Wochenendtour an die Oder – Tag2

Ich hatte lang und fest geschlafen, von der Kälte und den Kranichen draußen nicht das geringste mitbekommen und auch nicht, daß sich Karin schon mit dem Campingplatznachbarn unterhalten hatte. Kleines Lager auf dem CampingplatzAls ich aus dem Zelt kam war der Himmel blau und wolkenlos und ein leichter Dunstschleier lag über dem Wasser des Oder-Nebenarmes. Warm war es noch nicht aber durch die Sonne waren die Temperaturen erträglich.

Um die Zelte zumindest noch ein wenig trocknen zu lassen entschlossen wir uns, ersteinmal zu frühstücken. Wir gingen zur Rezeption und bekamen Brötchen, selbstgemachte Marmelade, Eier, Wurst, Käse und Äpfel – dazu noch warmen Tee bzw. Kaffee für nur drei Euro pro Person. Während wir frühstückten kam auch Klaus schon angefahren und gönnte sich auch noch ein Tasse Kaffee.

Kaum hatten wir das Frühstück beendet packten wir die Taschen und bauten die Zelte ab, denn wir wollten endlich los. Aber vor der Fahrt mußte eine Entscheidung her: Entweder würden wir weiter dem Oder-Neiße-Radweg folgen, der ab hier abseits  der Oder verläuft (die von hier durch Polen und nicht mehr als Grenzfluß fließt) oder aber einen Abstecher nach Polen machen und dort auf kürzerem Weg zum Stettiner Haff kommen. Auf der Brücke über die OderDie Entscheidung fiel für den Weg durch Polen.

Wir überquerten die Oder und fuhren durch Gryfino. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich auf wenigen Kilometern die Umgebung so ändern kann: DIe Qualität der Straßn wurde schlechter und die Häuser sahen auch nicht so schön aus – aber die Geschäfte hatten offen und die Polen zeigte ihre Begeisterung für unsere Liegeräder. Vor allem aber fiel eines auf: Die Autofahrer, die uns überholten taten dies in aller Regel an geeignetes Stellen, fuhren ohne Hupen oder sonstige Beschwerden auch problemlos mal eine halbe Minute hinter uns her, bevor sie in geeignetem Abstand überholten. Eine wahre Wohltat nach Brandenburger Straßenverhältnissen, da konnten selbst die Schlaglöcher das Bild nicht trüben. Und wo es radwege gab (selten), da waren diese meistens besser als die Straßen.

Der Weg nach Stettin war größtenteils nicht so spektakulär, auch wenn man an einigen Stellen das gefühl hattem die Zeit sei vor ein paar jahrzehnten unvermittelt stehen geblieben. Nach Stettin hinein wurde es dann etwas abenteuerlicher, wir wollten nciht auf der dreispurigen, fast autobahnähnlichen, Straße fahren und verzogen uns auf eine Art gemischten Rad- und Fußweg, auch wenn uns der dannmit Treppen konfrontierte (die allerdings die Möglichkeit boten, selbst Liegeräder prolemlos hinunterzuschieben auf den seitlichen Rampen).Klaus auf seiner HP Velotechnik StreetMachine GTe Irgendwann fuhren wir dann doch ein Stück auf der Straße weiter – alle Autos machten ohne Hupen oder ähnlichen Protest einen großen Bogen um uns, bis wir einen breiten Fußweg am Rande der Brücke nehmen konnten. Einen, der dann an einer langen Treppe endete. Karin trug ihr leichtes Rennrad ohne Probleme dort runter, Klaus lud zum Tragen das Gepäck ab und ich ließ mir kurz helfen, das Rad über die Leitplanke auf die Abfahrt zu heben und rollte dann nach unten.

