Drei Seen und ein weiteres Land

Nach dem – für meine Radreisen eher großen – Sightseeingprogramm am vorigen Abend, den ich auch mit lokalem Wein und einem eher italienischen Drink begangen hatte, ließ ich mir heute etwas mehr Zeit am Morgen. Ich kam erst gegen zehn Uhr los.

Auffahrt zum Ceneri
Auffahrt zum Ceneri

Auf dem bekannten Radweg fuhr ich bis kurz vor Bellinzona, dann bog ich auf den Ceneri in Richtung Lugano ab. Damit stand ein kleiner Aufstieg von gut 400 Metern auf einer befahrenen Straße – immerhin über weite Teile mit Radstreifen – auf dem Programm. Nach rund 40km war ich dann vom Lago Maggiore am Lago di Lugano angekommen. Dort pausierte ich nur kurz, dann fuhr ich am Ufer des Sees entlang, bis bald schon die italienische Grenze kam, wie üblich ohne Kontrollen.

Direkt nach der Grenze wies ein Schild auf Bauarbeiten und die gesperrte Uferstraße hin. Das Problem: die Alternative ist die Kraftfahrstraße durch einen mehr als 3km langen Tunnel. Zum Glück kam ein Radfahrer entgegen, den ich fragen konnte:

Baustelle ... Augen zu und durch
Baustelle … Augen zu und durch

die Baustelle sei kurz, man könne das Rad drüber tragen. Also setzte ich meinen Weg fort. Die offizielle Version von drüber tragen wäre über viele Stufen oben über einen Fels gewesen. Ich entschied mich für die pragmatische Lösung und hob mein Rad einfach nur über die Baustellenbegrenzungen, da gerade nicht gebaut wurde.

Vom Luganer See führte mich die Strecke weiter zum Come See. Die Straße war relativ befahren, Italiener überholen traditionell eng und ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr. Nicht schön, aber machbar. So kam ich in Menaggio an, von wo ich die Fähre nach Varenna nahm. Während der Wartezeit trank ich etwas, nach einer halben Stunde kam die Fähre.

Auf der anderen Seite fuhr ich auf der mäßig befahrenen, aber engen und kurvigen Uferstraße bis Colico und spürte, dass nach gut 80km Zeit für etwas zu essen war. So kehrte ich ein, aber da ich zu spät dran war, musste ich mich mit einem Panino begnügen. Und einem Eis. Als es einen leichten Schauer gab, bekam ich Gesellschaft von Timm, der gerade von Freiburg aus die Alpen bezwungen hatte. Wir unterhielten uns, bis der Regen vorbei war, dann fuhren wir in unterschiedliche Richtungen davon.

Radweg an der Adda
Radweg an der Adda

Ich wollte noch bis Sondrio (Sünders) kommen, über weite Strecken auf einem tollen Radweg. Der erste Teil aus Colico heraus war allerdings noch nicht so toll und irgendwo bog ich falsch ab und mein Ansatz ohne umzudrehen in die richtige Richtung zu fahren war für Umgebungen wie Tal mit Fluss nur bedingt geeignet – er führte mich zwischenzeitlich auf einen schottrigen Singletrail. Aber wenn mir MTB Entgegenkommen, dann komme ich da ja auch durch. Kostete eben nur etwas Zeit und Kilometer.

In Sondrio suchte ich mir eine Unterkunft und machte außer einem Rundgang mit Essen keine größeren Besichtigungen mehr.

Über den Berg

Frühstück gab es erst ab acht Uhr, ich könnte mir nach dem Aufwachen also Zeit lassen. Meine Morgenroutine ist so gestaltet, dass ich einige Dinge in der Regel erst nach dem Frühstück erledige und auch dann erst endgültig packe, so kann ich noch in „ziviler“ Kleidung zum Frühstück, die Getränke sind noch kalt, wenn ich starte und die Sonnencreme frisch. Meist, wie auch an diesem Tag, habe ich es auch nicht wirklich eilig.

Ruhige Straße und Bergpanorama
Ruhige Straße und Bergpanorama

Nachdem also alles erledigt war, packte ich die Tasche auf’s Rad, hielt noch einen kurzen Smalltalk mit einem Hotelgast, der die Pässe per Motorroller bezwang und fuhr dann los. Schon bald führte mich meine Route zunächst bis Hinterrhein abseits der Straße auf einem Wirtschaftsweg und nur wenige, harmlose Steigungen sorgten dafür, dass ich mich etwas warm fahren konnte, bevor bei Hinterrhein auf die Passtrasse einbog und mich den letzten 500 Höhenmetern bis zum Pass San Bernardino auf einer serpentinenreichen Straße hingab.

Da die Autobahn in einer Röhre durch den Berg geführt ist, hält sich der Verkehr auf der alten Straße in Grenzen, nur die Motorradfahrer sowie ein paar Sportwagen und der ein oder andere Camper kamen vorbei – oder entgegen. Gerade in den Spitzkehren ist das immer ein besonderer Spaß.

