Als wir um acht Uhr zum Frühstück gingen, waren die Taschen bereits gepackt. Bis Neuruppin stehen etwas mehr als 140km auf dem Plan und wir wollen nicht allzu spät starten. Müsli, Ei, Brötchen mit herzhaftem und mit süßem Belag und dazu schon O-Saft und Tee, zusätzlich noch etwas Joghurt mit Früchten. Man will ja nicht nach ein paar Kilometern versacken!
Wir routen uns auf einer ruhigen Straße parallel zum eigentlichen Track langsam an diesen heran, dann geht es auf der Radweit-Strecke weiter. Erwartungsgemäß kommt auch bis Parchim: nichts. Nach über tausend Kilometern abseits von Straßen, nach den positiven Erfahrungen in Belgien und den Niederlanden, ist deutscher Straßenverkehr, selbst auf den kleinen Landstraßen ziemlich nervig, wir wünsche uns wohl beide weit weg von hier. Dazu kommt noch die berühmt-berüchtigte schlechte Qualität der Straßen und die gerade zu wahnwitzig absurden Radverkehrsführungen und -anlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem setzt der Tour-Kater ein. Es geht nach Hause. Die letzten 200km bis Berlin haben mir noch nie Spaß gemacht und so ist es auch heute – ich werde bei den nächsten Reisen wohl wieder drauf achten, wegzufahren und dann mit einem anderen Verkehrsmittel die Heimreise anzutreten.
In Parchim gehen wir in ein Café und nehmen Kuchen und Cola als zweites Frühstück, bei der Ausfahrt aus Parchim habe ich wohl unsauber geplant und führt uns der Track unversehens über Treppen in einen Park, anstatt ein paar Meter weiter auf die Straße. Mit vereinten Kräften korrigieren wir den kleinen Fehler, dann geht es weiter. Nächster größerer Ort ist Wittstock. Zwischendurch geht es noch am Flughafen Schwerin-Parchim vorbei. Große Schilder und Ankündigungen, was über unseren Köpfen zur Landung ansetzt ist dann aber doch eher ein A3,80.
Zwischendurch füllen wir die Getränke-Vorräte und sicherheitshalber auch den Pesto-Vorrat noch an einem Supermarkt auf, schaffen es dann auf Autopilot und kurz vor dem Zombie-Modus doch noch bis Wittstock, wo wir Mittag essen. Zwar dauert es schon wieder ziemlich lang, aber diesmal merkt das Personal das von selbst und erlässt uns den doppelten Espresso, den wir als Nachbrenner bestellt hatten.
Nach einem kurzen Fresskoma-Knick bei mir geht es dann auch zügig weiter nach Neuruppin. Zwischendurch noch die Brandenburger Fahrräder-dürfen-nicht-auf-die-Landstraße-Huper und ein LKW, der anhält, der Fahrer sieht uns und gibt dann vor uns an der Einbiegung noch schnell Gas, so daß Micha nur mit einem heftigen Ausweich- und Bremsmanöver noch etwas retten kann. Der Schreck sitzt tief und wir weichen erstmal auf ein Stück des Prignitz-Express-Radwegs aus, von dem wir wissen, daß der Belag nicht sonderlich ist, aber wenigstens ist es weitgehend fern irgendwelcher Idioten.
In Neuruppin stellt sich – vermutlich wegen des verlängerten Wochenendes – die Suche nach einem Zimmer nicht als so leicht wie gedacht heraus, aber am Ende landen wir im Sporthotel und können noch einen Abend in der Saunalandschaft verbringen und kriegen vor Ort auch noch gut zu essen. Und WLAN.
Wie immer waren wir schon vor dem Wecker wach, diesmal packten wir unsere Taschen und gingen ann zum Frühstück. Gerade rechtzeitig, wie sich herausstellte, nach uns kam eine Horde Schüler und vor meinem geistigen Auge entstanden Bilder von Heuschreckenschwärmen, die ganze Landstriche karg und verwüstet hinter sich lassen.
So waren wir mit kleinem Frühstück aber dafür früh auf der Straße. Der Weg aus Kiel heraus ist hügelig und zieht sich entlang einer viel befahrenen Bundesstraße, bevor es endlich etwas ruhiger wird. Ab heute fühlt es sich an wie nach Hause fahren, nicht mehr wie auf großer Radtour sein. Wir nehmen nicht mehr die schönsten Wege, sondern preschen auf Straßen durch’s Land, fressen Kilometer. In Plön gibt es noch ein zweites Frühstück, dann geht es weiter nach Lübeck, unserem Mittagsziel. Kurz vor 13 Uhr sind wir dort.
Kurzer Niesel während wir in die Stadt rollen und ich das obligatorische Touri-Foto vom Holstentor mache, dann suchen wir uns am Stadthafen einen Italiener. Wie immer beweisen ein glückliches Händchen bei der Auswahl des wirklich langsamsten Restaurants am Platz, aber wir liege gut in der Zeit, das Getröpfel hat auch sofort wieder aufgehört.
Während vormittags die Herrentags- und Bollerwagen-Fraktion noch recht lustig war und die Akkus noch für Musik reichte, wird es hinter Lübeck langsam nerviger. Die Leute haben einen guten Pegel und die Unmengen von Autos vor den dörflichen Partys lassen nichts Gutes erahnen – wir können uns kaum vorstellen, dass da genügend Leute nüchtern bleiben. Teilweise machen die Verkehrsteilnehmer auf den kleinen Straßen bereits jetzt den Eindruck, als wären sie nicht mehr völlig nüchtern.