Da wir morgens nicht allzu früh aus dem zelt gekommen waren blieb uns leider wenig Zeit für Stettin und wir entschieden uns auf dem kürzesten Weg durch Police nach Norden zum Haff zu fahren. Die Straße bestand aus Baustellen und Schlaglöchern, sie führte durch Industriegebiete und heruntergekommene Siedlungen, bis es endlich ein kleines Stück durch den Wald ging. Kurz darauf erreichten wir auch schon Trzebież (Ziegenort) am Stettiner Haff.

Da sich langsam etwas Hunger breitmachte suchten wir uns einen netten Gartren-Imbiß, in dem es frischen Fisch gab. Auch die Sprachbvarrieren konnten nicht verhindern, daß wir uns drei leckere Zanderfilets bestellten und zum Nachtisch noch frische Himbeeren mit Eis.

Die Zeit wurde immer knapper und die weitere Strecke über den sogenannten Haffrundweg war nicht ganz eindeutig auf unseren Karten bzw. dem GPS nachzuvollziehen, so mußte ein kurzer Blicküber den Strand und das Wasser genügen, bevor wir in Richtung Nowe Warpno weiterfuhren. Wegen der Unsicherheit über die Fährverbindung (später stellte sich heraus: letzte Fähre 15:20 Uhr – lange bevor wir da waren) beschlossen wir, dem Haffrundweg zu folgen, der auf einigen unserer Fahrradkarten eingezeichnet war. Im wahrsten Sinne des Wortes: Grüne Grenze zwischen Polen und DeutschlandDie ausgeschilderte Abbiegung von der Straße ließ uns dann alelrdings recht schnell erkennen, daß der Haffrundweg wohl eher für Wanderer und nicht für Radfahrer gemacht war: Ein Pfad durch den Wald mit tiefem Sand zwang uns zum Schieben. Zweieinhalb Kilometer. Streckenweise versuchten wir immer wieder mal auf etwas festerem Untergrund zu fahren, doch meist nur wenige Meter.

Wie aus dem Nichts tauchte vor uns eine Lichtung entlang eines Grabens auf, über den Graben eine scheinbar nagelneue Brücke, die etwas verloren in der Landschaft stand. Auf einer Seite der Brücke war ein deutscher, auf der anderen ein polnischer Grenzpfosten angebracht – und hitner der Brücke führte dann wieder nur ein sandiger Pfad weiter. Die Brücke war gebaut auf alten Fundamenten der Randower Kleinbahn, die es schon lange nicht mehr gibt. Vom Bahndamm war nichts mehr zu erkennen, außer eben den Fundamenten der Brücke und ein paar vereinzelten Stücken Schotter auf dem sandigen Weg.

Nach weiteren ca. 500 Metern Schiebestrecke erreichten wir endlich wieder asphaltierte Straßen in Rieth. Via Ahlbeck fuhren wir nach Eggesin, wo wirper Internet die besten Möglichkeiten für die Bahnfahrt nach Berlin zurück ausloteten. Obwohl ich mich heute ziemlich fertig fühlte, trug ich die Entscheidung mit, die längere Strecke nach Jatznick zu fahren anstatt nach Ueckermünde, denn so mußten wir nicht mehr umsteigen udn Zeit war genug.

Auf dem Weg nach Jatznick erwischte mich dann doch eine arge Unterzuckerung, aber nach einem Superzündi (Powergel), einem halben mars und einem Fruchtriegel hatte ich auch dies wieder im Griff, genug zumidnest für die letzten paar Kilometer zum Bahnhof.

In Jatznick hatten wir noch ca. eine Stunde Zeit, bevor unser Zug fuhr und so beschlossen wir, in den ort zu fahren und noch etwas zu essen. Die einzige Möglichkeit bot ein „Saloon“, wo es Pizza und baguette gab. Da unsere Zeit drängte, bot man uns an, unsere Pizzen in der bestellreihenolge ganz nach vorn zu ziehen und so schafften wir es, noch warm zu esse, bevor wir weider zum Bahnhof fuhren.

Klaus hatte sich im Saloon noch ein Wegbier organisiert, Ich hatte für Karin und mich noch ein kleines Fläschen Wein in der Tasche, so daß für die versorgung auf der Rückfahrt gesorgt war.

