Wälder, Seen, die ersten Elche

Morgens packe ich zeitig mein Zelt zusammen. Ich will abends in Orsa sein, das sind gut 170km. Da in den letzten Supermärkten und Tankstellen Käse oder Ähnliches nur in Familienpackungen vorhanden war fehlt mir jetzt Belag für mein Brot. Fast 20km bis zum Frühstück (nächste Tankstelle in Lesjöfors laut GPS), der Beginn einer Beinahe-Katastrophe. Die 20km fallen natürlich nicht gerade leicht – und dann stehe ich an der Tankstelle und habe die Auswahl zwischen: Hotdog. Also zwei Hotdogs, dann noch eine halbe Tüte kleiner Zimtschnecken, dazu Kakao und noch die Wasservorräte auffüllen. Weiter geht es. Nicht ideal, aber Frühstück.

Am Wegesrand zwischen Bäumen kaum wahrnehmbar steht etwas. Als ich vorbeikomme trabt es mit Getöse ins Unterholz. Leider habe ich sie nur Sekunden gesehen, aber es waren wohl meine ersten Elche auf dieser Reise. Eigentlich, so denke ich, lassen die sich doch von nichts beeindrucken. Aber es müssen Elche gewesen sein, denn die beiden waren groß, größer als Pferde. Daß die sich vor dem Liegerad erschrecken macht mir ein wenig Sorgen, denn ein erschrecktes Tier ist schwer einzuschätzen – und so ein Elch ist verdammt groß. Bei einer Konfrontation weiß ich wer gewinnt. Ich bin es nicht. Also aufpassen.

Hotdogs sind keine nachhaltige Nahrung und so setzt nach 50-60km wieder Hunger ein – es ist eh höchste Zeit was zu essen. Da nichts in Sicht ist, beschließe ich am nächsten Rastplatz den Kocher auszupacken. Am Inlandsvägen (26, E45) gibt es in kurzen Abständen Parkplätze – in Deutschland würde man „Nothaltebucht“ sagen und Unmengen von Toilettenpapier am Rand zeugen davon, wofür diese Plätze in der Regel benutzt werden. Und dann gibt es in etwas größeren Abständen Rastplätze. Dort gibt es mehr Platz, meist etwas mehr Abstand zur Straße. Es stehen Tische, Bänke und einfache (aber in der Regel saubere, benutzbare) Klos zur Verfügung, manchmal sogar kleine Schutzhütten oder Grills – aber keine Versorgungsmöglichkeiten. Ich fahre auf den nächsten Rastplatz. Dort treffe ich einen schwedischen Angler mit einem Fahrrad, der froh ist mich zu sehen – er hat keine Luftpumpe und sein HInterrad hat einen Platten. Ich helfe ihm mit der Luftpumpe aus und muß mich zum ersten mal agressiver Mückenschwärme erwehren. An Kochen ist nicht zu denken, ich habe nur noch etwas mehr als einen Liter Wasser und keine Ahnung, wann die nächste Möglichkeit kommt, Wassernachzufüllen. Jetzt Trinkwasser für Nudeln opfern ist also auch nicht klug. Und so fahre ich weiter. Hungrig. Nicht klug.

Irgendwann kommt wieder eine Tankstelle und es gibt: Hotdog. Naja, und Wasser. Und so weit ist es ja jetzt auch nicht mehr. 50km noch bis Mora und das ist ja schon gleich bei Orsa. Ja, ich komme mir ein wenig dämlich vor dabei und das darf mir weiter im Norden nicht mehr passieren.

Auf der Straße kommt mir der erste Reiseradler in freier Widlbahn entgegen. Es ist Finn. Finn ist aus Dänemark und kommt vom Nordkapp zurück. Trotz Verständigungsschwierigkeiten verstehe ich, daß er via Oslo nach Alta geflogen ist, am Nordkap war und jetzt seit 15 Tagen unterwegs ist. In zwei Tagen will er zurück in Dänemark sein, da hat er noch etwas vor sich. Er fährt auf einem Carbonrad mit Ortliebrolle und Rucksack und erzählt, daß ihm oben bei Jokkmokk die hintere Felge gebrochen sein. Deshalb hat er jetzt eine Ersatzfelge, weniger Gänge und vor allem hinten keine Bremse mehr, denn seine Bremsscheibe ist bei der Aktion auch kaputt gegangen. Und Finn erzählt, er habe ein deutsches Ehepaar auf einem Tandem getroffen. Ich erzähle ihm, das Tandem sei gelb und habe einen Anhänger – er ist verblüfft.

