Kopenhagen 2013 – Berlin-Rostock

Samstag, 10. August

254km to go! Tourstart in SpandauAm Samstag trafen wir uns um kurz nach sechs Uhr morgens auf der Havelbrücke in Spandau. Obwohl um diese Zeit wohl noch wenig Verkehr auf den Straßen herrschte, hatten wir uns entschieden, bis Hennigsdorf, dem Berlin-Kopenhagen-Radweg entlang der Havel zu folgen, abseits von Autos in angenehmer Ruhe. Die Sonne war gerade aufgegangen, es war frisch, aber nicht wirklich kalt und es herrschte eine ruhige, schöne Stimmung. In Hennigsdorf wichen wir von der ursprünglichen Planung wegen der ruhigen Straßen ein wenig ab und kürzten nach Marwitz über die L17 ab. Seit dem neuen Radweg ist das ohnehin die bessere Alternative als über den Bötzower Weg und die L20 zu fahren. Die erste Pause machten wir in Schwante, wo es einen Bäcker gibt, bei dem man gemütlich frühstücken kann.

Der Radweg an der B-Straße bis Kremmen ist gut fahrbar, hinter Kremmen bis Beetz wird es etwas ruhiger. Der anschließende kleine Wirtschaftsweg ist zwar trotz teilweise Plattenwegbauweise gut fahrbar, hat aber den kleinen Nachteil, für PKW freigegeben zu sein. Zwar herrscht kein dichter Verkehr, aber durch den engen Weg ist nicht jede Begegnung mit der landestypisch aggressiven Fahrweise eine dem Samstag Morgen angemessene Freude. Die Windräder stehen still, die Sonne lacht, der Himmel ist blauAb Pabstthum geht es dann aber wieder mit der Straßenbreite, nur die Ortsdurchfahrt in Radensleben mit ihrem Kopfsteinpflaster bzw. den kaum weniger holprigen Fusswegen nervt, ist aber nur wenige hundert Meter lang, bevor es bis Neuruppin wieder angenehme Landstraßen gibt.

Die Fahrt durch Neuruppin selbst bringen wir so schnell wie möglich hinter uns, dann geht es auf die schon von der Tour nach der SPEZI 2013 bekannte Strecke nach Wittstock (Dosse). Wir wählen, wie schon beim letzten mal, wieder den Prignitz-Express-Radweg auf einem (harmlosen) Plattenweg bis Katerbow, lediglich zwischen Verlassen der Bahnstrecke bis zum Ortseingang Katerbow wird es etwas schottrig, dafür ist man abseits des PKW-Verkehrs unterwegs und spart auch ein paar Kilometer. Endlose leere Straßen in Mecklenburg-VorpommernAb Katerbow folgen wir dann aber doch lieber der Landstraße und biegen nicht nach Netzeband ab, weil dies keinen Vorteil bringt, aber der Weg potentiell stark ausbremst.

Die kleine Umfahrung von Herzsprung ist definitiv empfehlenswert, sie spart Kilometer und ist perfekt und ohne Autoverkehr zu fahren. In Wittstock (Dosse) suchen wir uns einen Supermarkt mit Bäcker für einen Snack. Obwohl es schon kurz vor Ladenschluss ist, werden wir freundlich bedient und können unsere Flaschen auffüllen und in aller Ruhe aufessen (und sogar die Toilette benutzen). Micha kauft im Supermarkt noch schnell Zahnbürste und andere Utensilien, die zur ungünstig frühen Abfahrtszeit am Morgen dann ungeplanterweise den Weg in die Tasche nicht mehr gefunden hatten.

Gewitter nahtHinter Wittstock (Dosse) geht es dann nördlich zunächst auf der Landstraße nach Wredenhagen, dort biegen wir auf kleinere Straßen ab und fahren in genügendem Abstand für einigermaßene Ruhe parallel zur Autobahn bis Malchow. Kurz bevor wir dort sind, beginnt der Regenalarm zu piepen, eine Gewitterfront ist im Anmarsch – aber noch in sicherer Entfernung. In Malchow müssen erst einmal warten, denn die Ersatzbrücke für Fußgänger und Radfahrer über die Elde ist gerade für Bootsverkehr geöffnet. Die Gewitterfront kommt näher. Die Entscheidung ist schwierig: Viele Orte mit potentiellem Schutz kommen nicht mehr hinter Malchow, aber wenn wir zu früh einkehren verlieren wir wertvolle Fahrzeit – die Fähre wartet nicht und wir  müssen rechtzeitig am Terminal sein. Obwohl am Himmel schon erste graue Schleier zu sehen sind und es drückender wird, entscheiden wir uns für die Weiterfahrt. Nach dem Gewitter: Sonne und nasse StraßenNoch sind wir auf einer Landstraße unterwegs, auf der alle paar Kilometer eine Bushaltestelle kommt.

