Nachtrag: Video zur Jura-Tour

Im Mai fuhr ich meine erste Berg-Tour – es ging durch das Jura. Seitdem lag bei mir eine Menge Videomaterial, bei dem ich nie dazu kam, es zusammenzuschneiden. Bedingt durch meine krankheitsbedingte Auszeit der letzten Wochen hatte ich die Gelegenheit, das alles nochmal zu sichten und all die schönen Abfahrten auf den kleinen und ruhigen Straßen nochmal zu erleben. Zugegebenermaßen sind die langen Abfahrtssequenzen vielleicht nicht jedermanns Sache, ich bin also nicht gekränkt, wenn jemand das Video nicht bis zum Ende schaut. Aber vielleicht hat der ein oder andere ja doch Spaß dran.

Diverse Abfahrten habe ich schon ganz rausgelassen, die enthaltenen sind gekürzt – von der Abfahrt vom Col du Marchairuz habe ich gerade  mal ein Drittel verwendet. Also ich habe mich schon rangehalten, die Sache halbwegs zu straffen.

Nachschlag: Video zur Deutschland-Tour

Die Deutschland-Tour mit Michael ist ja schon ein wenig her, trotzdem lag noch immer eine Menge Videomaterial von der Tour rum. Und mit etwas Ruhe bin ich dann mal dazu gekommen, das zusammenzustellen. Viel Spaß beim Ansehen. Ich warte derweil weiter darauf, daß ich wieder aufs Rad darf!

“>Deutschlandreise 2012

Wiesenburg/Mark – Halle

Am Abend zuvor war ja bereits klar: In Wiesenburg gibt es kein Frühstück am Sonntag. Wir hatten also im Supermarkt vorgesorgt, Tee und ein paar Schokobrötchen gekauft (“Jean-Luc Schokobrötchen, Captain der Enterprise” oder so). Da wir beide recht früh wach waren, ging es nach Packen, Frühstück und Smalltalk mit dem Vermieter der Ferienwohnung schon um halb neun auf die Straße. Mit 4°C zeigte das Thermometer eher mäßige Temperaturen an, die allgegenwärtige Feuchtigkeit tat ihr übriges. Lange Handschuhe und die Softshell-Jacke mussten es schon sein.
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Aber die Sonne schien und tauchte die flache Landschaft zwischen herbstlich gefärbten Bäumen und Wiesen und Feldern über denen Nebelschleier lagen in ein wunderschönes Licht. Wärmer wurde es zunächst noch nicht, da wir einige Wälder durchquerten. Erst als wir uns Roßlau näherten und die Landschaft offener wurde, die Sonne höher stieg, kletterte auch das Thermometer.

Um die Mittagspause etwas rauszuschieben, machten wir in Dessau an der Tankstelle gleich an der Ortseinfahrt eine Pause und aßen noch Brötchen. Mittlerweile gab es zwar vereinzelte Wölkchen am Himmel, das Wetter hielt sich aber, bei 12°C frischte lediglich der Wind etwas auf. Das traf Timo auf dem Aufrechtrad natürlich etwas schlimmer als mich, aber auch wenn er etwas fluchte hielt er sich recht gut – verbrauchte dabei aber mehr Energie als veranschlagt: da es nicht so einfach war, auf dem Land am Sonntag etwas zu essen zu finden, hatten wir überlegt, ob wir es bis Halle schaffen würden. 15km vor Halle an einer Steigung mit kräftigem Wind von vorn drängte ich Timo dann ein Gel auf. Ich selbst merkte zwar auch langsam, daß nicht mehr viel da war, aber da ich ja nur bis Halle wollte und die nächsten Tage im Büro verbringen würde, entschied ich mich, mein letztes Gel dann lieber Timo zu vermachen für die weitere Reise.
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Das Gel tat seine Wirkung und danach ging es dann auch nur noch einmal bergan und gegen den Wind. Aus lauter Freude über den Blick über die Ebene und daß wir jetzt mit Seiten- bzw. fast etwas Rückenwind nur noch nach Halle runterrollen würden, verpassten wir unsere Abbiegung. Beim Versuch über einen fiesen G2-Track zu unserer Fahrradstraße abzukürzen verhedderten wir uns dann auch noch an undurchdringlichen Wegen, so daß wir die Schottersteigung auch gleich wieder zurück, nochmal (mit Rückenwind) auf den Hügel hoch mussten. Aber wer mal mit mir gefahren ist, der weiß, daß das nie so ganz ohne Abenteuer abgeht. Sorry, Timo!

