Falkenstein – Köhra

Der Regen war in der Nacht durchgezogen. Zwar hing der Himmel voller tief grauer Wolken und die Straßen waren naß und wollten so schnell nicht trocknen, aber es war kein weiterer Regen abzusehen. Bei zu erwartenden Temperaturen um 13°C bis 15°C ein sehr angenehmer Zustand. Beruhigt gingen wir zum Frühstück, nachdem wir fertig gepackt und die nachts im Bad getrockneten Zelte eingerollt hatten.

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Nach dem Frühstück ging es los, das Hotel lag ja direkt am Track, so mussten wir nicht erst den Weg dorthin zurück finden. Der Start waren erstmal einige nette Abfahrten in Richtung Auerbach, Steigungen erwarteten uns heute deutlich weniger und wenn dann nur sehr kurze. Nach und nach wurde auch das Wetter freundlicher und die Straßen trocken, kühl blieb es dennoch. Vor allem aber nahm der Wind erheblich zu, der von vorn oder fast schlimmer von der Seite kam.

Micha war auch noch nicht ganz wiederhergestellt und so waren wir erst bei knappen 40km, als wir in Werdau beschlossen, Mittag zu essen. Glücklicherweise hatte der Ratskeller auf, denn sonst gab es dort einfach nichts. Also nicht, daß alles geschlossen hatte, weil wir mal wieder zur falschen Zeit Hunger bekamen – es gab einfach kaum Geschäfte oder Restaurants, alles wirkte am Samstag Mittag wie ausgestorben.

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Auf unserem weiteren Weg stellten wir ein ums andere mal fest, daß die Sachsen unter den Deutschen dem Liegerad die größte Begeisterung entgegen bringen. Immer wieder hörten wir freundliche Zurufe, manchmal sogar begeistertes Anfeuern. Etwas, was ich in dieser Form eher aus den südlichen Gefilden wie Spanien kannte.

Später machten wir noch in einer Sportsbar halt – sie war das erste, was uns zumindest ähnliche Bedingungen wie ein Café bot. Micha stellte fest, daß ihm wohl vor allem Energie fehlt und drückte sich neben einem Snack gleich noch ein Gel rein. Danach ging es wirklich sehr viel besser und wir kamen noch bis Köhra, kurz vor Leipzig.

Köhra – Berlin

Über Nacht hat der Wind nachgelassen, ein Blick aus dem Fenster zeigt uns einen relativ freundlichen Himmel. Ich bin noch immer unsicher, ob es wirklich machbar ist, heute die fast 200km bis nach Hause zu fahren. Zum Frühstück haben wir uns wie üblich um 9 angemeldet, morgens ist es meist noch empfindlich kalt und wir haben auch einen ziemlich Schlafbedarf. Um 6 Uhr aufstehen ist unser beider Sache nicht.
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Das Buffet ist gut bestückt und ich spiele Buffetfräse – während Micha wieder nicht so viel runterkriegt. Mein Frühstück ist gut für 50 bis 70 Kilometer, Micha wird wohl auf Riegel und Gel angewiesen sein. Meine Vorräte habe ich ihm im wesentlichen schon in Aussicht gestellt. Es ist Sonntag, Supermärkte sind heute keine Option – zudem liegen auf unserem Weg auch nicht sehr viele große Orte.

Die Uhr zeigt schon deutlich nach zehn Uhr an, als wir vom Hotelhof rollen. Es sind etwa zwei Kilometer, bis wir back on track sind. Die Landschaft ist jetzt flach, es gibt ein paar kleine Wellen in der Landschaft, aber keine ernsten Berge mehr. Das ist auch gut so, wir versuchen uns an einem gleichmäßigen Tritt, auch wenn wir anfangs doch ziemlich schnell zu Werke gehen.

Unser Weg führt zum Glück an Leipzig vorbei, Stadtdurchfahrten sind für längere Etappen immer ziemliche Killer. Wir hatten diesen Teil des Weges nur relativ blind aus verfügbaren Radweit-Tracks zusammengestückelt – und so birgt der Track die erste Überraschung (das ist nicht negativ gemeint) in Gruna, wo wir die Mulde per Gierfähre überqueren.

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Die Mulde ist hier ein sehr kleiner Fluß, die Fähre entsprechend dimensioniert. Würde man sie quer stellen, würde sie nahezu als Ponton-Brücke taugen.

Alle 25km füllt Micha Energie nach und so läuft es bis zur Elbe an der Fähre Pretzsch auch erstaunlich gut. Und so gebe ich meine Skepsis langsam auf und in unsere Köpfen steht als Ziel Berlin und das eigene Bett auf dem Programm. Da ist es ja dann auch egal, wann man ankommt. Und für Nachtfahrten sind wir lichttechnisch ja gut gerüstet.

Bei mir meldet sich langsam allerdings ein leichtes Hungergefühl und wir kehren kurz hinter der Fähre in der Burg Klöden ein. Hier sind diverse Tourenradler, allerdings fragt jeder nochmal nach, wenn wir sagen, daß wir heute noch bis Berlin kommen (und bereits von irgendwo bei Leipzig kommen). Eine lustige Begegnung gibt es noch, denn einer der Radler erzählt, ein Bekannter habe eine Woche zuvor von zwei Liegeradlern in Füssen berichtet – das können wohl nur wir gewesen sein. Zufälle gibt es manchmal!

Auf dem weiteren Weg klingen die Ortsnamen schon bekannter. Wir kommen langsam ins Einzugsgebiet von Tages- oder Wochenendtouren ab Berlin. Der Urlaubsreiz sinkt, die Heimat ruft und diese Motivation reibt uns vorwärts. So, daß ich irgendwann merke, wie ich langsam in den Trance-Treten-Zustand übergehe. Der ist nicht besonders gut geeignet, um zu zweit zu fahren und so setze ich eine kurze Zwangspause an mit Tee, Mars und Keksen um mich für die letzten 100 Kilometer zu rüsten.
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Eigentlich steht zur Dämmerungszeit noch einmal essen auf dem Plan, doch hier gibt es wenig und die angefahrene Gaststätte bietet aus Alters- und Krankheitsgründen leider nichts mehr an (aus Mitleid kriegen wir aber beide ein Duplo spendiert). So gibt es nochmal Kekse und wir teilen die letzten Gel-Reserven gute 40 bis 50 Kilometer vor Berlin auf. Dann geht es auf in die einsetzende Dunkelheit.

Die Straßen sind leert, wenn auch nicht ganz so leer, wie ich sie eigentlich am Sonntag abend erwartet hätte. Die Kennzeichen werden bekannter, wir sehen die Schilder von Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark. Dann kommen wir auf Strecken, die wir von den Runden mit den Rennradlern kennen.

Bei der Einfahrt über Teltow und Kleinmachnow gibt es leider kein Berliner Ortsschild, an dem wir ein Zielfoto machen könnten – und so improvisieren wir eines an der Zehlendorfer Eiche, wo wir uns trennen.

Ich erreiche um kurz nach 22 Uhr meine Haustür.

1387km und 70 Stunden in Bewegung.

Nachschlag: Video zur Deutschland-Tour

Die Deutschland-Tour mit Michael ist ja schon ein wenig her, trotzdem lag noch immer eine Menge Videomaterial von der Tour rum. Und mit etwas Ruhe bin ich dann mal dazu gekommen, das zusammenzustellen. Viel Spaß beim Ansehen. Ich warte derweil weiter darauf, daß ich wieder aufs Rad darf!

“>Deutschlandreise 2012