In Nossentiner Hütte sehen wir ein Restaurant mit Biergarten. Der Wind ist komplett weg, die berühmte Ruhe vor dem Sturm, die graue Wand droht am Himmel mittlerweile sehr nahe. Wir kehren ein. Die Räder stehen sicher unter einem Dach, wir ziehen, als es nach kurzer Zeit anfängt heftig zu stürmen und zu regnen, mit Glas und Teller in die Innenräume um. Perfektes Timing für eine ordentliche Mittagspause, so einem Gewitter möchte man nicht unbedingt in freier Natur ausgesetzt sein, zumal nicht im auf der Strecke folgenden Wald ohne sinnvolle Schutzmöglichkeiten. Im Gasthof kommt eine Pumpe zum Einsatz, die das Wasser aus dem für solche Fälle zu klein dimensionierten in größere Abflüsse pumpt.

Heading: north!Kaum haben wir fertig gegessen, ist der Regen auch weg. Die Straße ist noch naß, aber schon zieht wieder Sonne auf, so daß Dampf aufsteigt. Ich empfinde das noch als recht angenehm, für Micha ist die Feuchtigkeit allerdings weniger zuträglich. Wegen tiefer Pfützen und herumgewehter Äste und Blätter kommen wir aber ohnehin nicht so schnell voran.

Wir treffen zeitweise wieder auf den D11 (Berlin-Kopenhagen-Radweg), fahren aber auch diverse Abkürzungen über die Landstraßen. Auf dem Radweg (wie sollte es anders sein!) einer Bundesstraße fahre ich mir dann allerdings einen riesigen Steinsplitter in den Reifen, so daß zunächst einmal Flicken angesagt ist. Ein Abendessen in Rostock (das eh nur für den Fall, daß wirklich alles glatt läuft drin gewesen wäre) ist damit nicht mehr möglich, aber unser zeitlicher Puffer ist groß genug, um nicht hetzen zu müssen. ReifenkillerSo geht es dann über Güstrow und Schwaan nach Rostock weiter, das wir auf unserer Route nur kurz streifen, bevor wir am Stadthafen wieder auf der offiziellen Berlin-Kopenhagen-Route sind, der wir für die letzten Kilometer bis zum Fährterminal folgen, mit einem wunderbaren Sonnenuntergang im Blick.

Um kurz nach 21 Uhr treffen wir am Fährterminal ein, noch vor der Fähre. Diese legt pünktlich an, Unmengen von PKW und LKW rollen runter, bevor die wenigen Radfahrer fast als erste in den Bauch des großen Schiffes fahren dürfen. Wir beziehen unsere Kabine, duschen und schauen den vielen zur Hansesail einlaufenden Schiffen vom Deck aus zu, sowie einem Feuerwerk in Warnemünde. Nachdem die Huckleberry Finn die Mole passiert hat, gehen wir in unsere Kabine und legen uns schlafen. Der Wind hat die Ostsee aufgewühlt, so daß uns sanftes Schaukeln in den Schlaf wiegt.

berlin-rostock

Kopenhagen 2013 – Die Idee

Die Idee

Berlin-KopenhagenAm Anfang stand eine Idee: Ein Kurztrip nach Kopenhagen. Es gibt den Berlin-Kopenhagen-Radweg, der sicherlich schön ist – aber für einen Kurztrip nicht geeignet, er hat zu viele Stellen, wo er einen ausbremst und er windet sich über viele Kilometer durch’s Land. Wer schnell von Berlin nach Kopenhagen will, der muss andere Wege fahren.