25km vor Schwerin gehen wir in ein Eiscafé, können uns aber beide nur für etwas zu trinken entscheiden. Auf dem Regenradar sah es bisher gut aus, die lila Gewitterzellen zogen alle an uns vorbei, langsam brauen sich die dunklen Wolken aber auch in unserer Nähe zusammen. Nach dem Start vom Eiscafé fällt mir auf dem Kopfsteinpflaster die etwas schwammige Fahrweise meines Rades auf – ein Platter, natürlich hinten.
Passenderweise gibt es einen Metallzaun an der nächsten Kreuzung: Gepäck runter, Hinterrad mit Spanngurt angehoben und schon kann ich es untersuchen. Es findet sich recht schnell der schuldige 1-cm-Glassplitter, als ich diesen entferne höre ich ein Zischen. Ich entscheide mich für die einfache Methode und ziehe nur an der entsprechenden Stelle den Schlauch aus dem Reifen zum Flicken, um nicht das ganze Rad ausbauen zu müssen.
Die Aktion ist von Erfolg gekrönt und so geht es weiter. Die Wolken werden immer dunkler und bei der Einfahrt nach Schwerin erreicht uns die Böenwalze – ein sicheres Zeichen, daß es gleich was auf die Mütze gibt. Wir durchqueren die Stadt im Eiltempo, unser Hotel liegt ein paar Kilometer außerhalb an unserer Route. Es fängt an zu tröpfeln, wird immer stärker. Der Punkt, wo man normalerweise das komplette Regenzeug anzieht ist ca. 500m vor dem Hotel erreicht, so fahren wir einfach weiter und kommen noch halbwegs trocken im Hotel an.
Netz gibt es fast keines, die örtlichen Aluhut-Träger haben den Mobilfunkmast weggeklagt und das WLAN ist nur in der Lobby (halbwegs) zuverlässig. Dafür gibt es aber noch was zu essen ohne rauszugehen.
Das Wochenende stand an und anlässlich des Geburtstages meiner Mutter ein Besuch auf der MS Andante in Waren an der Müritz. Nachdem der August bis dahin nicht sonderlich viel Wärme gebracht hatte, waren für das Wochenende dann (endlich) hochsommerliche Temperaturen angekündigt. Das ist natürlich nicht unbedingt der Idealfall für längere Etappen auf dem Rad, aber ich bin zum Glück halbwegs hitzetauglich und so war das für mich kein Hinderungsgrund, die Anreise mit der Speedmachine zu planen.
Samstag, 18.08.2012
Für den Samstag hatte ich beschlossen, für meine Verhältnisse früh loszufahren. Sagte der ursprüngliche Plan noch etwas von Wecker um 06:30 Uhr und um 07:00 Uhr losfahren, so wurde er durch gewisse berufliche Verbindlichkeiten am Freitag abend doch stark beeinträchtigt.
Trotzdem ich erst um halb drei im Bett war, stand der Wecker dann auf sieben Uhr, allerdings mit der Hypothek, noch packen zu müssen – bei einer einfachen Wochenendtour mit geregelter Übernachtung zum Glück ja kein so großer Akt.
Die Strecke hatte ich mir relativ geradlinig gelegt und spekulierte darauf, daß am Samstag Morgen der Verkehr noch gemäßigt wäre. Auf der Bundesallee war das auch noch der Fall, so daß diese ohne Probleme und ohne Nutzung des katastrophalen Radwegs stressfrei hinter mich bringen konnte. Ich querte den Tiergarten und Wedding und schwenkte in Wittenau auf die B96 ein. Der Verkehr hier war schon etwas stressiger, nicht überall bietet die B96 eine Möglichkeit, den Radweg zu nutzen. Gerade in den Orten ist es oft trotz ausgeschriebener Benutzungspflicht alles andere als ratsam. Der Verkehr nahm spürbar zu, aber es war für eine Alleinfahrt und einen routinierten (sprich: gegen Huperei und Drängelei halbwegs abgehärteten) Fahrer noch problemlos machbar.
Das Verlassen der Bundesstraße in Löwenberg war dennoch eine Wohltat. Und nachdem ich bis hierhin mit nur mäßigem Frühstück ziemlich stramm durchgeheizt war, spürte ich langsam ein leichtes Hungergefühl aufsteigen. Vor mir lag Lindow und ich wusste, dort würde es eine Kleinigkeit geben. Kleinigke-ö4it traf es dann auch.
Ich wollte eigentlich ein belegtes Brötchen, bekam beim Bäcker aber nur Kuchen – und noch war mir nicht nach Mittagessen. Zusätzlich noch Apfelsaft und Wasser, das ich mir selbst zur Schorle mixte. Dann konnte es weitergehen.
Bis Rheinsberg musste ich nochmal ein Stück auf die B122, die aber im Vergleich zu anderen Bundesstraßen eher harmlos ist. Hinter Rheinsberg dann bog ich auf einen wirklich empfehlenswertenb Bahnradweg ab, der mich bis Flecken Zechlin brachte, fernab von Atuoverkehr und Lärm und zumindest teilweise schattig. Immer, wenn ich diesen Kontrast habe, dann fällt mir auf, was die lärmenden, stinkenden Blechlawinen einer solch schönen Landschaft antun. Eine befahrene Straße nimmt sehr viel mehr Platz als nur ihre nominale Breite ein, sie zerschneidet die Landschaft für mensch und Tier – die allgegenwärtigen Kadaver von Füchsen, Igeln und anderen Tieren zeugen davon. Die Ruhe, die Geräusche der Natur, die man erst hört, wenn man hunderte Meter von solch einer Straße weg ist, macht einem diesen Umstand dann drastisch klar.
