Südwest 2011: Kenne Deinen Gegner

Montag, 12.09.2011

Vor dem Fenster meines Burgzimmers hing noch etwas Dunst, aber nach und nach kam die Sonne durch. Nach einem ausführlichen Frühstück geht es auch schon bald los. Die kommende Etappe ist geprägt von Höhenmetern. Zunächst aber geht es auf den Unstrut-Radweg. Fernab von Autos geht es entlang des Flüßchens Unstrut entspannend vorwärts.

Doch bald ändert sich die Landschaft, es wird zunehmend welliger. Ich kämpfe mich Steigungen hoch. Es scheint aber keine Gefälle zu geben, die für die Anstrengungen entlohnen.
Und vor allem gibt es in den Orten, durch die ich fahre zwar jede Menge Fahrschulen, allerdings keine Bäcker. Oder einen Bäcker, der geschlossen hat, so wie die meisten Gasthöfe. Ich entwickle die Theorie, daß es vielen Leuten offenbar wichtiger ist, hier wegzukommen, als etwas zu essen. Dabei ist die Landschaft eigentlich wirklich schön.

Nur eben so wellig. Und es geht niemal bergab. Glaube ich.

Geschätzt müßte ich mittlerweile mindestens 1000m über dem Meeresspiegel sein. Das GPS widerspricht und gibt eine kalibrierte Höhe von 230m an. Und langsam wird es mir klar. Mein Gegner heute sind nicht die Steigungen – es ist der Gegenwind. Vier Bft und Böen. Allerdings ist deutlich zu merken, daß auf der Leeseite, wo ich aufsteige, deutlich weniger Wind herrscht, an der Luvseite allerdings der Wind offenbar sehr viel stärker bläst. Selbst auf fünf-Prozent-Abfahrten (die steileren kommen erst später am Tag) sehe ich selten mehr als vieleicht 25km/h auf dem Tacho. In der Ebene sind es vielleicht 16 bis 17 km/h.

Irgendwann finde ich Gräfentonna endlich einen offenen Supermarkt. Brötchen. Kuchen. Eistee (mit Zucker, kein Süßstoff – gar nicht so leicht heute…).
Und weiter geht es. Nach wenige Kilometern ebschließe ich, meinen Beinen eine Pause zu gönnen. Und ich merke, daß ich meine Sonnencreme wohl erfolgreich runtergeschwitzt habe: die Haut spannt. Auf einer Wiese lege ich mich ins Gras. Nach kurzem grüßt ein weiterer Radler, wir unterhalten uns kurz.

Und dann wieder los. „Eisenach, dann hast Du’s hinter Dir!“ klingt mir in den Ohren, also rein virtuell, denn ich habe den Satz nur sinngemäß von Klaus auf Twitter gelesen. Er kennt die Strecke. Eisenach. So nah und doch so fern. Es scheint nicht näher zu kommen.

Irgendwann habe ich es dann aber doch geschafft. Nudeln und Apfelschorle. Ich wälze die Gedanken, wo ich heute übernachten werde. I

n Eisenach habe ich eine Hotel-Empfehlung in GPS, ber eigentlich ist mir nach dem Essen nach noch ein paar Kilometern. Die nächste größere Ortschaft ist Bad Hersfeld, 60km entfernt und nicht mehr im Hellen zu erreichen.Sicherheitshalber schaue ich nach Hotels, die lang genug eine besetzte Rezeption haben, gehe aber davon aus, daß ich eher noch etwa 30km fahren werde und dann eine Herberge am Wegesrand suche.

Hinter Eisenach geht die radweit-Route zu einem guten Teil über den Werra-Radweg. Dieser ist in Teilen gut ausgebaut, auf anderen Teilen ist Schotterbelag angesagt – und auf diesem Schotter auch ein paar Rampen, die es in sich haben.

Nach einer Straßenpassage über ruhige kleine Straßen geht es dann auf den nächsten Schotterabschnitt. Nach etwa einem Kilometer drehe ich entnervt um. Das gestrige Unwetter hat in Form von tiefen Schlammpfützen und und dicken Ästen seine Spuren hinterlassen, diese Wege sind für Tourenradler unpassierbar. Ich fahre über die Alternativroute auf der Straße.