Michael und ich wollten den Weg von Berlin nach Kopenhagen in zwei Tagen angehen. Dazu bedienten wir uns auf der deutschen Seite Von Berlin bis Neuruppin eigener in diversen Touren ergründeter Strecken, von Neuruppin bis Rostock folgten wir weitgehend der Radweit-Route. Anstatt die Fähre nach Gedser zu nehmen, planten wir die Nachtfähre nach Trelleborg ein und führten die weitere Planung über Malmö nach Helsingborg, weiter mit der Fähre nach Helsingør und von dort wieder südlich nach Kopenhagen. Das ganze ist sicher keine Tour für Anfänger, aber die geplante Strecke war mit rund 270km am ersten Tag und nochmal gut 165km am Zweiten in einem für uns zu bewältigendem Rahmen. Für Notfälle gibt es auf dieser Route auch immer wieder Ausstiegsmöglichkeiten mit Bahnverbindung.

Wiesenburg/Mark – Halle

Am Abend zuvor war ja bereits klar: In Wiesenburg gibt es kein Frühstück am Sonntag. Wir hatten also im Supermarkt vorgesorgt, Tee und ein paar Schokobrötchen gekauft (“Jean-Luc Schokobrötchen, Captain der Enterprise” oder so). Da wir beide recht früh wach waren, ging es nach Packen, Frühstück und Smalltalk mit dem Vermieter der Ferienwohnung schon um halb neun auf die Straße. Mit 4°C zeigte das Thermometer eher mäßige Temperaturen an, die allgegenwärtige Feuchtigkeit tat ihr übriges. Lange Handschuhe und die Softshell-Jacke mussten es schon sein.
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Aber die Sonne schien und tauchte die flache Landschaft zwischen herbstlich gefärbten Bäumen und Wiesen und Feldern über denen Nebelschleier lagen in ein wunderschönes Licht. Wärmer wurde es zunächst noch nicht, da wir einige Wälder durchquerten. Erst als wir uns Roßlau näherten und die Landschaft offener wurde, die Sonne höher stieg, kletterte auch das Thermometer.

Um die Mittagspause etwas rauszuschieben, machten wir in Dessau an der Tankstelle gleich an der Ortseinfahrt eine Pause und aßen noch Brötchen. Mittlerweile gab es zwar vereinzelte Wölkchen am Himmel, das Wetter hielt sich aber, bei 12°C frischte lediglich der Wind etwas auf. Das traf Timo auf dem Aufrechtrad natürlich etwas schlimmer als mich, aber auch wenn er etwas fluchte hielt er sich recht gut – verbrauchte dabei aber mehr Energie als veranschlagt: da es nicht so einfach war, auf dem Land am Sonntag etwas zu essen zu finden, hatten wir überlegt, ob wir es bis Halle schaffen würden. 15km vor Halle an einer Steigung mit kräftigem Wind von vorn drängte ich Timo dann ein Gel auf. Ich selbst merkte zwar auch langsam, daß nicht mehr viel da war, aber da ich ja nur bis Halle wollte und die nächsten Tage im Büro verbringen würde, entschied ich mich, mein letztes Gel dann lieber Timo zu vermachen für die weitere Reise.
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Das Gel tat seine Wirkung und danach ging es dann auch nur noch einmal bergan und gegen den Wind. Aus lauter Freude über den Blick über die Ebene und daß wir jetzt mit Seiten- bzw. fast etwas Rückenwind nur noch nach Halle runterrollen würden, verpassten wir unsere Abbiegung. Beim Versuch über einen fiesen G2-Track zu unserer Fahrradstraße abzukürzen verhedderten wir uns dann auch noch an undurchdringlichen Wegen, so daß wir die Schottersteigung auch gleich wieder zurück, nochmal (mit Rückenwind) auf den Hügel hoch mussten. Aber wer mal mit mir gefahren ist, der weiß, daß das nie so ganz ohne Abenteuer abgeht. Sorry, Timo!

In Halle steuerten wir – ab vom eigentlichen Track, die Altstadt an, wo die Chance auf ein Essen am größten war. Lars, Rennradler aus Halle, gesellte sich nach einem Anruf meinerseits noch zu uns, ich hatte ihn ja auch schon lange nicht gesehen. Nach dem Essen trennten wir uns. Timo fuhr weiter, Lars nach Hause und ich zum Bahnhof.