Poserfoto auf dem San Bernardino
Poserfoto auf dem San Bernardino

Ich hatte mit ca. zwei Stunden bis zum Pass gerechnet, da die Straße aber recht gleichmäßig und nicht übertrieben steil ansteigt, ging die Fahrt am Ende schneller als gedacht. Oben gönnte ich mir etwas zu trinken und ein Stuck Kuchen und natürlich den Blick über den See bei schönstem Wetter. Da in den benachbarten Tälern aber bereits Regen aufzog und sich die Wolkenberge hinter den Gipfeln türmten, machte ich mich bald auf in die 75km Abfahrt (die natürlich nicht die ganze Zeit nur bergab geht, aber 1800 Höhenmeter verliert man am Ende schon).

Ich hielt mich auf der 13 bis Bellinzona, ein kurzer Abstecher auf die ausgewiesene Radrouten brachte keine Vorteile und wurde dann eh von einer Erdrutsch-Sperrung beendet. Anfangs sind natürlich wiede viele Spitzkehren dabei und man muss aufpassen, konzentriert zu bleiben über die lange Strecke. Später werden Kurven und Gefälle harmloser.

Lago Maggiore und Locarno aus der Seilbahn
Lago Maggiore und Locarno aus der Seilbahn

Ab Bellinzona gibt es dann bis Locarno einen ruhigen und gut ausgewiesenen Radweg, mit dem ich direkt auf der Promenade am Lago Maggiore landete. Ich ear am frühen Nachmittag dort, machte mich im Hotel frisch und genoss den Rest des Tages mit Sightseeing, Seilbahn und einem Abtecher per Bus nach Ascona.

Einmal Allgäu, bitte

Jochen und Ramona bereiteten mir ein wunderbares Frühstück und es war schwer, sich irgendwann loszureissen. Doch irgendwann musste es ja losgehen, ich hatte ja noch etwas vor.

Blick auf Donau und Ulm
Blick auf Donau und Ulm

Jochen begleitete mich auf dem Rad noch runter bis zur Donau, ab dort konnte ich wieder meinem Track folgen. Ein kurzes Stück fuhr ich also entlang der hier (ohne Hochwasser) eher schmächtigen als mächtigen Donau, bei Donaustetten bog ich nach Süden ab. Zunächst war es noch relativ flach und ließ sich locker fahren, aber je weiter ins Allgäu ich vordrang, desto höher würden die Hügel, bis auf über 700 Meter ging es hinauf.

Aber da es zwischendurch immer wieder Gefälle gab, sammelte ich Höhenmeter am laufenden Band, bewegte mich aber letztlich nur zwischen 600 und 700 Meter über NN. Das allerdings schlaucht ziemlich. Der Himmel war blau und die Sonne schien, auf angenehme 25°C bis 27°C stiegen die Temperaturen, beim erklimmen der teils mit mehr als 10% recht ordentlichen Steigungen ist das aber ziemlich warm.

Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick
Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick

Auffällig ist die hohe Zahl von E-Bike Touristen, meist älteren Semesters. Vermutlich stünde dieser Gruppe ohne die elektrische Unterstützung die Erkundung des Allgäu per Rad nicht offen. Allerdings waren bis auf ein paar Rennradler auch viele jüngere elektrisch unterstützt unterwegs.

Als erstaunlich problematisch erwies sich die Essensversorung. Quasi jede Dorfgaststätte hatte entweder Betriebsferien oder öffnete erst ab 17 Uhr. Bestenfalls in Wangen hätte ich wohl eine Chance gehabt, da führte mich meine Route dann aber am Zentrum vorbei und ich hatte für mich beschlossen, dass es bei der zu erwartenden Abfahrt zum Bodensee und den wenigen Restkilometern kaum Sinn machte, dort abzubiegen. Also fuhr ich weiter.

Ich hatte erwartet, irgendwann aus der Höhe noch einen Blick über den See erhaschen zu können, doch dem war nicht so. Nach der Abfahrt kam ich in Lindau erst zu einer Baustelle, dann irgendwann nach Österreich und hatte dort die erste Chance auf einen Seeblick.

Als ich ein kleines Stück weiter in Bregenz endlich einkehrte, sah ich auf Twitter die Message eines velomobilen Followers, der in Bregenz wohnt und ein Treffen anbot, so nahm ich einheimischen Rat zur Wahl einer passenden Lokation an und wir fachsimpelten ein wenig über das Reisen mit Liegerad oder Velomobil.

Selfie am See
Selfie am See

Darüber verging die Zeit und anstatt noch wild Kilometer zu machen, suchten wir gemeinsam eine Unterkunft in der Nähe, genauer in Dornbirn. Christian zeigte mir mit seinem df vorausfahrend den Weg und ich hechelte hinterher. Aber ganz klar geht nichts über Ortskenntnis, so kam ich fix beim Hotel an und hatte zwischendurch noch einen Supermarkt aufsuchen können.

Im Hotel war dann nur noch Waschtag für mich und die Klamotten angesagt. Und natürlich den Bericht für’s Blog zu schreiben.

