Wegen einer nicht völlig auskurierten Erkältung hatte ich mich entschlossen, die rund 170km zum Dekra Testoval nicht mit dem Rad zurückzulegen. Auch den Plan bis Doberlug-Kirchhainmit der Bahn zu fahren und dann 30km bis zum Gelände per Rad zurücklegen beerdigte ich aufgrund einer mit nach Süden ziehenden Regenfront und entschied mich für die kürzestmögliche Strecke ab Senftenberg. Von dort lag auch meine Unterkunft, das Campotel in Hörlitz, auf dem Weg, so daß ich kurz einchecken konnte, bevor ich am Dekra-Gelände ankam. Klaus hatte angesichts des Wetters umdisponiert, so daß wir uns im Regionalexpress trafen.
Der Regen draußen wechselte munter zwischen prasselnd und fast nicht vorhanden – und als wir in Senftenberg ankamen demonstrierte ich Optimismus und zog kein Regenzeug an. nach nichtmal einem Kilometer schloss ich mich Klaus‘ pessimistischer Beurteilung an und zog das Regenzeug an.
Nach vier Kilometern checkte ich am Campotel ein, besichtige kurz mein Zimmerchen in der Monteursunterkunft und dann ging es weiter zum Gelände. Wir kamen an einer großen Polizeikontrolle vorbei – diese galt allerdings den tiefergelegten Tuning-Fans des auf dem Lausitzring stattfindenden VW Blasen Festivals (ja, das heißt wirklich so), unsbehinderte lediglich der den Radweg zuparkende Mannschaftswagen der Polizei.
Nach der Anmeldung ging es erstmal aufs Gelände und in die schützende Halle. Bald war klar, daß bei anhaltendem Regen die Speedbikes für die Stunden- und 200-m-Rekorde nicht starten könnten. So wurden noch einige Vorbereitungen an der Bahn und für die Zeitmessung getroffen, dann beschlossen wir den Abend im nahegelegenen Seehotel (am noch nicht vorhandenen See) bei einem schönen Abendessen, bevor ich mich ins Campotel fahren liess (danke, Claas!).
Die Wetterprognose verhiess Dauerregen von mehr als 24 Stunden. Die Bahn war nass, die Innenbahn stand teilweise leicht unter Wasser. Trotzdem entschieden sich diverse Teilnehmer zum Start. Als erster ging Christian von Ascheberg, Rekordhalter über 12 und 24 Stunden, mit seinem nagelneuen noch tieferen und schnelleren Milan-Velomonil auf die Bahn. Ihm folgte Aurelien Bonneteau im Milan SL, Sabrina Grun auch im Milan und Robert Carlier auf dem M5 Highracer ohne Verkleidung. Zusätzlich ging noch Wulf Kraneis im Elektro-Milan auf die Piste, der einen Reichweitenrekord aufstellen wollte.
Die Rundengeschwindigkeiten von Christian und Aurelien lagen knapp über 50 km/h – zum Vergleich: im letzten Jahr wurden Runden am Anfang teils gut über 60km/h gefahren! – und schon bald war klar, daß die Mischung aus erhöhtem Rollwiderstand, schlechterer Aerodynamik, geringerer Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit ein Einstellen der bestehenden Rekorde zumindest sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich machen würde.
Christian brach seinen Versuch als erster ab, er fuhr mit zuviel Leistung eine Geschwindigkeit, die kaum ausreichen würde und entschied, sich lieber zu schonen. Kurz nach dem Aussteigen, war ihm die Anspannung noch anzumerken, vielleicht fragte er sich auch, ob die Entscheidung wirklich richtig war. Je länger der Regen aber blieb und je mehr klar wurde, daß auch die anderen unter keinem besseren Stern fuhren, vielleicht aber auch mit sinkender Anspannung, wich es einer Entspannung. Bald folgten Aurelien und Robert, der immerhin die sechs Stunden (unverkleidet!) voll gemacht hatte. Fortan waren nur noch Wulf und Sabrina auf der Bahn, die auch bis in den Abend hinein durchhielten: Wulf brach bei 750km ab, er hatte sich (aber nicht den Akku) leergefahren, den E-Milan mit 70, später über 80, teils 90 km/h über Strecke gejagt (E-Unterstützung, kein rein elektrischer Antrieb).