Während des Essens sah ich eine Mail, die mich darauf hinweis, daß mein gebuchter IC nicht in Halle halten würde heute Abend. Während des Essen ignorierte ich das und schaute nicht nach Verbindungen, weil ich mich nicht unnötigem Streß aussetzen wollte. Anschließend fuhr ich zum Bahnhof, um mir im Reisezentrum eine alternative Verbindung heraussuchen zu lassen und ggf. die Anpassungen an der Fahrkarte dort gleich zu machen.

Im Reisezentrum stieß ich zunächst auf Erstaunen, als ich behauptete, mein Zug hielte heute nicht in Halle. Nach einigem hin und her war das aber geklärt. Ebenso geklärt war, daß es mir nichts helfen würde, den Zug in Leipzig abzupassen, da er da genauso wenig halten würde. Am Ende wurde es dann eine Regionalbahn nach Magdeburg, dort Umstieg in den RE nach Berlin. Statt 01:15h Fahrtzeit ohne Umsteigen also ungemütliche Regionalzüge, Umsteigestreß, und über drei Stunden Fahrzeit – fast dreineinhalb, wenn ich die Verspätung des RE einrechne.
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Im RE gab es vier Toiletten. Drei waren von Anfang an defekt. Das bescherte dem WC im Wagen, in dem ich saß, einen stark erhöhten Zulauf – der Zug war ziemlich voll. Mal abgesehen davon, daß ich gerne den Interface-Designer kopfüber in der Toilette versenken würde, der sich dieses System mit den drei Knöpfen neben der Tür ausgedacht hat – wirklich niemand, der zum ersten mal das Klo im RE benutzt kommt damit zu recht und warum ist auch offensichtlich – hielt die sanitäre Einrichtung dem gesteigerten Ansturm auch nur bis ca. Brandenburg stand. Dann ging das Lämpchen “WC defekt” auch dort an und die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Zu diesem Zeitpunkt warteten acht nervöse Menschen dort. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt. Ich überlegte kurz, einen weiteren Tweet an die Bahn zu senden – entschied mich dann aber aus Angst, der Zug würde in irgendeinem brandenburgischen Kaff dann aus dem Verkehr gezogen und ich käme noch später nach Hause dagegen.

Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich nicht unbedingt zu den typischen Bahnmeckerern gehöre, die bei jeder Kleinigkeit ihre Tiraden ablassen. Aber das war einfach gestern eine rundum schlechte Erfahrung. Das einzige, was wirklich gut funktionierte, war die Vorabinformation über die frühzeitige Mail. Alles weitere hatte eher mäßige Servicequalität.

Gegen Wind und Wetter

Morgens um halb acht klingelt der Wecker. Draußen ist es nass, kalt und grau. Dunkelgrau. Wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich mich gleich wieder umgedreht und weiter geschlafen, wenn ich nur eine Tour für mich geplant gehabt hätte. Aber mein Freund Timo hatte seine erste ernsthafte Fahrradtour geplant und ich hatte angeboten, ihn an den ersten beiden Tagen zu begleiten. Kneifen ging also nicht. Konnte ich gleich mal meine Festigkeit in Bezug auf echte Schwedenbedingungen testen.

Ich packte die letzten Dinge, legte Regenkleidung und normale Kleidung bereit und besorgte mir vom Bäcker ein kleines Frühstück. Das Regenradar ließ hoffen und der prasselnde Regen auf meinen Oberlichtern im Flur wandelte sich langsam in leichten Nieselregen. Als ich um kurz vor neun zu Timo startete war der Niesel so leicht, daß ich die Regenkleidung griffbereit verstaute.
Kurz bevor ich an der Krummen Lanke ankam wurde es doch etwas nasser, so daß ich mir dann bei Timo vor der Tür doch die Regenjacke über zog und sie wegen des von den Bäumen tropfenden Regens auch noch eine Weile an ließ, obgleich der Regen schon bald wieder aufgehört hatte. Wir überquerten den Schäferberg und fuhren Potsdam, dann über Caputh nach Ferch. Ab dort geht es eine ganze Zeit über Fahrradstraßen durch den Wald. Vom langsam aufkommenden Wind bemerkten wir, durch die Bäume gut geschützt noch nichts.