Dre Track vereinigt sich irgendwann wieder und dann geht es erst über einen gut ausgebauten Streckenabschnitt, dann kommt wieder so eine richtig tolle Überraschung: der ausgewiesene Radweg scheint urplötzlich in einer Sackgasse, umgeben von elektrischen Viehzäunen, zu enden.

Ungläubig starre ich auf das Schild 50m zuvor, das einen schmalen Single-Trail als Weiterführung des Radwegs ausweist. Schlammpfützen erwarten mich, aber ich bin tapfer, immerhin gilt es keine Äste zu überwinden. Ganz klar ist aber: Planungsicherheit für jedes Wetter bieten diese Wege nicht.

Ich entscheide mich, da fast nur noch Straßenpassagen kommen, den Schatten und den nachlassenden Wind zu nutzen und bis Bad Hersfeld durchzufahren. Als ich merke, daß die schlimmsten Anstiege kurz vor Bad Hersfeld kommen ist es zu spät für eine andere Entscheidung. Dunkelheit setzt ein, in den kleinen Dörfern sind keine Unterkünfte zu bekommen. Aber ich mag Fahrten bei Nacht und setze intensiv auf den folgenden Abfahrten mein Fernlicht ein (auf den Anstiegen mit 7 bis 8 km/h ist das reichlich unnötig). Speziell auf dem Salztalradweg kurz vor dem Ziel ist das Licht eine große Hilfe. Andererseits: ohne diese Scheinwerfer wären die Rehe vielleicht auch so vom Weg gesprungen und hätten sich nicht erst bitten lassen müssen (durch Abblenden).

Am Rande von Bad Hersfeld stelle ich gnadenlos auf Autorouting vom avisierten Hotel um und bin nach nichtmal einem Kilometer dort. Mein Rad bekommt einen sicheren, trockenen Garagenplatz, ich habe ein nettes Zimmer, morgen gibt es Frühstück und im Hause ist ein kroatisches Restaurant. Und vor der Tür eine Tankstelle, um mir noch etwas anderes als Leitungswasser mit aufs Zimmer zu nehmen. Mein brachialer Sonnenbrand fordert Tribut, auch in Form von großem Durst.

175km liegen hinter mir.

Südwest 2011: Sonne, Unwetter, Gastfreundschaft

Sonntag, 11.09.2001

Nach dem Aufwachen begrüßt uns blauer Himmel. Schnell haben wir gepackt und stärken uns am Frühstücksbuffet. Gegen 09:30 Uhr machen wir uns auf den Weg. Kurz auf die Karte schauen, wo man am besten wieder auf den Track zurück kommt, dann geht es los. Die Temperatur steigt unaufhaltsam, 25°C, 27°C, 29°C und die Sonne brennt. Leider liegt auch eine drückende Schwüle in der Luft. Und es weht ein scharfer Gegenwind, wir sehen die Windräder immer nur von hinten.

Klaus‘ Plan ist es, in Halle einen IC zu erreichen, die einzig stress- und umsteigefreie Rückfahrtmöglichkeit und so hängen wir uns rein. Natürlich wird nicht übertrieben, aber wir wechseln uns ab, unterhalten uns wenig ziehen unseres Weges. Das Gelände wird wellig, keine wirklich heftigen Anstiege, aber es läppert sich einiges zusammen.

Die Strecke nach Halle ist angenehm zu fahren, aber im wesentlichen eher ereignislos. Keine herausragenden Landmarken, keine wirklich spannenden Streckenabschnitte. In Halle trennen sich unsere Wege, als Klaus irgendwann vom Track abbiegt und einer großen Hauptstraße nicht ganz wie von den Verkehrsplanern für Fahrräder beabsichtigt zum Hauptbahnhof folgt.

Ich durchfahre Halle auf dem Radweit-Track, weitestgehend, an einer Stelle gibt es eine keine Abkürzung, vermutlich neu, nach einer einer angenehmen Fahrt durch einen langgezogenen Grünstreifen geht es dann auch bald wieder raus aus der Stadt. Ich beschließe bei nächster Gelegenheit eine Pause zu machen, über dem heißen Asphalt ist das Thermometer bei 31°C festgenagelt.Neben der Strecke finde ich einen schattigen Platz mit Selbstbedienung. Da mir die Gerichte nach dem KOnzepot fettiges Fleisch mit schwerer Soße (ausnahmslos alle!) nicht gefallen, nehme ich ein Eis und eine Apfelschorle und spekuliere darauf, demnächst vielleicht noch an einem Café vorbeizukommen. Außerdem liegt ja in absehbarer Entfernung noch der empfohlene Leimbacher Gasthof auf dem Weg, den ich für mein Mittagessen vorgesehen habe.