Wegen einer Türstörung konnten wir das Fahrradabteil nicht nutzen, ein platzmäßig ebenbürtiges Abteil hatten wir für uns, nachdem wir vier oder fünf Bundespolizisten in voller Kampfmontur („kommt ihr von ’ner Wahlparty?“ – „kann man so sagen… Rostock hat gespielt!“) dort vertrieben hatten.

Track 27.09.2009 – Mescherin – Jatznick

Wochenendtour an die Oder – Tag 1

Den ursprünglichen Plan, die Tour am Samstag Morgen um 9 Uhr in Frankfurt (Oder) zu beginnen durchkreuzte ein Stromausfall im Rechenzentrum am Freitag Abend. Sehr schön ausgebauter Radweg auf dem OderdeichStatt zu gemäßigter Zeit ins Bett zu gehen, die Taschen fertig gepackt, informierte ich mitten in der nacht Klaus, der schon am Freitag unterwegs war, und Karin, mit der ich mich am Samstag um 7 Uhr treffen wollte per SMS, daß ich wohl etwas später erst aus dem Bett käme. Als ich nach drei Stunden Schlaf um kurz vor 9 Uhr aufwachte begann ich den Tag dann auch eher verschlafen und langsam.

Die Planänderung sah dann vor, von Lichtenberg mit der Bahn nach Küstrin zu fahren; durch mein in diesem Zustand nicht ganz koordiniertes Verhalten wurde die Zeit allerdings knapp und die Bauarbeiten am S-Bahnhof Ostkreuz machten dann die Hoffnung zunichte, die passende Bahn noch zu bekommen und wir verlegten unser Frühstück von der Bahnfahrt auf den Bahnsteig vor. So wurde es noch später und wir trafen um ca. halb eins mittags in Gusow-Seelow ein, von wo aus wir in Richtung Norden zum Oder-Neiße-Radweg fuhren. Klaus wartete in Groß-Neuendorf bei einem Snack auf uns.

Beim Fahren mit Shorts hatte sich Klaus am Tag vorher einen Insektenstich am Oberschenkel eingefangen (den er selbst nur spüren, nicht aber richtig sehen konnte), der mittlerweile eine ordentliche Schwellung zur Folge hatte.Kopfsteinpflaster und Betonplattenwege gehöre auch dazu Sicherheitshalber suchten wir den örtlichen Arzt auf (auch samstags geöffnet!), der eine Entzündung diagnostizierte und die Stelle ordentlich reinigte und desinfizierte.

Und dann ging es endlich ab auf den Oder-Neiße-Radweg. Dieser ist hier sehr gut ausgebaut: Auf oder neben dem Deich führt ein glatter, asphaltierter Weg in genügender Breite entlang, auf dem man recht gut vorwärts kommt. Rechts von uns konnten wir immer wieder die Oder sehen oder auch schöne Flutflächen. Das Wetter war perfekt zum Radfahren: Um die 20°C und größtenteils sonnig.

Erst kurz vor Schwedt/Oder wurden wir etwas gebremst, da uns einige Kilometer Betonplatten-Web erwarteten (mit kleinen Pflasterstein-Einlagen). Hinter Schwedt wird der Weg deutlich besser, macht aber einige Schlenker entlang eines Oder-Seitenarms und in den Wald, bevor er bei Friedrichstal wieder in gewohnt guter Qualität auf den Oderdeich führt. An diesem Samstag jedoch war der Weg an dieser Stelle wegen größerer Menschenansammlungen nur langsam befahrbar. Zunächst wunderten wir uns, aber eine kurze Nachfrage klärte das Rätsel: Wir waren zur Zeit der Kranichwanderung unterwegs – und wirklich, wir brauchten nur wenige Minuten zu warten, bevor riesige Vogelschwärme laut kreischend über unsere Köpfe zogen, fast konnte man das Gefühl haben, der Himmel verdunkle sich wegen der Vögel – in Wirklichkeit jedoch war es einfach kurz vor Sonnenuntergang.