Wo die 26 auf die E45 trifft, die von Göteborg aus westlich des Vänern nach Norden führt und auf der ich ab jetzt weiterfahre, ist ein kleiner Campingplatz. Ein paar Wohnmobile stehen dort. Ich beschließe ein Experiment zu wagen und frage an einem deutschen Wohnmobil, ob die Reise nach Norden ginge – ja, wenn auch nicht zum Nordkap. Ich hinterlasse einen Zettel mit einem kurzen Text und meiner Telefonnummer und bitte den Wohnmobilfahrer, falls er das gelbe Tandem sieht, den Zettel auszuhändigen. Allerdings weiß ich nicht, wer schneller ist. ich suche mir wohl nochmal einen Nordkapfahrer. Sollten die beiden auf ihrem Tandem langsamer sein als ich (darauf wetten würde ich nicht), dann würde ich sie vermutlich unbemerkt überholen, während sie abseits der Straße ihr Lager aufschlagen.

Mora erreiche ich bei etwa 150km. 20km bis Orsa zu Christoph werden noch folgen und wegen der nicht ausreichenden Ernährung heute bin ich ziemlich fertig. Zwei Mars, eine Cola, ein Apfelsaft und eine Banane müssen erstmal reichen, auf Hotdog habe ich keine Lust mehr. Dann geht es auf verschlungenen Pfaden durch den Ort und über einen nicht asphaltierten Radweg in Richtung Orsa. Christoph hatte mich vorgewarnt und gesagt, ich solle den Weg ab Vattnäs nehmen – aber aufgrund schwindender Konzentration war es mir so lieber als die befahrene und enge E45 zu nehmen. Mit der sprichwörtlich letzten Kraft rollte ich in Orsa auf den Hof, der Mann mit dem Hammer war aber nicht weit hinter mir.

Ich wurde herzlich empfangen – und das allergrößte: Ich bekam sogar noch eine riesige Portion Tortellini! Das war das Richtige, um mich jetzt wieder aufzubauen. Nach angeregten Gesprächen ging es dann nach dem Duschen ins Bett und ich schlief innerhalb kürzester Zeit ein.

Change!

Ich bin zwar pünktlich um 10 Uhr fertig mit dem Packen, als die Rezeption aufmacht, wo ich zahlen muß, aber ich entscheide mich, noch kurz eine Unterhose und Socken zu waschen und bei dem sonnigen Wetter auf hinten auf dem Gepäck zu trocknen. Außerdem treffe ich noch zwei Schweizer, die heute ihren Ruhetag haben, aber auch gerade mit ihren Rädern auf dem Weg zum Nordkap sind – so fit möchte ich in deren Alter (70, verrät mir einer der beiden!) auch noch sein!

Anschließend kaufe ich in Marietad ein USB-Kabel (ich habe zu Hause das falsche gegriffen, ein reines Ladekabel ohne Datenleitungen – war halt auch weiß…) und setze mich in ein Café zum Frühstück. Ich lasse den Tag bewußt ruhig angehen nach den über 170km gestern. Beim Frühstück komme ich mit einem Radfahrer aus Norwegen ins Gespräch – nicht auf dem Weg zum Nordkap, nur ein wenig am Göta Kanal – der mir seine Telefonnummer gibt, falls ich auf dem Rückweg bei ihm vorbeikomme, soll ich mich melden. Es ist immer wieder unglaublich, wie leicht man mit den Leuten hier ins Gespräch kommt und Kontakte knüpft!

