wellengang und eine ruhige Fahrt. Die Speedmachine stand hoch und trocken auf dem Heck der Andante, weit weg vom Salzwasser der Ostsee.
Der Ruden selbst ist eine sehr kleine Insel ohne große Infrastruktur. Es gibt keine Versorgungsmöglichkeiten im Hafen, keinen Stromanschluss, keine sanitären Anlagen. Die Insel hat nur zwei dauerhafte Bewohner, es gibt noch eine alte verlassene Kaserne. Hinkommen kann man nur mit dem eigenen Boot oder einem der kleinen Fahrgastschiffe für Tagesbesucher, die dann nur ca. zwei Stunden auf der Insel bleiben, was allerdings auch ausreicht: Die gesamte Insel (mit Ausnahme der Hafenanlage) ist Naturschutzgebiet. Der Nordteil darf gar nicht betreten werden, auf dem Südteil kann man sich nur auf dem kleinen Rundweg bewegen. Zugang zum Ufer oder Bademöglichkeiten gibt es nicht (mehr).
Auf der Südspitze gibt es einen alten Beobachtungsturm, der für die Raketenversuche von Peenemünde gebaut wurde und heute ein kleines Museum zur Geschichte der Insel beherbergt. Weiterhin gibt es einen alten Lotsenturm, der aber nur von außen besichtigt werden kann und leider in nicht gerade gutem Zustand ist. Damit hat es sich dann aber auch schon mit den Attatktionen der Insel – abgesehen vielleicht von den Unmengen an Vögeln, die die Ufer und den langen Haken an der Südspitze der Insel bevölkern.
Da wir schon mittags diue Insel erreichten, konnten wir uns einen guten Platz an der Ostmole suchen und hatten jede Menge Zeit. Den Inselrundgang verschoben wir auf die Zeit, wenn die Schiffe mit den Tagesgästen abgelegt hatten und genossen die Ruhe. Das Wetter war warm und sonnig, eine frische Brise sorgte dafür, daß es nicht unerträglich wurde. Langsam füllte sich der Hafen auch mit anderen Sportbooten, die teilweise über Nacht blieben. Ich ließ es mir nicht nehmen, einmal die Speedmachine an Land zu heben, um einen Molentweet der besonderen Art zu machen – der leider aufgrund der eher dünnen Mobilnetzversorgung allerdings nur unter großen Mühen und ohne den gewünschten Mappointer rauszubekommen war.
Am Sonntag morgen kündigte ein diesiger Schleier und nahezu Flaute bereits an, daß sich das Wetter bald verschlechtern würde und so brachen wir nicht zu spät in Richtung Greifswald auf. Durch die engen betonnten Fahrwasser, vorbei an den beiden alten Antennentürmen in Verlängerung der Start- und Landebahnen des Flugplatzes Peenemünde und eines ehemaligen Leuchtturms ging es dann auf etwas dünner betonnte Bereiche des Greifswalder Boddens, so daß die Fahrt nach Kompaß das Suchen der Tonnen Vierow und Ansteuerung Greifswald durchaus unterstützte. Zudem setze leichter Regen ein.
In Wieck mussten wir noch ein paar Minuten warten, bis die Brücke öffnete, so daß wir die Ryck aufwärets nach Greifswald fahren konnten, wo wir im strömenden Regen in der Marina der Hansewerft festmachten. Unseren provisorischen (und etwas zu kleinen) Platz tauschten wir später noch gegen einen von Land erkundeten besseren Liegeplatz, dann fuhren wir mit dem Taxi nach Wieck, um dort ein Fischrestaurant aufzusuchen.
Abends nahm dere Wind zu, meine Eltern wollten die angekündigten windigen und regnerischen Tage in Greifswald verbringen. Ich verschob meine Rückfahrt zunächst von Abends – aus Zeitplanungsgründen – auf den kommenden Morgen, entschied mich später aber, von Greifswald aus zu arbeiten und erst am Montag abend mit dem Regionalzug zurückzufahren. Das Wetter lud auch nicht unbedingt dazu ein, eine weitere Tour mit dem Rad zu unternehmen.