Mit dem Frühstück ließ ich mir Zeit, draußen hatte der Wind aufgefrischt und trieb dunkle Wolken über das Land. Die kommenden Etappen würden hügelig, soviel war klar. Und an Tag vier der Fahrt merkte ich die ungewohnte Belastung und meinen nach Corona schlechten Trainingszustand schon vor dem Losfahren.
Als es endlich losging, erwischte mich der erste Schauer noch im Ort, ich stellte mich einige Minuten unter, dann war das Schlimmste vorbei und ich fuhr bei nur leichtem Getröpfel los. Nach 10 Minuten war es wieder trocken, doch der Wind blieb. 20km/h bis 25km/h aus Südwest – und meine Strecke führte abwechselnd nach Süden oder Westen.
Dann folgte ich auch noch der offiziellen Radwegführung. Damit war ich nicht mehr auf der Landstraße unterwegs, die halbwegs befahren war, die Autofahrer waren aber durchgehend vorsichtig beim Überholen. Stattdessen fuhr ich über kleine Wirtschaftswege mit teils kräftigen Steigungen bis zu zehn Prozent. Keine Radroute für jeden.
Nach 15km gegen Wind und Steigungen fühlte ich mich ziemlich fertig, allein die Tatsache, dass es noch recht früh war, ließ mich daran glauben, wenigstens 50 Kilometer zu schaffen. Doch das Wetter besserte sich und an einigen Stellen ignorierte ich mein Routing entlang des offiziellen Eurovelo 4 und bevorzugte die Straße. Einen echten Flow hatte ich bestenfalls zeitweise, aber es ging voran.
Nachdem ich an einer Creperie im Hafen vorbeigefahren war (ca. Kilometer 50), fand ich bei Kilometer 75 eine offene Boulangerie (Bäcker), wo ich ein Sandwwich und ein Getränk erstehen konnte, was ich ein Stück weiter auf einer Bank aß. Langsam reifte der Plan, heute bis Dieppe durchzufahren. Also etwas mehr als 160 Kilometer.
Immer wieder bremsten mich Wind oder Steigungen aus, doch insgesamt ging es voran. Dieppe als größerer Ort hatte auch Infrastruktur zu bieten, die eine Ankunft erst gegen 19 Uhr möglich machte, ohne befürchten zu müssen, keine Getränke oder gar kein Abendessen mehr auftreiben zu können.
Die letzten 20 Kilometer kam ich nur noch schleppend voran, aber die Aussicht auf das Ziel und eine mögliche Erreichbarkeit der Gegend um Le Havre am Donnerstag gaben mir Kraft. Und so kam ich wirklich um 19 Uhr in Dieppe an, fand ein Hotel, einen Supermarkt und ein Restaurant mit Nudelversorgung, Und ich warr glücklich und stolz, das geschafft zu haben, auch wenn mir mein Körper in den kommenden Tagen eventuell mitteilen wird, dass ich hier an die Grenze meiner momentanen Leistungsfähigkeit gegangen bin.