Südwest 2011: Die Sonne lacht

Dienstag, 20.09.2011

Nicht allzu früh lasse ich den Tag beginnen, aber natürlich gibt es nur begrenzte Zeit Frühstück und irgendwann muß ich mein Zimmer räumen. Ich lasse mir Zeit beim Frühstücken, es gibt ein gutes Sortiment (für französische Verhältnisse). Als ich loskomme ist es fast 11 Uhr. Aber was soll’s, ich will ja nur 60 oder 80 Kilometer heute schaffen, der letzte Tag war hart genug.

Die Sonne scheint, es ist kühl, vor allem im Schatten, aber sobald die Sonnen einen trifft wird es angenehm warm. Ich entscheide mich, nicht die Schleife durch Besancon zuende zu fahren, sondern auf wieder zu dem Punkt, wo ich gestern aus der Schleife abbog und dann neben dem Kanal durch den Tunnel unter der Stadt hindurch. Heute endlich kann ich die atemberaubende Landschaft im Hellen genießen, die mir gestern entgangen ist. Gemütlich rolle ich, mache ab und zu Fotopause, betrachte die Gegend. An einem Kanaltunnel, durch den der Radweg leider nicht führt, ist ein “Wasservorhang”, vermutlich, damit keine Vögel oder Fledermäuse den Tunnel bevölkern. Als ich diesen Zustand gerade laut mit mir selbst redend kommentiere, entdecke ich neben mir – gut getarnt – eine Gruppe von ca. 25 Soldaten, bis an die Zähne bewaffnet, die den vor sich hin erzählenden Deutschen auf dem seltsamen Fahrrad vermutlich irgendwie in “Freund/Feind/WTF” einzuordnen versuchen. Keiner schießt, ich bin beruhigt.

Ich muß kurz über den Felsen, unter dem der Kanal hindurchgeht, dann wieder weiter neben dem Wasser und ohne Steigungen (oder Gefälle). Neben mir taucht dann einer der diversen Rastplätze auf, dieser ist bevölkert mit einer Gruppe Tourenradler. Ich geselle mich dazu. Es sind Australier, die (Stück für Stück, jedes Jahr ein bischen) Europa per Fahrrad vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer durchqueren wollen. Wir unterhalten uns gut und ich kriege vom reichhaltigen Picknick genügend ab, um mir ein Abbiegen in die kommenden Orte zu ersparen, das meist eher ernüchternd endet. Ich habe bereits gelernt, daß es im Französischen sehr viele Wörter für “geschlossenes Geschäft” gibt: Boulangerie, Patisserie, Bar, Restaurant, Café, Alimentaire Generale. Geöffnete Geschäfte sind oft mit “Kebab” oder “Chez Alibaba” bezeichnet, aber auch die haben am frühen Nachmittag oft nichts mehr, da sie spätestens um 16 Uhr, meist früher schließen. Supermärkte kenne ich nur von Hinweisschildern, die “10 min” (per Auto, auf stark befahrenen Kraftfahrstraßen) ankündigen.

Der nächste Stop ist Dole, die Geburtsstadt von Louis Pasteur. Von den doversen Cafés kann man mir am Ende eines nennen, das jetzt am frühen Nachmittag etwas anderes als Kaffee oder Eis bietet. Ich verdrücke ein Sandwich. Mittagszeit ist vorbei und der frühe Abend (ab 20 Uhr spätestens 21 Uhr ist nämlich auch wieder alles zu) ist noch nicht da. Ich beginne mich zu wundern, warum es in Frankreich eigentlich nicht Millionen von Hungertoten gibt. Offenbar gibt es irgendeinen Trick. Vermutlich hat er etwas mit Autos, Kraftfahrstraßen und 10 Minuten zu tun.

Hinter Dole fällt mir zunächst auf, daß die Landschaft flacher wird, weitläufiger. Kanal und Fluß vereinigen sich streckenweise. Und der Asphalt wird schlechter, dennoch weiterhin gut fahrbar, wenn auch zeitweise etwas bremsend. Orte kommen erstmal keine mehr. Dann, plötzlich, endet der Kanal an der Saone. Ein kurzes Stück guter Radweg, dann wird es wieder schlechter, auch die Ausschilderung lässt nach, auf einem Stück erwartet mich sogar Schotter. Ich schlage mich irgendwie bis Seurre durch, wo ich einen offenen Supermarkt finde, bei dem ich mich versorge. Ab hier bevorzuge ich die Landstraße, noch 40 Kilometer bis Chalon sur Saone. Ich bin weiter als geplant gefahren, aber Chalon ist groß und wird auch später am Abend eine Möglichkeit bieten.

Auf dem Weg fällt mir ein Ort namens Verdun s/l Doubs. Ich bin irritiert. Ich hatte das ganz woanders eingeordnet. Und liege auch richtig damit, wie mir kurz danach über Twitter versichert wird, das Verdun mit der Schlacht liegt natürlich völlig woanders. Hier treffe ich zwei Deutsche, auf dem Weg nach Lyon. Von dort wollen sie für ihre Rückreise “dann noch schnell nach Genf” radeln. Ich bin mir nicht ganz so sicher, ob ihrer Einschätzung, daß sie da keine bedeutenden Höhenmeter erwarten…

Auf den letzten 20km nach Chalon s/ Saone fällt mir auf, daß die Orte belebter sind, das Mediterrane bilde ich mir sicher aufgrund des guten Wetters ein. Aber Hotel, Auberge, Pension, Chambre suche ich vergebens. Also durch nach Chalon s/ Saone. Dort sind die meisten Sachen voll, aber dank HRS finde ich dann doch ein Plätzchen, leicht abseits. Aber warm, trocken und mit Abendessen.

Auf dem Tacho stehen 149km.

4 Gedanken zu „Südwest 2011: Die Sonne lacht“

    1. Brandenburgische Dörfer sind oft Straßendörfer, alles liegt an der einen Hauptstraße durch den Ort. Das ist hier anders, vermutlich könnte man mehr finden, wenn man wüßte wo. Allerdings machen die Geschäfte hier über Mittag (ausführlich) zu. Restaurants öffnen erst abends. Sowas wie Landgasthöfe scheint es hier kaum zu geben.

  1. Das Öffnungszeitenproplem kann ich von meiner Tour durch Nordfrankreich nach Paris bestätigen. Es scheint mittags ein ganz kurzes Zeitfenster zu geben, in dem man in den Bistros etc. einen – oft hervorragenden – Lunch bekommt, aber wehe man verpasst den. Bis abends gibt es dann nichts mehr, und abends muss man zusehen in kleinen Orten überhaupt etwas warmes zu bekommen, und dann auf jeden Fall vor 20 Uhr. Purer Stress, man ist immer im Unterzucker wenn man nicht aufpasst…

    Da lobe ich mir Polen! In jedem noch so kleinen Dorf ist garantiert immer ein Sklep, Öffnungszeit meist 6-22 Uhr, und auch Sonntags ist lange geöffnet.

Kommentare sind geschlossen.