Nur Sabrina blieb eifrig auf der Bahn und begründete mit einem knappen 31er Schnitt über 12 Stunden den Weltrekord für Frauen in dieser Kategorie.
Der anhaltende Regen, der auch nachts nicht aufhören sollte, stoppte dann auch alle Pläne, nachts noch für die 12 Stunden auf die Strecke zu gehen, die Speedbikes sahen mit der vorhersage auch für Sonntag keine Chancen, für Montag oder Dienstag wurden noch Möglichkeiten diskutiert.
Ich fuhr abends nach einen dennoch interessanten Wochenende mit dem Regionalexpress nach Hause, auf dem Weg nach Senftenberg und vom Bahnhof Zoo nach Hause durften meine Regenklamotten nochmal ihre Tauglichkeit unter Beweis stellen.
An diesem Wochenende findet auf dem Dekra-Testoval (am Lausitzring) wieder das DropLimits Wekordwochenende statt. Dabei werden diverse Fahrer in teils hoch spezialisierten, teils alltagstauglichen Fahrzeugen versuchen, Rekorde mit von Menschenkraft betriebenen Fahrzeugen aufzustellen.
Zum einen geht es um hohe Geschwindigkeiten, etwa bei den 200 Metern mit fliegendem Start, wo über 100 km/h zu brechen sind oder bei der Stunde, wo mehr also 90 km/h Schnitt zu brechen wären. Zum anderen geht es um längere Strecken, die über 6, 12 oder 24 Stunden gefahren werden. In 24 Stunden sind derzeit über 1200km, also ein Schnitt von über 50 km/h zu brechen, gefahren im letzten Jahr auf dem Dekra-Oval von Christian von Ascheberg.
Leider stehen die Wetterprognosen für dieses Jahr nicht so gut. Wurde im letzten Jahr die Hitze einigen Versuchen zum Verhängnis, so könnte in diesem Jahr Regen ein Problem geben, der ebenso wie teils dann fast zu niedrige Temperaturen die Fahrzeuge bremst bzw. den Energieaufwand erhöht, letztlich aber durch die schlechtere Sicht und die nasse Fahrbahn bei den zu fahrenden Geschwindigkeiten auch ein Sicherheitsproblem darstellen kann.
Nichtsdestotrotz trifft sich die Szene an diesem Wochenende und ich bin sicher, daß gefahren wird, solange die Umstände es erlauben. Ich werde einige Eindrücke per Twitter und anschließend auch in ein oder zwei Blogartikeln wiedergeben. Ich selbst bin diesmal nicht nur als Zuschauer dabei, sondern engagiere mich als ehrenamtlicher Helfer auf der Strecke.
Vom 30.07. bis zum 01.08.2010 fand auf dem Dekra-Test-Oval in der Lausitz eine Veranstaltung der besonderen Art statt: Diverse Fahrer waren angetreten, um eine Reihe vom Rekorden im Bereich der HPV (Human Powered Vehicles, von Menschenkraft angetriebene Fahrzeuge) anzugreifen.
Für Rekorde über eine oder sechs Stunden waren dazu hochspezialisierte Fahrzeuge angetreten, für die die Umgebungsbedingungen ideal sein müssen, um die bestehenden Rekorde noch zu überbieten. Durch das heiße Wetter und am Sonntag teilweise auftretenden Wind waren die Bedingungen hier leider nicht ganz optimal, so daß zumindest ich keine Chancen hatte, die Versuche zu beobachten – abgesehen von Ellen van Vught, die aber ihren sechs-Stunden-Versuch wegen der Wärme im Fahrzeug nach rund einer Stunde abbrach.
Für die 12- und 24-Stunden-Rekorde sind die Bedingungen durch die Fahrzeuge nicht ganz so eng gesetzt, hier war noch mehr Potential nach oben und der begrenzende Faktor wird mehr und mehr der Mensch. Die eingesetzten Fahrzeuge waren hier größtenteils straßentaugliche Serienfahrzeuge mit Renntrimm oder einigen kleinen Veränderungen, meist an der Aerodynamik.
