Frankreich 2014: Laruns – Sainte-Marie-de-Campan

Kurz vor meinem Wecker weckten mich Geräusche aus dem Nebenzimmer. Ich nutzte die Zeit einfach aus und liess mir etwas mehr Ruhe beim Packen meiner Taschen. Dann ging ich zum Frühstück, wo ich den 2-jährigen englischen Wirbelwind, der mich geweckt hatte, dann kennenlernte.

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Draußen schien die Sonne auf die Gipfel, im Tal war es noch kühl und dunkel. Gerade einmal 12°C als ich mich auf den Weg machte. Als erstes stand der Col d’Aubisque auf dem Plan. Gute 1200 Höhenmeter lagen auf den ersten 17km vor mir. Wie immer fing es sanft an und wuchs sich dann mächtig aus. Gefährlich wird es hier immer, wenn die Serpentinen aufhören. Je höher ich kam, desto öfter kam ich in die Sonne und desto wärmer wurde es. Aufgrund der Steigung hatte ich mich der oberen Schichten allerdings schon bald entledigt.
Am Col d’Aubisque herrschte schon regerer Verkehr als bei den letzten Pässen. Im Wesentlichen war das allerdings der Tatsache geschuldet, daß am Wochenende Massen von spanischen und französischen Motorradfahrern über die Gegend hereinbrechen. Das Verhalten der Motorradfahrer ist respektvoll und freundlich – was der Tatsache allerdings keinen Abbruch tut, daß die meisten Motorräder einfach ziemlich laut sind und Geschwindigkeitsunterschied bei Radfahrern regelmäßig für einen Herzkasper sorgt.
Rennradler überholten mich am Aubisque wenige – aber immerhin sah ich einige. Entgegen kamen hier allerdings fast keine. Die Auffahrt zum Col d’Aubisque bot einige nette Ausblicke auf die wunderschöne Natur, sonderlich spektakulär war sie jedoch nicht. Deshalb nicht weniger anstrengend.
Als ich vom Aubisque runter rollte fiel mir schnell auf, daß es nicht allzu weit runter ging und bald wieder bergauf. Der nächste Pass fehlte in meiner Planung, weil er eben keine lange Auffahrt bot, es war der Col de Soulor. Hinter diesem bot sich dann aber doch die ersehnte Abfahrt in Richtung Argeles Gazost – und damit in Richtung Mittagessen.

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Im Ort fand ich denn auch eine ansprechende Plat du Jour (Tagesgericht), die mir die nötige Energie für den kommenden Aufstieg auf den Tourmalet liefern sollte. Ich füllte die Vorräte an Wasser auf und dann ging es zunächst mal  auf einen netten Bahnradweg, der mir bei der Planung is Auge gesprungen war. Fast flach und sehr gut ausgebaut bot dieser nach dem Mittagessen eine gute Möglichkeit zum Einrollen.
Als ich den Bahnradweg verließ, stand ich plötzlich vor einem Geröllhaufen – die von mir gewählte Straße bzw. Brücke war offenbar einer Naturgewalt aus vielen Steinen und jeder Menge Wasser zum Opfer gefallen. Ich suchte mir also einen kleinen Umweg und dann ging es erstmal – meist sanft – neben einem reißenden Bergbach in einer tiefen Schlucht hinauf zum Fuß des Tourmalet.
Ich füllte meine Getränkevorräte wiederum nach, mixte Mineraldrinks zusammen, dopte mich mit einer Cola. Und dann ging es auf, den Tourmalet zu erobern. 18 nicht allzu flache Kilometer standen vor mir. Die Mottorraddichte hatte erneut zugenommen. Von oben, vom Paß kamen massenweise Rennradler, die offenbar einer Veranstaltung angehörten, denn sie hatten Startnummern. Und es kamen massig alte und neue Sportwagen, auch Teil einer Veranstaltung.
Inmitten der Rennradler war ein einzelner Handbiker – ebenso mit Startnummer. Ich muss sagen: Voller Respekt. Mit dem Handbike auf so einen Pass und mit dem schmalen Dreispurer dann dort auch wieder runter, das ist nicht ohne!
Ich schlich mich langsam und mit ein paar Pausen die Passstraße hoch. Meist waren es sieben bis acht Prozent, zwischendurch kurz weniger, aber auch mal etwas mehr. Wesentlich über elf Prozent ging es nicht hinaus. Aber da es der dritte Pass des Tages war und durch die schiere Länge der Anfahrt zehrte der Tourmalet doch merklich an meinen Kräften. Immerhin war ich dabei, heute einen Tag von 100km und 3000 Höhenmetern zu bewältigen. Und das nicht auf einem 6,7-Kilo-Carbonrenner ohne Gepäck.

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Bei einem Drittel der Strecke kam ein Ort, wo ich kurz pausieren konnte (wieder mit Cola-Doping) und bei Dreiviertel kam noch eine Bar, die mir das gleiche ermöglichte. Noch 2-3 kurze Halte, wo ich fotografierte oder mal eben etwas abkühlte – Temperaturen um 24°C und ständige Sonne machen sich bei so einer Anstrengung noch zusätzlich bemerkbar. Der letzte Kilometer wird noch einmal richtig steil (und teilweise wegen Baustelle oder Schafen recht eng), aber wenigstens ist die gesamte Auffahrt mit frischem sehr glattem Asphalt neu gemacht.
Auf dem letzten Kilometer merkte ich aber, daß ich am Ende meiner Kräfte war, viel war nicht mehr drin. Ich stolperte oben auch mehr vom Rad als daß ich abstieg. Ich zog mir zwei Schichten Klamotten über für die Abfahrt (im Schatten des Berges) und machte eine Verschnaufpause, um wenigstens im Kopf fit für die Abfahrt zu sein.
Dann ging es runter. Schnell, kurvig. Zweimal hielt ich kurz an, um nach Reifen und Bremsen zu sehen – einfach zur Sicherheit und vielleicht weil ich auch eine kurze Pause brauchte, der Fahrtwind bei 70km/h ist auch bei 20°C ziemlich kühl. Als ich feststellte, daß es bald nach der nächsten Abzweigung für mich schon wieder bergauf gehen würde und weil die Kälte meine Beine, die ich bei der Abfahrt ja nur wenig bewegte, auskühlte suchte ich mir das nächstbeste Hotel mit Versorgungsmöglichkeit.
Ich hätte eine Pause gebraucht vor dem Essen, aber zu mehr als zum Duschen war die Zeit nicht da. Und so musste ich mir erst langsam etwas Appetit anessen. Ohne Abendessen wäre nach diesem Tag nicht gegangen.

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