Nachdem die Temperaturen stetig über Null bleiben und es weitgehend trocken ist – und vor allem nachdem wesentliche Mengen des winterlichen Splits wieder von den Straßen geräumt wurde, kommt auch die Fraktion der nicht ganz so winterharten Radler wieder aus den Löchern. Nachdem ich mich Anfang der Woche für den Wald entschieden hatte, gab es von Mittwoch bis Freitag ein paar Straßenfahrten. Am Mittwoch zu viert über Krone und Havelchaussee und am Donnerstag und Freitag mit Dominik die Stadtrunde „City Süd“.
Während die Fahrt auf Krone und Havelchaussee zwar auch auch einige körperliche Anstrengung bedeutete, waren die Fahrten durch die Stadt vor allem wegen des Verkehrs anstrengend. Was am Donnerstag noch relativ ruhig war und durch eine Fahrt zu zweit auch ohnehin gut koordinierbar, war am Freitag mit einer größeren Gruppe und eine Stunde früher mit mehr Verkehr unangenehm stressig. Das ständige Bedrängtwerden und das Zusammenhalten der Gruppe zehrte eher am Nervenkostüm als an der Kondition, auch wenn ich am Donnerstag mit der Speedmachine unterwegs war und deutlich merkte, daß ich in etzter Zeit nur Aufrechträder bewegt habe.
Mein Fazit: Entweder wirklich raus auf die wenig befahrenen Straßen oder eben doch lieber in den Wald, der hat eine Menge zu bieten – zum Abschalten nach einem Arbeitstag ist es auf jeden Fall besser!
Nachdem ich in der letzten Zeit ja sehr viel mit meinem Upright unterwegs war und die Speedmachine und der Lowracer verwaist an ihren Plätzen standen, entschied ich mich heute, wenigstens zur Arbeit und zurück mit dem Reiselieger zu fahren.
Schon auf dem Weg zum Büro, wie immer im Moment für die Winterpokalpunkte ein kleiner Umweg, damit ich auf die geforderten 15 Minuten komme, merkte ich, daß ich meine Liegeradmuskeln doch arg vernachlässigt hatte in letzter Zeit. Es mochte einfach nicht der recht Schwung aufkommen und auch nicht die gewohnten Geschwindigkeiten.
Während der Vormittag mir Sonne und blauen Himmel vor dem Bürofenster zeigte, zog es sich am Nachmittag zu und das Regenradar zeigte ein von Süden aufziehendes Regengebiet. Als ich mit der Arbeit fertig war zeigte das Radar, daß die Ausläufer bereits über Berlin hinwegzogen. Allein: Draußen regnete es nicht. Das kann bei sehr feuchtrer Luft oder tief Wolken schoneinmal vorkommen. Und obwohl ich keine Sportklamotten dabei hatte entschied ich mich, noch eine kleine Runde zu drehen. Vielleicht einmal die Krone hoch und runter.
Auf der Fahrt kam der Spaß und die Freude am Liegeradfahren dann allerdings wieder. Und so entschied ich, einfach noch ein kleines Stück weiterzufahren, vielleicht S-Bahn Wannsee. Dort bog ich in Richtung Potsdam ab. Vielleicht bis zur Pfaueninsel dachte ich.
Nach dem Einbiegen in die Pfaueninselchaussee erledigte ich erstmal ein dringendes Bedürfnis – und prompt in diesem Augenblick passierte ein Radler, den ich auf der Krone überholt hatte und dessen Licht ich lange im Spiegel gesehen hatte. Als ich ihn kurz darauf wieder einholte kamen wir ins Gespräch und unterhielten uns über die typischen Radfahrerthemen. Ihm war vor einiger Zeit sein Rad gestohlen worden, an seinem derzeitigen Ersatzrad war keine adäquate Beleuchtung und so denke ich, daß sich mein spontaner Begleiter auch ein wenig über das Licht meiner Edelux freute.
Da uns zwischenzeitlich ein kleiner Schauer erwischte und ich an der Glienicker Brück bereits 57 Minuten unterwegs war, entschied ich mich allerdings, dort umzudrehen. Ich fuhr wieder über den Uferweg und die Pfaueninselchaussee zurück, auf Autoverkehr und den Schäferberg hatte ich wenig Lust.