Freitag Abend
Da ich am Freitag noch arbeiten mußte und mich eh sehr kurzfristig entschieden hatte, konnte ich am Freitag selbst noch nicht zu den ersten Streckentests kommen. Ich setzte mich am Nachmittag in den Regional-Express nach Doberlug-Kirchhain und fur von dort die restlichen ca. 30km zum Lausitzring, der neben dem Dekra-Test-Oval liegt. Da ich nicht wußte, daß ich auf dem Dekra-Gelände bei den Teams mein Zelt hätte aufschlagen können fuhr ich erstmal (da es schon langsam dunkel wurde) zum Speedway-Camp und versuchte dort mein Glück. Es wimmelte von Security-Personal und Arbeitern, die die Installationen für das Red Bull Airrace am kommenden Wocheende aufbauten – für die war auch das Camp reserviert. Nach freundlicher Nachfrage bei derSecurity und einigen Worten mit den campenden Arbeitern war geklärt, daß ich dort mein Zelt aufschlagen konnte.
Neben einem Zelt stand ein Liegerad, so dachte ich, ich befände mich in Gesellschaft von Besuchern oder Teilnehmern der gleichen Veranstaltung, wie es aber der Zufall so wollte, war einer der Arbeiter mit seinem Liegerad angereist.
Später am Abend kam dann noch Peter mit seinem Sohn vorbei, der auch am nächsten Tag zum HPV-Rekordwochenende wollte. Er verwettete bei den Arbeitern erstmal einen Kasten Bier, daß die 1000km in 24 Stunden machbar sein, den er allerdings dann am Sonntag nicht einforderte.
Samstag
Sofort mittendrin
Nach der Angabe einiger persönlicher Daten an der Pforte komme ich aufs Gelände und stehe mitten in den Vorbereitungen. Um 9 Uhr soll es losgehen, die Fahrer für die 12- und 24-Stunden-Rekordversuche müssen auf die Strecke. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange, es wird geschraubt, getuned und die Maltodextrin-Vorräte werden gemixt. Ich sehe einige (mir) bekannte Gesichter und lerne neue kennen. Nach kurzem kommt auch Daniel Fenn mit seinem Evo, an dem bis zur letzten Minute optimiert wird … und das Evo stellt sich mit einem Knalleffekt vor: Die Felge des Hinterrades hat dem Druck des aufgezogenen Reifens nicht standgehalten. EIn Ersatzrad ist nicht dabei. Ich biete Daniel das Hinterrad meiner Speedmachine an – zu meiner Überraschung und vermutlich vor allem weil nichts anderes zur Verfügung steht geht er auf das Angebot ein und tauscht sein superleichtes Rad gegen mein Nordkap-mit-Gepäck-DD-Speichen-Monster. Das wiegt sicherlich das dreifache. Aber dafür hält es.
Damit wurde aus meiner Speedmachine vorübergehend eine Immobilie, so daß ich Peter fragte, ob er mich später im Auto mit zum Speedway Camp nehmen würde, um das Zelt dort abzubauen und es dann hier im HPV-Lager wieder aufzustellen. Da Peter eh sein eigenes Zelt noch holen muß ist das kein Problem.
Nach einem Briefing gehen die Fahrer nach und nach zu ihren Fahrzeugen. Einspurer, voll- und teilverkleidet, und Velomobile (Milane, Quests, das Evo R) gehen nach und nach auf die Piste. Als erster und in aller Stille ist Christian von Ascheberg mit seinem gelben Milan mit der Nummer 7 gestartet und zieht schon gleichmäßig wie ein Uhrwerk seine Runden, als die anderen noch beim Briefing sind.