In Flecken Zechlin gönnte ich mir dann ein Mittagessen. Bis Sewekow folgt ein Radweg, gut zu fahren, kühl und im Wald, aber nicht nivelliert – die hügelige Mecklenburg-Vorpommersche Landschaft beginnt hier. Nach einer Fahrt auf einer eher ruhigen Landstraße komme ich in Röbel an. Mit dem gerade stattfindenden Müritz-Lauf werde ich dann auch sogleich konfrontiert: man weist mir den Weg. Irritiert frage ich, ob die Straße geradezu gesperrt sei, ebenso irritiert kommt die Gegenfrage, ob ich denn nicht zu den Handbikern gehöre.
Ich deute auf meine Füße und mache eine Kurbelbewegung. “Oh, sie sind also ein Fahrrad?” – grammatische Spitzfindigkeiten spare ich mir und lasse mir stattdessen den Weg zur nächsten Eisdiele weisen, direkt unten am Hafen.
Ein paar Läufer kommen noch vorbei, diese benutzen den Müritz-Rundweg (auch Radweg). Ich beschließe also nach meiner Pause, lieber auf die L24 bzw. später B192 auszuweichen, die einen neu gebauten sehr guten Radweg hat, um nicht ständig die Läufer umkurven zu müssen. Und weil die Strecke dann einfach kürzer ist, ich nicht jede Uferbiegung mitfahren muss. In Sembzin wird es mir in der glühenden Nachmittagssonne dann aber doch zu heiß, meine Flüssigkeitsvorräte gehen zuende und ich bin ohnehin früh dran. So biege ich auf den Müritzweg ein – den ich mir mit ein paar wenigen Ultra-Marathon-Läufern und diversen Radwanderern teile. Der Schatten und die Kühle Luft entschädigen mich aber. An den diversen Pausenstellen schaut man mich immer kritisch an, ich überlege einige male kurz, ob ich vielleicht doch ein Getränk abstauben sollte, meine Fairness hält mich aber dann doch davon ab.
Das Ziel des Laufs ist genau am Hafen, ziemlich genau dort, wo die Andante und meine Eltern auf mich warten. Ich komme auf der Marathonstrecke an, die Leute am Wegesrand bekaltschen und bejubeln auch mich. Vor lauter Freude darüber bemerke ich erst im letzten Augenblick den letzten Ausweg, um nicht wirklich durchs Ziel zu fahren – obwohl das sicherlich auch sehr lustig gewesen wäre.
Sonntag, 19.08.2012
Hitzeschlacht. Weit über 30°C sind nicht nur angekündigt, sie treten auch ein – bei brütender Hitze und wenig Wind. Den Vormittag verbringe ich auf dem Boot im Schatten. Und ich versuche eine Route zu planen. Bei der Vorbereitung war ich davon ausgegangen, einfach den Weg vom Vortag zurückzufahren, zwischendurch überlegte ich es mir anders – und stieß dann auf eine Limitierung meines Garmin GPS 60CSx – ohne die Garmin-Software (und ich hatte keine Netbook dabei) ist es nicht möglich, einen Track oder eine Route ins Gerät zu kriegen.
Also versuchte ich mir so gut wie möglich die markanten Punkte der Strecke zu merken, um sie dann einfach anhand der Karte im GPS abzufahren.
Die Rückfahrt nach Berlin starte ich am Nachmittag. Das heißt zwar, zunächst in der größten Hitze zu fahren, aber dafür dann einen erheblichen Teil der Strecke nach Sonnenuntergang zurückzulegen. Ich fahre diesmal östlich um die Müritz herum. Der Radweg durch den Nationalpark ist gut ausgebaut und führt über weite Teile durch Wälder, so daß es immer wieder kühlere und schattigere Passagen gibt – will heißen, das Thermometer am Rad zeigt 32°C statt 36°C. Nach runden 30km durchquere ich Rechlin und mache in Vietzen am Sumpfsee eine Pause in netter Runde – mit Getränk, Brot und Kuchen.
Weiter geht es über einen Bahnradweg, von dem ich meine Abbiegung in Lärz leider verpasse und so via Mirow, Peetsch, Fleether Mühle auf die B122 gelange, der ich nach Rheinsberg folge. Jetzt am späten Sonntag Nachmittag ist auf der Bundesstraße nicht viel los, über einige Zeit gibt es auch einen gut fahrbaren Radweg. Die Hitze zehrt dennoch und ich bin froh, Rheinsberg irgendwann erreicht zu haben.
In Rheinsberg suche ich mir einen netten Platz im Restaurant, esse ersteinmal ordentlich, was mir wegen der Temperaturen über den Tag bisher nicht so gelang, trinke viel Schorle und lasse mir Zeit. Bald ist Sonnenuntergang, ich habe noch ca. 100km vor mir.
Kurz vor 20 Uhr fahre ich weiter. Von Rheinsberg geht es über einen gut asphaltierten Radweg durch den Wald, der wenigstens ab und zu ein paar Stellen mit kühlerer Luft bietet. Teilweise fällt das Thermometer auf knapp unter 30°C. Dennoch verlasse bei Zippelsförde den Radweg, um über die B122 abzukürzen. Die ist um die Uhrzeit komplett leer, vermutlich sitzen alle vor dem Fernseher und schauen Tatort.
In Alt-Ruppin biege ich über Gildenhall ab und umfahre somit Neuruppin. Auf sehr ruhigen Straßen, um diese Uhrzeit am Sonntag abend ohnehin, geht es in Richtung Hennigsdorf. Lediglich die Ortsdurchfahrt in Radensleben fällt durch unangenehmes Kopsteinpflaster auf, sonst ist die Strecke durchgehend mit guten Belag ausgestattet. Von den wenigen Autofahrern, die mir begegnen, alle kommen von hinten, sind leider diverse nicht so fair, mal abzublenden, wenn
sie mich sehen.