Die Fahrt zurück war ereignislos, aber angenehm. Allerdings fielen das Baumwoll-Shirt und der der Baumwoll-Sweater unter meiner Softshell-Jacke dann mittlerweile durch ihr enormes Schweiß-Speichervermögen unangenehm auf, so daß ich von weiteren Umwegen absah. Als ich zu Hause ankam hatte ich eine acht-Winterpokal-Punkte Punktlandung geschafft: Mein Tacho zeigte 02:00:12h Fahrzeit an.
Ich hoffe, daß ich in diesem Jahr doch noch ein paar Gelegenheit kriege, die Speedmachine auszufahren, bevor sie auf die Rolle kommt. Es ist doch irgendwie schön, wenn der Hintern nicht schmerzt, wenn man nach zwei Stunden nach Hause kommt!
Und nochwas: Laut Wettervorhersage hätte ich in diesen zwei Stunden einregnen müssen. Laut Regenradar hätte ich sie mindestens im Nieselregen verbracht. Aber am Ende war alle Nässe nur vom Schweiß. Und ich war froh über diese schöne Runde.
Am 16.10.2010 findet das Zeitfahren Hamburg-Berlin statt – ich plane dabei zu sein. Rund 280 Kilometer von Altengamme bis nach Gatow gilt es gegen die Uhr und die anderen Teilnehmer zu fahren (oder auch mit ihnen zusammen). In den Regeln ist festgelegt, daß die Brücken bei Geesthacht und und Dömitz jeweils einmal zu queren sind, zudem ist in Dömitz ein Kontroll- und Versorgungspunkt. Diese Eckpunkte lassen zwar nicht viele, aber dennoch einige Optionen bei der Wahl der Strecke zu.
Ich entschied mich, ein paar Trainingskilometer mit dem Nützlichen zu verbinden und einen Teil der Strecke per Rad zu erkunden. An diesem Tage allerdings mit der Speedmachine, Manuel begleitete mich auf dem Rennrad. Wie fuhren mit der Bahn morgens nach Boizenburg, wo wir um 10:47 Uhr ankamen. Von dort ging es nach Lauenburg, wo wir die Elbbrücke querten und auf den Track des Streckenvorschlags einschwenkten. Und in den Gegenwind.
Daß das Rennen von Hamburg nach Berlin und nicht umgekehrt gefahren wird ist der Hauptwindrichtung geschuldet – aber an diesem Tag half alles nichts, der WInd blies mit Stärke vier bis fünf aus Südosten und damit unablässig von vorne. Die Strecke führt über offene, flache Landschaften mit wenig Schutz, so daß die Geschwindigkeiten selten über 26 bis 28 km/h lagen, oft auch deutlich darunter. Zudem nervte ein immer wiederkehrender leichter Regen, der erst im Lauf des Tages aufhörte und einem sonnigeren Wetter Platz machte.
Eine ausgedehnte Brunchpause legten wir in Bleckede ein, danach ging es weiter nach Neu Darchau. Hier zweigt der Routenvorschlag von der Landstraße auf eine ufernahe kleine Strecke ab. In Neu Darchau erwartet uns zunächst eine beampelte Wechselrichtungsbaustelle, die bei einem Rennen Zeit und Nerven kostet. Die Baustelle ist auch nicht auf dem Bürgersteig zu umfahren, es steht wirklich nur der enge Fahrstreifen zur Verfügung. Und nach der Baustelle geht es erst richtig los. Der Belag ist teilweise nicht sonderlich gut, vor allem aber hält die Strecke ab hier bis Hitzacker einige heftige Anstiege von sieben bis zehn Prozent bereit – und im Gegenzug auch Abfahrten bis zu 13%. Die Strecke ist interessant, aber bei einer Strecke von 280km würde ich auf dieses Intermezzo gerne verzichten. Zwar ist nach Höhenprofil auch auf der Umfahrung eine Steigung zu nehmen, diese scheint jedoch sanfter zu sein und vor allem scheint es nicht diesen wilden Wechsel zwischen Steigungen und Abfahrten zu geben. Die knapp 350 Meter Umweg sind es mir aber am Tag des Rennens wohl wert.