Ich fahre ohne GPS-Routing nach Tipps eines Motrorradfahrers, der in der Hütte neben mir einquartiert war weiter, mein nächster Zwischenstopp ist nach ein paar Kilometern Sjötorp, wo der Göta Kanal vom Vänern in Richtung Osten geht. Ich mache Fotos, ein kurze Pinkelpause und fahre zurück auf die 26. Zwischendurch bieten sich von der Straße weite Blicke über den See, der so groß ist, daß man das gegenüberliegende Ufer nicht sehen kann. Weiter geht es nach Kristinehamn. Dort gönne ich mir eine Pizza, denn ab hier geht es erstmal bergauf.

Nördlich von Kristinehamn wird dann wirklich vieles anders. Sehr viel weniger Verkehr ist das erste, was mir auffällt, sehr viel weniger LKW. Dichter Wald und immer wieder langgezogene Seen. Ansonsten gibt es hier allerdings zunehmend weniger Infrastruktur. Das graue Band der Straße schlängelt sich durch den Wald, viele Kilometer kommt kein Abzweig, Übergänge über den Straßengraben enden oft direkt danach im Dickicht des Waldes. Vereinzelt stehen mal Häuser an der Straße oder auch einfach Briefkästen neben Einfahrten, die zumindest vermuten lassen, daß dort ein Haus sein muß.

Ich erreiche Filipstadt, dann Persberg. Sonnenuntergang ist heute schon nach 22 Uhr, aber mir wird klar, daß das Finden eines geeigneten Lagerplatzes für die Nacht hier gar nicht so einfach wird. Die besten Chancen bieten immernoch Seen, allerdings hat man kaum eine Ahnung, wohin ein Weg führt, der von der Straße abzweigt. Als ich 150 Kilometer auf dem Tacho habe biege ich wahllos in die nächste Einfahrt ein. Kleine Gärten, ein paar Häuser – Jedermannsrecht in allen Ehren, aber in jemandes Garten kann man auch in Schweden sein Zelt nicht einfach so aufstellen. Die Häuser sind dunkel, leer. Als ich schon am Umdrehen bin, regt sich in einem Haus etwas. Ich frage freundlich, ob es denn hier irgendwo einen Platz für mein Zelt gäbe und bekomme eine für schwedische Verhältnisse kurz angebundene Antwort: „This is private!“ – Ja, wußte ich ja. Daher hab ich ja auch nicht einfach mein Zelt aufgebaut, sondern gefragt.

Der nächste Abzweig ist vielversprechend, zwischen den Häusern genügend Platz, freie Fläche. Da es dennoch in Sichtweite ist frage ich an einem Haus, wo jemand zu Haus ist, man zeigt mir freundlich einen Platz. Als mein Zelt steht und ich mich in den Schlafsack verkrieche ist es fast Mitternacht – eine Taschenlampe ist nicht nötig, es herrscht Dämmerung. Und nebenan läuten mich die Kuhglocken in den Schlaf.

Erleuchtung, Erlösung, Glaube

Sanftes Vogelgezwitscher und verhaltener Sonnenschein weckten mich am nächsten Morgen. Da die Sonne schon recht spät unter- und sehr früh wieder aufgeht, habe ich nicht mit Dingen wie Morgentau zu kämpfen, das Zelt ist schon um halb acht morgens trocken. So beginne ich meine Taschen zu packen und rolle das Zelt ein. Über kleine Straßen finde ich meinen Weg zurück zur 26. Die Zahlen auf dem Tacho bleiben niedrig, meine Beine schmerzen. Habe ich mich übernommen, hat all das Training nichts gebracht? Kilometer um Kilometer kämpfe ich mich vorwärts, zwar geht es selten mal auf mehr als 150 Meter über dem Meer, das dafür aber um so öfter.