Ich überlege kurzfristig, meine Stirnlampe herauszuholen und nach hinten gerichtet auf zusetzen, so daß ich dann ein kurzes Lichtsignal geben kann, lasse das aber dann doch bleiben und fahre weiter.
Kurz vor Eichstädt sind zwei junge Frauen mitten in der Nacht völlig ohne Beleuchtung und in dunklen Klamotten und mit eher wenigen Reflektoren auf der Landstraße unterwegs. Ich bewundere den Mut, sehe aber zu, daß ich mich zügig aus dem Gefahrenbereich entferne.
In Hennigsdorf beschließe ich, nicht den Uferradweg zu nehmen, es ist so leer, daß ich einfach unbehelligt auf der (sonst gerne mal vollen) Straße in Richtung Spandau fahren kann. Von Spandau nehme ich den direkten Weg über die Freiheit, Halensee und die Rudolstädter Straße nach Hause. Um 00:17 rolle ich vor die Haustür. Das Thermometer zeigt noch immer weit über 20°C.
Der Juni schlug eh mit wenigen Kilometern zu Buche – viel zu tun, schlechtes Wetter, Erkältung … irgendwie kam alles zusammen – so daß mir dann auch kleine Fahrten mit wenigen Kilometern schon mal Spaß machten. Trotz der negativen Erfahrungen mit den Radrouten in Mecklenburg-Vorpommern nahm ich mir vor, den Geburtstagsbesuch für meinen Vater zumindest zu einem kleinen Teil mit dem Rad als Verkehrsmittel in Angriff zu nehmen.
Meine Eltern waren mit der MS Andante auf dem Stettiner Haff und in der Peene unterwegs gewesen. Quasi als Geburtstagsgeschenk hatte ich mir überlegt, sie an einen für ihre Fahrten eher ungewöhnlichen Ort zu begleiten: Es sollte aus dem Peenestrom hinaus auf den Ruden, eine kleine deer Peenemündung vorgelagerte Insel, gehen und dann über den Bodden nach Greifswald.
Freitag nach der Arbeit fuhr ich mit der Speedmachine zunächst mal quer durch Berlin zum Bahnhof Gesundbrunnen. Mit dem IC ging es nach Greifswald. Ich wollte dem Freitag-Nachmittag-Chaos in den Regionalbahnen entfliehen – zeitlich bringt die Nutzung des IC gegenüber dem Regionalverkehr auf dieser Strecke quasi keinen nennenswerten Vorteil. Der IC hatte allerdings eine gewisse Verspätung, so daß ich eine Weile am Gesundbrunnen herumstand, bevor es losging. Zwar hatte ich auf meiner Reservierung die Wagennummer verzeichnet, doch dieser Wagen war auf dem Wagenstadsanzeiger nicht als Radwagen ausgezeichnet, so daß ich sicherheitshalber nocheinmal beim Personal zur Bestätigung nachfragte.
Die wenigen Radfahrer in meinem Wagen waren zum Glück alle recht pragmatisch, so daß es keine langen Diskussionen darum gab, daß die Speedmachine besser im langen Aufhänger aufgehoben ist anstatt auf dem eigentlich zugewiesenen Platz. Sonst war der Zug recht leer, so daß ich mir einen angenehmen Sitzplatz in der Nähe suchen konnte, später verschwand ich noch für einen Snack im Speisewagen.
Mit gut einer halben Stunde Verspätung erreichte ich Greifswald, was mich nicht so sehr störte – damit ging mein Plan, die leeren Straßen während des EM-Spiels der Deutschen Mannschaft auszunutzen sehr gut auf. Um meine Eltern nicht zu lang warten zu lassen, wählte ich dann auch den Straßenweg aus Greifswald heraus und sparte mir den teilweise nicht asphaltierten Radweg über Wieck. Sobald ich die Stadt verlassen hatte und die Straße links und rechts von Feldern gesämt wurde, gab es einen gut fahrbaren straßenbegleitenden Radweg bis Kemnitz – was mir trotz der gähnenden Leere entgegenkam, da so viele Fliegen in der Luft waren, daß gucken und Atmen zeitweise einfach keinen Spaß mehr machten.
Von Kemnitz bis Lubmin fuhr ich auf der gut asphaltierten L262 und kam sehr schnell voran. Ich warf einen Blick auf das ehemalige Kernkraftwerk, heute unter anderem Zwischenlager für Atommüll. Ab dort bis Freest war die Straße dann teiwleise etwas schlechter, von Freest bis Kröslin konnte ich nochmal Gas geben. So hatte ich mein Licht zwar zwischenzeitlich eingeschaltet, machte mir wegen des Wassers im Edelux allerdings wenig Sorgen, da ich noch vor Dunkelheit an der Marina Kröslin ankam. Von Greifswald bis Kröslin hatte ich einen knappen 30er Schnitt hingelegt.
Da ich Steg und Platz kannte, wo meine Eltern festgemacht hatten, schob ich das Rad dann über die Scwhimmstege – bei der Länge hätte ich das vielleicht auch fahren können. Früher als angekündigt (von der Verspätung hatte ich berichtet) kam ich also an und meine Eltern begrüßten mich erstaunt. Erstmal ging ich duschen, dann gab es noch ein Abendbrot und einen keinen Rundgang durch die Marina.
Am Samstag vormittag bereiteten wir die Andante vor, legten ab und nahmen Kurs auf den Ruden. Das ist nur etwa eine Stunde Fahrzeit ab Kröslin und auch leicht zu navigieren, denn wegen der diversen Flachs in den Gewässern folgt man hier besser – selbst mit nur wenig Tiefgang – dem betonnten Fahrwasser. Wir hatten westliche Winde um drei bis vier Beaufort, nur wenig Wellengang und eine ruhige Fahrt. Die Speedmachine stand hoch und trocken auf dem Heck der Andante, weit weg vom Salzwasser der Ostsee.