Hinter Hitzacker geht es auf einen schönen Radweg und die Strecke führte uns in weitem Bogen entlang der Elbe. Eine wirklich kürzere Umfahrung gibt es hier nicht, die Strecke am Deich bietet vor allem den Vorteil fast frei von Autoverkehr zu sein. Der Radweg führt dann auch auf die B191 und die zu querende Brücke bei Dömitz. Dort weichen wir vom Track ab (und umfahren die beim Rennen relevante Kontrollstelle), um im Ort zu essen. Viel gibt es nicht, wir finden aber einen Laden, wo es Döner, Pizza und Aufläufe gibt.
Hinter Dömitz teste ich ein paar kleine Abkürzungen, wirklich jeweils nur wenige hundert Meter, aber dafür arm an Autoverkehr. Der Gegenwind hat mich heute allerdings einige Körner gekostet. Zudem kommt der Sonnenuntergang und es wird dunkel. Ich habe eine gute Beleuchtung, Manuels Lampe reicht zwar, läd aber nicht wirklich zu längeren Dunkelheitsfahrten ein.
In Wittenberge schauen wir noch, ob die Eisenbahnbrücke zu queren ist, dort finden wir allerdings nur eine mit Zäunen und Gittern abgesperrte Baustelle, so daß dieser Weg wohl ausfällt und ab hier der vorgeschlagene Track wieder angesagt wäre. Wir biegen heute allerdings in Richtung Bahnhof ab und machen uns auf den Rückweg nach Berlin.
Der Tag war anstrengend mit dem Gegenwind und damit sicher ein gutes Training. Trotz anderen Materials hoffe ich sehr stark, daß mir sowohl Regen als auch Gegenwind am 16.10. erspart bleiben. Wind würde (nicht nur) mich stark bremsen, mehr als ein bischen Regen werde ich mir nicht auf dem M5 CrMo Lowracer antun.
Große Motivation – auch wenn ich persönlich mit meiner Kondition noch weit von solchen Leistungen entfernt bin – gab mir übrigens die Geschichte von David, einem weiteren Teilnehmer von Hamburg-Berlin, der beim Prenzlauer Hügelmarathon die große Runde mit einem deutlichen Vorsprung vor der ersten Gruppe Rennradler beendet hat. Irgendwann möchte ich auch mal die nötige Trainingsdiszplin haben, um mir solch einen Spaß zu gönnen!
Da meine Freundin Judith seit einiger Zeit ja auch Liegerad fährt (ein Challenge Hurricane), hatten wir beschlossen, eine kleine gemeinsame Tour zu unternehmen. Der Einfachheit halber und weil Brandenburg ja in dieser Hinsicht einiges zu bieten hat, entschieden wir uns, dem Havelradweg bis zur Elbe zu folgen und bei Bedarf dann auf dem Elberadweg noch etwas zu verlängern.
Samstag, 11.09.2010
Bereits am Freitag hatten wir unsere Taschen gepackt, Samstag morgen ging es dann ersteinmal zu meinen Eltern zum Frühstück. Es bestand kein Bedarf, extrem früh zu starten, wir wollten nicht Kilometer fressen, sondern einfach ruhiges Urlaubsradeln zelebrieren. Nach dem Frühstück beluden wir unsere Räder und fuhren über den Kronprinzessinnenweg in Richtung Bahnhof Wannsee. Wir kauften Fahrkarten nach Werder/Havel und standen vor der ersten Herausforderung: Zwar gibt es einen Fahrstuhl, mit dem man von der Straßenebene auf die Zwischenebene kommt, Fahrstühle zu den Bahnsteigen aber gibt es nur bei der S-Bahn, der Aufstieg zu den Regionalzügen führt über eine lange Treppe. Die beladenen Räder dort hochtragen fällt nicht unter Spaß.
In Werder angekommen fuhren wir gleich auf der Westseite vom Bahnsteig herunter und fädelten uns nach wenigen hundert Metern auf den Havelradweg ein, der hier zunächst noch für eine Kilometer auf der Straße verläuft, bevor er durch kleinere Dorfstraßen dann zu einem reinen, gut asphaltierten Radweg fernab der Straße und nahe des Havelufers wird. Wir hatten ausgezeichnetes Spätsommerwetter und kamen gut voran. Trotz der super Bedingungen trafen wir nicht auf übermäßig viele andere Radfahrer und so war die Fahrt sehr gemütlich und erholsam.
