Dieppe – Le Havre – Merville-Franceville-Plage

Der Morgen begann mit einem Blick aus dem Fenster: dunkles Grau am Himmel, schnell ziehende Wolken und Regen. Die Wetter-App bestätigte die Beobachtung und dass es sich kurzfristig nicht ändern würde. Ich ließ mir – in der Hoffnung, dass doch noch eine Änderung eintreten möge – Zeit.

Welle und Gischt am Strand von Dieppe

Auch nach dem Frühstück war das Wetter nicht viel besser, so wartete ich weiter ab und begann, mir eine Alternative zurechtzulegen. Sollte um 11 Uhr das Wetter noch immer ungünstig sein, würde ich mit der Bahn bis Le Havre abkürzen. Und so kam es dann auch. Wobei der Regen zumindest um kurz nach elf abgezogen war, Wind aber aus ungünstiger Richtung mit 35 bis 50 km/h blieb.

Ich rollte also die kurze Stracke zum Bahnhof, kaufte mir eine Fahrkarte und fuhr mit dem Zug mit Umstieg in Rouen nach Le Havre. Dort musste ich durch den Hafen und die großen Industriegebiete mit dem Wind im Rücken zunächst ein kleines Stück zurück fahren, bis zur großen Brücke über die Mündung der Seine.

Brücke an der Mündung der Seine

Diese Brücke, immerhin Teil der offiziellen Wegführung des Eurovelo 4, hat es für Radfahrer dann ganz schön in sich. Freut man sich anfänglich noch darüber, dass man als Radfahrer an der Autoschlange und der Mautstation (Auto: 5,60€, Fahrrad: frei) vorbei fahren kann, steht man dann plötzlich auf einer mehrspurigen stark befahrenen Straße mit einem einen Meter schmalen Seitenstreifen, der nur durch eine Linie gegen die Fahrbahn der Autos abgegrenzt ist und realisiert, dass man mit einer 8%-Steigung und kräftigem Seitenwind dort hoch und auf der anderen Seite wieder runter muss. Spaß ist anders. Autos und LKWs sausen knapp an einem vorbei, während man versucht die Schlenker klein zu halten, die man unweigerlich fährt, wenn an jeder Halteseilhalterung und den Pfeilern kurz der Wind weg ist und dann wiederkommt.

Hinter der Brücke ging es durch Honfleur, dann über die hügelige Küstenstraße weiter. In Villers-sur-Mer machte ich eine Pause mit Crepes und Milkshake. Ich suchte mir eine Unterkunft, die mich motivierte, noch den Weg über den nächsten 100m-Hügel zu fahren. Ein kurzer Schauer erwischte mich im Anstieg, den ich aber in einer Bushaltestelle abwetterte.

Sonnenuntergang über der Kanal-Küste

Nach der anschließenden Abfahrt wurde die Küstenlinie flacher und ich fuhr, nur durch den kräftigen Gegenwind gebremst, bis Merville-Franceville-Plage durch, wo ich ein Hotel gefunden hatte. Der Ort war auch der vorläufige Abschied von der Küste und daher ein Stopp, der sich anbot.

Ich besuchte den örtlichen Supermarkt, den Strand und ein Restaurant, bevor es ins Bett ging. Die Vorhersage für die kommenden Tage stellte besseres Wetter in Aussicht und ein paar Tage abseits der Küstenlinie.

Merville-Franceville-Plage – Saint-Hilaire-du-Harcouët

Der Morgen startete vielversprechend: mit einem für französische Verhältnisse reichhaltigen Frühstücksbuffet, das ich ausgiebig nutzte, um Energie für einen langen Fahrtag zu haben. Auch das Wetter sah gut aus: bewölkt, aber freundlich.

Vom Hotel kam ich schnell zu meinem Track zurück, derr schon nach wenigen Kilometern auf der Straße auf einen Seitenweg der Orne einbog und bis nach Caen führte. Hinter Caen begann dann auch gleich der Bahntrassenradweg Voie Verte de Suisse Normande (Grüner Weg der Normand’schen Schweiz). Vor dem westlichen Wind war ich weitestgehend geschützt, vor dem Regenschauer, den er er mitbrachte allerdings nicht. Und so hielt ich mit beginnendem Regen an einem trockenen Fleck unter einem Baum an und zog mir die Regenklamotten über, dann ging es weiter – bis zum nächsten Wartehäuschen an einem ehemaligen Bahnhof der Strecke.

