Zwei Pässe

Wohl wegen zuviel Espresso am Abend hatte ich nachts nicht gut geschlafen, dennoch wachte ich pünktlich kurz vor dem Frühstück im Hotel auf. Und war nervös, denn ich hatte mir als persönliches Ziel gesetzt, an diesem Tag zwei Pässe zu fahren, den Passo di Aprica und den Passo del Tonale.

Radwegbrücke an der Adda
Radwegbrücke an der Adda

Ich kam dann doch erst wieder gegen 9 Uhr los, zuerst hatte ich auch einige Kilometer zum Warmfahren. Es ging an der Adda auf einem gut ausgebauten Radweg nur sanft aufwärts. Der Radweg bot alle paar Kilometer Rastplätze, in der Regel mit mehreren Tischen und Bänken, meist Trinkwasser, oft sogar Grillplätze oder ähnliche Annehmlichkeiten. Das Ganze in grünen und ruhigen Lagen. Mülleimer zur Entsorgung waren da, alles war sauber und an jedem Platz ein Schild, das auf die Entfernung und Ausstattung des nächsten Platzes hinwies. So kann das also gehen.

Ich brauchte auf den ersten 20km allerdings keine Rast und bog dann auf eine reguläre Straße ab, der Aprica Pass bescherte mir einige Höhenmeter und tat sich zunächst mal als Wand auf. Den Versuch einer Abkürzung mit 13%-16% Steigung gab ich auf und folgte der regulären Straße mit etwa 5%-7% Steigung und mäßigem Verkehr.

Passstraße nach Aprica
Passstraße nach Aprica

Hinter Aprica gab es eine kleine Abfahrt, wo ich zum Glück nicht sämtliche Höhe einbüßte. In Edolo war dann ein Radweg zum Passo Tonale ausgeschildert. Der Weg war bis auf kleine Ausnahmen gut ausgebaut, allerdings stieg er schnell am Talhang auf und verlief weit oberhalb der regulären Straße. Und Wege am Hang zeichnen sich eben auch oft durch große Steigungen und vor allem keine gleichmäßigen Anstiege aus. So ging es mal mit 18% Steigung aufwärts, dann ging es wieder ein paar Meter abwärts.

Ohne Rhythmus, mit ständigen Wechseln, ist das sicher ein gutes Training – an einem anstrengenden Tag haut das aber ziemlich rein. Eine Chance auf die – auch ziemlich verehrsreiche – Straße zu wechseln bot sich wegen dazwischenliegender Hindernisse auch nicht. Also folgte ich dem Radweg weiter. Erst 12km vor Ponte Legno wurde der Weg flacher und besser fahrbar.

Bergpanorama bei der Auffahrt zum Tonale
Bergpanorama bei der Auffahrt zum Tonale

In Ponte Legno machte ich einen Zwischenhalt für Getränke und Kuchen. Und fuhr dann weiter auf der Straße, die hier auch nur noch wenig befahren war. Mit gleichmäßiger Steigung könnte ich so die letzten 500 Höhenmeter hinter mich bringen.

Der Ort Passo del Tonale war voll auf den Wintersport ausgerichtet und bot ansonsten kaum etwas. Immerhin gab es einen Supermarkt – und da mich der Rest der heutigen Etappe nur noch abwärts führen sollte, kaufte ich Saft für den folgenden Tag ein. Ich streifte mir noch die Windstopper-Softshell Jacke über, denn eine Abfahrt mit verschwitzten Klamotten bei 15°C kann sonst schnell kalt werden.

Bei der Abfahrt mit bis zu 75 km/h hörte ich plötzlich ein kurzes metallisches pling, konnte aber keine Probleme feststellen und hatte auch keine gute Möglichkeit zum Halten. Auch bei einem Halt erwiesen sich alle sicherheitskritischen Teile am Rad als augenscheinlich in Odnung.

Auf dem Passo del Tonale
Auf dem Passo del Tonale

Ich blieb in einem Ort kurz stehen und buchte ein Hotel, noch einen Ort weiter. Auffallend war auf schlechten Straßenabschnitten ein Quietschen. Erst als ich am Hotel das Gepäck entfernte, erkannte ich den Grund: das hintere Schutzblech war mittig entzwei gebrochen und gab bei Unebenheiten das Quietschen von sich, wenn beide Teile aneinander rieben.