Die Fahrer sind unterwegs
Jetzt beginnt zunächst einmal das große Warten. Nach ein oder zwei Stunden kann man noch nicht wirklich sagen, wie sich die Dinge entwickeln bei einem 12- oder 24-Stunden-Versuch. Ganz so ruhig wie gedacht ist es dann aber doch nicht kurz nach dem Start. Daniel kommt schon bald wieder rein, Reifenpanne vorne rechts. Neuer Schlauch und wieder auf die Strecke. Nach einer Runde: Wieder ein platter Reifen. durch das Weiterfahren ist auch der Mantel hinüber. Die Hilfe zwischen den Teams funktioniert aber, so geht es bald weiter – aber Zeit hat er dennoch verloren. Im Laufe der nächsten Stunden kommen noch zwei weitere Platte dazu und körperliche Beschwerden an den Füßen und Waden setzen ein, so daß Daniel aufgeben muß. So ein Rekordversuch geht an die Grenzen des Leistbaren und so bleibt er nicht alleine.
Verzweifelt fragt, nachdem alle Teilnehmer gestartet sind, ein Fahrer nach seinen Fahrdaten. Insgeheim mißtraut er seinem Tacho, er fährt 55 km/h und wird ständig überholt von Leuten, die teilweise Rundengeschwindigkeiten von 60+km/h fahren. Sein Tacho trügt ihn nicht, die Fahrer gehen wirklich mit solchen Geschwindigkeiten über die Bahn.
An der Boxengasse wird mitgefiebert. Wie liegen die Bruttoschnitte der Fahrer? Wer wird nach den 12 Stunden wirklich noch auf den 24-Stunden-Rekord spekulieren? Auf 12 Stunden sind 607,62km zu brechen, bei 24 Stunden steht der offizielle Rekord von Christian von Ascheberg aus dem letzten Jahr bei 1069km, inoffiziell gilt es die 1109km von Jeff Nielsen aus Australien zu brechen.
Ich finde kaum die Zeit mal zwischendurch mein Zelt zu holen und wieder aufzubauen, so spannend ist es. Auch die Gespräche mit den anderen Zuschauern und Team-Mitgliedern sind unwahrscheinlich interessant, das geballte Wissen der Liegerad-Szene kommt hier auf engem Raum zusammen. Ob es um Technik, Aerodynamik oder Ernährung geht – hier gibt es eine Menge zu lernen. Angenehm ist, daß es kaum große Geheimniskrämerei gibt, man versucht in freundschaftlicher Konkurrenz gemeinsam das Ziel zu erreichen.
Rekorde fallen
Mehr und mehr Zeit verrinnt und es kristallisiert sich heraus, daß heute Rekorde fallen werden. Aber auch die Belastung fordert ihre Opfer. In den vollverkleideten Fahrzeugen ist es heiß, der Körper ist bei der geforderten Anstrengung nur schwer in der Lage, genügend Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Überhitzung droht, auch Muskeln und Sehnen fordern ihren Tribut, Magenprobleme treten auf. Einige Fahrer versuchen nach ersten Problemen eine Pause zu machen und danach weiterzufahren, aber schnell wird klar, wenn die Probleme einmal eingesetzt haben, dann erholt sich der Körper nicht schnell genug, schon gar nicht, wenn ihm sofort wieder dieselbe große Leistung abgefordert wird.
Wulf Kranais und Christian von Ascheberg liegen dichtauf, als es auf die 12 Stunden zugeht. Wulf allerdings kriegt technische Probleme am Fahrzeug. Zuerst fällt der Verdacht auf eine überhitzte Umlenkrolle, erst später stellt sich heraus, daß sich ein Ketenschutzrohr gelöst hat und langsam am Kettenblatt zerfräst wird. Das kostet Wulf viel Zeit. Christian hat nach knapp mehr als elf Stunden den alten 12-Stunden-Rekord erreicht, beim Erreichen der 12-Stunden-Marke hat er ihn mit rund 670km deutlich gebrochen. Wulf hat das Pech, daß er nach Christian gestartet ist: Auch er bricht den alten Rekord. Wäre er vor Christian gestartet, dann hätte die kurze Zeit zumindest gereicht, um in der Historie des Rekords aufgeführt zu werden. Dennoch zeigt er sich mit seinem Ergebnis zufrieden, auf die 24 Stunden legt er es aber nicht an.
