Frankreich 2014: Les Conches – Marennes

Die Nacht im Zelt war nicht erholsam. Zwar hielten alle Heringe – fast schon wider Erwarten – und es war warm, aber nicht zu warm. Auch  lieb es trocken. Zum Einschlafen hörte ich die Brandung hinter den Dünen rauschen. Bis um Mitternacht. Ab da hörte ich wummernde Bässe und das Johlen einer begeisterten Menge. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Das Ganze verstummte nämlich erst um neun Uhr morgens, als ich völlig übermüdet abfuhr. Wer rechnet auch mit sowas mitten in einer sonst eher leeren Gegend?

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Ein kurzer Stop am Supermarkt (immerhin: der hat sonntags offen!) brachte nichts, bei der Menge Touristen wollte ich das Rad nicht draußen stehen lassen und mich bis ganz hinten zum Bäcker durchquälen, um schließlich lange in  der Schlange zu stehen. Ich fuhr weiter und fand im Dorf einen offenen Bäcker, so kam ich zum Frühstück ohne an meine Notreserve zu müssen.
Anschließend ging es bei sengender Sonne und fast ohne Schatten durch das Hinterland. Obwohl überall Wassergräben zu sehen waren, ging mir mehrmals der Begriff Death Valley durch den Kopf und meine Getränkevorräte schwanden in rasender Geschwindigkeit. Nachdem ich frisches Wasser ergattern konnte, benutzte ich einen Teil zunächst für eine kleine Dusche, sonst hätte es mich vermutlich vom Rad gehauen.
Irgendwann kam dann La Rochelle in greifbare Nähe und ich fuhr viel früher als geplant im Hafen ein. Die Fähre zur Ile d’Oleron fuhr allerdings eine Stunde später, als ich das vorher recherchiert hatte und so hatte ich eine lange Pause. Danach bei der Hitze weiterzufahren wa mir heute noch nicht, also genoss ich Schatten und Getränke.

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Um 17:45 Uhr ging die Fähre. Mit guten 20 Knoten durchpflügte das kleine (25 Meter) Boot die von Sportbooten übersähte Wasserfläche und kam derweil am Fort Boyard vorbei – den älteren unter uns vielleicht noch aus dem Fernsehen bekannt. Für den Rest: Sowas wie der Vorläufer vom Dschungelcamp.
Auf der Ile d’Oleron angekommen hatte ich natürlich noch relativ wenig Kilometer auf dem Tacho, zum anderen war es aber auch schon recht spät. Die Insel selbst war relativ voll, die Campingplätze gefielen mir nicht (Zeltwiese an der Straße und ähnliches), also legte ich einen Zahn zu in Richtung Festland. Die Insel am sanften Abendlicht war wunderschön und ich bin froh, daß ich diesen Weg genommen habe.
Einige Kilometer vor der Brücke überholte ich dann auch all die Autos, die vorher an mir vorbeigefahren waren. Diese standen alle im Stau, um sich über das Nadelöhr der Brücke zu schieben. Der seitliche (schmale) Randstreifen war aber frei und so konnte ich bequem an den stehenden Autos vorbei. An der Einmündung auf die Inselhauptstraße erlebte ich das erste mal überhaupt einen im Straßenverkehr ungebührlich gegenüber Radfahrern reagierenden Franzosen – aber Hitze, Stau und in so eine Blechbüchse eingesperrt sein bringt vermutlich jeden irgendwann um den Verstand. Ich winkte ihm freundlich und ließ ihn in seinem Stau stehen. Auf der Brücke floss der Autoverkehr langsam, ich konnte bequem fahren, danach bog ich auf eine kleine Straße und einen Radweg ab und folgte noch einige Kilometer der Küste, bis ich zufällig ein Hotel sah. Ich fragte an, ein Zimmer war frei und etwas zu essen gab es auch noch. Moules Frittes.

Frankreich 2014: Ile de Noirmoutier – Les Conches

Ich begann den Morgen mit dem französischen Frühstück, das heisst mit nicht sehr viel. Zum Glück hatte ich noch Saft vom gestrigen Einkauf über, do konnte ich mit viel Schorle nochmal durchspülen und ein wenig für die Fahrt vorlegen.

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Das Wetter heute bot keinen blauen Himmel, ein grauer Schleier, durch den die Sonne mal wie durch eine Lupe brannte, mal verdeckt wurde. Ich fuhr in Richtung der Brücke, die mich von der Insel führen sollte, verfuhr mich auf dem Weg zum Track aber zweimal, weil mich das Navi au eine Straße führen wollte, die (mittlerweile?) für Radfahrer gesperrt ist. Letztlich schaffte ich es aber doch. Die Nase war frei und es fuhr sich besser als erwartet. Was mich – allerdings erwartungsgemäß – bremste war die Radwegführung Des Eurovelo 1 (EV1), hier auch unter dem treffenden Namen “Velodyssée” geführt. Den dieser schlängelt sich hinter den Dünen auf gut fahrbaren, aber nicht asphaltierten und kurvenreichen Wegen durch die Landschaft. Ich hätte auch auf der D-Straße fahren können, hatte mich hier (von einigen Abkürzungen abgesehen) bewusst für den ruhigeren und landschaftlich sehr schönen Weg entschieden.