Dank ihrer mittlerweile gut eingestellten Schaltung meisterte Judith die Hügel auf dem Weg ohne Probleme. Bei unserer letzten kleinen Tour im Münsterland konnte sie das kleine Kettenblatt nicht nutzen und so wurden 5% bereits zu einer Qual. Niederländische Radhändler und -mechaniker bestehen ja immer gerne drauf, daß man das zweite Kettenblatt nicht brauche … wenn man nur mit Schwung mal auf einen Deich fahren muß, es sonst aber komplett flach ist, dann ist das wohl auch wahr.
Wir kehrten auf dem Weg noch in einer kleinen Gastwirtschaft zum Mittagessen ein, kurz vor Brandenburg kauften wir frische Äpfel und Birnen vom Bauern, dann ging esnach Brandenburg hinein, wo wir uns Eis und später noch ein kleines Abendessen gönnten, bevor wir unsere Odyssee zum Campingplatz Buhnenhaus starteten: Ich hatte nicht viel vorbereitet und wir hatten uns den Campingplatz spontan ausgesucht. Unvorsichtigerweise überprüfte ich das Routing des Garmin nicht nocheinmal, bevor wir uns auf den Weg machten. Ein kleine nicht verzeichnete (flache) Treppe an einer Brücke war kein großes Problem, doch dann folgten wir der kürzesten Route – die um diese Tageszeit jedoch einen Haken hatte: Die Fähre fuhr nicht mehr… Und so mußten wir ein gutes Stück zurück fahren und hatten am Ende sicher sechs Kilometer Umweg gemacht. Die allein waren sicher kein großes Ding, aber das bedeutete auch, daß wir das Zelt im Dunkeln aufstellen mußten. Mit der Stirnlampe ging das. Doch die Unmengen an Mücken nervten. Wir schafften es zwar, daß nur eine einzige mit ins Zelt schlüpfte, aber die Aufbauzeit und der Weg zur Dusche hatten gereicht, daß wir beide mächtig zerstochen waren.
Durch die kühle Luft war das Zelt morgens nicht unbedingt trocken, aber die Sonne kam langsam durch und half dabei, die Feuchtigkeit bald zu vertreiben. Ich hängte das Tarp, das nachts unsere Räder abgedeckt hatte noch zum trocknen auf, während wir unsere Dinge zusammenpackten, dann fuhren wir auch bald los. Wegen der vielen Mücken hatten wir uns entschieden, das Frühstück ein paar Kilometer weiter zu uns zu nehmen, jedenfalls ein erstes Kleines, was wir dann mit Blick auf den Breitling See auch taten. Doch auch hier ließen uns die Mücken nicht recht in Ruhe. Nach kurzer Rast fuhren wir weiter in Richtung Kirchmöser, am Ortseingang stießen wir auf einen Campingplatz mit offener Bewirtschaftung und fragten dort nach Frühstück. Kurz nach zehn am Sonntag, Terrasse mit Seeblick. „Na so richtig Frühstück nicht, aber ich guck mal, was ich im Kühlschrank habe!“, sagte die Dame hinter dem Tresen und nach kurzem Blick bot sie an, uns zumindest Rührei machen zu können. So saßen wir dann da, aßen köstliches Rührei, tranken kalte Milch dazu – und kamen uns zwischen den Leuten an den anderen Tischen, die nicht mehr beim ersten Bier waren oder eine Weinflasche auf dem Tisch hatten, etwas deplaziert vor.
Ab Kirchmöser erwarteten uns zunächst einige Straßenkilometer. Zum Glück sind diese Straßen nicht stark befahren und man kommt ab und an durch Dörfer, die etwas Abwechslung bieten. Der Havelradweg führt zunächst somit etwas entfernt von der Havel weiter, aber immer wieder trifft man auf den Fluß, meist in kleinen Orten, die sonntags wie ausgestorben scheinen. Dennoch finden wir hie und da immer mal wieder ein Plätzchen für eine kleine Pause und können auch mal irgendwo einkehren, um etwas zu essen oder zu trinken. Mit knapp über 20°C und viel Sonne zeigt sich das Wochenende nochmal von seiner besten Seite.
Am Nachmittag erreichen wir Rathenow. Um den Mückenschwärmen zu entgehen, die jede auch nur kurze Pause immer schnell zur Qual werden ließen und weil für die Nacht Regen erwartet wird, entscheiden wir uns, nach einem Abendessen im Ort (hervorragenden Fisch gibt es entlang der Havel allerorten!) für eine Pension. Diese heißt Billardcafé Südpark und bietet abgesperrte Unterstellmöglichkeiten für die Räder sowie recht großzügige Räume. Das Billardcafé ist im ersten Stock, abends ist es dort dennoch ruhig und wir haben noch die Chance auf einen kleinen Cocktail zur Nacht.