Die Nacht
Christian ist nach einer 13-minütigen Pause wieder auf der Strecke, jetzt geht es in die Nacht. Gespannt warten wir immer wieder auf die hellen LED-Lichter, die in rund einem Kilometer Entfernung aus der Kurve auftauchen. Nur noch vier Fahrzeuge sind auf der Strecke, im Laufe der Nacht wird die Zahl auf drei sinken, die dann auch alle ins Ziel fahren. Christian von Ascheberg im Milan-Velomobil, Charles Henry im vollverkleideten Einspurer und Andreas Kraus auf dem heckverkleideten Birk Comet sind am nächsten Morgen noch auf der Strecke – und werden alle erfolgreich die 24 Stunden beenden.
Christian von Ascheberg holt den 24-Stunden-Rekord mit 1223,25km, das entspricht einem Durchschnitt von 50,8km/h! Charles Henry liegt mit 1159,18km zwar hinter Christian, hat aber den alten (inoffiziellen) Rekord noch immer um 50km übertroffen. Andreas Kraus hat mit 815,5km seine persönlich gesetzte Marke von 800km auch übertroffen (einen offiziellen WRRA Rekord über teilverkleidete Liegeräder auf 24 Stunden konnte ich nicht finden). An diesem Wochenende sind die Rekorde über 12 und 24 Stunden gefallen sowie der 1000-km-Rekord. Fahrer und Fahrzeuge haben Leistungen gezeigt, die die meisten Menschen für schier unmöglich halten würden.
Kleine Schlußbetrachtung
Diese Veranstaltung hat mit den so deutlich gebrochenen Rekorden gezeigt, daß hier noch viel Potential steckte, das erfolgreich ausgenutzt wurde. Auch für zukünftige Veranstaltungen dieser Art ist wohl das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Neben Optimierungen an den Fahrzeugen können die Boxenstopps noch verbessert werden. Die Rekorde wurden sicherlich von außergewöhnlichen Menschen vollbracht, von diesen würde sich selbst aber vermutlich keiner als „Ausnahmeathlet“ bezeichnen (ich würde das vielleicht schon tun). Die Rekorde wurden von engagierten Amateuren in seriennahen Fahrzeugen geholt, keine großen Budgets, niemand, der fünf oder sechs mal die Woche und mit einem Stab an Physiotherapeuthen trainieren kann, sondern Menschen, die das in ihrer Freizeit neben dem Beruf tun (und damit sicher ihren Freunden und Familien einiges abverlangen).
Interessant war für mich die Entwicklung hin zum Velomobil, die Dreispurer holen an Effizienz auf und bieten gerade bei so langen Fahrten sicherlich den ein oder anderen Komfort, den ein Einspurer nicht bieten kann.
Chance genutzt
Da Daniel ja die ganze Zeit mein Hinterrad nutzen konnte durfte ich als Dank am nächsten Tag als die Strecke frei war ins Evo R steigen und mal auf dem Oval zwei Runden drehen. Im Gegensatz zur letzten von mir gefahrenen Version (auf der Spezi) hat die neue Version etwas mehr Platz und als merklichsten Unterschied eine Panzerlenkung.
Ich kann das Evo R4 problemlos auf über 50 km/h beschleunigen, muß mich allerdings an die Lenkung erst gewöhnen. Trotz des Seitenwindes und der ungewohnten Lenkung traue ich mich, noch etwas draufzulegen und fahre die Runden mit über 62-65 km/h, auf der Nordstrecke mit gefühlt etwas mehr Platz und mehr Seitenwindschutz komme ich spielend auf über 70 km/h. Ich spüre, daß durchaus auch bei meinem Trainingsstand noch mehr drin wäre, traue mich aber wegen der mangelnden Erfahrung mit dem Fahrzeug dann doch nicht wirklich. Trotzdem ist es ein beeindruckendes Erlebnis, wie man mit der gleichen Kraft, die selbst auf dem Lowracer nur für unter 50km/h gereicht hätte mit dem Evo R bei über 60 km/h liegt.