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Erst als wir in Neuenburg auf die Straße fuhren und die Richtung etwas westlicher wurde, spürten wir, daß wir bald mt Wind zu kämpfen haben würden. In Brück machten wir aber zunächst einmal Mittagspause. Danach wurde unsere Fahrt deutlich langsamer. Der Wind nahm immer weiter zu und es ging immer mehr über freies Gelände.
Als wir Wiesenburg/Mark erreichten, war es Zeit für eine Pause – und um es am ersten Tag nicht zu übertreiben auch Zeit, ein Quartier zu suchen, auch wenn es erst kurz nach vier Uhr war. Während wir uns das Schloss anschauten, telefonierte ich mit einer Pension, die ich zuvor rausgesucht hatte, dort war aber alles belegt. Es fing an zu tröpfeln und wir stellten uns im Torbogen des Schlosses unter, wo auch die Touristeninformation zu finden ist. In diesem Moment begann der Starkregen über uns hinweg zu ziehen mit Sturmböen, die uns mit Sicherheit von der Straße gefegt hätten, wir aber standen geschützt und trocken und konnten die von der Touristeninformation vorgeschlagenen Unterkünfte anrufen, bis wir eine verfügbare im Ort fanden.

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Bald hörte der Regen auch wieder auf – und wir waren froh, daß es uns nicht irgendwo draußen erwischt hatte. Wir bezogen unsere kleine Ferienwohnung, duschten und liefen auf der Suche nach etwas essbarem in den Ort. In der Schloßschänke war geschlossene Gesellschaft, Döner sagte uns nicht zu und die verbliebene Gaststätte bot im Raucherspelunkenambiente nur Schnitzel mit Brot an. Wir kauften uns also im örtlichen Supermarkt Nudeln und Soße und kochten uns ein Abendbrot – wozu hat man schließlich eine Ferienwohnung.
Da wir beide müde waren, wurde es auch kein sonderlich langer Abend mehr. Die Wettervorhersage für den folgenden Tag versprach deutliche Besserung, gute Aussichten für eine sorgenfreie Nachtruhe.

Einmal Müritz und zurück

Das Wochenende stand an und anlässlich des Geburtstages meiner Mutter ein Besuch auf der MS Andante in Waren an der Müritz. Nachdem der August bis dahin nicht sonderlich viel Wärme gebracht hatte, waren für das Wochenende dann (endlich) hochsommerliche Temperaturen angekündigt. Das ist natürlich nicht unbedingt der Idealfall für längere Etappen auf dem Rad, aber ich bin zum Glück halbwegs hitzetauglich und so war das für mich kein Hinderungsgrund, die Anreise mit der Speedmachine zu planen.

Samstag, 18.08.2012

Für den Samstag hatte ich beschlossen, für meine Verhältnisse früh loszufahren. Sagte der ursprüngliche Plan noch etwas von Wecker um 06:30 Uhr und um 07:00 Uhr losfahren, so wurde er durch gewisse berufliche Verbindlichkeiten am Freitag abend doch stark beeinträchtigt. Kleine, leere Landstraße

Trotzdem ich erst um halb drei im Bett war, stand der Wecker dann auf sieben Uhr, allerdings mit der Hypothek, noch packen zu müssen – bei einer einfachen Wochenendtour mit geregelter Übernachtung zum Glück ja kein so großer Akt.

Die Strecke hatte ich mir relativ geradlinig gelegt und spekulierte darauf, daß am Samstag Morgen der Verkehr noch gemäßigt wäre.  Auf der Bundesallee war das auch noch der Fall, so daß diese ohne Probleme und ohne Nutzung des katastrophalen Radwegs stressfrei hinter mich bringen konnte. Ich querte den Tiergarten und Wedding und schwenkte in Wittenau auf die B96 ein.  Der Verkehr hier war schon etwas stressiger, nicht überall bietet die B96 eine Möglichkeit, den Radweg zu nutzen. Gerade in den Orten ist es oft trotz ausgeschriebener Benutzungspflicht alles andere als ratsam. Der Verkehr nahm spürbar zu, aber es war für eine Alleinfahrt und einen routinierten (sprich: gegen Huperei und Drängelei halbwegs abgehärteten) Fahrer noch problemlos machbar.

