Ich hatte lang und fest geschlafen, von der Kälte und den Kranichen draußen nicht das geringste mitbekommen und auch nicht, daß sich Karin schon mit dem Campingplatznachbarn unterhalten hatte. Als ich aus dem Zelt kam war der Himmel blau und wolkenlos und ein leichter Dunstschleier lag über dem Wasser des Oder-Nebenarmes. Warm war es noch nicht aber durch die Sonne waren die Temperaturen erträglich.
Um die Zelte zumindest noch ein wenig trocknen zu lassen entschlossen wir uns, ersteinmal zu frühstücken. Wir gingen zur Rezeption und bekamen Brötchen, selbstgemachte Marmelade, Eier, Wurst, Käse und Äpfel – dazu noch warmen Tee bzw. Kaffee für nur drei Euro pro Person. Während wir frühstückten kam auch Klaus schon angefahren und gönnte sich auch noch ein Tasse Kaffee.
Kaum hatten wir das Frühstück beendet packten wir die Taschen und bauten die Zelte ab, denn wir wollten endlich los. Aber vor der Fahrt mußte eine Entscheidung her: Entweder würden wir weiter dem Oder-Neiße-Radweg folgen, der ab hier abseits der Oder verläuft (die von hier durch Polen und nicht mehr als Grenzfluß fließt) oder aber einen Abstecher nach Polen machen und dort auf kürzerem Weg zum Stettiner Haff kommen. Die Entscheidung fiel für den Weg durch Polen.
Wir überquerten die Oder und fuhren durch Gryfino. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich auf wenigen Kilometern die Umgebung so ändern kann: DIe Qualität der Straßn wurde schlechter und die Häuser sahen auch nicht so schön aus – aber die Geschäfte hatten offen und die Polen zeigte ihre Begeisterung für unsere Liegeräder. Vor allem aber fiel eines auf: Die Autofahrer, die uns überholten taten dies in aller Regel an geeignetes Stellen, fuhren ohne Hupen oder sonstige Beschwerden auch problemlos mal eine halbe Minute hinter uns her, bevor sie in geeignetem Abstand überholten. Eine wahre Wohltat nach Brandenburger Straßenverhältnissen, da konnten selbst die Schlaglöcher das Bild nicht trüben. Und wo es radwege gab (selten), da waren diese meistens besser als die Straßen.
Der Weg nach Stettin war größtenteils nicht so spektakulär, auch wenn man an einigen Stellen das gefühl hattem die Zeit sei vor ein paar jahrzehnten unvermittelt stehen geblieben. Nach Stettin hinein wurde es dann etwas abenteuerlicher, wir wollten nciht auf der dreispurigen, fast autobahnähnlichen, Straße fahren und verzogen uns auf eine Art gemischten Rad- und Fußweg, auch wenn uns der dannmit Treppen konfrontierte (die allerdings die Möglichkeit boten, selbst Liegeräder prolemlos hinunterzuschieben auf den seitlichen Rampen). Irgendwann fuhren wir dann doch ein Stück auf der Straße weiter – alle Autos machten ohne Hupen oder ähnlichen Protest einen großen Bogen um uns, bis wir einen breiten Fußweg am Rande der Brücke nehmen konnten. Einen, der dann an einer langen Treppe endete. Karin trug ihr leichtes Rennrad ohne Probleme dort runter, Klaus lud zum Tragen das Gepäck ab und ich ließ mir kurz helfen, das Rad über die Leitplanke auf die Abfahrt zu heben und rollte dann nach unten.
Da wir morgens nicht allzu früh aus dem zelt gekommen waren blieb uns leider wenig Zeit für Stettin und wir entschieden uns auf dem kürzesten Weg durch Police nach Norden zum Haff zu fahren. Die Straße bestand aus Baustellen und Schlaglöchern, sie führte durch Industriegebiete und heruntergekommene Siedlungen, bis es endlich ein kleines Stück durch den Wald ging. Kurz darauf erreichten wir auch schon Trzebież (Ziegenort) am Stettiner Haff.