Aus der Gerüchteküche
Hans Wessels auf die Frage nach seinen Knieproblemen: „Ich hab nicht wegen des Knies aufgehört, sondern weil ich nicht mehr winken konnte – da hat es keinen Spaß mehr gemacht!“
Der gleiche Christian von Ascheberg, der nach den 24 Stunden sagte, er würde das nie wieder tun, fiel schon einen Tag nach der Veranstaltung durch Äußerungen wie „1300km sind möglich“ auf. Wir dürfen gespannt sein.
Die niederländische Fraktion überlegt nach der diesjährigen mangelnden Repräsentation in den Finisher-Listen nächstes Jahr einfach mit mehr Leuten aufzutauchen.
Es wird verzweifelt um eine umsetzbare Definition des Begriffes psychologischer Windschatten gerungen.
Weitere Berichte und Ergebnisse gibt es auf DropLimits!
Vor einigen Wochen war ich in Straelen bei den Brüdern Beyss und habe ein Go-One Evolution probegefahren. Dort traf ich auch auf Daniel Fenn, amtierender Europameister in der vollverkleideten HPV (Human Powered Vehicle) Klasse. Daniel arbeitete zu diesem Zeitpunkt an einer Sonderversion des Go-One Evo, mit der er in diesem Sommer den Versuch starten wird, den 24-Stunden-Rekord von ca. 1120km zu brechen.
Diese Sonderversion ist auf den Renneinsatz zugeschnitten, soll aber kein reines Rekordfahrzeug werden, sondern eine gewisse Alltagstauglichkeit aufweisen und als Grundlage einer sportlichen Serienversion des Go-One Evolution dienen. Bei meinem Besuch in Straelen gab es noch nichts zu sehen, aber auf der Spezi gab es die Möglichkeit, einen Blick auf Baunummer 0, den Prototypen zu werfen, der allerdings noch recht speziell auf Daniel zugeschnitten ist.
Am Samstag abend war es soweit, auf dem Parkplatz zwischen Freigelände und Testparcours fand ich das Evo R uns seine Schöpfer, die Gebrüder Beyss und Daniel Fenn, vor. Direkt daneben stand das Evo Classic, eine ideale Situation um zunächst mal einen äußerlichen Vergleich anzustellen. Das Evo R hat eine sichtbar schmalere Silhouette, ist niedriger und liegt tiefer auf der Straße. Der äußere Eindruck ist deutlich sportlicher, auch wenn viele Veränderungen vor allem in nicht sichtbaren Bereich stattgefunden haben.
Neben fehlender bzw. minimaler Federung ist der Hauptanteil der massiven Gewichtsersparnis von mehr als 12kg in der besonderen Bauweise der Zelle, von einer reinen Verkleidung kann kaum noch die Rede sein, zu suchen. Carbon in Wabenbauweise ist nicht nur sehr leicht, sondern auch extrem stabil. Während man beim original-Evo beim Einsteigen penibelst aufpassen muß, wo man hintritt, ist der Boder des Evo R so fest, daß man nahezu beliebig einsteigen kann. Drückt man mit dem Finger auf die Außenhaut, so verformt sich die des Evo R nicht sicht- oder fühlbar, während jede andere Velomobilhülle empfindlich nachgibt.
Auch im Radkasten hat sich einiges getan: Die Form ist sehr eng an Rad und Reifen angepaßt, keine Laminatschicht ist dicker, als sie sein muß. Die Ansteuerung der Bremse verläuft nahezu gerade. Das verkleidete Rad sitzt bündig zur Verkleidung und mit einem so kleinen Spalt, daß ein geschlossener Radkasten keinen nennenswerten Vorteil mehr bringen würde – so wird das Evo R nicht breiter als nötig und hat dennoch die maximal mögliche Spurbreite, durch den Sturz der Räder ist die Spurbreite größer als die Breite des eigentlichen Mobils.