Das Verlassen der Bundesstraße in Löwenberg war dennoch eine Wohltat. Und nachdem ich bis hierhin mit nur mäßigem Frühstück ziemlich stramm durchgeheizt war, spürte ich langsam ein leichtes Hungergefühl aufsteigen. Vor mir lag Lindow und ich wusste, dort würde es eine Kleinigkeit geben. Kleinigke-ö4it traf es dann auch. Radwege anschaulich dargestellt: Links Brandenburg, rechts Mecklenburg-Vorpommern

Ich wollte eigentlich ein belegtes Brötchen, bekam beim Bäcker aber nur Kuchen – und noch war mir nicht nach Mittagessen. Zusätzlich noch Apfelsaft und Wasser, das ich mir selbst zur Schorle mixte. Dann konnte es weitergehen.

Bis Rheinsberg musste ich nochmal ein Stück auf die B122, die aber im Vergleich zu anderen Bundesstraßen eher harmlos ist. Hinter Rheinsberg dann bog ich auf einen wirklich empfehlenswertenb Bahnradweg ab, der mich bis Flecken Zechlin brachte, fernab von Atuoverkehr und Lärm und zumindest teilweise schattig. Immer, wenn ich diesen Kontrast habe, dann fällt mir auf, was die lärmenden, stinkenden Blechlawinen einer solch schönen Landschaft antun. Eine befahrene Straße nimmt sehr viel mehr Platz als nur ihre nominale Breite ein, sie zerschneidet die Landschaft für mensch und Tier – die allgegenwärtigen Kadaver von Füchsen, Igeln und anderen Tieren zeugen davon. Die Ruhe, die Geräusche der Natur, die man erst hört, wenn man hunderte Meter von solch einer Straße weg ist, macht einem diesen Umstand dann drastisch klar.

In Flecken Zechlin gönnte ich mir dann ein Mittagessen. Bis Sewekow folgt ein Radweg, gut zu fahren, kühl und im Wald, aber nicht nivelliert – die hügelige Mecklenburg-Vorpommersche Landschaft beginnt hier. Nach einer Fahrt auf einer eher ruhigen Landstraße komme ich in Röbel an. Mit dem gerade stattfindenden Müritz-Lauf werde ich dann auch sogleich konfrontiert: man weist mir den Weg. Irritiert frage ich, ob die Straße geradezu gesperrt sei, ebenso irritiert kommt die Gegenfrage, ob ich denn nicht zu den Handbikern gehöre.

Waren/Müritz bei Nacht

Ich deute auf meine Füße und mache eine Kurbelbewegung. “Oh, sie sind also ein Fahrrad?” – grammatische Spitzfindigkeiten spare ich mir und lasse mir stattdessen den Weg zur nächsten Eisdiele weisen, direkt unten am Hafen.

Ein paar Läufer kommen noch vorbei, diese benutzen den Müritz-Rundweg (auch Radweg). Ich beschließe also nach meiner Pause, lieber auf die L24 bzw. später B192 auszuweichen, die einen neu gebauten sehr guten Radweg hat, um nicht ständig die Läufer umkurven zu müssen. Und weil die Strecke dann einfach kürzer ist, ich nicht jede Uferbiegung mitfahren muss. In Sembzin wird es mir in der glühenden Nachmittagssonne dann aber doch zu heiß, meine Flüssigkeitsvorräte gehen zuende und ich bin ohnehin früh dran. So biege ich auf den Müritzweg ein – den ich mir mit ein paar wenigen Ultra-Marathon-Läufern und diversen Radwanderern teile. Der Schatten und die Kühle Luft entschädigen mich aber. An den diversen Pausenstellen schaut man mich immer kritisch an, ich überlege einige male kurz, ob ich vielleicht doch ein Getränk abstauben sollte, meine Fairness hält mich aber dann doch davon ab.

Das Ziel des Laufs ist genau am Hafen, ziemlich genau dort, wo die Andante und meine Eltern auf mich warten. Ich komme auf der Marathonstrecke an, die Leute am Wegesrand bekaltschen und bejubeln auch mich. Vor lauter Freude darüber bemerke ich erst im letzten Augenblick den letzten Ausweg, um nicht wirklich durchs Ziel zu fahren – obwohl das sicherlich auch sehr lustig gewesen wäre.

