Blankenberge – Wissant

Da ein Meer ja nur dann als wirklich erreicht gilt, wenn man auch mal drin badet, habe ich den Morgen eben so begonnen: Vor dem Frühstück ging ich um 07:30 Uhr zum Strand, der um diese Zeit noch menschenleer war, und stieg ins kühle Nass der Nordsee. Da ich nicht sicher war, ob noch ablaufendes Wasser war, blieb ich in einem Bereich, in dem ich sicher stehen konnte, schwamm aber doch einige Meter hin und her. Anschließend duschte ich im Hotel und machte mich fertig fürs Frühstück um 08:30 Uhr.

Küstenboulevard in Belgien

Da mich der Tag ja von Belgien nach Frankreich führen sollte, genoss ich das üppige Frühstücksbuffet, bevor ich meine Sachen packte und mich bereot machte für die Abreise. So ging es nicht allzu früh auf’s Rad.

Bis auf ein kurzes Stückchen hinter Blankenberge durch die Dünen führte mich die Fahrt zunächst über Straßen mit schmalen Radstreifen in mäßigem Zustand, der Vergleich zu den Niederlanden ist in Flandern bestenfalls auf sprachlicher Ebene erlaubt, sonst ist Belgien dichter an Frankreich.

In Oostende gab es im Hafen noch eine kleine (kostenlose!) Fährfahrt und zwischen den leider ziemlich zugebauten Boulevards an der belgischen Küste begegnete mir immer wieder die „Kusttram“, die Küsten-Straßenbahn. Auf einigen Fahrten abseits der Küste schickte mich mein Routing auf Wege, die zwar in OSM (offensichtlich in ausreichender Qualität), nicht aber in der Realität existierten. Die Umwege hielten sich aber zum Glück in Grenzen.

Apropos Grenze: die Grenze zu Frankreich machte sich durch den Beginn eines Bahntrassenradweges bemerkbar, der mit nur kleinen Unterbrechungen bis nach Dunkerque verlief. Gesättigt vom Frühstück durchquerte ich die Stadt und legte als Minimalziel Calais fest. Leider missachtete ich die strikten Essenszeiten in Frankreich und so kam ich erst nach guten 100km um 15 Uhr zu einem Restaurant. Dieses hatte zwar offen, aber die Küche war zu, so dass ich lediglich ein Dessert und jede Menge Getränke zu mir nehmen konnte.

Plattenweg und Hügel

Calais wollte ich schnell hinter mir lassen. Bei der Ausfahrt aus der Stadt kam ich am Eingang des Eurotunnels vorbei, die mit mehrfachen Zaunreihen und jeder Menge Natodraht gesichert ist. Leider war ich hier auf einer stark befahrenen Straße ohne Radweg unterwegs, von der ich mich erst später entfernte. Auch wurde das Gelände hügeliger, was mir Steigungen von bis zu 10% einbrachte, bevor ich Wissant erreichte. Aufgrund von passender Infrastruktur (Supermarkt, Restaurants, Hotels) und nahenden Regeens sollte dies mein Tagesziel werden-

Die gewohnten Zeitfenster für offene Restaurants und Küchen schein hier im Norden andere zu sein, schon um 20 Uhr war es nahezu unmöglich, zum Essen einzukehren. Dennoch fand ich das eine Restaurant im Ort, das mich vor der Katastrophe bewahrte, abends nichts mehr zu essen zu bekommen, wenn man tagsüber jenseits der 4000kcal gegen den Wind verballert hat.

Hoek van Holland – Blankenberge

Um siebe Uhr ging der Wecker und ich packte die wesentlichen Dinge zusammen, bevor ich das Haus verließ und zum Partnerhotel im Ort zum Frühstück ging. Anschließend lief ich wieder zurück und packte den Rest, sattelte das Rad und checkte aus. Ich war somit etwas zu früh an der Fähre.

Die Überfahrt durch den Rotterdamer Hafen dauert etwa 50 Minuten und ist wie eine kleine Rundfahrt durch die Container- und Öl- und Gasterminals. Nach dem Verlassen der Fähre, die nur Personen und Radfahrer mitnimmt, verläuft die Strecke noch durch die Hafenanlagen, bis man sehr plötzlich dann im Grünen ist und über ruhige Wege, die oft dem Radverkehr vorenthalten sind, weiter in Richtung Süden fährt. Die Küste ist in diesem Abschnitt eher selten zu sehen.

Küstenradweg in den Niederlanden

Erst am Haringvliet- und Bouwersdam zeigt sich die See wieder kurz, ich überlege noch baden zu gehen, aber wegen der Straßennähe sind mir die Strände zu voll, um derweil mein Gepäck und Wertgegenstände unbeaufsichtigt am Strand zu lassen. Die weitere Strecke bis Neeltje Jans geht abseits der Küste entlang, bis man sich dann von hinten den Deltawerken nähert.

Nach dem Verlassen der Deltawerke, wo ich ein kleines Mittagessen in Form von Fischsuppe und Waffel aß, geht es via Middelburg weiter zur Fähre in Vlissingen, die Radfahrer und Fußgänger in 20 Minuten über die Scheldemündung bringt.