Klaus organisierte sich (was wegen der Kranichwanderung gar nicht so einfach war) ein Zimmer in einer Pension, da er wegen des Verbands am Bein lieber eine ordentliche Dusche und eine ruhige Umgebugn haben wollte. Der Zug der Kraniche: Faszinierende NaturKarin und ich beschlossen, zum Campingplatz Mescherin weiterzufahren und dort unser Glück zu versuchen. Eine schnelle Passage durch den Wald, Dunkelheit und Kälte senkte sich schon über das Land, und schon waren wir am Campingplatz. Es waren nur noch wenige Camper dort, der Platz schließt im Oktober für die Winterpause. Für moderate 6 Euro pro Person hatten wir freie Platzwahl und suchten uns ein nettes Eckchen nahe am Ufer. Frühstück für den nächsten Morgen bestellten wir auch gleich mit (3 EUR pro Person).

Nach dem Aufbau der Zelte war es an der Zeit noch etwas zu essen und so packten wir den Kocher aus und machten uns einen Topf voll Nudeln mit Soße, perfekte Sportlernahrung eben. Mit dem warmen Essen und einer kleinen Flasche Wein setzten wir uns gemeinsam in mein Zelt und genossen den Abend. Mit einer tafel Schokolade war sogar für einen süßen Abschluß des Abends gesorgt. Da sich bei uns beiden aber Müdigkeit breit machte dauerte der Abend dann auch nicht mehr allzu lang.

Track 26.09.2009 – Gusow-Seelow – Mescherin

Tour der Extreme: Dritte Etappe

Elbe am MorgenSei es wegen der Müdigkeit, sei es, weil wir diesmal einfach einen deutlich besseren Platz für unser Nachtlager gewählt hatten oder eben einfach so: Als wir morgens aufwachten, hatten wir alle gut und lange geschlafen. So packten wir gut gelaunt unsere Zelte ein und fuhren los in Richtung Wörlitzer Park.

Um diese Uhrzeit ist in diesem Park noch nichts los, so daß wir getrost die „Radfahren verboten“ Schilder ignorierten und einmal quer durch den Park fuhren, der von der Feuchtigkeit der Nacht in der Morgensonne funkelte – völlig menschenleer. Wir überquerten eine Hängebrücke, wir erklommen einen der künstlichen Felsen und wir genossen die wunderschöne Landschaft.

Da sich allerdings ein leichter Frühstückshunger breitmachte, beschlossen wir in den Ort Wörlitz zu fahren. Im Park WörlitzSchnell war klar, daß ein offener Bäcker an einem Sonntag hier eine illusorische Vorstellung war, es gab allerdings ein kleiens Lokal, wo wir einkehren konnten und für sieben Euro ein ausgiebiges Frühstück bekamen.

Norbert verabschiedete sich schon etwas früher, er wollte einen früheren Zug von Lutherstadt Wittenberg nach Berlin nehmen, um seinen Sohn noch sehen zu können. Lars und ich blieben noch etwas und machten uns dann in gemütlicher Fahrt auf den Weg nach Wittenberg.

In Wittenberg schauten wir uns die berühmte Kirche mit den Thesen an, aßen die letzten Vorräte auf einer Wiese direkt daneben auf und gönnten uns dann am Markt noch ein Frappé und Kuchen, bevor auch wir den Bahnhof aufsuchten und uns in den RE nach Berlin drängelten (naja, ich hab schon schlimmeres erlebt).