Nach einer (fast, ein Alarm ging nachts los) ruhigen Nacht packen wir entspannt unsere Sachen und gehen überpünktlich hinauf ins Café – wir hatten uns das Frühstück zu neun Uhr bestellt. Draußen regnet es, drinnen steht ein gut gedeckter Frühstückstisch. Als wir etwas schüchtern fragen, ob wir etwas anderes als Kaffee haben könnten, kriegen wir problemlos kalte Milch – sogar einen ganzen Liter! Wir lassen uns Zeit, laut Regenradar sollte der Regen irgendwann nachlassen und zum Nachmittag ganz aufhören.
Der erste Weg – im leichten Nieselregen – führt uns zur Apotheke. Etwas gegen Mücken muß her, ein Fläschchen zur Prävention, eine Tube zur Nachsorge. Anschließend durchqueren wir nocheinmal Rathenow, dann geht es raus auf die Landstraße. Heute sind wir wieder zu einem guten Teil auf kleinen Fahrradstraßen oder asphaltierten Wegen durch den Wald unterwegs. Der Regen wird auch bald weniger, nur einmal nimmt er für eine Minute kräftig zu – ich hatte zu laut gesagt, daß das bischen Nieselregen doch kaum etwas ausmache. Zum Mittag hört der Regen auf und wir kommen gut vorwärts. Das müssen wir auch, denn jeder Stop konfrontiert uns wieder mit dem Mückenproblem.
Mittags kehren wir in Grütz in der örtlichen Gaststätte ein, typisch Brandenburg. Das Essen ist reichlich und preiswert – und wir haben Glück: Während wir essen geht draußen ein kräftiger Schauer nieder – sobald wir fertig waren, war es draußen auch wieder trocken. Ab hier erwarten uns außer Landstraßen auch mal Plattenwege (aber alle gut fahrbar). Neben den gut vorbereiteten Routen auf dem GPS ist auch die Beschilderung der Wege sehr gut, selbst ohne Karten und Navigationshilfe wären wir hier problemlos weitergekommen.
Nachmittags sind wir in Havelberg und für Judith steht fest: Mit fast 100 Mückenstichen und der Erfahrung, daß die Nervensägen sich auch von Autan nur sehr bedingt abhalten lassen geht es nicht weiter. Nach kurzem Sightseeing, Kuchen, Kirschschorle und Bier fahren wir deshalb von Havelberg weiter nach Glöwen, wo alle Stunde ein Regionalexpress nach Berlin fährt. Das Wetter der nächsten Tage gab uns wohl auch recht mit dieser Entscheidung. Dennoch, bis hierhin war es eine wunderschöne Tour über perfekte Wege (wenn man nicht gerade aufs Kilometerfressen aus ist), die Lust auf mehr machte – vielleicht unter anderen Bedingungen.
Vom 30.07. bis zum 01.08.2010 fand auf dem Dekra-Test-Oval in der Lausitz eine Veranstaltung der besonderen Art statt: Diverse Fahrer waren angetreten, um eine Reihe vom Rekorden im Bereich der HPV (Human Powered Vehicles, von Menschenkraft angetriebene Fahrzeuge) anzugreifen.
Für Rekorde über eine oder sechs Stunden waren dazu hochspezialisierte Fahrzeuge angetreten, für die die Umgebungsbedingungen ideal sein müssen, um die bestehenden Rekorde noch zu überbieten. Durch das heiße Wetter und am Sonntag teilweise auftretenden Wind waren die Bedingungen hier leider nicht ganz optimal, so daß zumindest ich keine Chancen hatte, die Versuche zu beobachten – abgesehen von Ellen van Vught, die aber ihren sechs-Stunden-Versuch wegen der Wärme im Fahrzeug nach rund einer Stunde abbrach.
Für die 12- und 24-Stunden-Rekorde sind die Bedingungen durch die Fahrzeuge nicht ganz so eng gesetzt, hier war noch mehr Potential nach oben und der begrenzende Faktor wird mehr und mehr der Mensch. Die eingesetzten Fahrzeuge waren hier größtenteils straßentaugliche Serienfahrzeuge mit Renntrimm oder einigen kleinen Veränderungen, meist an der Aerodynamik.