Ein kurzer Tag

Am Morgen kaufte ich schnell noch etwas Saft ein, um meine Getränke etwas isotonischer zu gestalten – und für den Geschmack. Im Hotel wurde mir eine Luftpumpe zur Kontrolle der Reifen angeboten, was ich auch gern tat, zumindest vorn. Meinen 9,5 Bar Hinterreifen konnte die Pumpe nicht bedienen.

Im Ebersburger Tal
Im Ebersburger Tal

Auf dem Jagst-Kocher-Radweg fuhr ich dann eher flach weiter. Das Wetter war heute angenehm kühler als in den letzten Tagen, der Himmel war zeitweise bedeckt, was meiner Haut etwas Gelegenheit zur Entspannung bot. Und so vergingen die ersten 25km der heutigen kurzen Etappe von nur etwa 100km wie im Flug, auch wenn ich mich nach den Anstrengungen der letzten Tage etwas schwer tat, auf Tempo zu kommen.

Überraschend war für mich die Landschaft an der Brenz im Eselsburger Tal, das mit einigen steinigen Felsformationen aufwartete. Und in Eselsburg auch mit einem ordentlichen Anstieg. Das Lontal war landschaftlich nochmals anders. Von hier ging es dann nach kurzem Anstieg hinab ins Donautal bei Günzburg.

Ulmer Münster (innen)
Ulmer Münster

Die ganze Zeit fuhr ich entlang einer Regenfront, blieb aber trocken. Bei der Abfahrt zur Donau sah ich vor mir dir Regenfelder und stellte mich darauf ein, heute noch nass zu werden. Doch der Regen zog sich zurück und ich blieb verschont.

Bis Neu-Ulm fuhr ich auf der Straße oder dem begleitenden Radweg, da der Donauradweg hier leider nich durchgehend asphaltiert ist. Dort angekommen kam ich privat unter. Da es erst gegen 14 Uhr war blieb mir noch Zeit, mit meinem Gastgeber Ulm zu besuchen und neben Sightseeing den deutschen Teil meiner Rückfahrt sicherzustellen.

Nach einem netten Abendessen und guten Gesprächen fiel ich dann müde ins Bett.

Es wird (etwas) flacher

Mein erster Track führte bis nach Rothenburg ob der Tauber, nur knapp 100km. Die Ankunftszeit setzte das Navi schnell auf sehr optimistisch berechnete 13 Uhr fest. Klar, denn die Ausfahrt aus Haßfurt über den Main war zunächst auch relativ flach. Bald aber setzten die Hügel und das ständige Auf und Ab wieder ein, das so auf die Kondition geht, weil man keinen Rhythmus findet.

Straße mit Radweg
Straße mit Radweg

Große Pausen gönnte ich mir indes kaum, lediglich einen Stopp am Drogeriemarkt um eine Mini-Ressource aufzufüllen. Der Zähler stieg und stieg und pendelte sich auf 14 Uhr ein, was dann auch realistisch war. Ich fuhr in Rothenburg ob der Tauber dann unter Jubel und Geknipse einer chinesischen Reisegruppe ein. Und suchte nach einem Restaurant, das einen Platz im Schatten bei gleichzeitigem Blick auf’s Rad (möglichst auch im Schatten) bieten könnte – gar nicht so einfach, am Ende fand ich aber nahe der Stadtmauer einen Italiener.

Vom Spanier, der sich mit dem Wirt auf Spanisch verständigte über den Amerikaner, der beim Wirt Entsetzen auslöste, als er nach Tabasco zur Lasagne fragte war alles für eine herrliche Kulturstudie vorhanden. Allein mir fehlt auf Radreisen der Sinn für derlei Touristentrubel. Und so verließ ich den Ort nach zwei großen Kirschschorlen, einer Pizza, einer großen Spezi, einem großen Eiskaffee und einer Johannisbeerschorle für unterwegs ohne größere Besichtigung.

Endlose Landstraße unter blauem Himmel
Einfach fahren

Das Taubertal war noch sehr hügelig, aber zunehmend wurde die Landschaft flacher und ich folgte oft Radrouten auf ruhigen Wirtschaftswegen oder expliziten Radwegen. Ich wollte eigentlich nur 20-30 Kilometer noch fahren, aber es lief am Ende so gut, das noch gut 60km folgten. Einen Zwischenstopp gönnte ich mir an einem Freibad. Echtes Dorfleben, Eintritt war über den Förderverein geregelt, die Fahrräder vor der Tür standen einfach rum, die Autofenster waren offen. Als Stadtmensch für mich nah am Unvorstellbaren.

Ich folgte dem Tauber-Jagst-Radweg, der in den Jagst-Kocher-Radweg überging und hatte richtig Spaß, aber irgendwann entschied ich mich doch für die Hotelsuche. Zum einen war ich nicht sicher, wie lange man noch spontan ein Zimmer finden würde, zum anderen musste ich ja noch zu Abend essen, waschen und mich frisch machen. In Ellwangen kam ich nach 155km und mehr als 1600 Höhenmetern unter.