GPS Track vom 23.08.2009

In Berlin angekommen machten wir den dummen Fehler, am Potsdamer Platz auszusteigen, um von dort zum Hauptbahnhof weiterzufahren – wir hatten nicht daran gedacht, daß die Leichtathletik-WM ja gerade in den letzten Zügen lag und so war dieser Teil der Stadt gerammelt voll…

Auf dem mühsamen Weg durch die Menschenmassen entdeckte lars eine Gruppe Japanerinnen – und in Anbetracht seiner anstehenden Japan-Tour wollte er vorbereitenderweise herausfinden, was denn Liegerad auf Japanisch heißt. Es entwickelte sich folgendes kleine Theaterstück:

Am Markt in Lutherstadt WittenbergL: „Do you speak english?“

J: „Yes! Yes!“

L: „Could you tell me, what this kind of bike is called in japanese?“

J: „Yes! Yes!“

(Schweigen aller Beteligten)

L: „Err… I need to know the japanese word for this bike. How do you call this?“

J: „Yes! Yes!“

L: ??!

J: „Thank you!“ (verlassen die Bühne)

Lars quittierte dies mit der Feststellung, daß sein Japan-Trip kommunikativ recht interessant werden könnte.

Am Hauptbahnhof nahm Lars dann deie Variante mit den Regionalzügen, da es im IC keine Plätze mehr gab und mußte sofort los. Ich drehte noch eine kleine Runde durch Berlin, um wenigstens die 300km noch voll zu bekommen.

Tour der Extreme: Zweite Etappe

Gegen 06:30 Uhr kam Bewegung in unser kleines Lager und um kurz nach sieben Uhr waren wir dann abfahrbereit. Die Nacht war kühl, wegen des Lärms von der Autobahn und der nahen Landstraße – und vermutlich weil wir kurz vor dem Schlafengehen Kaffee, Tee und Zucker eingeschmissen hatten – hatten wir alle nur wenig geschlafen.Morgens auf der Elbfähre „Nicht so schnell“ dachte wohl jeder von uns – und doch hatten wir nach kurzer Aufwärmphase schon wieder gute 30 auf dem Tacho. Was uns trieb war vermutlich das Verlangen nach einem heißen Getränk und einem Frühstück.

In Heyrothsberge kurz vor Magdeburg fanden wir einen Supermarkt mit angeschlossener Bäckerei und Fleischerei, wo es Brötchen, Spiegelei, Kaffee und Süßkram gab. Dort machten wir eine Frühstückspause, während sich draußen der morgendliche Dunst verzog und die Sonne durchkam.

Von hier war es nur ein kurzer Ritt nach Magdeburg, wo weitere Heißgetränkeversorgung und Geldnachschub auf dem Plan standen. Und wo wir einen freundlichen Motorradfahrer trafen, der sich zunächst für unsere Räder interessierte und den wir im Anschluß ob seiner Ortskenntnis zum besten Weg in Richtung Harz befragten. Dabei kristallisierte sich heraus, daß der weitere Weg irgendwann über die B81 gehen würde – welche am Wochenende stark befahren ist von den ganzen Touristen, die in den Harz strömten. Das klang stressig.

Wir machten erstmal einen kleinen Abstecher zum Magdeburger Dom. Da wir südlich aus der Stadt fahren mußten entschieden wir, statt durch den Stadtverkehr zu fahren dem Radweg an der Elbe ein wenig zu folgen.

Und als wir dann so durch die grünen Wiesen des Elbufers fuhren und uns die Sonne auf die Bäuche schien und unsere schmerzenden Beine streichelte, als wir darüber nachdachten, daß wir uns gleich über volle Landstraßen zu einem mittlerweile von Touristen überlaufenen Berg quälen wollten, darüber wie sich die ohnehin schmerzenden Glieder anfühlen würden, wenn wir oben wären und ob das überhaupt machbar sei – als wir über all diese Dinge nachdachten, da wurde uns klar, daß wir frei waren – frei, diesen Plan umzuwerfen und das Leben zu genießen.