Da sich langsam etwas Hunger breitmachte suchten wir uns einen netten Gartren-Imbiß, in dem es frischen Fisch gab. Auch die Sprachbvarrieren konnten nicht verhindern, daß wir uns drei leckere Zanderfilets bestellten und zum Nachtisch noch frische Himbeeren mit Eis.
Die Zeit wurde immer knapper und die weitere Strecke über den sogenannten Haffrundweg war nicht ganz eindeutig auf unseren Karten bzw. dem GPS nachzuvollziehen, so mußte ein kurzer Blicküber den Strand und das Wasser genügen, bevor wir in Richtung Nowe Warpno weiterfuhren. Wegen der Unsicherheit über die Fährverbindung (später stellte sich heraus: letzte Fähre 15:20 Uhr – lange bevor wir da waren) beschlossen wir, dem Haffrundweg zu folgen, der auf einigen unserer Fahrradkarten eingezeichnet war. Die ausgeschilderte Abbiegung von der Straße ließ uns dann alelrdings recht schnell erkennen, daß der Haffrundweg wohl eher für Wanderer und nicht für Radfahrer gemacht war: Ein Pfad durch den Wald mit tiefem Sand zwang uns zum Schieben. Zweieinhalb Kilometer. Streckenweise versuchten wir immer wieder mal auf etwas festerem Untergrund zu fahren, doch meist nur wenige Meter.
Wie aus dem Nichts tauchte vor uns eine Lichtung entlang eines Grabens auf, über den Graben eine scheinbar nagelneue Brücke, die etwas verloren in der Landschaft stand. Auf einer Seite der Brücke war ein deutscher, auf der anderen ein polnischer Grenzpfosten angebracht – und hitner der Brücke führte dann wieder nur ein sandiger Pfad weiter. Die Brücke war gebaut auf alten Fundamenten der Randower Kleinbahn, die es schon lange nicht mehr gibt. Vom Bahndamm war nichts mehr zu erkennen, außer eben den Fundamenten der Brücke und ein paar vereinzelten Stücken Schotter auf dem sandigen Weg.
Nach weiteren ca. 500 Metern Schiebestrecke erreichten wir endlich wieder asphaltierte Straßen in Rieth. Via Ahlbeck fuhren wir nach Eggesin, wo wirper Internet die besten Möglichkeiten für die Bahnfahrt nach Berlin zurück ausloteten. Obwohl ich mich heute ziemlich fertig fühlte, trug ich die Entscheidung mit, die längere Strecke nach Jatznick zu fahren anstatt nach Ueckermünde, denn so mußten wir nicht mehr umsteigen udn Zeit war genug.
Auf dem Weg nach Jatznick erwischte mich dann doch eine arge Unterzuckerung, aber nach einem Superzündi (Powergel), einem halben mars und einem Fruchtriegel hatte ich auch dies wieder im Griff, genug zumidnest für die letzten paar Kilometer zum Bahnhof.
In Jatznick hatten wir noch ca. eine Stunde Zeit, bevor unser Zug fuhr und so beschlossen wir, in den ort zu fahren und noch etwas zu essen. Die einzige Möglichkeit bot ein „Saloon“, wo es Pizza und baguette gab. Da unsere Zeit drängte, bot man uns an, unsere Pizzen in der bestellreihenolge ganz nach vorn zu ziehen und so schafften wir es, noch warm zu esse, bevor wir weider zum Bahnhof fuhren.
Klaus hatte sich im Saloon noch ein Wegbier organisiert, Ich hatte für Karin und mich noch ein kleines Fläschen Wein in der Tasche, so daß für die versorgung auf der Rückfahrt gesorgt war.
Wegen einer Türstörung konnten wir das Fahrradabteil nicht nutzen, ein platzmäßig ebenbürtiges Abteil hatten wir für uns, nachdem wir vier oder fünf Bundespolizisten in voller Kampfmontur („kommt ihr von ’ner Wahlparty?“ – „kann man so sagen… Rostock hat gespielt!“) dort vertrieben hatten.