Nach den äußeren Eindrücken darf ich Platz nehmen in dem nur knapp mehr als 20 kg wiegenden Gefährt. Ich bin mit 1,90m Größe und meiner Schulterbreite an der obersten Grenze für den auf Daniel abgestimmten Prototypen. Daniels Tipp – er drückt mir eine Bierflasche in die Hand, die ich neben dem Sitz abstellen soll – hilft zwar, meine Schultern schmaler zu kriegen, ist aber eher scherzhaft gemeint, denn dann komme ich ja nicht mehr an den Lenker. Aber vielleicht ist das ja der versteckte Hinweis, warum Daniel über die Panzerlenkung nachdenkt. Derzeit gibt es die neue Scheibe für das Evo R noch nicht, die derzeit im Prototyp verbaute Scheibe ist flacher und engt so den bei meiner Schuhgröße ohnehin knappen Raum zum Treten zusätzlich ein. Dennoch kann ich auf dem Parkplatz mal ein, zwei Runden fahren. Sogar hier fällt sofort das deutlich geringere Gewicht auf, der Antritt ist viel leichter. Die Lenkung sehr direkt. Und ich komme problemlos um die engen Kurven des Parkplatzes.
Nach der kleinen Runde hebe ich das Evo R noch mal eben an – es ist nicht viel schwerer als meine Speedmachine. Anschließend demontiert Daniel eines der Räder und weiht uns in die Geheimnisse des neuen Radkastens und der speziellen Radaufhängung und Bremsansteuerung ein. Die Radverkleidungen sind nicht völlig glatt, begeistert läßt uns Daniel mit der Hand fühlen, wie wenig Luft diese in der Drehung mitreißen. Auf den Zungentest verzichten ich allerdings.
Am kommenden Morgen habe ich die Möglichkeit, eine etwas größere Runde zu fahren. Das Fahrgefühl ist deutlich anders als beim normalen Evo, zwar fehlt etwas Komfort durch die kaum vorhandene Federung, aber das geringe Gewicht und die unglaublich präzise und direkte Lenkung fallen positiv auf. Auch der Wendekreis des Evo R ist voll stadtverkehrskompatibel. Schon mit wenig Kraft kommt das Evo R auf gute Geschwindigkeit, die feste Außenhülle sorgt dafür, daß es im Innenraum leiser zugeht, als von anderen Velomobilen gewohnt.
Das Evo R in der derzeitigen Form ist sicher noch nicht das letzte Wort, laut Daniel gibt es noch einiges an Potential und ich bin mir sicher, er hat mit den Beyss-Brüdern noch einige Ideen in der Schublade, die umgesetzt werden wollen.
Und ich hab einen prima Tipp bekommen, woraus ich die Radverkleidungen für meinen M5 Lowracer bauen sollte. Wenn ich mir schon das Evo R, welches durch die aufwändige Bauweise weit über 10.000€ kosten wird, nicht leisten kann, dann nehm ich doch wenigstens etwas mit!
Mein Fahrrad-Zoo ist ja eigentlich schon groß genug, aber wer mich kennt, der weiß, daß das nicht unbedingt ein Grund sein muß, daß ich mich nicht noch nach weiteren Möglichkeiten der Fortbewegung umsehe.
Am Samstag nahm ich also mein noch abzufahrendes Bahnticket zur Hand (gültig nur noch bis Ende März) und setze mich in aller Frühe in den Zug nach Duisburg. Um kurz vor zehn holte mich Judith dort vom Bahnhof ab und wir fuhren gemeinsam nach Straelen in der Nähe der niederländischen Grenze. In Straelen wiederum ging es zur Firma Beyss, bekannt für ihre futuristisch anmutenden Velomobile.
Als ich zur Tür hereinkam traf ich zunächst einmal auf eine mir bekannt vorkommende Gestalt – und als er die Staubschutzmaske abnahm erkannte ich Daniel Fenn, Europameister in der vollverkleideten Liegeradklasse. Daniel baute an seinem nächsten Rekordgefährt: einer sportlichen (dennoch alltagstauglichen) Version des Go One Evo, speziell auf ihn angepaßt, mit dem er in diesem Jahr den 24-Stunden-Rekord holen will.
