Sonntag, 11.08.2013
Um fünf Uhr morgens klingelt mein vorsichtshalber gestellter Wecker, auch aus dem Telefon schallt der Weckruf. Aufstehen, Packen, Keycard an der Rezeption abgeben. Nach kurzem Warten geht es zum Autodeck, während wir auf die Öffnung warten, hören wir die mächtigen Motoren der Bugstrahlruder, die die Fähre im Hafen in Position manövrieren. Um wenige Minuten nach sechs Uhr rollen wir von der Fähre und verlassen so schnell wie möglich das Hafengelände – der unglaubliche Strom an LKW und PKW ist uns dicht auf den Fersen.
Da wir aber hinter dem Hafengelände sofort auf kleinere Straßen abbiegen und uns von der großen Hauptstraße entfernen, sind wir das Getöse bald los und um diese Uhrzeit quasi allein auf weiter Flur. Die Sonne scheint. Wir fahren ein paar Kilometer, dann suchen wir uns eine windgeschützte Stelle und frühstücken aus unseren Vorräten eine Kleinigkeit.
Weiter geht es dann nach Malmö. Ich habe die Route mit einem kleinen Haken versehen, um die Öresund-Brücke mal aus nächster Nähe (von Land aus und nicht im Auto auf der Autobahn die drüber fährt) bestaunen zu können. So nah ist Kopenhagen nun, daß man es schon sehen kann. Da wir aber nicht über die Brücke fahren dürfen, sind es für uns noch gut 120 Kilometer.
Meine rechte Achillessehne meldet sich und auch Michas Knie sind nicht ganz beschwerdefrei. Wir fahren erstmal nach Malmö in die Innenstadt und suchen uns ein Café für eine ausgiebige Frühstückspause. Es gäbe die Möglichkeit, mit der Bahn über die Brücke zu fahren. Wir schauen uns an: nein, das will jetzt keiner von uns. Langsam fahren, kein großer Druck auf den Pedalen – wir haben Zeit. Und wir wollen das Ding durchziehen.
Es geht nördlich, grob dem EV7 folgend. Die schwedischen Städte haben sehr gut ausgebaute Radwege, auf den großen Fernverbindungen sind oft auch zwischen den Orten gut ausgebaute Radwege in angenehmer Qualität und mit brauchbarer Ausschilderung zu finden. Und wo das nicht der Fall ist, begegnen uns die Autofahrer mit Respekt und Gelassenheit. Es wird nicht gedrängelt, nicht gehupt und schon gar nicht zu eng überholt.
Immer wieder haben wir einen guten Blick auf den Öresund, der bei strammem Westwind eine gute Welle und Schaumkronen aufweist. Die Segler haben gut zu tun, die Surfer und Kite-Surfer freut es. Wir fahren in Richtung Nord-Nordwest und spüren den Wind immer dann deutlich, wenn sich der Weg zu sehr nach Westen wendet. Das Fahren auf den Straßen (wo das überhaupt nötig ist) macht hier Spaß.
Die Fährverbindung zwischen Helsingborg und Helsingør ist sehr dicht und so ist es kein Wunder, daß, als wir ankommen, die nächste Abfahrt kurz bevor steht. Einen Fährplan braucht man hier wirklich nicht. Irgendwann fahren wir doch los. Sobald ich fahre geht es und so ziehen wir (von einer Toilettenpause in einem Hafen abgesehen) bis Kopenhagen in einem Rutsch durch. Der Verkehr auf der Küstenstraße ist selbst an einem Sonntag recht dicht und die Fahrweise ist hier eher deutsch – also für Radfahrer äußerst unangenehm.
Wir versuchen auf der Straße abzukürzen (und Höhenmeter zu sparen), aber irgendwann wird es mir zu doof und wir fahren hoch auf den Radweg, der wenig nivelliert neben der Bahnlinie entlangführt. Bei der Einfahrt nach Gentofte folge ich unvorsichtigerweise einem Umleitungsschildchen, das im Nichts verendet, den Rest der Strecke nach Kopenhagen routen wir dann einfach nach GPS und Wegpunkt. Die vielgepriesene Kopenhagener Fahrradinfrastruktur wird erst mit zunehender Nähe zur Innenstadt Kopenhagens wirklich spürbar. Wir zahlen und können fast direkt auf die Fähre rollen. Dort gönnen wir uns etwas zu trinken und genießen die kurze Überfahrt. Während es Micha besser geht, hat mein Achillessehne durch die lange Fahrt merklich gelitten, so daß wir die Pause in Helsingør in einem Café noch etwas verlängern. 50km liegen noch vor uns.
Wir erreichen das CabInn City, das relativ zentral und in der Nähe von Tivoli und Hauptbahnhof gelegen ist, und checken ein. Es gibt keine wirklich guten und sicheren Plätze für Fahrräder in diesem Hotel, allerdings hat man auch kein Problem, uns mit den Rädern ins Zimmer zu lassen.
Wir haben im Zimmer ein Etagenbett, so daß es selbst mit beiden Rädern im Zimmer problemlos vom Platz ist. Nach Einzug und Dusche schlendern wir müde in die Innenstadt und gehen noch essen. Ein Stadtbummel steht für den kommenden Tag auf dem Plan.Wer hier allerdings ein zweites Amsterdam erwartet, der wird enttäuscht. Es gibt schöne Express-Radwege, auf denen man gut vorankommt und fairerweise muss man sagen, daß das Kopenhagener Modell ja vor allem eines dafür ist, eine Stadt auf zunehmenden Radverkehr auszurichten im Gegensatz zu Amsterdam, wo Fahrradkultur (im gesamten Land) seit über hundert Jahren gelebt und geplant wird.