Von einem extremen Ziel schwenkten wir ins Gegenteil: Extrem ungewzwungen wollten wir weiterfahren. Dem Elbradweg folgen, solange uns der Sinn danach stand und unser Lager aufschlagen, wo es uns gefiel. Wir dachten daran, vielleicht bis Dresden zu fahren. Vielleicht aber auch nicht. Und so fuhren wir. Auf verschlungenen Radwegen, über enge Pfade und auf schmalen Deichen. Geschwindigkeit, Schnitt, Strecke oder der Ort, an dem wir abends sein wollten: egal. Wir fuhren einfach. Wir aßen Pflaumen, die am Wegesrand wuchsen, wir pausierten, wann es uns gefiel. Und fühlten uns frei.

An einem Ort, wo wir anfingen uns zu überlegen, daß etwas zu essen nett wäre fanden wir zwar nichts zu essen, aber einen Fahrradladen, der geöffnet hatte. Und weil eine Schaltung, ein Ritzel und eine Kette (jeweils an einem anderen Rad) etwas Zuwendung gebrauchen konnten kehrten wir dort ein. Der etwas kauzige Besitzer taute mit der Zeit dann doch etwas auf, nachdem wir anfänglich nicht ganz sicher waren, ob er Lust hatte uns zu bedienen. Allein das war ein Erlebnis.

Weiter ging es zum nächsten „Restaurant“, die Anführungszeichen sind an dieser Stelle voll beabsichtigt. Das Essen war … naja, nicht giftig. Und das soziale Umfeld war … nennen wir es mal spannend. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob am Nachbartisch eine Folge Frauentausch gedreht wurde oder ob dort einfach nur der NPD-Ortsverband tagte. Aber die genannten Alternativen beschreiben das intellektuelle Niveau auf jeden Fall ganz gut. 01-friedhofDornburg hatte uns damit aber auch genug Realität (ich hoffe noch immer, es war ein Paralleluniversum) geliefert.

Wir fuhren einfach weiter. In Walternienburg verließ uns Phelim – der hatte sich die Tour wohl etwas anders vorgestellt (wir ja ursprünglich auch) und hatte vor allem in der letzten Nacht etwas gelitten, ohne Isomatte in Norberts BW-Zelt. Wir fuhren weiter. Durch einen Wald auf Schotterwegen. Danach kehrten wir erstmal im nächsten Dorf in ein Cafe ein – kalte Getränke, Kuchen, Eiskaffee lockten – und wegen des Schlafmangels in der letzten Nacht wurden wir langsam müde.

Deshalb legten wir uns zwischen Brambach und Neeken an einem Friedhof in den Schatten einiger Bäume und schliefen erstmal eine Runde. Am Friedhof konnten wir auch Wasservorräte gut auffüllen und die von der letzten Nacht noch feuchten Schlafuntensilien trocknen.

Weiter gings, doch der nächste Zwischenstopp kam bald: ein Supermarkt, wo wir unser Abendbrot zusammenstellten. Wir wollten noch bis zur Elbe und uns dann einen Platz für die Nacht suchen bevor es dunkel würde.

Bei Roßlau-Dessau Nachtlager am Elbuferüberquerten wir die Elbe und folgten dann dem Elbradweg noch bis Vockerode, wo wir nahe einiger Sportschiffer und noch näher an ein paar Anglern unser Nachtlager am Elbufer aufschlugen. Über viel mehr als eine gute Unterhaltung und ein kleines Abendbrot kamen wir aber kaum noch hinaus.

Und dann gingen wir schlafen. Mit der Erkenntnis, daß wir die beste Entscheidung getroffen hatten in Magdeburg. Ohne die Fehler der vorigen Nacht hätte sich die Tour nie so entwickeln können, sichdieses Gefühl von Freiheit und Zufriedenheit kaum eingestellt. Ich bin sicher, daß und ein unter Touris ertrinkender Brocken den Spaß und die Erfüllung, diese Lust auf die nächste Tour niemals hätte so geben können.

Der Brocken läuft nicht weg und wenn auch anders, so werden wir ihn nochmal auf die Liste setzen. Aber nicht diesmal.