Der Ruden selbst ist eine sehr kleine Insel ohne große Infrastruktur. Es gibt keine Versorgungsmöglichkeiten im Hafen, keinen Stromanschluss, keine sanitären Anlagen. Die Insel hat nur zwei dauerhafte Bewohner, es gibt noch eine alte verlassene Kaserne. Hinkommen kann man nur mit dem eigenen Boot oder einem der kleinen Fahrgastschiffe für Tagesbesucher, die dann nur ca. zwei Stunden auf der Insel bleiben, was allerdings auch ausreicht: Die gesamte Insel (mit Ausnahme der Hafenanlage) ist Naturschutzgebiet. Der Nordteil darf gar nicht betreten werden, auf dem Südteil kann man sich nur auf dem kleinen Rundweg bewegen. Zugang zum Ufer oder Bademöglichkeiten gibt es nicht (mehr).
Auf der Südspitze gibt es einen alten Beobachtungsturm, der für die Raketenversuche von Peenemünde gebaut wurde und heute ein kleines Museum zur Geschichte der Insel beherbergt. Weiterhin gibt es einen alten Lotsenturm, der aber nur von außen besichtigt werden kann und leider in nicht gerade gutem Zustand ist. Damit hat es sich dann aber auch schon mit den Attatktionen der Insel – abgesehen vielleicht von den Unmengen an Vögeln, die die Ufer und den langen Haken an der Südspitze der Insel bevölkern.
Da wir schon mittags diue Insel erreichten, konnten wir uns einen guten Platz an der Ostmole suchen und hatten jede Menge Zeit. Den Inselrundgang verschoben wir auf die Zeit, wenn die Schiffe mit den Tagesgästen abgelegt hatten und genossen die Ruhe. Das Wetter war warm und sonnig, eine frische Brise sorgte dafür, daß es nicht unerträglich wurde. Langsam füllte sich der Hafen auch mit anderen Sportbooten, die teilweise über Nacht blieben. Ich ließ es mir nicht nehmen, einmal die Speedmachine an Land zu heben, um einen Molentweet der besonderen Art zu machen – der leider aufgrund der eher dünnen Mobilnetzversorgung allerdings nur unter großen Mühen und ohne den gewünschten Mappointer rauszubekommen war.
Am Sonntag morgen kündigte ein diesiger Schleier und nahezu Flaute bereits an, daß sich das Wetter bald verschlechtern würde und so brachen wir nicht zu spät in Richtung Greifswald auf. Durch die engen betonnten Fahrwasser, vorbei an den beiden alten Antennentürmen in Verlängerung der Start- und Landebahnen des Flugplatzes Peenemünde und eines ehemaligen Leuchtturms ging es dann auf etwas dünner betonnte Bereiche des Greifswalder Boddens, so daß die Fahrt nach Kompaß das Suchen der Tonnen Vierow und Ansteuerung Greifswald durchaus unterstützte. Zudem setze leichter Regen ein.
In Wieck mussten wir noch ein paar Minuten warten, bis die Brücke öffnete, so daß wir die Ryck aufwärets nach Greifswald fahren konnten, wo wir im strömenden Regen in der Marina der Hansewerft festmachten. Unseren provisorischen (und etwas zu kleinen) Platz tauschten wir später noch gegen einen von Land erkundeten besseren Liegeplatz, dann fuhren wir mit dem Taxi nach Wieck, um dort ein Fischrestaurant aufzusuchen.
Abends nahm dere Wind zu, meine Eltern wollten die angekündigten windigen und regnerischen Tage in Greifswald verbringen. Ich verschob meine Rückfahrt zunächst von Abends – aus Zeitplanungsgründen – auf den kommenden Morgen, entschied mich später aber, von Greifswald aus zu arbeiten und erst am Montag abend mit dem Regionalzug zurückzufahren. Das Wetter lud auch nicht unbedingt dazu ein, eine weitere Tour mit dem Rad zu unternehmen.
Da es sich für den Sommer erstmal mit verlängerten Wochenenden hat, wollte ich Pfingsten noch für eine nette Tour nutzen. So verabredete ich mich mit Michael, der ja seit kurzem auch Speedmachine fährt, zu einer Tour an die Ostsee, genauer nach Stralsund. Fast drei Tage hatten wir Zeit, also optimierten wir die Planung nicht auf einen möglichst effizienten Weg, sondern wollten ruhige, wenn auch zwischendurch vielleicht etwas langsamere Wege genießen.
Samstag, 26. Mai 2012
Berlin – Mescherin
Am Samstag Morgen um neun trafen wir uns auf dem Flughafen Tempelhof. Auf relativ direktem Kurs durchquerten wir die Stadt, fuhren über die Prenzlauer Allee und bogen mit dem Pankeweg auf den Berlin-Usedom-Radweg ein. Bis auf ein paar kleine Stellen – Drängelgitter an Brücken, fiese Sandkuhlen und nicht angeleinte Hunde lassen grüßen – ließ dieser sich gewohnt gut fahren, auch mit den bepackten Rädern. Da wir recht früh dran waren, war auch die Radverkehrsdichte noch sehr eträglich.
Wir drehten eine kleine Stadtrunde in Bernau, entschieden uns aber gegen eine Getränkepause. Nach einem kleine Abstecher auf die Landstraße führt der Weg von Bernau erst über eine Fahrradstraße, wo uns ein hupender Drängler in seiner Blechbüchse verfolgte, dann über einen perfekt asphaltierten Radweg durch die Wälder. Lediglich das Wunder des Föderalismus schmälert den positiven Gesamteindruck, denn wegen der Zuständigkeiten von Bund und Land scheint ein asphaltieren der Auffahrten zu den Brücken, mit denen man die Bundesautobahn überquert verwaltungstechnisch ein dermaßen kompliziertes Unterfangen zu sein, daß man es lieber sein läßt und stattdessen auf eine bewährte Mischung aus Kopfsteinpflaster und Schlaglöchern setzt.