Brücken auf dem Bahnradweg

Da im alten Bahnhofsgebäude ein Café war, wechselte ich alsbald dort hin und trank einen Tee, während ich auf das Ende des Regens wartete. Leider war das Regenradar hier in den Tälern nicht sehr genau (englisches Radar, das französische bekomme ich nur mit einer Stunde Versatz) und ich musste mich aufs Gefühl verlassen. Irgendwann war der Regen aber vorbei und ich bereitete mich auf die Abfahrt vor. Ohne Regenklamotten. Obwohl es wieder leicht angefangen hatte zu nieseln.

Während ich fuhr, wurde aus dem Nieselregen richtiger Regen, der an Intensität zeitweise noch zunahm. Da mir aber nicht kalt wurde und ich jetzt eh nass war, fuhr ich ohne Regenzeug weiter. In der Tasche waren die empfindlichen Dinge in Drybags, die halb empfindlichen in der Mitte zwischen wasserfesten Dingen.

Leider ging der schöne Bahnradweg irgendwann zu Ende und ich musste auf kleinen Straßen weiter, die im hügeligen Gelände bis zu 300m über dem Meeresspiegel durchaus kräftige Steigungen zu bieten hatten. Zudem war meine Route hier etwas lieblos geplant, was dazu führte, dass ich teils auf sehr kleinen, steilen und mit schlechten Belag ausgestatteten Straßen unterwegs war, teils plötzlich vor nicht asphaltierten Wegen (in OSM: unclassified) stand. Dies kostete mich einige Kraft und Umwege, bis ich beschloss, einfach nur noch D-Straßen zu folgen. Das Garmin routete dann meist problemlos um, notfalls orientierte ich mich im Überblick mit OSMand+ auf dem Smartphone.

Langweilige Landstraße und spektakuläre Wolken

Der Regen ließ auch irgendwann nach und hörte ganz auf und schließlich schaute ich 40km vor dem Mont-Saint-Michel ins Tal und wusste, jetzt kommen nur noch kleine Steigungen. 30km vor dem Mont-Saint-Michel machte ich eine kurze Pause und schaut nach Unterkünften. Das war an einem Samstag leider ernüchternd, die Preise rund um die Felsinsel waren astronomisch, wenn überhaupt etwas zu bekommen war. So fuhr ich einige Kilometer zurück und dann abseits der Route, um ein bezahlbares Hotel zu nehmen.

Der Ort gab nicht viel her, immerhin aber einen offenen Supermarkt für die Getränkeverorgung am Folgetag. Und ein Restaurant im Hotel, denn im Ort gab es kaum Alternativen. Das Hotelrestaurant bot ein Tagesmenü – als einzige Option. Die Spiesen waren aber gut zubereitet und lecker und passten zu meinen Ernährungsbedürfnissen auf Tour.

Saint-Hilaire-du-Harcouët – Guipry-Messac

Da ich das Rad im Zimmer hatte, konnte ich bereits vor dem Frühstück fast alles packen – ausgenommen waren lediglich meine Schuhe, da ich ungern in Fahrradschuhen zum Frühstücksbuffet gehe. Das Frühstück war ein gutes Buffet und lieferte Energie für den ersten Abschnitt des heutigen Tages.

Anfahrt zum Mont Saint-Michel

Ich hatte mich entschlossen, die gestern zurück gefahrenen Kilometer durch eine Abkürzung über die große Departements-Straße gutzumachen. Und der Plan ging am Sonntag morgen auch auf, der Verkehr war mäßig und die Straße bot einen ausreichenden Seitenstreifen an, um dort bequem mit dem Rad voran zu kommen. Durch einige schnelle Abfahrten ging es gut voran.

In der schönsten Vormittagssonne erreichte ich den Mont Saint-Michel undwagte mich mit dem Rad zwischen laufenden Touristenmassen hindurch bis auf den Platz direkt vor dem Felsen. Reingehen erlaubte weder mein Zeitplan, noch die Tatsache, dass ich ja mit bepacktem Rad unterwegs war (obwohl es dafür eventuell vor Ort sogar eine Lösung gibt, da bin ich aber nicht sicher). Zudem bin ich auf Radtouren kein großer Sightseeing-Fan.