GPS Track vom 22.08.2009

Tour der Extreme: Erste Etappe

Am Anfang stand eine Idee: Eine Nachtfahrt und als Tüpfelchen auf dem i dann noch die Bezwingung des Brockens im Harz. Oben auf dem Berg stehen, brüllen, sterben oder was man sonst nach fast 250 Kilometern und einem heftigen Anstieg ganz am Ende dieser Strecke so tun würde. Und so planten wir ein Wochenende ein dafür und suchten noch ein paar Mitstreiter, allesamt Fahrer, die sich noch nicht kannten.

Vier Liegeradler und ein Aufrechter. Einer der Liegeradler, der seine Speedmachine noch recht neu hatte, hatte bereits angekündigt, uns nur ein kleines Stück zu begleiten. Nun, am Freitag abend trafen wir uns in Berlin-Spandau – und es regnete in Strömen. Das Radarbild und die Wettervorhersage versprachen aber: Wenn der Regen vorbei ist, dann wird alles gut. Nachtlager (am Morgen)Und es regnete. Und wir warteten. Abfahrt sollte gegen 19 Uhr sein, um 10 Minuten nach 20 Uhr schließlich ging es los. Und es regnete. Erst als wir Berlin im Südwesten bei Kladow verließen hörte es auch wirklich auf, die Luft und die Straßen blieben aber zunächst feucht. Wir rauschten in den Sonnenuntergang und in die Dunkelheit, zunächst bis zum Abzweig nach Fahrland, wo sich Sascha dann entschied, nicht nach Potsdam abzubiegen, sondern uns noch bis Brandenburg zu begleiten.

In enger Formation fuhren wir über die Landstraßen in die Nacht. Am Abendhimmel konnten wir im letzten Schein der Dämmerung noch sehen, wie die Wolken aufbrachen, später bekamen wir sogar Sterne zu Gesicht. Ketzin durchfuhren wir wie im Fluge und nach etwas mehr als zwei Stunden kamen wir in Brandenburg an, wo sich Sascha dann schließlich in die Bahn setzte.

Wir – jetzt noch Lars, Norbert, Phelim und ich – suchten unseren Weg aus Brandenburg heraus auf die B2, der wir von hier ab bis Magdeburg folgen wollten. Die Nacht wurde tiefer, schwärzer und kühler, aber pedalierten eifrig durch die Dunkelheit. Eine kurze Pause an einer Tankstelle hinter Brandenburg zur Verpflegung, sonst hielten sich die Stopps in Grenzen. Wenn der Führende nicht mehr konnte oder wollte, dann kreiselten wir und jemand anders übernahm die Führung – so kamen wir zügig voran. Die Gruppe hatte ein recht homogenes Leistungsniveau, so daß das Verfahren wirklich gut klappte.

Irgendwann erreichten wir Burg, nicht mehr weit vor Magdeburg. Verpflegungsstopp an einer Tankstelle. Tee, Kaffee, etwas Süßes. Und einer, der den Mut hatte etwas auszusprechen, was uns gemessen an der Reaktion wohl alle schon plagte: Nach eine Woche Arbeit schleicht sich die Müdigkeit irgendwann ein. Und nicht nur ein bischen, sondern so gewaltig, daß Weiterfahren zum Risiko werden würde: Das enge Fahren in der Dunkelheit verlangt Konzentration – und die ließ massiv nach. Und so beschlossen wir die erste kleine Planänderung auf dieser Reise: Irgendwo leicht abseits der Straße eine Wiese suchen, Zelte aufbauen und bis zur Morgendämmerung ein wenig Schlaf finden.

Kurz vor Möser fanden wir unsere Wiese und schlugen unser kleines Lager auf. Der Lärm der nahen Autobahn, der noch näheren Landstraße und der nun gerade erst vor kurzem eingeworfenen Verpflegung (samt Kaffe oder Tee) verfehlten ihre Wirkung nicht: Schlafen konnten wir alle sehr wenig. Aber ein besser wenig als gar nicht.

GPS Track Berlin-Möser