In Halle steuerten wir – ab vom eigentlichen Track, die Altstadt an, wo die Chance auf ein Essen am größten war. Lars, Rennradler aus Halle, gesellte sich nach einem Anruf meinerseits noch zu uns, ich hatte ihn ja auch schon lange nicht gesehen. Nach dem Essen trennten wir uns. Timo fuhr weiter, Lars nach Hause und ich zum Bahnhof.

Während des Essens sah ich eine Mail, die mich darauf hinweis, daß mein gebuchter IC nicht in Halle halten würde heute Abend. Während des Essen ignorierte ich das und schaute nicht nach Verbindungen, weil ich mich nicht unnötigem Streß aussetzen wollte. Anschließend fuhr ich zum Bahnhof, um mir im Reisezentrum eine alternative Verbindung heraussuchen zu lassen und ggf. die Anpassungen an der Fahrkarte dort gleich zu machen.

Im Reisezentrum stieß ich zunächst auf Erstaunen, als ich behauptete, mein Zug hielte heute nicht in Halle. Nach einigem hin und her war das aber geklärt. Ebenso geklärt war, daß es mir nichts helfen würde, den Zug in Leipzig abzupassen, da er da genauso wenig halten würde. Am Ende wurde es dann eine Regionalbahn nach Magdeburg, dort Umstieg in den RE nach Berlin. Statt 01:15h Fahrtzeit ohne Umsteigen also ungemütliche Regionalzüge, Umsteigestreß, und über drei Stunden Fahrzeit – fast dreineinhalb, wenn ich die Verspätung des RE einrechne.
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Im RE gab es vier Toiletten. Drei waren von Anfang an defekt. Das bescherte dem WC im Wagen, in dem ich saß, einen stark erhöhten Zulauf – der Zug war ziemlich voll. Mal abgesehen davon, daß ich gerne den Interface-Designer kopfüber in der Toilette versenken würde, der sich dieses System mit den drei Knöpfen neben der Tür ausgedacht hat – wirklich niemand, der zum ersten mal das Klo im RE benutzt kommt damit zu recht und warum ist auch offensichtlich – hielt die sanitäre Einrichtung dem gesteigerten Ansturm auch nur bis ca. Brandenburg stand. Dann ging das Lämpchen “WC defekt” auch dort an und die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Zu diesem Zeitpunkt warteten acht nervöse Menschen dort. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt. Ich überlegte kurz, einen weiteren Tweet an die Bahn zu senden – entschied mich dann aber aus Angst, der Zug würde in irgendeinem brandenburgischen Kaff dann aus dem Verkehr gezogen und ich käme noch später nach Hause dagegen.

Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich nicht unbedingt zu den typischen Bahnmeckerern gehöre, die bei jeder Kleinigkeit ihre Tiraden ablassen. Aber das war einfach gestern eine rundum schlechte Erfahrung. Das einzige, was wirklich gut funktionierte, war die Vorabinformation über die frühzeitige Mail. Alles weitere hatte eher mäßige Servicequalität.

Gegen Wind und Wetter

Morgens um halb acht klingelt der Wecker. Draußen ist es nass, kalt und grau. Dunkelgrau. Wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich mich gleich wieder umgedreht und weiter geschlafen, wenn ich nur eine Tour für mich geplant gehabt hätte. Aber mein Freund Timo hatte seine erste ernsthafte Fahrradtour geplant und ich hatte angeboten, ihn an den ersten beiden Tagen zu begleiten. Kneifen ging also nicht. Konnte ich gleich mal meine Festigkeit in Bezug auf echte Schwedenbedingungen testen.