Wo die 26 die 40 kreuzt, fahre ich ein kleines Stück in Richtung Westen auf der 40 und biege bei Bottnaryd auf die 185 ein. Die 26 macht hier einen Haken nach Jönköping und auf der 185 spare ich einige Kilometer und kann vor allem sehr viel entspannter als auf der stark befahrenen 26 fahren. Straßen dritter Ordnung haben für Radfahrer hier definitiv Vorteile. Entlang einer malerischen Seenkette, die immer wieder schöne Anblicke bietet, geht es auf dieser kleinen Straße, bis ich bei Mullsjö wieder auf die 26 treffe. Am Kreuzungspunkt gibt es Mittagessen in einer Raststätte: Köttbullar (kleine Fleischbällchen) – echt schwedisch. Aufgrund meiner anhaltenden Probleme habe ich beschlossen, den Tretausleger etwas zu länger einzustellen, was ich dann auch nach meinem Essen tue. Und wirklich, das war es! Nachdem meine guten alten Pearl Izumis kurz vor der Reise anfingen sich zu zerlegen war ich leider gezwungen (und hatte mich nicht gut dabei gefühlt), mit anderen Schuhen die Reise anzutreten. Ich hatte die Gelegenheit genommen und etwas dickere, wasserfeste und wärmere, Shimanos zu kaufen. Ich habe die in der einen Woche eingelaufen, bin damit gefahren bevor es losging – aber natürlich nicht genug, um diesen subtilen halben Zentimeter wirklich zu bemerken. Schon auf den ersten paar hundert Metern nach dem Weiterfahren merkte ich, wie sich meine Beine erholten – und die Zahlen auf dem Tacho waren auch gleich bedeutend größer. Und mangels Laserline bei HP war mein Ausleger nun ein klein wenig schief eingestellt…

Wie gut, daß schon nach kurzer Zeit am Straßenrand eine passende Haltemöglichkeit kam. Ein Trabi in Deutschlandfarben (stilecht, mit Emblem) thronte auf dem Dach der kleinen Tankstelle, die den Namen „Strammer Max“ trug. Nach kurzem Schrauben, der Ausleger ist nun begradigt, konnte ich nicht umhin, dort hinein zu gehen. Ich hatte zwar gerade erst eine Pause hinter mir, aber dieses kleine Stück Deutschland in Schweden wollte ich mir dann doch antun. Zielsicher sprach ich den Menschen hinter der Theke auf deutsch an – und der verstand kein Wort. Ich versuchte es in englisch, das gleiche Ergebnis. Dann wurde ich an zwei Gäste verwiesen – und das waren ausgewanderte Deutsche. Ein kleiner Plausch über dies und jenes bei einer Cola auf deutsch hat ja auch mal was. Dort erfuhr ich dann auch, daß zwei Tage vor mir ein deutsches Ehepaar auf einem gelben Tandem mit Anhänger auf dem Weg zum Nordkap war.

Hätte ich bis vor kurzem noch gezweifelt, ob ich heute weit über die 100km kommen würde, so stellte sich nun Euphorie ein. Ich kam vorwärts. Und ich faßte einen kühnen Plan: Mariestad! Ich wollte heute noch den Vänern sehen! Bis Skövde folgte ich der 26. Wirklich entspanntes Fahren ist anders, die Straße ist stark befahren, viele LKW, die mit teils nur geringem Abstand überholen. Der Randstreifen ist eng, die Straße insgesamt nicht sehr breit. Und bei Skövde schließlich sind wieder Fangzäune rechts und links der Fahrspuren aufgestellt. Praktisch für PKW, todgefährlich für Motorradfahrer oder Radfahrer. Und für letztere ist die Ortsumgehung dann eh gesperrt.

Ich nutze die Ortsdurchfahrt, um mich an einer Tankstelle mit weiterem Essen zu versorgen. In Skövde sind viele Radfahrer unterwegs, das Radwegenetz ist sehr gut ausgebaut. Und es kommen mir sehr viele Rennradler entgegen – die Vätternrunde steht an und es wird allerorten trainiert. An der Tankstelle treffe ich den ersten Schweden, der mein Liegerad nicht nur ungläubig anstarrt, sondern schonmal eines gesehen hat – wenn auch, wie er sagt, nicht von so nahe. Bei der Vätternrunde, da fahre wohl eines mit, erzählt er mir.