Sonnenuntergang über dem Meer

Nach der Fähre fürt die Route über den Küstenweg durch die Dünen und ist sehr schön, doch bald schon erreiche ich Belgien, wo die Wegequalität merklich schlechter ist. Dafür geht es wieder durch stärker bebautes Gebiet und ich merke, dass meine Energievorräte sich neigen, plane als für eine Unterkunft hinter Seebrügge.

Beim Verlassen von Seebrügge ist es dann soweit, plötzlich bin ich wie ausgeschaltet, komme kaum noch voran. Ich buche für den nächsten Ort, Blankenberge, ein Hotel. Dieses beziehe ich und folge der normalen Abendroutine: Duschen, einkaufen, kleiner Spaziergang, essen, Bett.

Amsterdam – Hoek van Holland

Um genügend Zeit zum Packen zu haben und den Urlaub nicht im Stress zu starten, habe ich mich für eine Anfahrt am Sonntag entschieden. Start ist um kurz nach halb zehn ab Gesundbrunnen, der Zug ist dann um kurz vor fünf am Nachmittag in Amsterdam. Einen Start ab Berlin hatte ich diesmal nicht geplant, da ich ja bereits in den letzten beiden Corona-Jahren nur in Deutschland unterwegs war und diesmal gleich mit schöner Fahrradinfrastruktur und tollen Eindrücken beginnen wollte.

Eine Person steht mit einem Liegerad bei blauem Himmel auf dem Bahnsteig
Fertig zur Abfahrt

Die Zugfahrt verlief reibungslos, bis ich in Amsterdam den Bahnhof verlassen hatte, war es kurz nach siebzehn Uhr. Während der Fahrt hatte ich ein Hotel in Hoek von Holland direkt an der Hoeksveer (Fähre) gebucht und damit nach Plan 91 Kilometer auf einer Route, die von Amsterdam zunächst direkt ans Meer und dort dann südlich führte, vor mir.

Der Start in Amsterdam verlief gut, bald war ich aus der Innenstadt raus und fuhr neben der Bahnlinie nach Haarlem. Die Umleitungsschilder auf holländisch waren für mich wegen der Ortsnamen nicht klar zu verstehen und so hatte ich Spaß mit einem geschlossenen Bahnübergang und der Tatsache, dass an der nächsten der wenigen möglichen Querungen – einem Bahnhof – beide Aufzüge an der Überführung außer Betrieb waren und es hieß tragen bzw. die enge seitliche Schieberinne nutzen.

4 Radfahrer mit orangen T-Shirts auf einem breiten Radweg
Pulk von Radfahrern auf dem Heimweg von F1 GP

Nachdem ich mich aus dem Wohngebiet, in das ich geriet, heraus gewunden hatte und wieder auf meinem geplanten Track war, kam die nächste Überraschung: Mein Track führte nah am Formel-1-Parcours vorbei, an dem gerade eine Veranstaltung zu Ende war. Und so strömten mir tausende Menschen in orangen T-Shirts auf ihren Rädern entgegen. Als ich am Veranstaltungsort vorbei war fuhr ich dann viele Kilometer durch die Dünen mit dem Pulk, was mich abermals bremste. Ich hoffte mein Hotel bis 21 Uhr zu erreichen, damit der Checkin noch klappte.

Ein gepflasterter Radweg in den Dünen bei Sonnenuntergang
Sonnenuntergang in den Dünen

Hinter Leiden wurde es ruhiger und hinter Den Haag hatte ich den Weg nahezu für mich alleine, allerdings war die Sonne mittlerweile untergegangen und es wurde dunkel. Ich kam um 21 Uhr am Hotel an und der Checking klappte problemlos. Allerdings musste ich schnell in die Stadt, denn zwischen 21:30 Uhr und 22:00 Uhr schlossen alle Restaurants, so dass ich mich beeilen musste, um noch etwas zu essen zu finden.

Entgegen sonstiger Gewohnheiten duschte ich also nach dem Essen und fiel dann müde ins Bett. Der Wecker stand auf sieben Uhr früh, damit ich Zeit hatte, zu frühstücken, alles zu packen und die Fähre um neun Uhr morgens zu erreichen.

Cuxhaven – Hamburg

Da wir für den Tag herrliches Wetter Rückenwind erwarteten, ließen wir uns mit dem Frühstück und beim Packen der Räder Zeit. Das Hotel lag direkt am Track, so dass wir nach kurzer Zeit von der Straße auf den Deich wechseln konnten und am Strand von Duhnen bis zum Cuxhavener Fährhafen fahren konnten, um obligatorisch auf der Mole die Nordsee zu begrüßen.

Deich bei Cuxhaven

Durch den Fischereihafen und vorbei an den fischverarbeitenden Betrieben mit ihrem markanten olfaktorischen Erlebnis führte uns unsere Strecke anschließend zurück auf den Deich, von wo man die in die Elbe Richtung Hamburg einlaufenden Schiffe beobachten konnte. Typisch für Deichfahrten sind die regelmäßigen Schafsgatter. Vorsicht ist angesagt, denn die Tiere haben um diese Jahreszeit Junge, bei denen man immer gewahr sein muss, dass sie vor Schreck zum Muttertier laufen könnten – im Zweifel direkt vor’s Rad.