Hügel und Landstraßen

Von dort hatte ich eine Route vor allem über kleine Landstraßen in Richtung Süden geplant. Am Anfang begleiteten mich noch Hügel und es ging teils etwas schleppend voran, diese wurden im Laufe der Fahrt aber flacher. Schwerer wog die Tatsache, dass – zumal am Sonntag – entlang meiner Route keinerlei Versorgungsmöglichkeiten bestanden. Selbst Plätze, um im Schatten, abseits der Straße, mal kurz ausruhen (oder pinkeln…) zu können waren rar. Und so verdrückte ich fünf Kilometer vor Rennes mein Notfall-Gel. In Rennes kam dann aber zum Glück die Rettung in Form offener Restaurants, die sogar am Nachmittag Speisen anboten. Diverse Getränke, ein Burger und ein leckerer Kuchen brachten die Lebensgeister zurück.

Hinter Rennes fuhr ich noch einige Kilometer Landstraße, bevor ich an der Vilaine entlang auf einen tollen Radweg gelangte. Zwar war dieser nicht durchgehend asphaltiert, der wassergebundene Belag aber in so einem guten Zustand, dass dies nicht weiter problematisch war. Da ich hier auch endlich ein kleines schattiges Pausenplätzchen fand, nutzte ich die Zeit für eine kleine Wartung. Sitz nachstellen, Spiegel einstellen, Reifendruck prüfen. Danach rollte das Rad wieder viel besser.

Flussradweg

Nach rund 150km und 1000 Metern Anstieg erreichte ich Guipry-Messac, wo ich mir eine Bleibe suchte, ein schöner Zufallsfund durch Anklopfen. Eigentlich nichts frei, aber weil das Hotel voll war und die Betreiber wohl Mitleid hatten, auch in Anbetracht der Uhrzeit und dass auf dem weiteren Weg nicht so bald eine neue Möglichkeit kam, wurde mir, während im örtlichen Restaurant Galette und Crepes aß, eine große Ferienwohnung zu einem fairen Preis fertig gemacht. Selbst ein Frühstück gehört zum Service, das morgens zur Ferienwohnung geliefert wird.

Guipry-Messac – Pornic

Die Vermieterin brachte mir morgens ein Baguette, Tee, ein Croissant, Butter, selbstgemachte Marmelade und Obst vorbei, so dass ich ein schönes Frühstück hatte, bevor ich die Ferienwohnung verließ.

Entlang der Vilaine

Zunächst fuhr ich weiter entlang der Vilaine. Der Radweg ist gut fahrbar, in weiten Teilen allerdings weiter mit wassergebundener Oberfläche versehen – diese kostet Kraft oder Zeit, je nach Strategie. Trotzdem war die Fahrt, teils im Schatten der Bäume, sehr erholsam und ich genoss es. Zumal an einem Montag auch kaum andere Radfahrer oder Spaziergänger morgens am Fluss unterwegs sind.

Erst ab Breslé wechselte ich wieder auf die Landstraße. Sofort wurde es etwas hügeliger, wenn auch nicht so wie in den letzten Tagen. Vor allem aber musste ich den zusätzlichen Sonnenschutz in Form eines über Mund und Nase gezogenen Buffs nutzen, da ich mir in den letzten Tagen, wo der Weg nach Süden führte, trotz Sonnencreme einen Sonnenbrand zugezogen hatte.

Brücke über die Loire

In Redon wollte ich ursprünglich eine erste Pause einlegen, doch fand sich direkt am Track nichts und ich war schneller wieder raus, als ich dachte. Also fuhr ich weiter. Und weiter. Und fand erst bei Kilometer 90 kurz vor der Brücke über die Loire eine Möglichkeit. Leider war ich bereits in einem Zustand, in dem ich (außer Getränke) nicht viel herunterbrachte und es wurde nur ein kleines Mahl.

Die Brücke über die Loiremündung hatte ich ja bereits 2014 überquert. Es ist auf dem schmalen Randstreifen eine Konzentrationsprobe, aber machbar – zumal auch heute der Seitenwind nicht wie vor einigen Tagen auf der Brücke über die Seine blies. Trotzdem machte ich nach der Überquerung erst einmal eine kleine Pause.