Wo der Berlin-Usedom-Weg den Oder-Havel-Radweg trifft, bogen wir auf diesen in Richtung Oder ein. Zwar ist die Strecke am Finowkanal großenteils nicht asphaltiert, aber dennoch so gut befestigt und verdichtet, daß sie problemlos fahrbar ist. Bis nach Niederfinow, kurz vor dem Schiffshebewerk, kommen wir so weiterhin autofrei voran. Die Sonne scheint und durch die umstehenden Bäume trifft uns der Nordostwind nur sehr abgeschwächt. Eine herrlich ruhige und entspannte Fahrt, die nur kurz durch eine Schraube gebremst wurde, die sich losgerüttelt hatte. Mit einem Griff zum Werkzeug, ließ sich das aber auch schnell beseitigen.
In Niederfinow, direkt am Hebewerk, nach fast 90km machen wir unsere erste Pause. Ein gutes Mittagessen soll uns für den kommenden Abschnitt auf dem Oderdeich stärken, wo uns der Wind vermutlich etwas stärker beuteln wird. Da wir beide keine Lust auf die Landstraße nach Oderberg mit ihren Anstiegen und den Massen an Motorradfahrern haben, entscheiden wir uns spontan – in dem Bewußtsein, daß wir es hier mit Plattenwegen und schlechten Straßen zu tun kriegen – für den Abschnitt des Weges, der südlich des Oder-Havel-Kanals nach Hohensaaten führt. Eine Brücke wartet allerdings mit einer Schiebepassage auf, wenigstens mit (liegeradtauglicher) Schiene. Spontan bedeutet leider auch, daß ich die Arbeiten an der Schleuse Hohensaaten nicht auf dem Plan habe, so daß wir vor der unpassierbaren Baustelle stehen und erst einmal wieder zurück müssen, um über die reguläre Brücke und den Ort zu fahren.
Trotz des beständigen Gegenwindes fährt sich die Strecke auf dem Deich sehr gut, unter diesen Bedingungen spielt das Liegerad sein Vorteile natürlich aus. Am Beginn der ewigen Umleitung des D12 (Oder-Neiße-Radwegs) in Criewen wählen wir die “Umleitung Schwedt”, statt der “Umleitung Criewen” – das heißt wir fahren weiter an der Oder entlang. Zwar bedeutet auch dies Plattenweg, aber kürzer und ohne Steigungen – für die Nostalgiker ein wunderbarer Ort, um an alte Zeiten mit Fahrten auf der Transitautobahn zurückzudenken.
In Schwedt folgt die nächste Pause, schließlich hatten wir ja in Niederfinow auf den Nachtisch verzichtet. Wir machen es uns im Café gemütlich – und bei Eis und Kuchen frage ich Micha, ob es vielleicht sein könne, daß er einen Platten hat. Ungläubig dreht er sich um – und siehe da: der Hinterreifen hat keine Luft mehr. Zunächst liften wir das Rad provisorisch mit einem Spanngurt am Geländer an, damit wir in Ruhe weiter essen können, ohne daß der Mantel Schaden nimmt, dann wechseln wir den Schlauch. Der Übeltäter war ein Stück Muschelschale: Die Krähen sammeln die Muscheln aus der Oder und lassen sie gezielt auf den asphaltierten Weg fallen, um sie aufzubrechen. Daher ist der ganze Weg voll scharfkantiger Schalen. Ich habe das Gefühl, dieses Wissen breitet sich unter den Vögeln gerade rapide aus, denn irgendwie wird das Problem von mal zu mal größer.
Während man nördlich von Schwedt noch einige Kilometer recht angenehm fahren kann, nimmt hinter Friedrichstal die Qualität des radweges erstmal drastisch ab: Ein holpriger Plattenweg zwingt zu langsamer Fahrt und einigen kleinen Erholungspausen. Zudem sind wir auch mittlerweile so lang unterwegs, daß wir uns demnächst um einen Schlafplatz bemühen sollten. Wir peilen den Campingplatz Mescherin an, wo wir auch problemlos unterkommen. Zum Frühstück lassen wir uns im Alten Zollhaus einige hundert Meter weiter anmelden, wo wir dann auch gleich noch zum Abendessen hingehen. Nach 165km dürfen es ruhig noch ein paar Kalorien sein. Die Frage nach einm Nachtisch wird allerdings aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nur mit einem knappen “Nein” beantwortet. Die Preise hier an der Oder sind allerdings unschlagbar günstig.
Bevor wir uns in die Zelte verziehen, unterhalten wir uns noch mit unseren Nachbarn, wo wir sogar noch auf einen Schlummertrunk eingeladen werden. Ein langer, schöner Fahrtag liegt hinter uns. Micha hatte dem Begriff Liegerad durch das taktische Ausnutzen von Sandlöchern, Fußhupen und Schranken bei langsamer Fahrt durch mehrfaches neben-dem-Rad-Liegen heute allerdings eine Mehrdeutigkeit verpasst, die sich in den kommenden Tagen zum Glück nicht verfestigen sollte.