Eine weitere interessante Frage ist immer die nach der Fahrt innen oder außen am Deich. Die Grundregel heißt aber meistens, sich an die ausgeschilderte Radroute zu halten, denn nicht selten steht man sonst unversehens vor einem verschlossenen Gatter und muss umkehren. Trotz des schönen Wetters waren nur wenige Radfahrer unterwegs, wir konnten also entspannt fahren. Gerade das Stück zwischen Oste und Freiburg (Elbe) lief wunderbar.

Einfach fahren

Bei Wischhafen trafen wir auf die Bundesstraße, die zur Fähre nach Glücksstadt führt. Ein herrliches Gefühl, am kilometerlangen Autostau vor der Fähre einfach mit 30 km/h vorbei fahren zu können und bei dem dichten Fährtakt dann nach sehr kurzer Wartezeit als erster auf die Fähre – und auf der anderen Seite wieder runter – zu dürfen.

Den Binnenhafen Glücksstadt umkurvten wir, dann gab es wieder Deichfahrt, doch langsam meldete sich die Erkenntnis, dass wir eine Kleinigkeit essen sollten. Am Hafen Kollmar fanden wir eine einfache Möglichkeit, uns zu versorgen – und bekamen von Harald Legner, der unseren Track verfolgt hatte den wertvollen Hinweis, dass die Sperrwerke Krückau und Pinnau geschlossen waren und wir diese über Elmshorn umfahren müssten.

Containerfrachter auf der Elbe

Da Micha in Hamburg die letzte Regioverbindung nach Berlin erreichen wollte, war der große Umweg an sich schon nicht gerade ein Segen – spätestens die Benutzung der straßenbegleitenden Radwege an der stark befahrenen Bundesstraße und vor allem bei den Ortsdurchfahrten bis Wedel zehrten dann aber erheblich an den Kräften. In Hamburg kam dann noch eine – glücklicherweise mit guter Umleitung ausgeschilderte – Baustelle dazu, aber wir erreichten eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges den Hauptbahnhof. Micha kaufte seine Fahrkarte und konnte in den Zug steigen.

Ich bemühte mich um eine Übernachtungsmöglichkeit. Wegen einer Messe in Hamburg waren aber kaum noch Zimmer und diese eher im Preisbereich jenseits der 200€ pro Nacht zu haben und auch im Umland sah es mau aus, bestenfalls waren noch Absteigen zu bekommen mit unklarer Möglichkeit der sicheren Fahrradabstellung. Auch auf eine Fahrt von weiteren 50-60 Kilometern legte ich keinen großen Wert und so entschied ich mich nach Prüfung der Verfügbarkeit, zunächst auch nach Berlin zu fahren – mit dem Fernverkehr, wo ich glücklicherweise kurz vor Abfahrt noch einen Fahrradplatz reservieren konnte.

Hamburg Hauptbahnhof

Bremen – Cuxhaven

Da wir wussten, dass auch dieser Tag vom Fahren gegen den Wind geprägt sein würde, machten wir uns direkt abfahrbereit, Frühstück gab es in der Unterkunft einer Bäckerei, die wir ausgiebig nutzten.

Eine kurze Fahrt durch Industriegebiete mit einer teils kreativen Radwegführung führte uns schnell aus Bremen heraus, anschließend war vor allem die Nutzung von Wegen hinter dem Deich angesagt. Am Elsflether Sand gab es einige (teils mäßig ausgeschilderte) Umleitungen wegen Bauarbeiten zu meistern, sonst war die Fahrt aber ruhig und schön.

Fahren hinter dem Deich

In Brake (Unterweser) legten wir eine kurze Bäckerpause ein, weil wir den Energiefehler vom Vortag vermeiden wollten. Leider hatte Micha irgendetwas am Snack nicht gut vertragen, so dass es auf den kommenden Kilometern etwas langsamer voran ging. Bald war aber auch das wieder OK und wir erreichten Nordenham. Die Innenstadt gab – es war kurz vor 14 Uhr – nicht viel her und wir mussten etwas suchen, fanden dann jedoch ein Bistro mit offener Küche.

Nördlich durchquerten wir einige Industriegebiete auf einem rumpeligen Radweg entlang einer stark befahrenen Straße, bis wir in Blexen zur Fähre kamen. Diese brachte uns nach Bremerhaven. Der Weg aus Bremerhaven heraus führte uns durch den Industriehafen und das große Autoterminal. Bald waren wir zum Glück am Deich, wo das Fahren mehr Spaß machte.

Wie immer: man kommt zur Nordsee und sie ist gerade weg

Der aufgefrischte kalte Nordwind bremste uns, doch wir ließen uns ich beirren und fuhren bis Cuxhaven-Duhnen, wo wir ein bezahlbares Hotel direkt am Track fanden. Dies ist der nördlichste Punkt der Tour und der Nordwind war für den Samstag teils noch stärker und mit einer leichten Drehung auf Nordwest angesagt, so dass hoffentlich ein Rückenwindtag bevorstand.