 Sonntag, 19.08.2012

Hitzeschlacht. Weit über 30°C sind nicht nur angekündigt, sie treten auch ein – bei brütender Hitze und wenig Wind. Den Vormittag verbringe ich auf dem Boot im Schatten. Und ich versuche eine Route zu planen. Bei der Vorbereitung war ich davon ausgegangen, einfach den Weg vom Vortag zurückzufahren, zwischendurch überlegte ich es mir anders – und stieß dann auf eine Limitierung meines Garmin GPS 60CSx – ohne die Garmin-Software (und ich hatte keine Netbook dabei) ist es nicht möglich, einen Track oder eine Route ins Gerät zu kriegen. Bahnradweg bei Vietzen

Also versuchte ich mir so gut wie möglich die markanten Punkte der Strecke zu merken, um sie dann einfach anhand der Karte im GPS abzufahren.

Die Rückfahrt nach Berlin starte ich am Nachmittag. Das heißt zwar, zunächst in der größten Hitze zu fahren, aber dafür dann einen erheblichen Teil der Strecke nach Sonnenuntergang zurückzulegen. Ich fahre diesmal östlich um die Müritz herum. Der Radweg durch den Nationalpark ist gut ausgebaut und führt über weite Teile durch Wälder, so daß es immer wieder kühlere und schattigere Passagen gibt – will heißen, das Thermometer am Rad zeigt 32°C statt 36°C. Nach runden 30km durchquere ich Rechlin und mache in Vietzen am Sumpfsee eine Pause in netter Runde – mit Getränk, Brot und Kuchen.

Weiter geht es über einen Bahnradweg, von dem ich meine Abbiegung in Lärz leider verpasse und so via Mirow, Peetsch, Fleether Mühle auf die B122 gelange, der ich nach Rheinsberg folge. Jetzt am  späten Sonntag Nachmittag ist auf der Bundesstraße nicht viel los, über einige Zeit gibt es auch einen gut fahrbaren Radweg. Die Hitze zehrt dennoch und ich bin froh, Rheinsberg irgendwann erreicht zu haben.

In Rheinsberg suche ich mir einen netten Platz im Restaurant, esse ersteinmal ordentlich, was mir wegen der Temperaturen über den Tag bisher nicht so gelang, trinke viel Schorle und lasse mir Zeit.  Bald ist Sonnenuntergang, ich habe noch ca. 100km vor mir.

Kurz vor 20 Uhr fahre ich weiter. Von Rheinsberg geht es über einen gut asphaltierten Radweg durch den Wald, der wenigstens ab und zu ein paar Stellen mit kühlerer Luft bietet. Teilweise fällt das Thermometer auf knapp unter 30°C. Dennoch verlasse bei Zippelsförde den Radweg, um über die B122 abzukürzen. Die ist um die Uhrzeit komplett leer, vermutlich sitzen alle vor dem Fernseher und schauen Tatort.

In Alt-Ruppin biege ich über Gildenhall ab und umfahre somit Neuruppin. Auf sehr ruhigen Straßen, um diese Uhrzeit am Sonntag abend ohnehin, geht es in Richtung Hennigsdorf. Lediglich die Ortsdurchfahrt in Radensleben fällt durch unangenehmes Kopsteinpflaster auf, sonst ist die Strecke durchgehend mit guten Belag ausgestattet. Von den wenigen Autofahrern, die mir begegnen, alle kommen von hinten, sind leider diverse nicht so fair, mal abzublenden, wenn
sie mich sehen. Fahrbare Version eines Plattenwegs

Ich überlege kurzfristig, meine Stirnlampe herauszuholen und nach hinten gerichtet auf zusetzen, so daß ich dann ein kurzes Lichtsignal geben kann, lasse das aber dann doch bleiben und fahre weiter.

Kurz vor Eichstädt sind zwei junge Frauen mitten in der Nacht völlig ohne Beleuchtung und in dunklen Klamotten und mit eher wenigen Reflektoren auf der Landstraße unterwegs. Ich bewundere den Mut, sehe aber zu, daß ich mich zügig aus dem Gefahrenbereich entferne.

In Hennigsdorf beschließe ich, nicht den Uferradweg zu nehmen, es ist so leer, daß ich einfach unbehelligt auf der (sonst gerne mal vollen) Straße in Richtung Spandau fahren kann. Von Spandau nehme ich den direkten Weg über die Freiheit, Halensee und die Rudolstädter Straße nach Hause. Um 00:17 rolle ich vor die Haustür. Das Thermometer zeigt noch immer weit über 20°C.