Das mit der absehbaren Entfernung entpuppt sich allerdings als Fehler. Der kräftige Gegenwind gepaart mit dem stetigen Anstieg in höheres Gelände, immer nur ganz geringe Prozentzahlen, aber die können mehr nerven als eine faire Steigung, zehren an den Kräften. Immer wieder wird meine Hoffnung auf ein Café oder ähnliches bitter enttäuscht. Zudem divergieren die autokalibrierende Höhenangabe auf dem GPS und die unkalibrierte auf dem Tacho zunehmend: der Tacho liegt mit seinen Angaben mittlerweile dutzende Meter über dem GPS, ein sicheres Zeichen für fallenden Luftdruck.

Noch 15km bis zum Gasthof. Durchhalten. Ich schwitze. Trotz Sonnencreme macht sich Sonnenbrand bemerkbar. Gegenwind.

Noch 10km bis zum Gasthof. Hungergefühl steigt auf. Ein sicheres, daß ich schon längst hätte essen sollen.

Noch 5km bis zum Gasthof. Tankstelle. Ich schlinge ein Sandwich hianunter, trinke ein Malzbier, esse zwei Schokoriegel. Die Beine schreien. Nicht gut.

Dann endlich der Gasthof. Dringend brauche ich jetzt die Pause. Apfelschorle, ein ordentliches Essen. Draußen zieht sich der Himmel zu. Die Regenprognose von gestern abend kündigte den Regen zwischen 17 und 19 Uhr. Es ist 15 Uhr. Eine Stunde Pause muß sein. Bevor das Essen nicht wirkt brauche ich kaum weiterzufahren. Ich bin über den Hungerpunkt, es ist schwer zu essen, aber ich tue es. Draußen ein paar jugendliche, die mein Fahrrad interessiert begutachten. Ich nehme mir etwas Zeit für sie, um mich abzuhalten, zu schnell weiterzufahren. Aber die Zeit drängt, das Regenradar läßt schlimmes erahnen.

Als ich weiterfahre sind es noch 30km bis Heldrungen. Das Essen liegt schwer im Magen. Nicht daß wir uns mißverstehen: hervorragendes Essen, aber mein Körper weigert sich, es so schnell zu verdauen, wie ich es jetzt bräuchte. Käme auf dem Weg eine passende Unterkunft, ich würde sie nehmen. Es kommt aber keine.

Abbiegung auf den Saale-Unstrut-Radweg, weg von den Autos. Es wird dunkler, vor mir eine schwarze Wand, sie zieht scheinbar wuer vor mir vorbei, ich muß von meinem Westkurs südwärst abbiegen, dort sieht es heller aus. Aber die Wand kommt trotzdem näher, bedrohlich nahe.

Kurz vor erreichen der Straße pfeifen plötzöich von einer Sekunde auf die andere Sturmböen über mich, die ersten Regentropfen. Mit erreichen der Straße wird der Regen stärker. Blitze zucken durch die Luft. Keine Bushaltestelle oder ähnliches weit uns breit, nur Bäume – und die sind bei Gewitter eine schlechtere Wahl als offenes Gelände. Ich sichere alle empfindlichen Dinge in meinen wasserdichten Taschen, ziehe die Regenjacke über, suche eine Lücke. Licht an und rauf auf die Straße. 10km noch bis Heldrungen. eine halbe Stunde, vielleicht etwas mehr. Ich werde naß sein, aber das ist auszuhalten.

Ein Sturmböe trifft mich von dwer Seite, das Auto hinter mir muß scharf bremsen, da ich unvermittelt auf die Gegenfahrbahn schieße. Scheiße. Ich kämpfe mich zurück an die rechte Seite. Neben mir ein Straßengraben, Bäume, die Laub und Äste verlieren. Der Wind peitsch mir seitlich so ins Gesicht, daß es schmerzt. Die nächste Böe, wieder auf die Gegenfahrbahn, nur mit mühe komme ich zurück auf die rechte Fahrbahnseite. Ich muß runter von der Straße, das ist lebensgefährlich. Aber wohin?