Freitag Abend
Da ich am Freitag noch arbeiten mußte und mich eh sehr kurzfristig entschieden hatte, konnte ich am Freitag selbst noch nicht zu den ersten Streckentests kommen. Ich setzte mich am Nachmittag in den Regional-Express nach Doberlug-Kirchhain und fur von dort die restlichen ca. 30km zum Lausitzring, der neben dem Dekra-Test-Oval liegt. Da ich nicht wußte, daß ich auf dem Dekra-Gelände bei den Teams mein Zelt hätte aufschlagen können fuhr ich erstmal (da es schon langsam dunkel wurde) zum Speedway-Camp und versuchte dort mein Glück. Es wimmelte von Security-Personal und Arbeitern, die die Installationen für das Red Bull Airrace am kommenden Wocheende aufbauten – für die war auch das Camp reserviert. Nach freundlicher Nachfrage bei derSecurity und einigen Worten mit den campenden Arbeitern war geklärt, daß ich dort mein Zelt aufschlagen konnte.
Neben einem Zelt stand ein Liegerad, so dachte ich, ich befände mich in Gesellschaft von Besuchern oder Teilnehmern der gleichen Veranstaltung, wie es aber der Zufall so wollte, war einer der Arbeiter mit seinem Liegerad angereist.
Später am Abend kam dann noch Peter mit seinem Sohn vorbei, der auch am nächsten Tag zum HPV-Rekordwochenende wollte. Er verwettete bei den Arbeitern erstmal einen Kasten Bier, daß die 1000km in 24 Stunden machbar sein, den er allerdings dann am Sonntag nicht einforderte.
Samstag
Sofort mittendrin
Nach der Angabe einiger persönlicher Daten an der Pforte komme ich aufs Gelände und stehe mitten in den Vorbereitungen. Um 9 Uhr soll es losgehen, die Fahrer für die 12- und 24-Stunden-Rekordversuche müssen auf die Strecke. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange, es wird geschraubt, getuned und die Maltodextrin-Vorräte werden gemixt. Ich sehe einige (mir) bekannte Gesichter und lerne neue kennen. Nach kurzem kommt auch Daniel Fenn mit seinem Evo, an dem bis zur letzten Minute optimiert wird … und das Evo stellt sich mit einem Knalleffekt vor: Die Felge des Hinterrades hat dem Druck des aufgezogenen Reifens nicht standgehalten. EIn Ersatzrad ist nicht dabei. Ich biete Daniel das Hinterrad meiner Speedmachine an – zu meiner Überraschung und vermutlich vor allem weil nichts anderes zur Verfügung steht geht er auf das Angebot ein und tauscht sein superleichtes Rad gegen mein Nordkap-mit-Gepäck-DD-Speichen-Monster. Das wiegt sicherlich das dreifache. Aber dafür hält es.
Damit wurde aus meiner Speedmachine vorübergehend eine Immobilie, so daß ich Peter fragte, ob er mich später im Auto mit zum Speedway Camp nehmen würde, um das Zelt dort abzubauen und es dann hier im HPV-Lager wieder aufzustellen. Da Peter eh sein eigenes Zelt noch holen muß ist das kein Problem.
Nach einem Briefing gehen die Fahrer nach und nach zu ihren Fahrzeugen. Einspurer, voll- und teilverkleidet, und Velomobile (Milane, Quests, das Evo R) gehen nach und nach auf die Piste. Als erster und in aller Stille ist Christian von Ascheberg mit seinem gelben Milan mit der Nummer 7 gestartet und zieht schon gleichmäßig wie ein Uhrwerk seine Runden, als die anderen noch beim Briefing sind.
Die Fahrer sind unterwegs
Jetzt beginnt zunächst einmal das große Warten. Nach ein oder zwei Stunden kann man noch nicht wirklich sagen, wie sich die Dinge entwickeln bei einem 12- oder 24-Stunden-Versuch. Ganz so ruhig wie gedacht ist es dann aber doch nicht kurz nach dem Start. Daniel kommt schon bald wieder rein, Reifenpanne vorne rechts. Neuer Schlauch und wieder auf die Strecke. Nach einer Runde: Wieder ein platter Reifen. durch das Weiterfahren ist auch der Mantel hinüber. Die Hilfe zwischen den Teams funktioniert aber, so geht es bald weiter – aber Zeit hat er dennoch verloren. Im Laufe der nächsten Stunden kommen noch zwei weitere Platte dazu und körperliche Beschwerden an den Füßen und Waden setzen ein, so daß Daniel aufgeben muß. So ein Rekordversuch geht an die Grenzen des Leistbaren und so bleibt er nicht alleine.
