Am letzten Freitag im Mai war es wieder soweit – und dank herrlichen Wetters und ausführlicher Medienberichte auch mit richtig vielen Teilnehmern. Eine ernsthafte Schätzung ist schwer, aber selbst an Stellen, wo sich der Zug über weithin einsehbare Straßen bewegte waren oft weder Anfang noch Ende zu sehen.
Um 20 Uhr kamen zufällig einige Radfahrer am Heinrichplatz in Kreuzberg zusammen. So viele, daß schon bald kaum noch Platz war und es für andere Verkehrsteilnehmer schwierig wurde durchzukommen. Die Polizei war auch bereits vor Ort, mittlerweile ist die kritische Masse an Radfahrern allerdings erreicht, die Polizei versucht nicht (mehr) zu lenken oder zu be- oder verhindern, sondern sichert die Critical Mass einfach ab.
Es geht durch Kreuzberg und Mitte, dann in Richtung Treptow und Neukölln. Nach zwei Stunden kommen die Unmengen an Radfahrern am Brandenburger Tor an. Obligatorisch dann noch als Abschluß die Fahrt um den Kreisverkehr an der Siegessäule, bevor sich die Menge auflöst und in alle Richtungen zerstreut.
Die meisten Autofahrer reagieren gelassen, manche zücken das Handy, man winken. Nur einige versuchen zu hupen oder zwischen den Radfahrern hindurch zu fahren, was dann lediglich dazu führt, daß sie komplett blockiert in der Mitte stehen und alles noch etwas länger dauert. Die aggressiven Reaktionen sind aber deutlich in der Minderheit, das ganze ist sehr friedlich – interessierten wird geduldig das Anliegen der Critical Mass erklärt.
Ich bin nicht der erste und ich werde nicht der letzte sein, der darüber schreibt. Ich erhebe nichtmals den Anspruch, hier irgendwelche neuen Aspekte aufzuzeigen, denn vermutlich ist alles und schon sehr viel mehr darüber bereits gesagt oder geschrieben worden.
Trotzdem brauche ich diesen Raum, um das gesehene irgendwie zu verarbeiten. Es ist so absurd. Und doch so passend für eine Hauptstadt, die es nicht schafft einen Flughafen zu bauen, für eine Verkehrspolitik, die zwar über Fahrräder redet, am Ende aber immer nur Auto umsetzt.
Mit großem Medienrummel und voller Stolz wurde der nächste Abschnitt des Grünstreifens an der Nord-Süd-Trasse zwischen Südkreuz und Potsdamer Platz eröffnet, der sogenannte Flaschenhals zwischen Yorck- und Monumentenstraße. Der Park ist wirklich schön geworden, die Auffahrt an der Monumentenbrücke kann sich sehen lassen. Aber auf das, was einen dann an der Yorckstraße erwartet ist man einfach nicht vorbereitet:
Die divers vorhanden Brücken sind nicht instandgesetzt, der obere Weg endet ein einem Zaun, auf der anderen Seite der kurzen Brücke sieht man die Fortsetzung des Weges. Es sind keinerlei Zeichen zu erkennen, daß überhaupt angefangen wurde, die Instandsetzung wenigstens einer der vorhandenen Brücken in Angriff zu nehmen.Als ob das nicht genug sei: Es gibt auf beiden Seiten der Yorckstraße aufwändig gebaute Auf- bzw. Abfahrten. Diese sind mit engen Drängelgittern versehen – ein Durchkommen mit Kinderanhänger am Fahrrad wird hier zum akrobatischen Kunststück.
Immerhin ist das Teil des offiziellen Fernradweges Berlin-Leipzig – da könnte man schon eine geringfügig fahrradfreundlichere Lösung erwarten. Unten an der Yorckstraße angekommen gipfelt das ganze darin, daß der Überweg über die Straße versperrt ist. Es stehen Gitter auf beiden Seiten – und die nächsten Ampeln sind hunderte Meter entfernt. Dort, wo keine Gitter stehen, ist ein sicheres Überqueren kaum möglich, hohe Bordsteine verhindern ein übriges.
Bei den vielen Fußgängern und Radfahrern, die am Sonntag dort waren, war nur Kopfschütteln und Unverständnis zu sehen. Man mag dies als einen Beitrag zur Kommunikation in der Stadt werten, aber zielführend ist das nicht. „Schildbürgerstreich“ war noch die euphemistischste Formulierung, die einem zu Ohren gelangte.