Abendlicher Hafen von Pornic

An der Küste windet sich die Radroute ziemlich und ich merkte meine mangelnde Versorgung. Dazu kam, dass durch die Gezeiten die Passage du Gois für mich nicht sinnvoll nutzbar war, das Mittagniedrigwasser hatte ich verpasst, nachts um kurz vor zwei war keine Option. Das drückte etwas auf die Motivation. Bei Getränken und einem Eis suchte ich mir eine nette Unterkunft in Pornic, da in den folgenden Küstenorten nur wenig frei und die Versorgung deutlich schlechter war.

Ein herrliches Privatzimmer in einer Villa, im Garten zwei Hühner als Haustiere. Ein Supermarkt um die Ecke und jede Menge Restaurants in Laufweite am Hafen. Nur zum Schwimmen kam ich aus Zeitgründen nicht mehr, dafür aber zu einer Partie Kicker mit dem Besitzer des Hauses.

Pornic – Saint-Vincent-sur-Jard

Da die Unterkunft kein Frühstück anbot, hatte ich mir im Supermarkt Joghurt und Rosinenschnecken besorgt. Einen Tee und ein Ei der eigenen Hühner spendierte der freundliche Besitzer dann doch. Nicht allzu spät kam ich dann los.

Die Passage du Gois

Es standen gut 35 Kilometer Fahrt bis zu dem Punkt an, wo ich die Entscheidung über Plan A oder Plan B treffen musste, nämlich über die Passage du Gois und die Ile de Noirmoutier oder eben außen herum zu fahren. Den Link zum Gezeitenkalender hatte ich natürlich auf dem Handy und so wusste ich, dass um kurz nach halb zwei Mittags das Niedrigwasser erreicht würde und der Gezeitenkoeffizient 100 betragen würde, was heißt, daß man früher auf die Passage kann (und später runter muß).

Ich entschied mich trotz fünf Kilometern mehr und zu erwartender Wartezeit für die Passage, zu faszinierend ist sie, um sie einfach für eine (recht langweilige) Umfahrung beiseite zu lassen. Vor dem Befahren nutzte ich die Wartezeit für ein Getränk im günstig gelegenen Café, dann ging es auf die langsam trocken fallende Straße. Die asphaltierten Stücke sind unproblematisch, die gepflasterten dagegen teils ziemlich glatt. Langsam bewegte sich die Autokolonne von beiden Seiten Stück für Stück vorwärts, so wie das Wasser die Straße freigab. Einige Autofahrer bogen aber auch direkt ins Watt ab, um Muscheln zu sammeln.

Der Küstenradweg bei Saint-Hilaire-de-Riez

Von der Insel herunter nahm ich die Brücke, deren Radweg allerdings gesperrt war, so dass ich – ohne Seitenstreifen – auf dem Autofahrstreifen (einer pro Richtung) drüber musste. Das Wohnmobil hinter mir ließ mir aber viel Platz und überholte erst auf der Abfahrt mit viel Seitenabstand.

Der EV1 windet sich anschließend – teils nicht asphaltiert – durch die Ortschaften und Wälder, ich folgte im Zweifel eher der Straße. Zwischendurch geht es am Ozean entlang auf einem Uferboulevard mit spektakulärem Blick zur Ozeanseite und Restaurants zu anderen. So kam ich heute rechtzeitig zu einem Mittagessen.

Wilder Ozean

Der Weg nach Les Sable d’Olonne hat wenig zu bieten, der Ort hat aber eine nette Innenstadt und vor allem den Hafen, an dem die berühmte Vendée Globe Regatta im Einhandsegeln um die Welt startet. Bei meiner kurzen Pause im Hafen suchte ich auch Orte raus, die für eine Übernachtung in Frage kamen. Am Ende landete ich ca 20km hinter Les Sable d’Olonne in Saint-Vincent-sur-Jard. Gern wäre ich einen Ort davor, in Jard-sur-Mer, geblieben, dort gab es aber keine freien Unterkünfte mehr.

Der Plan, abends noch im Atlantik zu schwimmen, wurde durch das an die Ufermauer schlagenden Wogen zunichte gemacht, zu gefährlich, dort auch nur den Fuß auf die Treppe zu setzen. Dafür fand ich ein gutes Restaurant im Ort und konnte meinen Kalorienbedarf decken.