Verzweifelt fragt, nachdem alle Teilnehmer gestartet sind, ein Fahrer nach seinen Fahrdaten. Insgeheim mißtraut er seinem Tacho, er fährt 55 km/h und wird ständig überholt von Leuten, die teilweise Rundengeschwindigkeiten von 60+km/h fahren. Sein Tacho trügt ihn nicht, die Fahrer gehen wirklich mit solchen Geschwindigkeiten über die Bahn.
An der Boxengasse wird mitgefiebert. Wie liegen die Bruttoschnitte der Fahrer? Wer wird nach den 12 Stunden wirklich noch auf den 24-Stunden-Rekord spekulieren? Auf 12 Stunden sind 607,62km zu brechen, bei 24 Stunden steht der offizielle Rekord von Christian von Ascheberg aus dem letzten Jahr bei 1069km, inoffiziell gilt es die 1109km von Jeff Nielsen aus Australien zu brechen.
Ich finde kaum die Zeit mal zwischendurch mein Zelt zu holen und wieder aufzubauen, so spannend ist es. Auch die Gespräche mit den anderen Zuschauern und Team-Mitgliedern sind unwahrscheinlich interessant, das geballte Wissen der Liegerad-Szene kommt hier auf engem Raum zusammen. Ob es um Technik, Aerodynamik oder Ernährung geht – hier gibt es eine Menge zu lernen. Angenehm ist, daß es kaum große Geheimniskrämerei gibt, man versucht in freundschaftlicher Konkurrenz gemeinsam das Ziel zu erreichen.
Rekorde fallen
Mehr und mehr Zeit verrinnt und es kristallisiert sich heraus, daß heute Rekorde fallen werden. Aber auch die Belastung fordert ihre Opfer. In den vollverkleideten Fahrzeugen ist es heiß, der Körper ist bei der geforderten Anstrengung nur schwer in der Lage, genügend Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Überhitzung droht, auch Muskeln und Sehnen fordern ihren Tribut, Magenprobleme treten auf. Einige Fahrer versuchen nach ersten Problemen eine Pause zu machen und danach weiterzufahren, aber schnell wird klar, wenn die Probleme einmal eingesetzt haben, dann erholt sich der Körper nicht schnell genug, schon gar nicht, wenn ihm sofort wieder dieselbe große Leistung abgefordert wird.
Wulf Kranais und Christian von Ascheberg liegen dichtauf, als es auf die 12 Stunden zugeht. Wulf allerdings kriegt technische Probleme am Fahrzeug. Zuerst fällt der Verdacht auf eine überhitzte Umlenkrolle, erst später stellt sich heraus, daß sich ein Ketenschutzrohr gelöst hat und langsam am Kettenblatt zerfräst wird. Das kostet Wulf viel Zeit. Christian hat nach knapp mehr als elf Stunden den alten 12-Stunden-Rekord erreicht, beim Erreichen der 12-Stunden-Marke hat er ihn mit rund 670km deutlich gebrochen. Wulf hat das Pech, daß er nach Christian gestartet ist: Auch er bricht den alten Rekord. Wäre er vor Christian gestartet, dann hätte die kurze Zeit zumindest gereicht, um in der Historie des Rekords aufgeführt zu werden. Dennoch zeigt er sich mit seinem Ergebnis zufrieden, auf die 24 Stunden legt er es aber nicht an.
Die Nacht
Christian ist nach einer 13-minütigen Pause wieder auf der Strecke, jetzt geht es in die Nacht. Gespannt warten wir immer wieder auf die hellen LED-Lichter, die in rund einem Kilometer Entfernung aus der Kurve auftauchen. Nur noch vier Fahrzeuge sind auf der Strecke, im Laufe der Nacht wird die Zahl auf drei sinken, die dann auch alle ins Ziel fahren. Christian von Ascheberg im Milan-Velomobil, Charles Henry im vollverkleideten Einspurer und Andreas Kraus auf dem heckverkleideten Birk Comet sind am nächsten Morgen noch auf der Strecke – und werden alle erfolgreich die 24 Stunden beenden.