Sonntag, 27. Mai 2012
Mescherin – Lassan
Als ich früh morgens aus dem Zelt krabbele, stelle ich verwundert fest, daß Micha fast schon mit gepackten Sachen da steht. Trotzdem bringt er die Geduld auf, darauf zu warten, daß auch ich meine Dinge sortiere und wieder auf der Speedmachine verstaue. Wir verabschieden uns von unseren Campingnachbarn und rollen gemütlich (sieht man mal vom kleinen Anstieg ab) zum Alten Zollhaus, wo wir im Sonnenschein auf der Terrasse mit Oderblick ein schönes Frühstücksbuffet genießen.
Anstatt auf den holprigen Plattenweg über Geesow, begeben wir uns in Mescherin direkt auf die B113. Die Straße ist frisch gemacht und die Brücke über die Oder ist wegen Bauarbeiten geschlossen, so daß Sonntag morgens dort keinerlei Verkehr herrscht. Wo hinter Tantow der Oder-Neiße-Radweg seinen Abstecher nach Penkun macht, folgen wir weiter der ruhigen Bundesstraße, bis wir in Krackow wieder auf den D12-Track stoßen. Der ruhige Weg über Sonnenberg und Ramin ist gut fahrbar und lohnt sich gegenüber der direkten Straße nach Löcknitz sicherlich.
Zunehmend bahnt sich der Original-Track seinen Weg jetzt aber über kleine und teils nur schlecht oder gar nicht asphaltierte Straße, bis das ganze ab Hintersee über staubige Waldpfade mit teils sandigen Löchern führt. Ich bin heilfroh, daß ich in der Planung ab Ludwigshof diesem Desaster an Radwanderwegen – oder was man in Mecklenburg-Vorpommern dafür hält – ausgewichen bin und rate jedem Nachahmer, spätestens ab hier dasselbe zu tun: Der Pfad nach Ahlbeck ist irgendwie fahrbar, in etwa wie die Radwegführung davor (die Straße ist Kopfsteinpflaster und auf jeden Fall zu meiden!), ab AHlbeck geht es dann über halbwegs brauchbare Straßen recht gemütlich nach Vogelsang, wo man wieder auf den D12 – aber in Form einer brauchbaren Straße trifft. Auf dieser geht es nach Ueckermünde. Der D12 führt vorn zum Strand mit viel Budenzauber. Wer das nicht braucht, sollte vermutlich lieber den direkten Weg zum Stadthafen nehmen. Dort gibt es einige nette Restaurants – Fischliebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Die Platzwahl im Schatten hatte allerdings ihre Tücken. Durch den strengen Wind wurde es bald spürbar kalt, so daß wir nach dem Essen erst eine kurze Aufwärmphase in der Sonne benötigten und dann bald aufbrachen.
Kann man hinter Ueckermünde zunäcchst auf der L31 dem Berlin-Usedom-Radweg bzw. dem Seenradweg folgen, begehen wir an der Stelle, wo die Landstraße abbiegt den Fehler, dies auch weiter zu tun. Katastrophe! Ich habe keine Ahnung, ob und wie gut die B109 als Alternativstrecke via Ducherow mit dem Rad fahrbar ist, die Radwanderwege sind jedenfalls eine Zumutung. Nachdem wir – eher zufällig – den “Radweg” neben der unbenutzbaren ehemaligen Kopfsteinpflasterstraße entdeckt haben quälen wir uns teils durch sandige Löcher bis Bugewitz. Ab dort sind wir fast schon froh über den Plattenweg fahren zu können. Landschaftlich schön, aber wegen der unzureichenden Wegqualität bleibt kaum Zeit, das zu genießen. Ab Bargischow gibt es direkt geradedurch bis Anklam eine neu gemachte Straße, die wir dann anstatt des Berlin-Usedom-Weges bis Anklam nutzen. Wenigstens etwas Erholung!
Anklam selbst zeigt sich bei der Einfahrt von seiner eher trostlosen Seite und ich bin nicht sicher, ob es eine andere hat. Am Markt gehen wir zur Eisbar, hier ist man stolz auf eine lange Historie seit der Einrichtung als HO-Gaststätte. Das Eis ist gut, ansonsten dürfte der Charme teilweise eher den eingefleischten Ostalgiker ansprechen.
Wenige Kilometer hinter Anklam weichen wir von der geplanten Route ab und fahren erst am begleitenden radweg, dann direkt auf der B110 bis Murchin, dann auf der K32 nach Lassan, wo wir uns einen Campingplatz ausgesucht haben. Dieser ist nett gelegen, wir kriegen noch ein wenig was vom Grill und machen später noch einen Spaziergang zum Hafen und zu einem kleinen Aussichtsturm am Peenestrom, von dem wir mit unseren Stirnlampen nach Rankwitz rüberleuchten, wo meine Eltern mit der Andante festgemacht haben und unsere Blinkzeichen sehen.
Montag, 28. Mai 2012
Lassan – Stralsund
Da wir um kurz vor halb fünf nachmittags in Stralsund den Zug kriegen müssen und nicht hetzen wollen, haben wir das Frühstück auf halb neun festgesetzt: Meine Eltern sind mit der Andante aus Rankwitz früh morgens herübergekommen und erwarten uns schon im Hafen. An Bord werden wir vorzüglich versorgt.
Über kleine Wege schummeln wir uns aus Lassan heraus, fahren über die mit eher mäßiger Qualität gesegnete K30, nehmen einen Plattenweg (der letztlich keine spürbare Verschlechterung zur Straße darstellte) als Abkürzung zur L26 und folgen dieser bis zur B111. Die wenigen Kilometer auf der stark befahrenen Bundesstraße bis Pritzier sind etwas stressig, ab Pritzier geht es auf der gut zu fahrenden L26 weiter, wo wir hinter Katzow wieder auf unseren ursprünglich geplanten Track treffen.