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Während zunächst Dünen und Sandstrände (so man sie mal zu Gesicht bekam) vorherrschten, änderte sich schon bald die Landschaft, eine schroffe, felsige Küste zeigte sich immer wieder. Zwischendurch gab es dann touristisch voll erschlossene Orte mit Promenade und Geschäften, die ich aber – bis auch eine mittägliche Einkehr – so schnell wie möglich wieder hinter mir liess.
Abermals änderte sich die Landschaft, der Weg führte durch eine flache von Entwässerungsgräben durchzogene Landschaft. Wegen meines nicht allzu frühen Starts und weil ich nicht so schnell wie sonst vorankam, machte sich aber auch nach etwas mehr als 100km Hunger breit und das Bedürfnis, einen Schlafplatz zu finden. Diesmal entschied ich mich für einen Campingplatz in den Dünen, was romantischer klingt, als es ist. Zumal das Abspanen des Zeltes in tiefem Zuckersand nur ein bedingter Spaß ist.
In der Gastronomie des Platzes gönnte ich mir noch etwas zu essen, später noch einen Pfefferminztee, bevor ich schließlich in den Schlafsack schlüpfte. Es ist windstill, feucht und die See hatte keinen Horizont – das sind leider Anzeichen für einen Wetterwechsel. Wir werden sehen, was kommt.

Frankreich 2014: Nantes – Ile de Noirmoutier

Ich hatte schlecht geschlafen und meine Nase war zu. Kein guter Start in den Tag. Ich frühstückte, machte das Rad abfahrbereit – und hielt nach dem ersten Kilometer zunächst einmal an einer Apotheke. Nasenspray und – zur Sicherheit – ein Thermometer. Außerdem extra starke Sonnencreme für das Gesicht. Dann ging es weiter durch Nantes, zurück zum Track. Laut Tacho kam ich besser voran, als es sich anfühlte.

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Im Hafen sah ich eine Schlange von Leute, die auf ein Boot drängten. Am Schild stand etwas von St. Nazaire. Kurzerhand fragte ich, ob sie denn auch das voll bepackte Rad mitnehmen würden und die Antwort war “ja”. Das gab mir die Möglichkeit, den Tag ruhig anzugehen, mit weniger Kilometern, und dennoch voran zu kommen. Die Fahrzeit war mit etwa zweieinhalb Stunden angegeben, die gesparte Strecke waren etwa 60km – das kam also ziemlich gut  hin. So ging es auf der Loire entlang bis St. Nazaire, vorbei an diversen Kunstinstallationen. An der Schleuse zum Hafen von St. Nazaire mussten wir warten, der Hafen ist eingerahmt von den großen U-Boot-Bunkern des Atlantikwalls. Kein schöner, aber doch ein beeindruckender Anblick.
Nachdem ich mein Rad von der Fähre hatte, fuhr ich durch den Hafen und weiter zur großen Brücke über die Loire. Diese hatte ich bei der Planung entdeckt und wollte unbedingt drüber fahren. Der Aufstieg verlief einfacher als erwartet, das Fahren auf der Brücke war bei dem schönen Wetter auch unproblematisch, kein Seitenwind, keine regennasse Fahrbahn. Die Schussfahrt nach unten war berauschend.

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Der erste Abschnitt meiner Reise, entlang der Loire bis zum Atlantik, lag jetzt hinter mir – und ich gönnte mir erstmal ein Mittagessen. Auf dem durchgehend gut ausgeschilderten Velócèan ging es nun weiter. Vom Ozean sieht man allerdings nur zweitweise etwas, immer wieder geht es weit ins Hinterland – mal sind die Strecken sehr gut, mal gibt es Abschnitte mit festem Kies oder Schotter, die etwas bremsen. Ein paarmal kürzte ich dann einfach über die Landstraße ab.
Die Halbinsel um Préfailles kürzte ich direkt in Richtung Pornic ab, eigentlich hatte ich drüber nachgedacht, mir hier ein nettes Quartier zu suchen. Doch draußen kam schon die Ile de Noirmoutier in Sicht, die Passage du Gois war nicht mehr weit. Und ich wusste, es würde abends eine Möglichkeit zur Überfahrt geben. Also fuhr ich. Zwischendurch hielt ich an, ass ein Crepes mit Schokolade und fragte nach den Tidenzeiten. Die Einheimischen waren nicht überzeugt, ob ich rechtzeitig an der Passage sein würde, ich dagegen schon. Und ich war es auch.

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Das Niedrigwasser war irgendwann zwischen 19:15 Uhr und 19:30 Uhr (je nach Quelle), in einem Zeitfenster von eineinhalb Stunden vor bis nach Niedrigwasser ist die Passage befahrbar. Ich war gegen 19 Uhr dort und begab mich also auf die Straße, die die meiste Zeit des Tages unter Wasser liegt und nur bei Ebbe befahrbar ist. Höchste Konzentration ist hier angesagt, besonders auf den Pflastersteinabschnitten, denn durch den Algenbewuchs ist die Straße teilweise sehr glatt. Dass es hier bei der Tour der France zum Massensturz kam wundert mich nicht, bremsen oder ausweichen ist quasi unmöglich.
Auf der Insel angekommen stellte sich die Frage nach der Unterkunft. Eigentlich wollte ich am Atlantik zelten, aber in Anbetracht eines anstehenden Ruhetages und meiner laufenden Nase begrub ich den Plan. Booking.com und HRS gaben nichts her, das erste Hotel, das ich sah war ausgebucht. Aber eine kurze Suche mit dem Navi führte mich zu einem Hotel, das freie Plätze hatte, einen Bruchteil der Vorschläge der Buchungsportale kostete und nicht allzuweit entfernt war. Ich kam gerade rechtzeitig, um sogar noch ein Abendessen zu bekommen, bevor ich ins Bett fiel und sofort einschlief.