Auf einem Feldweg 200m entfernt auf der linken Seite steht ein Traktor mit einem Wohnwagen, eine Person schaut aus der Tür. Ich beschließe, dort nach Unterschlupf zu fragen. Der Wind drückt mich nach links, ich biege ab, lasse die Speedmachine mit den schweren Taschen in Windrichtung stehen, klopfe an die Tür. Mir wird geöffnet, ich werde eingelassen. Ein älterer Herr, er kommt gerade von einem Lanz-Bulldog-Treffen. Gemeinsam warten wir um Wohnwagen, der von Sturmböen und vom laufenden Traktor durchgeschüttelt wird.

Irgendwann wird der Regen, dann auch der Wind weniger. Da das Gespann auch noch gute zwei Stunden Fahrt vor sich hat, heißt es raus in den Regen und ab auf die Straße. Der Wind ist stark, aber beherrschbar.

Das schlechte Wetter treibt die Autofahrer zu noch wilderen Überholmanövern als sonst, ich fühle mich nicht wohl auf der Straße. In Reinsdorf winkt ein Mann am Straßenrand. „Das ist aber nicht so ein gutes Wetter zum Radfahren!“ Ich bleibe stehen, schaue nach dem Weg, das GPS-Display ist kaum zu erkennen mit dem vielen Wasser. Und werde auf einen Kaffee und ein Dach über’m Kopf eingeladen.

Und nicht nur das: Mein Rad kriegt einen trockenen Platz, ich einen Satz trockener Klamotten und meine nassen Radklamotten wandern in den Trockner. Wäre ich nicht immernoch satt, ich hätte sogar noch zu essen bekommen. Wahnsinn, daß es so eine Gastfreudschaft in Deutschland noch gibt heutzutage – für einen Wildfremden! Ich bin total überwältigt. Und dankbar. Ich kann ausruhen, mir geht es langsam besser, die Motivation kehrt zurück.

Ich rufe die Jugendherberge auf der Wasserburg in Heldrungen an, es gibt noch einen Platz für mich. 6 bis 8 Kilometer über einen ruhigen Radweg stehen mir noch bevor. Ich warte den Regen ab, dann geht es los.

Der Radweg ist super – bis auf eine kleine Stelle, wo gerade Baustelle ist. Das wäre unter normalen Bedingungen nicht schlimm, in diesem Fall hat der heftige Regen zu einer ca. 5cm tiefen Schlammkuhle geführt. Ich fahre langsam hindurch, bis zu einem Punkt, wo eine Steinkante kommt, die ich unmöglich hinauffahren kann. Ein beherzter Schritt in den Matsch. Hinterher klebt soviel davon in meinem Schuhen, daß ich erst den Inhalt meiner Trinkflasche opfern muß, um wieder einklicken zu können!

Leichter Regen setzt ein, ber der Wind läßt nach. So komme ich an der Wasserburg an. Ich bekomme ein nettes Zimemr, sogar noch einen Salat zum Abendbrot, kann duschen und mein Rad steht sicher und trocken. Ich breite meine Klamotten aus. Der Trocknergang zwischendurch hat dafür gesorgt, daß diese in einem Zustand sind, daß sie in absehbarer Zeit wirklich wieder trocken sein werden.

Was für ein Tag! 118km stehen auf dem Tacho. Reicht aber auch.

Südwest 2011: Start!

Samstag, 10.09.2011

Die Woche war hart, die Vorbereitung schleppend, erst Freitag abend um kurz vor 23 Uhr war alles fertig. Für den Samstag war ich um 09:30 Uhr mit Klaus verabredet, der mich auf der ersten Etappe meiner Tour begleiten wollte. Bevor er auftauchte ging ich nochmal zur Bank und frühstückte beim Bäcker, dann packte ich die frisch gefüllte Wasserblase und eine Flasche mit einem Wasser/Saft-Mix ans Rad … und knack das Halteblech für den Getränkehalter unter dem Sitz brach. Was für ein Auftakt. Ich beschloss einen Umweg über meinen Händler zu machen, vielleicht hat der ja eines vorrätig.

