Donnerstag, 15.09.2011
Ich ließ den Morgen gemächlich angehen, eine ruhige Etappe sollte es ja sein nach der ungeplanten Pause. Erstmal Frühstück, dann packen, noch schnell beim Drogeriemarkt gegenüber 50er Sonnencreme kaufen. Ich will wenigstens so tun, als sei ich lernfähig. Ich frage die Wirtin vom Hirschen noch, ob denn in meine Richtung noch viele Anstiege kämen: „Nein, nur ein kleiner direkt nach dem Ort…“
Und wirklch, der Anstieg nach dem Ort ist wirklich nur ein harmloser kleiner. Danach kommen allerdings durchaus noch ein paar 10%-Anstiege und auch diverse flachere, insgesamt geht es nochmal deutlich aufwärts. Die Temperatur liegt bei 17°C, in Wäldern etwas kühler, sonst auch mal etwas wärmer. Der WInd weht mäßig, aber er weht zunächst noch. Meinen Beinen hat der Ruhetag sehr gut getan, das spüre ich, Ansonsten leide ich durchaus noch etwas an den Folgen meiner kleinen Einlage, aber es geht.
Beim rauf fahren ist es mir im Langarmshirt zu warm, sobald aber eine leicht windige Ebene oder gar eine Abfahrt kommt, habe ich fast das Gefühl zu frieren. Ich entscheide mich also dafür, den Status Quo der Bekleidung beizubehalten, es scheint ja der perfekte Mittelweg zu sein: So daß es in keiner Situation richtig ist.
Die ruhigen Wege sind sehr schön, bieten auch immer wieder grandiose Aussichten auf die Täler. Zweima allerdings scheitere ich fast an Baustellen. Bei der ersten habe ich, als ich ungeniert einfach an den Begrenzungen vorbeifahre, eine frisch asphaltierte Straße für mich allein – wenn man von den Arbeitern und Baufahrzeugen, die im wesentlichen mit den Zufahrten und der Seitenbefestigung beschäftigt waren. Bei der zweiten ist die Sache nicht so easy. Ich ignoriere zunächst wieder alle Warnschilder und denke mir: mit dem Rad kommst Du da irgendwie durch. Die Baustelle liegt in einem Ort, die Straße ist quasi weg. Die Frage, ob ich durchkäme, beantwortet ein Bauarbeiter mit einem mitleidigen Blick und: „ich würd aber nicht versuchen zu fahren…“ – ich nehme das als „ja“ und schiebe durch groben Schotter, vielleicht 200 Meter. Mein Track biegt nach rechts ab. Ich schaue nach rechts und sehe … den Dorfbach. Und eine dünne Holzplanke, wo einmal die Brücke war. Die Planke endet am anderen Ufer im Grünen, keine Möglichkeit, Fahrrad und Gepäck dort entlang zu bekommen. Ein Blick auf die Karte verrät mir aber, daß mit geringem Umweg eine weitere Brücke erreichbar sein sollte. Ist sie dann zum Glück auch. Schwein gehabt!
Nach Büdingen ändert sich die Landschaft. Es geht ins Maintal hinab. Die Anstiege haben ein Ende, aber könnte ich dieses aggrerssive Verkehsrchaos, was mich über Hanau bis Darmstadt begleitet gegen noch ein paar Höhenmeter tauschen, ich würde es sofort tun! Besonders Darmstadt fällt mir wieder auf. Schon auf der Landstraße dorthin: Huper, Drängler, 30-cm-Überholer. Die Stadt selbst rangiert bei mir unter Fahrradfeindlichste Stadt Deutschlands. Die Verkehrsführung mörderisch, die Straßen eng und das Pflaster so schlecht, daß man sich nach Berlin wünscht – und das will was heißen.
Nach Darmstadt geht es zum Glück ersteinmal weiter über einen, wenn auch nicht asphaltierten, aber gut fahrebaren Waldweg nach Pfungstadt. Eigentlich wollte ich mir hier eine Bleibe für die Nacht suchen, aber ich sehe auf dem Weg durch die Stadt nichts passendes und bevor ich mich noch an eine Straßenecke stelle und suche, bin ich auch schon wieder raus.
Klaus hatte mir angeboten, den hier abzweigenden Radweit-Track via Heidelberg nach Karlsruhe zukommen zu lassen, aber es läuft so gut und ich verpasse den Absprung, finde mich unversehens in Gernsheim wieder – ich hatte völlig verdrängt, wie dicht das schon an Pfungstadt war. In Gernsheim sehe ich auch keine passende Unterkunft, dafür aber, daß die Fähre abfahrbereit dasteht – also schnell noch drauf.
Hinter der Fähre kommt als nächster Ort Hamm. Meine Bett & Bike POI im GPS weisen eine Pension in Hamm am Rhein, nur drei bis vier km nach der Fähre aus. Ich beschließe, auf gut Glück dort hinzufahren, es ist gegen 19 Uhr. Und ich habe Glück, ein Zimmer ist frei in der Pension Linde!
Das Zimmer ist indviduell und liebevoll eingerichtet, nicht so ein unpersönlicher Hotel-Einheits-Stil. Ich fühle mich wohl. Nach einem Besuch beim örtlichen Italiener bekomme ich sogar noch alles für Apfelschorle in der Pension: Richtiges Mineralwasser (kein Tafelwasser) und naturtrüben 100% Direktsaft. So mag ich das. Dickes Lob!
Gefahren: Ungefähr 150km.