Ausgeträumt

Morgens ging ich mich erstmal an der Rezeption des Campingplatzes anmelden und dann duschen. Mein linker Fuß ist deutlich zu spüren, eine leichte Schwellung zu sehen und wenn man den Fuß bewegt, dann fühlt es sich an dieser Stelle komisch an.

Ich stelle mein Rad, voll bepackt, nach dem Abbau des Zeltes in der Rezeption des Campingplatzes unter und fahre mit dem Taxi zum Krankenhaus. Es dauert schonmal bis ich mich anmelden kann, dann komme ich zur Voruntersuchung durch medizinisches Personal (keine Ärzte), nachdem ich alle Fragen zweimal bei verschiedenen Leuten beantwortet habe und mein Auslandskrankenschein problemlos akzeptiert wurde, wird mir mitgeteilt, ich solle im Wartebereich Platz nehmen und warten, bis ich aufgerufen werde. Von mehr als acht Stunden sagt niemand etwas.

Ich vertreibe mir die Zeit mit dem schwedischen Fernsehprogramm und der Bezwingung des Futterautomaten. Und ich mache mir Gedanken. Wenn ich jetzt ein paar Tage Aufenthalt habe, wo werde ich mich einquartieren? Kilometerleistung zurücknehmen? Bei wievielen Tagen liegt mein Limit? Weil es so ewig dauert reserviere ich telefonisch beim Campingplatz ein Zimmerchen.

Und irgendwann bin ich dran. Die Diagnose steht schnell fest, ein Problem mit der Achillessehne. Typische Sportverletzung. Ich schildere dem Arzt meine Situation, um eine Grundlage für meine Entscheidung zu erhalten. Er bietet mir an, eine kurze und schnelle Heparin-Therapie zu machen. Aber ich bin kein Freund von Holzhammer-Methoden und habe Angst vor den langfristigen Folgen, falls ich das nicht gut auskuriere und lehne das ab. Ich kriege Diclofenac (symptomatische Behandlung) und den Hinweis, maximal leichte Belastungen einzugehen.

Damit ist das Ende der Tour besiegelt.

Informationen, die ich mir später aus Berlin geben lasse, bestätigen die Entscheidung. Lieber jetzt abbrechen, dafür eine sichere Behandlung in Berlin anfangen, um Spätfolgen zu vermeiden. Hart. Ich bin fertig, als ich mein Zimmerchen beziehe.

Der Traum ist aus. Der Traum ist aus.

Aber ich werde alles geben, daß er Wirklichkeit wird.

(Rio Reiser)

Aber nicht daß ihr denkt, damit sei jetzt hier alles vorbei. Die Rückreise wird sicherlich auch noch ein Erlebnis für sich. Und nach der Tour ist ja vor der Tour. Diesmal hat mich das Land oder mein eigener Ehrgeiz besiegt. Aber ich habe den festen Willen, das nochmal zu versuchen. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann werde ich ihn analysieren und daraus lernen. Und wenn es einfach Pech war, dann lasse ich mich davon nicht entmutigen.

11 Gedanken zu „Ausgeträumt“

  1. Ich denke, ich kann ganz gut mitfühlen, wie es dir gerade geht. Tut mir leid für dich.
    Nächstes Jahr ein neuer Anlauf!?
    Pass auf dich auf.
    Viele Grüße, Andreas

  2. Auch wenn der große Traum jetzt verschoben ist, wünsche ich Dir gute Besserung und eine schöne Fahrradsaison 2010. Hoffentlich kommst Du beim nächsten Anlauf wieder bei uns in Dalarna vorbei.
    Gruß,

    Christoph

  3. Moin Olli!

    Hatte nach dem Game Over schon so etwas befürchtet…
    Ist aber auf jeden Fall die richtige Entscheidung!!!
    Gesundheit geht vor!!!
    Bingt ja nichts das Ziel auf Biegen und Brechen erreichen zu wollen…

    Aber Kopf hoch – aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben!!!
    Erst mal wierder fit werden , dann gehst Du noch einmal ( gesund) auf Fahrt!
    Ist ja auch nicht verloren – bisher hast Du ja ne Menge schönes erlebt!

    Auch bist Du dann für den nächsten Versuch schon gut vorbereitet und hast deutlich an Erfahrung gewonnen!
    Also noch einmal: Kopf hoch – nächstes Mal wird´s bestimmt!

    Mach nur erst mal vorsichtig und komm dann erst einmal gut zurück!

    Liebe Grüße aus Berlin,
    M.

  4. och mensch, das tut mir leid.

    aber ich denke auch das das die richtige entscheidung ist bevor dir der fuss abfaellt…

  5. Ach scheiße! Auch wenn Du die Tour natürlich später wiederholen kannst, dass es im Moment sehr weh tut (nicht nur körperlich) kann ich absolut verstehen. Trotzdem: Kopf hoch!

  6. Moin Olli,

    schade :-(. Lass Dich davon nicht entmutigen, Gesundheit ist wichtiger und das Nordkap läuft Dir nicht davon, da kannste hinradeln, wennste wieder gesund bist.

    lg
    silk

  7. Bad news, bad news… must be hard to make this decision. I hope you get well soon.

    The North Cape won’t go away. Take care of your body for the second attempt.

    Regards,

    walter

  8. Besser, den Mut zu haben einen Traum zu realisieren und dann scheitern, als ewig nur zu Träumen! Insofern hast Du in meinen Augen auch ein gewisses Ziel erreicht. Allein dafür würden Dich sicher einige Leute bewundern, mich eingeschlossen :-)

  9. Die richtigen Prioritäten zu setzen ist eine weise Entscheidung, die auch mal schwer fällt. Insbesondere wenn ein lang ersehntes Ziel, das zum Greifen nah ist, wieder in die Ferne rückt. Sieh’ die Sache positiv: Du hast nun ein Jahr Zeit, die Reiseplanung mit Deiner bisher erworbenen Erfahrung zu optimieren. Und das Erlebte nimmt Dir sowieso keiner.

  10. Och mensch,
    ich sitze gerade seit Tagen mal wieder vor dem Rechner (bin seit Montag Früh auf ner Konferenz in Noordwijkerhout) und was muss ich lesen?
    Das tut mir wirklich leid für Dich. Aber ich glaube fest daran, dass Du die Tour nächstes Jahr fahren wirst. Du wirst dich doch von so nem kleinen großen Land nicht ärgern lassen.

    Gute Besserung!
    Schöne Grüße,
    Chris

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