Nach kurzer Zeit wurde ich auch schon freundlich von Michael Beyss begrüßt und ohne Umschweife ging es daran, eines der in der Werkshalle stehenden Evos auf meine Körpergröße anzupassen. Bei meinen 1,90m Körpergröße und ausgestattet mit meinen halbwegs lauftauglichen Klickschuhen keine leichte Aufgabe, aber nach wenigen Minuten war der Sitz etwas nach hinten verschoben und das Tretlager soweit nach vorn, wie es ohne Berührung der Scheibe noch möglich war und ich paßte ins Velomobil.
In ein Evo steigt man nicht einfach ein, man schwingt sich hinein, gleitet in den Sitz und verschmilzt quasi mit der Maschine. Dann den Klapptiller (Lenker) zu sich ziehen und es kann losgehen. Vorsichtig fuhr ich aus der Hofeinfahrt, bog auf die Straße ab und beschleunigte. Durch meine mangelnde Gewöhnung an das Fahrzeug und die Pi-mal-Daumen-Sinstellung spüre ich noch Treteinflüsse und fahre wohl leichte Schlangenlinien. Ich habe das Gefühl, nicht wirklich vorwärts zu kommen, doch ein kurzer Blick auf den Tacho sagt mir, daß ich schon 35 km/h fahre. Der durch die Scheibe abgeleitete Fahrtwind hat mir ein Schnippchen geschlagen, ich bin einfach sehr viel schneller als es sich anfühlt.
Die erste Kurve, ich bremse runter. Vorsichtig fahre ich mit ca. 20 km/h um die Ecke. Ich weiß, da ist noch mehr drin, aber ich will es nicht auf die Probe stellen. Wieder beschleunigen. Das Gewicht (jenseits der 30kg) ist zu merken, ist wie Stoff geben auf dem Liegerad, wenn man Gepäck drauf hat – nur nimmt der Luftwiderstand deutlich langsamer zu. 37, 38 km/h einfach so. Ich spüre, daß da noch Luft nach oben ist, wenn man ans Fahrzeug gewöhnt ist. Ich fahre einige Rundem um den Block. An die Lautstärke eines Velomobils muß man sich als Liegeradler gewöhnen.
Ich fahre zurück auf den Hof. Nein, aussteigen will ich noch nicht: Jetzt will ich geschlossen fahren, mit dem Hardtop. Noch weniger Wind. Mit ein, zwei Handgriffen montiert Herr Beyss das Dach. Der Deckel geht zu und trotz meiner Körpergröße ist es kein Problem. Wieder geht es raus auf die Straße um um den Block. Ich weiß nicht, ob ich mich nur besser auf das Fahrzeug eingestellt habe oder ob das Hardtop den Luftwiderstand nochmals merklich gesenkt hat. 39, 40 km/h auf den kurzen Strecken bis zur nächsten Kurve. Ich spüre einen leichten Zug der Buglüftung, ansonsten wird es im Fahrzeug schnell angenehm warm, der einsetzende Nieselregen bleibt zuverlässig draußen. Bei widrigem Wetter hätte man damit die Rennradpisten komplett für sich – und Regen und Kälte würden einfach draußen bleiben.
Ich rolle wieder auf den Hof, freage Herrn Beyss über dies und jenes Löcher in den Bauch. Was könnte man tun, um das Evo noch besser an jemanden meiner Größe anzupassen? Wie kriegt man es möglichst unabhängig von einer externen Stromversorgung? Wie und wo kriegt man Gepäck am besten unter. Auf alles gibt es gute und schlüssige Antworten. Die fundierten Antworten eines Entwicklers, Technikers, Tüftlers – nicht aalglattes Verkaufsgewäsch.
Ich verlasse Straelen mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Das Evo macht Spaß und es eignet sich deutlich besser für Touren, als ich zunächst gedacht hätte: Man kriegt definitiv mehr Gepäck unter, das Stromproblem ist nicht so eng, wie ich befürchtet hatte und mit ein paar kleinen Änderungen ist es auch problemlos sehr bequem auf meine Körpergröße anzupassen.
Für meinen Arbeitsweg (3,5 km, diverse Ampeln und dann noch Einmündungen) ist es sicherlich nicht so gut geeignet – und in den Keller krieg ich es auch nicht – das sind die beiden Hauptgründe, die mich auch weiterhin erstmal davon abhalten. Aber cool wär’s schon…