Unten vor der Tür, Klaus kommt gerade an, Gepäck ans Rad, im das Malheur mit dem Getränkehalter präsentiert, GPS gestartet, aufs Rad gesetzt, einklicken, losfahren … es klickt aber nicht. Nanu? Von meinem Gang zur Bank habe ich noch die normalen Straßenschuhe an… Also nochmal hoch, Schuhe wechseln. Dann rüber zu Feine Räder, dieses spezielle Teil, das ich jetzt brauche, ist aber nicht auf Lager. Aushilfsweise wird mit Kabelbinder geflickt, das hält auch erstmal. Vielleicht komme ich ja auf dem Weg nach Südwesten noch bei einem Händler vorbei, wo ich mir das fragliche Teil hinbestellen kann.

Und dann endlich: los. Es geht über meine Stammstrecke, den Kronprinzessinnenweg, raus über den Schäferberg und durch Potsdam. Am Schwielowsee entlang und bei Ferhc auf den R1. Auf der Radweit-Strecke nach Dessau geht es bei zunächst wolkigem, aber mit guten 22°C warmen Wetter gut vorwärts. Eine Bäckerpause haben wir schon hinter uns, in Brück packt uns der Hunger und wir kehren beim Gasthof Stadtmitte ein. Gulasch mit Nudeln, viel zu trinken und zum guten Ende noch ein Eis für faire Brandenburger Preise.

Gut gestärkt geht es weiter und jetzt wagt sich langsam auch die Sonne hervor. Schon bald kommen die ersten sanften Höhenmeter (von Bergen spreche ich bewußt nicht). Dessau, unser Etappenziel kommt näher. Ein Anruf bei der Jugenherberge ergibt, daß wirklich heut keine Plätze mehr frei sind, also fahren wir ersteinmal weiter. Am Ortseingang Dessau beginnt dann die Hotelsuche, wir entscheiden uns für ein Hotel Garni knapp südlich von Dessau, wo wir dann auch nach 140km einkehren (für Klaus natürlich ein paar mehr).

Ein elegante Doppelsuite im besten Ost-Charme erwartet uns, durch das Grillfest im Hof, bei dem wir freundlicherweise noch mitessen dürfen werden werden wir entschädigt. Ein Verdauungsrundgang im Dorf rundet den Abend ab.

Nochmal: Routingportale

Es gibt außer der Software auf dem heimischen PC auch noch einige Routingportale im Internet. Bikemap, GPSies, Naviki um nur einige zu nennen. Prinzipiell gibt es dort zwei Ansätze zu unterscheiden: Routen bzw. Tracks anhand zugrunde liegenden Kartenmaterials erzeugen oder von Nutzern hochgeladene Tracks anbieten. Viele versuchen sich auch in beidem, Naviki versucht beides zu verbinden.

Dann gibt es noch Tourenportale wie vom ADFC oder Radweit, die gut ausgearbeitete Wege anbieten. Diese haben den Nachteil weniger dynamisch bzw. umfangreich als die vorgenannten Ansätze zu sein, dafür bieten sie Wege an, die qualitativ auf die entsprechende Zielgruppe abgestimmt sind, hier wird man nicht unversehens auf nicht existierenden Straßen oder Feldwegen landen. Dafür skaliert das Konzept schlecht.

Neben dem rein quantitativen Problem der Qualitätssicherung gibt es dann noch den Faktor der Definition guter Strecken. Selbst wenn es nur um den Aspekt des Tourenfahrens ginge und Trainingsrunden oder Ähnliches keine Rolle spielen, sind die Ansprüche an eine gute Strecke schon grundverschieden, je nachdem, wen man fragt. Der eine mäandert lieber auf kleinen, vielleicht auch mal nicht asphaltierten, Wegen durch die Gegend und nimmt dabei Umwege in Kauf, um dem Autoverkehr zu umgehen, während der andere lieber eine ruhige Landstraße bevorzugt und der nächste gar den begleitenden Radweg neben einer Bundesstraße in Kauf nimmt, wenn er nur 5km spart. Der Liegeradler fährt auf einer Tagesetappe mit Gepäck gerne mal 10km oder 20km mehr, wenn er damit eine 12%-Steigung umgeht und 300 Höhenmeter spart, der Rennradler mit Daypack nimmt den gleichen Umweg in Kauf, wenn er nur genügend Anstiege dafür bekommt.