Beim Einchecken konnte ich in Erfahrung bringen, dass es im Ort einen Fahrradladen gibt. So bleibt die Hoffnung auf entweder ein neues Schutzblech oder Abbau und Sicherung der noch funktionalen Teile.

Im Hotel gab es abends ein großes Menü für einen akzeptablen Preis, so ersparte ich mir das Suchen eines Restaurants im Ort.

Kontrollverlust

In den letzten Wochen war es hier etwas ruhig, da mich die jahreszeitübliche Grippe und gleich dazu noch ein anderes gesundheitliches Problem erwischte, das mich demnächst dann auch nochmal etwas außer Gefecht setzen wird. Nichts desto saß ich natürlich für meine Alltagsfahrten jetzt wieder öfter im Sattel. So auch gestern abend, auf meiner “Stadtschlampe”, dem T300. Nach dem Abbiegen von einer großen Straße auf eine Nebenstraße mit relativ unangenehmem Kopsteinpflaster driftete ich plötzlich nach rechts, konnte nicht gegensteuern, kippte und fiel gegen ein geparktes Auto.
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Ich hatte im ersten Moment überhaupt keine Ahnung, warum mir das gerade passiert war. Ich war nicht gerutscht, nicht in die Rillen des groben Pflasters gefahren, war nicht schnell, hatte den Lenker nicht verrissen. Ich rappelte mich auf, hob das Rad auf – und mir wurde schlagartig klar, was gerade geschehen war: Der Lenker war auf der linken Seite abgebrochen.
Da ich langsam war und durch die Autotür gebremst wurde, war mir nichts passiert. Keine Schramme, kein blauer Fleck, keine aufgerissenen Klamotten, bis auf zwei kleine Stellen am Handschuh. Die Autotür hatte allerdings deutliche Spuren abbekommen, mehr als nur Gummiabrieb am Griff. Es half also nichts und ich verständigte die Polizei, die nach einer Viertelstunde eintraf. Der Schaden wurde aufgenommen, der Halter des Fahrzeugs ermittelt, da es ein Firmenwagen war konnte allerdings niemand direkt verständigt werden. Nach einer mündlichen Verwarnung, die Polizistin entschuldigte sich fast noch dafür, daß sie diese aussprechen müsse, obwohl sie ja einsah, daß ich nichts dafür konnte, konnte ich dann meines Weges ziehen.
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Da das Rad in diesem Zustand nicht mehr fahrfähig war, konnte ich mir anschließend im Pub auch problemlos etwas mehr Alkohol gönnen, Manu, Doro und Micha standen mir bei – denn irgendwie saß der Schreck. Was, wenn das auf einer großen Straße, im dichten Verkehr, bei Geschwindigkeiten jenseits der 30 km/h passiert wäre?
Noch nachts mailte ich die Versicherung an, am nächsten Morgen brachte ich das Rad zu Radsport Südwest (RSW), wo ich das Rad vor viereinhalb Jahren gekauft und auch regelmäßig zur Inspektion gegeben hatte. Ohne wenn und aber sagte man mir auf Kulanz einen neuen Lenker zu, so daß das Rad am Montag abend wieder fahrbereit ist.
Und die Moral von der Geschichte? Ein Lenker ist ein stark belastetes Teil am Fahrrad, selbst am Stadtrad. Immer wieder liest man denn Hinweis, daß Lenker regelmäßig alle 2-3 Jahre vorsorglich getauscht werden sollten (nach Stürzen ohnehin). “Ja, beim MTB, mit dem man im Wald springt, das man am Lenker hoch reißt, um über Hindernisse zu kommen”, dachte ich immer. Wenn man sein Straßenrad sportlich, viel und teils auch mit harten Reifen bewegt, dann gilt das auch hier. Der Bruch des Lenkers führt unweigerlich zum Sturz – das kann im Straßenverkehr katastrophale Folgen haben. An dieser Stelle sparen heoßt an der Sicherheit – und damit am falschen Ende – zu sparen.

Lesson learned.