Ich packte die letzten Dinge, legte Regenkleidung und normale Kleidung bereit und besorgte mir vom Bäcker ein kleines Frühstück. Das Regenradar ließ hoffen und der prasselnde Regen auf meinen Oberlichtern im Flur wandelte sich langsam in leichten Nieselregen. Als ich um kurz vor neun zu Timo startete war der Niesel so leicht, daß ich die Regenkleidung griffbereit verstaute.
Kurz bevor ich an der Krummen Lanke ankam wurde es doch etwas nasser, so daß ich mir dann bei Timo vor der Tür doch die Regenjacke über zog und sie wegen des von den Bäumen tropfenden Regens auch noch eine Weile an ließ, obgleich der Regen schon bald wieder aufgehört hatte. Wir überquerten den Schäferberg und fuhren Potsdam, dann über Caputh nach Ferch. Ab dort geht es eine ganze Zeit über Fahrradstraßen durch den Wald. Vom langsam aufkommenden Wind bemerkten wir, durch die Bäume gut geschützt noch nichts.

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Erst als wir in Neuenburg auf die Straße fuhren und die Richtung etwas westlicher wurde, spürten wir, daß wir bald mt Wind zu kämpfen haben würden. In Brück machten wir aber zunächst einmal Mittagspause. Danach wurde unsere Fahrt deutlich langsamer. Der Wind nahm immer weiter zu und es ging immer mehr über freies Gelände.
Als wir Wiesenburg/Mark erreichten, war es Zeit für eine Pause – und um es am ersten Tag nicht zu übertreiben auch Zeit, ein Quartier zu suchen, auch wenn es erst kurz nach vier Uhr war. Während wir uns das Schloss anschauten, telefonierte ich mit einer Pension, die ich zuvor rausgesucht hatte, dort war aber alles belegt. Es fing an zu tröpfeln und wir stellten uns im Torbogen des Schlosses unter, wo auch die Touristeninformation zu finden ist. In diesem Moment begann der Starkregen über uns hinweg zu ziehen mit Sturmböen, die uns mit Sicherheit von der Straße gefegt hätten, wir aber standen geschützt und trocken und konnten die von der Touristeninformation vorgeschlagenen Unterkünfte anrufen, bis wir eine verfügbare im Ort fanden.

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Bald hörte der Regen auch wieder auf – und wir waren froh, daß es uns nicht irgendwo draußen erwischt hatte. Wir bezogen unsere kleine Ferienwohnung, duschten und liefen auf der Suche nach etwas essbarem in den Ort. In der Schloßschänke war geschlossene Gesellschaft, Döner sagte uns nicht zu und die verbliebene Gaststätte bot im Raucherspelunkenambiente nur Schnitzel mit Brot an. Wir kauften uns also im örtlichen Supermarkt Nudeln und Soße und kochten uns ein Abendbrot – wozu hat man schließlich eine Ferienwohnung.
Da wir beide müde waren, wurde es auch kein sonderlich langer Abend mehr. Die Wettervorhersage für den folgenden Tag versprach deutliche Besserung, gute Aussichten für eine sorgenfreie Nachtruhe.

Köhra – Berlin

Über Nacht hat der Wind nachgelassen, ein Blick aus dem Fenster zeigt uns einen relativ freundlichen Himmel. Ich bin noch immer unsicher, ob es wirklich machbar ist, heute die fast 200km bis nach Hause zu fahren. Zum Frühstück haben wir uns wie üblich um 9 angemeldet, morgens ist es meist noch empfindlich kalt und wir haben auch einen ziemlich Schlafbedarf. Um 6 Uhr aufstehen ist unser beider Sache nicht.
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Das Buffet ist gut bestückt und ich spiele Buffetfräse – während Micha wieder nicht so viel runterkriegt. Mein Frühstück ist gut für 50 bis 70 Kilometer, Micha wird wohl auf Riegel und Gel angewiesen sein. Meine Vorräte habe ich ihm im wesentlichen schon in Aussicht gestellt. Es ist Sonntag, Supermärkte sind heute keine Option – zudem liegen auf unserem Weg auch nicht sehr viele große Orte.