Meine Vorstellung für die Lösung des Problems wäre der Ansatz sozialer Netzwerke. Ich kann Routen bewerten und kann definieren, wie mir einzelne Bewertungen anderer gefallen, wenn ich die Routen gefahren bin. Über die Zeit ergibt sich so ein Profil, anhand dessen automatisiert Vorschläge für andere Routen und Personen erstellt werden können. Ich bilde ein Netzwerk mit Personen, die ähnliche Fahrprofile wie ich haben. Ich selbst kann für verschiedene Räder oder Zwecke vielleicht auch verschiedene Profile anlegen.

Der Anreiz, eigene Touren und Bewertungen einzubringen besteht darin, daß die mir vorgeschlagenen Strecken dann umso besser meinem Profil und meinen Wünschen entsprechen. Anhand zugrundeliegender Streckendaten ließen sich sogar Präferenzen für Streckenvorschläge im Rahmen automatischen Routings erzeugen für Abschnitte, auf denen zum Beispiel noch keine bewerteten Routen vorliegen.

Problematisch ist natürlich die Startphase, denn funktionieren kann das System erst mit einer kritischen Masse an Daten. Vorteilhaft sollte sich über die Zeit dann die unscharfe Festlegung über statistische Verfahren im Gegensatz zu eindeutig zu definierenden Präferenzen auswirken.

Alternative Routen könnten je nach Nähe zum best match farblich abgestuft dargestellt werden, so daß ich mehrere Möglichkeiten habe für die angegebene Strecke, denn die eigenen Vorstellungen können sich natürlich auch von Tag zu Tag leicht unterscheiden. Der letztliche Streckenvorschlag könnte so aus einem gewissen Anteil dynamischen Routings und gefahrener und bewerteter Strecken zusammengesetzt werden, vielleicht kann es auch Vertrauensstufen für verschiedene Urheber von Routen geben.

Für Tourenradler wäre es dann noch wichtig, eine lange über mehrere Etappen gehende Planung zu machen. Dabei fallen dann in der Planung noch Versorgungs- und Unterkunftsmöglichkeiten ins Gewicht. Die Vermittlung könnte ja glatt zum Geschäftsmodell taugen…

Beleuchtung, E-Werk, Pufferakku

Ein lang laufendes Projekt war das Fernlicht an der Speedmachine. Der Scheinwerfer ist lang schon fertig, an der Elektronik wurde gefeilt,die Verkabelung erwies sich am Ende als einer der größten Brocken.

An den Scheinwerfer kommt man konstruktionsbedingt beim Liegerad während der Fahr schlecht ran. Weder kann man ihn verstellen, noch ein- bzw. ausschalten. Zudem wird bei mir über den Dynamo noch das B&M E-Werk gespeist, um zwischendurch Akkus von GPS, Telefon oder ähnlichen Gerätschaften (bis hin zum Netbook) laden zu können. Laden und Licht gleichzeitig ist bei einer parallelen Verschaltung nur bedingt (mit begrenztem Ladestrom) möglich, eine Reihenschaltung ist auch nicht ohne, da dann mit dem Ausschalten des Edelux auch kein Strom mehr zum E-Werk fließt. Ich entschied mich also für die Möglichkeit der Umschaltung zwischen E-Werk und Licht.

Weiterhin wollte ich ein zuschaltbares Fernlicht (dynamogespeist) haben. Der Edelux leuchtet zwar den Weg sehr gut aus, ist er allerdings so eingestellt, daß er niemanden blendet, leuchtet er für meinen Geschmack gerade bei der flachen Anbringung an der Speedmachine mit dem entsprechend flachen Winkel zur Straße nicht weit genug voraus. Das Fernlicht sollte nach oben anbegrenzt sein und auch die Straßenrändern ausleuchten.

Auf Basis von Framstags Müller entstand also ein Doppelscheinwerfer mit der passenden Charakteristik. Dazu eine Box mit der Elektronik und eine abgesetzte Schaltbox, mit der zwischen Licht und E-Werk, Fernlicht via Dynamo und optional Fernlicht auf Batterie-Betrieb umgeschaltet werden kann und die während der Fahrt bequem erreichbar ist.