Ich kann verstehen, daß die Sanierung der Brücken teuer und aufwändig ist. Wenn das im Zuge der Erschließung des Geländes nicht sofort möglich ist, ist das sehr, sehr bedauerlich. Aber der Verwunderung und dem Ärger könnte ein einfaches (bitte ernst gemeintes) Schild mit einer kurzer Erklärung und vielleicht einem Fertigstellungstermin für die Brücken schon entgegenwirken – stattdessen steht auf der Nordseite ein Schild, das den Radweg über die gesperrte Brücke ausweist und viele dann zwischen Zaun und Treppe ratlos allein lässt. Und eine Möglichkeit, die Yorckstraße an dieser Stelle angemessen zu überqueren wäre eine sinnvolle Maßnahme gewesen. Eine Ampelanlage, die es den Spaziergängern (und auch den vielen Jugendlichen und Kindern) erlaubt hätte, dort sinnvoll die Straße zu überqueren. So aber steht man vor Zäunen und Gräben, die im besten Falle als Mahnmal für Berlin als geteilte Stadt taugen, zu vieles erinnert hier an das Niemandsland, den Mauerstreifen.
Die Stadt Berlin will das Alltagswissen der Radfahrer nutzen, um Verbesserungen der Verkehrssicherheit zu erreichen. Zu diesem Zweck hat sie ein zeitlich begrenztes Portal aufgesetzt, wo man gefährliche Ecken melden kann. Schaut man sich die überwältigende Reaktion schon in den ersten 24 Stunden an und auch, wie das Portal genutzt wird und welche Diskussionen sich dort entwickeln, so sieht man sehr schnell, daß die Problemstellen (und die Lösungsansätze für viele davon) von erstaunlich vielen Radfahrern sehr ähnlich wahrgenommen werden.
Einer meiner persönlichen Ärgernispunkte, nämlich die als solche nur mit gutem Willen zu bezeichnende Fahrradstraße in der Prinzregentenstraße, war natürlich schon voll erfasst und die Vorschläge glichen denen, die ich auch schon lange im Kopf hatte. Im einzelnen: Sackgassenbildung durch Verpollern und gegenläufige Einbahnstraßen (für die motorisierten Anlieger, denn motorisierten Durchgangsverkehr dürfte es ja da nach Beschilderung eigentlich nicht geben!) sowie vor allem eine durchgehende Fahrradstraße, die nicht durch ständige rechts-vor-links-Kreuzungen unterbrochen wird.
Insofern möchte ich hier mal etwas Werbung dafür machen, diesen Vorschlag zu unterstützen!
Ansonsten möchte ich Lob für den Ansatz und die Umsetzung loswerden und hoffe, daß das zusammengetragene Wissen auch wirklich genutzt wird und viele der guten Vorschläge umgesetzt werden. Und ich hoffe weiterhin, daß es keine einmalige Aktion bleibt!
Vorab sei gesagt, daß die Polizeipressemeldungen natürlich immer nur eine Auswahl der Gesamtsituation darstellen und ohne tiefere Einblicke keine valide Aussage über Trends zulassen, der Eindruck ist also subjektiv und eventuell natürlich auch durch die Auswahl gesteuert.
Leider sind die Pressemeldungen der Polizei nur jeweils zwei Wochen verfügbar, aber im Rückblick über die letzten zwei Wochen ergibt sich folgendes Bild:
Zwei Unfälle, wo vermutlich er Autofahrer schuld ist:
#2722 – 24.10.2013 12:40 – 85-jähriger Mann von Auto gestreift, verstirbt im Krankenhaus
#2692 – 21.10.2013 16:00 – 30-jährige Frau von Bus gestreift, verletzt.
Klare Schuldzuweisungen sind aus den Beschreibungen schwierig, aber wir alle kenne solche Situationen – es ist also durchaus naheliegend anzunehmen, daß in beiden Fällen der Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern durch das überholende Kraftfahrzeug nicht eingehalten wurde.