Christian von Ascheberg holt den 24-Stunden-Rekord mit 1223,25km, das entspricht einem Durchschnitt von 50,8km/h! Charles Henry liegt mit 1159,18km zwar hinter Christian, hat aber den alten (inoffiziellen) Rekord noch immer um 50km übertroffen. Andreas Kraus hat mit 815,5km seine persönlich gesetzte Marke von 800km auch übertroffen (einen offiziellen WRRA Rekord über teilverkleidete Liegeräder auf 24 Stunden konnte ich nicht finden). An diesem Wochenende sind die Rekorde über 12 und 24 Stunden gefallen sowie der 1000-km-Rekord. Fahrer und Fahrzeuge haben Leistungen gezeigt, die die meisten Menschen für schier unmöglich halten würden.
Kleine Schlußbetrachtung
Diese Veranstaltung hat mit den so deutlich gebrochenen Rekorden gezeigt, daß hier noch viel Potential steckte, das erfolgreich ausgenutzt wurde. Auch für zukünftige Veranstaltungen dieser Art ist wohl das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Neben Optimierungen an den Fahrzeugen können die Boxenstopps noch verbessert werden. Die Rekorde wurden sicherlich von außergewöhnlichen Menschen vollbracht, von diesen würde sich selbst aber vermutlich keiner als „Ausnahmeathlet“ bezeichnen (ich würde das vielleicht schon tun). Die Rekorde wurden von engagierten Amateuren in seriennahen Fahrzeugen geholt, keine großen Budgets, niemand, der fünf oder sechs mal die Woche und mit einem Stab an Physiotherapeuthen trainieren kann, sondern Menschen, die das in ihrer Freizeit neben dem Beruf tun (und damit sicher ihren Freunden und Familien einiges abverlangen).
Interessant war für mich die Entwicklung hin zum Velomobil, die Dreispurer holen an Effizienz auf und bieten gerade bei so langen Fahrten sicherlich den ein oder anderen Komfort, den ein Einspurer nicht bieten kann.
Chance genutzt
Da Daniel ja die ganze Zeit mein Hinterrad nutzen konnte durfte ich als Dank am nächsten Tag als die Strecke frei war ins Evo R steigen und mal auf dem Oval zwei Runden drehen. Im Gegensatz zur letzten von mir gefahrenen Version (auf der Spezi) hat die neue Version etwas mehr Platz und als merklichsten Unterschied eine Panzerlenkung.
Ich kann das Evo R4 problemlos auf über 50 km/h beschleunigen, muß mich allerdings an die Lenkung erst gewöhnen. Trotz des Seitenwindes und der ungewohnten Lenkung traue ich mich, noch etwas draufzulegen und fahre die Runden mit über 62-65 km/h, auf der Nordstrecke mit gefühlt etwas mehr Platz und mehr Seitenwindschutz komme ich spielend auf über 70 km/h. Ich spüre, daß durchaus auch bei meinem Trainingsstand noch mehr drin wäre, traue mich aber wegen der mangelnden Erfahrung mit dem Fahrzeug dann doch nicht wirklich. Trotzdem ist es ein beeindruckendes Erlebnis, wie man mit der gleichen Kraft, die selbst auf dem Lowracer nur für unter 50km/h gereicht hätte mit dem Evo R bei über 60 km/h liegt.
Aus der Gerüchteküche
Hans Wessels auf die Frage nach seinen Knieproblemen: „Ich hab nicht wegen des Knies aufgehört, sondern weil ich nicht mehr winken konnte – da hat es keinen Spaß mehr gemacht!“
Der gleiche Christian von Ascheberg, der nach den 24 Stunden sagte, er würde das nie wieder tun, fiel schon einen Tag nach der Veranstaltung durch Äußerungen wie „1300km sind möglich“ auf. Wir dürfen gespannt sein.
Die niederländische Fraktion überlegt nach der diesjährigen mangelnden Repräsentation in den Finisher-Listen nächstes Jahr einfach mit mehr Leuten aufzutauchen.
Es wird verzweifelt um eine umsetzbare Definition des Begriffes psychologischer Windschatten gerungen.
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