Nach dem (vorläufigen, für den Testbetrieb) Anbau der Komponenten, derzeit noch ohne Batterie-Option, nahm ich eine Grobeinstellung der Scheinwerfer vor und dann … brach ein Gewittersturm los und hielt mich davon ab, den insgesamt 16km langen Weg über die dunkle Krone nach Hause anzutreten. Also erstmal abwetter, im Club A18 noch schön essen und später losfahren.

Blitze zucken, Donner grollt, starker Regen prasselt herab. Regenzeug hatte ich nicht dabei, der Plan hieß bei solchem Wetter dann einfach die paar Meter zur S-Bahn zu rollern und mit dieser nach Hause zu fahren. Nach 300m auf nichteinmal hlabem Weg zur S-Bahn war ich naß bis auf die Unterhose. Warum also nicht doch einfach den gesamten Weg nach Haus fahren? Kalt war es schließlich nicht.

Es war kurz nach Mitternacht. Die Straßen leer und naß. Es blitzt immer wieder am ganzen Himmel, Sturzbäche entschwinden in gurgelnden Strudeln in den Gullis am Straßenrand. Ein idealer Zeitpunkt, eine Strecke durch den Wald zu nehmen. Die Besatzung eines Streifenwagens schaut – ob jetzt irritiert oder mitleidig kann ich nicht sagen – im Vorbeifahren, sonst treffe ich niemanden. Es ist fast gespenstisch.

Nikolassee biege ich auf den Kronprinzessinnenweg ein. Am beleuchteten Teil reicht mir der Edelux, dann geht es auf den unbeleuchteten Teil, es ist niemand zu sehen … Fernlicht an! Die Straße wird deutlich weiter ausgeleuchtet im hellen Fokus des Fernlichts. Die Begrenzungsbaken erstrahlen bis zur Abbiegung der Havelchaussee hell. Obwohl der Regen und die nasse Straße viel Licht schlucken ist der erste Eindruck eine sehr gute Ausleuchtung. Als es auf den dunklen Steil der Krone geht, wo keine Begrenzungsbaken mehr am Rand stehen, wird deutlich, daß auch die Ausleuchtung seitlich des Weges und bis nach oben in die Baumkronen über dem Weg gegeben ist. Genug, um Tiere und anderes am Wegesrand zu entdecken. Durch die große Breite der Ausleuchtung entsteht ein guter Eindruck von der Umgebung, was ein besseres Gefühl von Sicherheit verleiht als der alleinige Schein des Edelux.

Der Sturm hat Äste und Blätter auf dem Weg verteilt, die schon von weitem sichtbar sind. Würde mich der Regen (und meine Müdigkeit) nicht bremsen, könnte ich selbst bei diesen Bedingungen sicher noch schneller fahren, so begnüge ich mich mit etwa 25 km/h, die Regentropfen prasseln hart genug auf mich ein.

In Grunewald biege ich wieder auf beleuchtete und befahrene Straßen ein und schalte das Fernlicht daher ab. Nur auf der Hagenstraße kann ich vor mir irgendwann etwas auf der Straße erahnen. Es sind drei Personen, im Lichtkegel des kurz aufgeblendeten Fernlichts klar erkennbar, die, obwohl sie mit dem Rücken zu mir laufen, sofort zur Seite gehen, als das Licht sie trifft.

Bedienbarkeit und Lichtausbeute sind perfekt, der erste Praxistest der Anlage gilt damit als bestanden mit Bestnote.

Zu Hause angekommen ziehe ich mir die klitschnassen Klamotten vom Leib und gönne mir eine Dusche. Trotz Gewitterm Blitzen, Donner und des heftigen Regens hat die Heimfahrt Spaß gemacht.

Hinter dem E-Werk habe ich jetzt auch noch einen Pufferakku. Bei langsamen Fahrten mit vielen Stops (Eisdielencruising oder Naviki-Tracks) schaltet das Handy das Display ständig ein, um mitzuteilen, daß jetzt geladen wird oder auch nicht mehr, dadurch verbraucht es am Ende mehr Strom, als es bei den langsamen Fahrten bekommt. Der Pufferakku sollte dies effektiv verhindern, für lange Fahrten mit ausreichend Geschwindigkeit und wenigen Stops ist er für meine Geräte sonst nicht unbedingt ein Muß, gibt aber die Möglichkeit, am Rad auch mal schnell noch weiterzuladen, wenn man gerade steht.