Hinter Skövde in Richtung Mariestad beschließe ich, nicht auf die 26 zurückzufahren, sondern parallel. Das heißt zunächst einmal, daß ich auf kaum nivellierten Straßen immer wieder mit kleinen, knackigen Anstiegen zwischen 4 und 6 Prozent Steigung zu kämpfen habe, aber die Belohnung in Form einiger Schußabfahrten folgt natürlich dann auch. Die Nummern der Straßen (02931) klingen hier langsam eher wie die Vorwahlen der kleinen Orte, die ich durchquere, aber die Landschaft wird flacher. Weniger Wald und mehr Landwirtschaft bestimmen das Bild.

Irgendwann treffe ich die 201, auf der ich dann nach Mariestad einfahre. Noch vor Sonnenuntergang (der ist im 21:55 Uhr) stehe ich am Vänern. Glücksgefühle überkommen mich, ich bin angekommen auf meiner Reise. Und ich glaube jetzt fest daran, daß das Nordkap ein erreichbares Ziel ist.

Wo ich schlafen werde, fragt mich ein interessierter Schwede. Ich zucke mit den Schultern. Mal sehen. Er gibt mir den Tipp, daß ein kleines Stück weiter eine Badestelle sei, mit Klo und vielleicht sogar Dusche. Das wilde Campen ist in der Nähe von größeren Orten immer etwas schwierig, weit fahren will ich auch nicht mehr und so schwanke ich zwischen der Badestelle und dem Campingplatz, den mein GPS vorschlägt. Ich fahre zur Badestelle. Das Klo ist nutzbar, die Duschen sind geschlossen und ich weiß nicht, wann hier der Betrieb losgeht. Ich entscheide mich doch für den Campingplatz. Die Sonne ist untergegangen, es wird dunkel und der Platz liegt südlich von Mariestad. Also nochmal 5km drauflegen. Dafür aber eine warme Dusche.

Als ich um 23 Uhr am Campingplatz bin hat die Rezeption natürlich zu. Ich versuche rauszufinden, wo die Stellplätze für Zelte sind, da kommt jemand, der für mich die Rezeption nocheinmal aufmacht. Ich bin faul und entscheide mich für eine Hütte. Einfach Taschen reinstellen, Rad hinterher und fertig. Ich gehe noch duschen und falle danach in tiefen Schlaf in meinem Schlafsack.

Regen, Zweifel, Sonnenschein

Am Sonntag Nachmittag erwischte mich noch der erste Regen. Eigentlich hatte ich gehofft, dem wenigstens am ersten Tag entgehen zu können. Langsam zog es sich immer dichter zu, dann fielen die ersten Tropfen. Ich suchte Schutz in einem Wartehäuschen und wartete den Schauer ab. Danach folgte länger anhaltender schwacher Regen, so zog ich die Regenjacke an und setzte meinen Weg fort. Bis Knäred, wo ich auf einem Campingplatz eine Hütte mietete. Das war auch nicht viel teurer, als dort zu zelten – aber warm und trocken und bot die Gelegenheit, alle Sachen wieder zu trocknen, anstatt noch mehr naß zu machen.

Der nächste Morgen war trocken, etwas Hochnebel verdeckte zunächst die Sonne, doch die kam immer stärker durch, so daß ich schon kurz nach dem Losfahren kurzärmlich unterwegs war. Allerdings fing mein rechtes Knie an zu zicken – und das zweiten Tag. Ich nahm mich etwas zurück. Langsamer fahren, gleichmäßig und rund treten. So wurde es zumindest nicht schlimmer, aber dieser Zustand weckte Zweifel, ob ich mein Vorhaben wirklich so durchstehen konnte. Die Landschaft wurde hügliger, ich quälte mich mehr als daß die Fahrt so richtig in Fluß geriet. Zudem setzte auch noch ein böser Gegenwind ein. Bergauf ging es kaum noch voran, bergab mußte ich schon mehr als mir lieb war mittreten, um wenigstens mal 20 oder 25 km/h zu erreichen. Trotz des ansonsten schönen Wetters versetzte das der Motivation einen kleinen Hieb. Aber ich erreichte die Straße 26, der ich ab nun weitestgehend folgen wollte.