Vier Unfälle, wo vermutlich die Schuld beim Radfahrer liegt:
#2774 – 30.10.2013 18:55 – 69-jährige Frau hat vermutlich die Vorfahrt (rechts vor links) missachtet und wird durch PKW verletzt
#2768 – 29.10.2013 16:00 – 15-jähriger Jugendlicher überquert vom Gehweg kommend eine Straße und wird von links abbiegendem Auto angefahren. Zwar muss ein Abbieger grundsätzlich aufpassen, aber nehmen wir mal an, der Jugendliche fuhr nicht gerade Schrittgeschwindigkeit, dann hat ein Autofahrer in dieser Situation wenig Chancen
#2760 – 28.10.2013 16:30 – 34-jähriger Radfahrer hat laut Zeugen rot missachtet und wird von Auto angefahren
#2695 – 21.10.2013 20:20 – Zwei 37-jährige Radfahrer kollidieren und werden verletzt, weil einer von beiden betrunken aus einer Ausfahrt kommt
Eine schöne Mischung. Betrunken, Rotverstoß, Gehwegradler und Vorfahrt missachtet. Bis auf den betrunkenen haben die meisten (körperlich) vor allem sich selbst geschadet. Wohlfühlen werden sich die anderen Unfallbeteiligten dennoch nicht. Und es sind genau diese Radfahrer, weswegen man sich als einer der vielen normal und regelkonform fahrenden Radfahrer immer wieder blöde Diskussionen an die Backe nageln lassen muss. Bloss weil jemand auf dem Rad sitzt ist er kein besserer Mensch oder Verkehrsteilnehmer. Einzig beruhigend: Sein Schadenspotential gegenüber anderen ist geringer als im Auto.
Und dann hätten wir noch viere Unfälle, wo aus der Beschreibung nicht abzuleiten ist, wo vermutlich die Schuld liegt:
#2682 – 19.10.2013 16:00 – 56-jähriger Mann erleidet Alleinunfall, von Fahrbahn abgekommen
#2680 – 19.10.2013 16:30 – 59-jährige Frau erleidet Alleinunfall, als sie auf dem Radweg die Kontrolle über ihr Elektrorad verliert
#2656 – 17.10.2013 08:50 – 17-jähriger Radfahrer weicht rechter Fahrbahn Gulli aus und kollidiert mit einem LKW auf der mittleren Fahrbahn
Hier gibt es drei Faktoren, die mir spontan in den Sinn kommen: Zum einen sind die Straßenverhältnisse im Herbst natürlich manchmal sehr ungünstig. Auf nassem Laub macht man schnell mal einen Abflug. Zum anderen sind die Radwege und auch einige Straßen gerne mal in erbärmlichem Zustand. Die Unfälle passierten aber zumindest alle bei Tageslicht. Und der dritte Faktor: mangelnde Fahrzeugbeherrschung, eventuell dann noch in Zusammenhang mit einem Elektrorad, das schneller fährt, als sich der Benutzer in den Jahren jemals auf einem Fahrrad fortbewegt hat. Ohne die spezielle Situation zu kennen: Aber wenn ich mir eine 59-jährige Frau vorstelle, die versucht mit 20 bis 25 km/h und einer ordentlichen Beschleunigung auf einem typischen Berliner Radweg zurechtzukommen, dann würde ich aus dem Bauch heraus diese Situation als durchaus risikogeladen empfinden.
In diesem Sinne: Fahrt vorsichtig. Schuld sind nicht immer nur die anderen.
Auch in diesem Jahr fand in Berlin wieder das Festival of Lights statt. Dabei gibt in der Stadt an diversen Plätzen und Gebäuden Lichtinstallationen zu sehen, teils statische Lichteffekte, die das beleuchtete Objekt durch Kontraste und Farben zu einem Hingucker machen, teils Projektionen von Bildern oder Muster mit Laserlicht.
Die beste Möglichkeit, viele der illuminierten Orte zu entdecken, ist eine gut geplante Route mit dem Fahrrad abzufahren. So kann man viele Dinge schon beim langsam vorbei fahren genießen und bei den interessanteren leicht anhalten. Daher ist es kaum verwunderlich, daß sich auch häufig jemand aus der Rennradgruppe findet, der das dann gleich als nettes Gruppenevent anbietet, in diesem Jahr war es Dominik.
Wir trafen uns am Kleistpark, wo wir gleich die erste Installation am Kammergericht in der Nähe hatten. Weiter ging es in die westliche Innenstadt, wir machten einen Stop am Elefantentor, fuhren weiter über den Kudamm mit einem Schlenker zum S-Bahnhof Savignyplatz und rüber zum Funkturm/ICC, die auch in schönen Farben erstrahlten. IM bOgen ging es dann über das Schloß Charlottenburg zurück in Richtung Innenstadt, am Hauptbahnhof und Regierungsviertel vorbei zum Brandenburger Tor. Da wir zwischendurch mit einer Reifenpanne zu kämpfen hatten, war es leider schon spät geworden, so daß wir nur noch zum Potsdamer Platz fuhren und uns dort trennten.