Bis Wieck läuft alles gut, wir gönnen uns dort eine kleine Getränkepause, fahren auf die Mole. Ich war ja auf diversen Segeltörns bereits hier und es kommt fast ein wenig Sehnsucht nach den Segelzeiten auf. Von Wieck fahren wir entlang der Ryck auf einem gut fahrbaren, wenn auch nicht asphaltierten Radweg bis Greifswald. Der Plan ist, ab hier dem D2 nach Stralsund zu folgen.
In Neuenkirchen folgen wir unserem Track – doch dort, wo es aus dem Ort herausgeht, führt der Weg plötzlich über eine unbefestigte, löchrige und sandige Straße. Das ist keine Option. Auf der Karte sehe ich eine parallel zu B105 führende Straße, auf die der Radwanderweg bei Mesekenhagen ohnehin wieder trifft. Zu unserer Freude ist die Straße durch die parallele Bundesstraße nahezu unbefahren und hat einen schönen glatten Asphalt, was ich auch übermütig bemerke.
Übermütig deshalb, weil ab hier die echte Katastrophe anfängt: Schon kurz nach meiner Bemerkung endet der Asphalt und die Straße wird zur Kopfsteinpflasterhölle. Auch dort, wo der offizielle Radweg wieder darauf einbiegt. Kilometer um Kilometer – am Ende fast 20 – ruckeln wir uns langsam dahin. Erst mit der Einfahrt nach Stralsund kommen wir wieder auf eine asphaltierte Straße. Die Bundesstraße an dieser Stelle ist mit dem Rad lebensgefährlich – Leitplanken an beiden Seiten, eng und stark befahren. Ein Schild weist 30 km/h als Mindestgeschwindigkeit in die eine Richtung, in die andere sogar eine Kraftfahrstraße aus. Und es gibt quasi keine sinnvoll parallel laufenden Alternativen.
Zu meinem Erstaunen kommen wir dennoch fast zwei Stunden vor Abfahrt unseres Zuges in Stralsund an, so daß wir am Hafen noch essen und auf dem Markt nach Eis zu uns nehmen können, nebst obligatorischem Molenfoto.
Der gebuchte IC ist quasi leer, wir haben die einzigen beiden Räder. Im Entlastungs-IC gibt es leider weder eine Klimaanlage, noch gibt es ein Bistro oder auch nur einen Servicewagen oder Automaten mit Getränken, so daß es bei den vielen Betriebshalten ziemlich warm wird. Aber dafür ist es leer und da der Zug bis Berlin nur noch in Neubrandenburg hält, ändert sich daran auch nichts.
Ab Gesundbrunnen fahren wir noch ein kleines Stück gemeinsam, bevor dann jeder seinen Heimweg einschlägt.
Fazit
Brandenburg
Ab der Berliner Stadtgrenze bis nach Niederfinow kommt man auf wunderbaren Wegen, quasi bis auf wenige kleine Ausnahmen komplett autofrei. Ab Niederfinow kann man je nach Gusto die Landstraße nehmen oder muß etwas schlechtere Qualität in Kauf nehmen, wenn man weiter weitgehend unbelästigt vom motorisierten Verkehr (hier sind eher die Motorradfahrer am Wochenende der stressende Faktor) bis zur Oder kommen will. Der Oder-Radweg ist im wesentlichen schön, wenn auch beide Umleitungsoptionen vor Schwedt nicht besonders toll sind. Hinter Schwedt, vor Garz wird es dann auch nochmal lästig auf dem Plattenweg.
Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern rühmt sich an vielen Stellen mit seinen vielfältigen Angeboten, das Land per Fahrrad zu entdecken. Das ist ein Hohn. Man kann Mecklenburg-Vorpommern, folgt man zum Beispiel den Radweit-Strecken bequem als Reiseradler durchqueren. Will man das Land, das ja durchaus vielfältige und schöne Natur bietet, aber mit dem Rad entdecken und greift dabei auf die ausgewiesenen Radwege zurück, fragt man sich irgendwann, was sich die Planer dabei gedacht haben. Wann immer wir offiziellen Radrouten folgten, hatten wir es mit katastrophalen Wegen zu tun. Ich bin ein Mensch, der – auch dank der vollgefederten Speedmachine – nicht allzu anspruchsvoll ist, was die Qualität des Untergrundes angeht. Ich fahre auch gerne mal auf nicht asphaltierten Wegen, so sie denn gut befestigt sind – es ist nicht nötig, durch Naturschutzgebiete dicke Asphaltbänder zu ziehen. Aber für einen Radwanderweg, also eine Strecke, die mit einem bepackten Fahrrad, vielleicht auch teilweise von älteren Mitbürgern, genutzt werden soll, verbieten sich enge Waldwege, auf denen Begegnungen zum Abenteuer werden, mit Schlaglöchern gespickte Schotterpisten, Trampelpfade mit Sandkuhlen und ausgedehnte Kopfsteinpflasterpassagen ohne wenn und aber. Mecklenburg-Vorpommern ist dünn besiedelt, an vielen Stellen gibt es einfach keine Alternativen zu den ausgewiesenen Radrouten bzw. sind diese Alternativen dann stark befahrene Bundesstraßen, die nicht einmal einen begleitenden Radweg bieten. Jeder einzelne der ausgewiesenen Radwege hat uns spätestens nach ein paar Kilometern wieder durch die desaströse Infrastruktur enttäuscht. Traue ich schon grundsätzlich den offiziellen Radrouten nur mäßig über den Weg, so kann ich für dieses Bundesland nur sagen: sie sind ein Garant für Ärger. Zur Planung greift man hier am besten auf Landesstraßen zurück. K-Straßen sind oft in erbärmlichem Zustand, Bundesstraßen nur in Einzelfällen zu befahren, was dem starken Verkehr, teils aber auch der hohen Aggressivität der Autofahrer geschuldet ist.