Nach einer Pause in Gislaved, wo ich eine Pizza verdrückte (Pizza-Läden sind hier fest in türkischer oder arabischer Hand, meist gepaart mit Döner-Buden) und ein nettes Gespräch mit dem türkischen Chef, geboren in Deutschland und ausgewandert nach Schweden, führte, hatte ich wieder genug Energie, um mir die restlichen ca. 15km bis zum nächsten Campingplatz anzutun. Da die 26 rund um Gislaved wegen Zäunen neben den Spuren eh für Radfahrer lebensgefährlich, wenn auch nicht verboten, ist nahm ich einen Radweg, der zwar nicht auf meiner Karte verzeichnet, war, aber wunderbar ausgebaut. Dieser führte auch direkt bis auf den anvisierten Campingplatz Hestra-Isaberg. Wer allerdings auf die Idee kommt, die Plätze fürs Zelten keine 50m neben der stark befahrenen Straße 26 anzulegen, wo auch die ganze Nacht über LKW durch die Gegend braten, der hat was gegen Gäste wie mich. Also entschied ich mich nach einem Blick auf eine Umgebungskarte mein Glück ab von der großen Straße in der freien Natur zu suchen. Hinter einem Golfplatz kam ich in eine kleine Siedlung, wo ich den Besitzer der umliegenden Wiesen fragte, wo ich denn mein Lager aufschlagen dürfte. Dieser sagte mir, die Wiese direkt unten am See gehöre auch ihm, da könne ich wenn ich wolle direkt am Wasser campen. Idylle, Natur, absolute Ruhe. Kaum Mücken und wenn dann keine, die gestochen haben. Und kostenfrei auch noch. Was will man mehr?

Auftakt

Gestern ging es los. Mit dem Zug in Richtung Rostock und in Begleitung von Judith, meinen Eltern, Doro und Manuel. Wir verbrachten einen netten Nachmittag in Rostock und ich versuchte noch einige Kalorien anzulagern. Beim Abschied am Bahnhof kriegte ich dann doch ein wenig Angst vor der eigenen Courage – denn jetzt ging es wirklich los. Nach einem kurzen Treffen mit Katrin am Hafen fuhr ich schließlich in Richtung Fährterminal.

Um kurz nach halb zehn hatte ich eingecheckt und durfte wie schon beim letzten Schweden-Urlaub ganz nach vorne fahren. Der Unterschied diesmal: Ich durfte sogar noch vor den LKW in den Brauch der Tom Sawyer fahren. Als einziger Radfahrer hatte ich freie Auswahl an den Fahrrad-Ständern und stellte meine Speedmachine der Einfachheit halber quer. Anschließend bezog ich meine Doppelkabine (die ich natürlich einzeln bewohnte). Ich gönnte mir noch etwas Apfelscjorle und eine komplette Tafel Schokolade und unterhielt mich mit mehreren Leuten, die sich schon in Warteschlange vor der Fähre an meinem Vorhaben interessiert gezeigt hatten, während ich das Auslaufen bis zur Warnemünder Mole verfolgte. Nach einer schönen warmen Dusche ging es dann ins Bett – der Wecker stand auf 5 Uhr morgens.

Ausgeschlafen war ich natürlich nicht wirklich, als die Weckdurchsage kam. Aber es half nichts, ich packte meine Taschen und ging dann kurz vor sechs zum Autodeck, wo ich mein Rad klar machte. Aus der Pole Position ging es dann durchs Hafengelände und nach Trelleborg. Entgegen meiner Routenplanung und Karten traf ich zunächst mal auf ein Schild, das Radfahren auf der 108 verbot. Ich umfuhr das, allerdings zeigte mein GPS schon hier einen leichten West-Drall (im Gegensatz zur festgelegten Route im Mapsource), so daß ich letztlich bis Lund einen kleinen Umweg hinlegte, dafür aber über malerische kleine Straßen kam.

In Lund gab es die erste größere Pause und endlich ein Frühstück, die Supermärkte und Cafés machten gerade auf, als ich ankam. Und so fand ich ein freies Wireless Netzwerk und dieser erste kleine Bericht entstand.