Die Uhr zeigt schon deutlich nach zehn Uhr an, als wir vom Hotelhof rollen. Es sind etwa zwei Kilometer, bis wir back on track sind. Die Landschaft ist jetzt flach, es gibt ein paar kleine Wellen in der Landschaft, aber keine ernsten Berge mehr. Das ist auch gut so, wir versuchen uns an einem gleichmäßigen Tritt, auch wenn wir anfangs doch ziemlich schnell zu Werke gehen.

Unser Weg führt zum Glück an Leipzig vorbei, Stadtdurchfahrten sind für längere Etappen immer ziemliche Killer. Wir hatten diesen Teil des Weges nur relativ blind aus verfügbaren Radweit-Tracks zusammengestückelt – und so birgt der Track die erste Überraschung (das ist nicht negativ gemeint) in Gruna, wo wir die Mulde per Gierfähre überqueren.

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Die Mulde ist hier ein sehr kleiner Fluß, die Fähre entsprechend dimensioniert. Würde man sie quer stellen, würde sie nahezu als Ponton-Brücke taugen.

Alle 25km füllt Micha Energie nach und so läuft es bis zur Elbe an der Fähre Pretzsch auch erstaunlich gut. Und so gebe ich meine Skepsis langsam auf und in unsere Köpfen steht als Ziel Berlin und das eigene Bett auf dem Programm. Da ist es ja dann auch egal, wann man ankommt. Und für Nachtfahrten sind wir lichttechnisch ja gut gerüstet.

Bei mir meldet sich langsam allerdings ein leichtes Hungergefühl und wir kehren kurz hinter der Fähre in der Burg Klöden ein. Hier sind diverse Tourenradler, allerdings fragt jeder nochmal nach, wenn wir sagen, daß wir heute noch bis Berlin kommen (und bereits von irgendwo bei Leipzig kommen). Eine lustige Begegnung gibt es noch, denn einer der Radler erzählt, ein Bekannter habe eine Woche zuvor von zwei Liegeradlern in Füssen berichtet – das können wohl nur wir gewesen sein. Zufälle gibt es manchmal!

Auf dem weiteren Weg klingen die Ortsnamen schon bekannter. Wir kommen langsam ins Einzugsgebiet von Tages- oder Wochenendtouren ab Berlin. Der Urlaubsreiz sinkt, die Heimat ruft und diese Motivation reibt uns vorwärts. So, daß ich irgendwann merke, wie ich langsam in den Trance-Treten-Zustand übergehe. Der ist nicht besonders gut geeignet, um zu zweit zu fahren und so setze ich eine kurze Zwangspause an mit Tee, Mars und Keksen um mich für die letzten 100 Kilometer zu rüsten.
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Eigentlich steht zur Dämmerungszeit noch einmal essen auf dem Plan, doch hier gibt es wenig und die angefahrene Gaststätte bietet aus Alters- und Krankheitsgründen leider nichts mehr an (aus Mitleid kriegen wir aber beide ein Duplo spendiert). So gibt es nochmal Kekse und wir teilen die letzten Gel-Reserven gute 40 bis 50 Kilometer vor Berlin auf. Dann geht es auf in die einsetzende Dunkelheit.

Die Straßen sind leert, wenn auch nicht ganz so leer, wie ich sie eigentlich am Sonntag abend erwartet hätte. Die Kennzeichen werden bekannter, wir sehen die Schilder von Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark. Dann kommen wir auf Strecken, die wir von den Runden mit den Rennradlern kennen.

Bei der Einfahrt über Teltow und Kleinmachnow gibt es leider kein Berliner Ortsschild, an dem wir ein Zielfoto machen könnten – und so improvisieren wir eines an der Zehlendorfer Eiche, wo wir uns trennen.

Ich erreiche um kurz nach 22 Uhr meine Haustür.

1387km und 70 Stunden in Bewegung.