Ich bin zwar pünktlich um 10 Uhr fertig mit dem Packen, als die Rezeption aufmacht, wo ich zahlen muß, aber ich entscheide mich, noch kurz eine Unterhose und Socken zu waschen und bei dem sonnigen Wetter auf hinten auf dem Gepäck zu trocknen. Außerdem treffe ich noch zwei Schweizer, die heute ihren Ruhetag haben, aber auch gerade mit ihren Rädern auf dem Weg zum Nordkap sind – so fit möchte ich in deren Alter (70, verrät mir einer der beiden!) auch noch sein!
Anschließend kaufe ich in Marietad ein USB-Kabel (ich habe zu Hause das falsche gegriffen, ein reines Ladekabel ohne Datenleitungen – war halt auch weiß…) und setze mich in ein Café zum Frühstück. Ich lasse den Tag bewußt ruhig angehen nach den über 170km gestern. Beim Frühstück komme ich mit einem Radfahrer aus Norwegen ins Gespräch – nicht auf dem Weg zum Nordkap, nur ein wenig am Göta Kanal – der mir seine Telefonnummer gibt, falls ich auf dem Rückweg bei ihm vorbeikomme, soll ich mich melden. Es ist immer wieder unglaublich, wie leicht man mit den Leuten hier ins Gespräch kommt und Kontakte knüpft!
Ich fahre ohne GPS-Routing nach Tipps eines Motrorradfahrers, der in der Hütte neben mir einquartiert war weiter, mein nächster Zwischenstopp ist nach ein paar Kilometern Sjötorp, wo der Göta Kanal vom Vänern in Richtung Osten geht. Ich mache Fotos, ein kurze Pinkelpause und fahre zurück auf die 26. Zwischendurch bieten sich von der Straße weite Blicke über den See, der so groß ist, daß man das gegenüberliegende Ufer nicht sehen kann. Weiter geht es nach Kristinehamn. Dort gönne ich mir eine Pizza, denn ab hier geht es erstmal bergauf.
Nördlich von Kristinehamn wird dann wirklich vieles anders. Sehr viel weniger Verkehr ist das erste, was mir auffällt, sehr viel weniger LKW. Dichter Wald und immer wieder langgezogene Seen. Ansonsten gibt es hier allerdings zunehmend weniger Infrastruktur. Das graue Band der Straße schlängelt sich durch den Wald, viele Kilometer kommt kein Abzweig, Übergänge über den Straßengraben enden oft direkt danach im Dickicht des Waldes. Vereinzelt stehen mal Häuser an der Straße oder auch einfach Briefkästen neben Einfahrten, die zumindest vermuten lassen, daß dort ein Haus sein muß.
Ich erreiche Filipstadt, dann Persberg. Sonnenuntergang ist heute schon nach 22 Uhr, aber mir wird klar, daß das Finden eines geeigneten Lagerplatzes für die Nacht hier gar nicht so einfach wird. Die besten Chancen bieten immernoch Seen, allerdings hat man kaum eine Ahnung, wohin ein Weg führt, der von der Straße abzweigt. Als ich 150 Kilometer auf dem Tacho habe biege ich wahllos in die nächste Einfahrt ein. Kleine Gärten, ein paar Häuser – Jedermannsrecht in allen Ehren, aber in jemandes Garten kann man auch in Schweden sein Zelt nicht einfach so aufstellen. Die Häuser sind dunkel, leer. Als ich schon am Umdrehen bin, regt sich in einem Haus etwas. Ich frage freundlich, ob es denn hier irgendwo einen Platz für mein Zelt gäbe und bekomme eine für schwedische Verhältnisse kurz angebundene Antwort: “This is private!” – Ja, wußte ich ja. Daher hab ich ja auch nicht einfach mein Zelt aufgebaut, sondern gefragt.
Der nächste Abzweig ist vielversprechend, zwischen den Häusern genügend Platz, freie Fläche. Da es dennoch in Sichtweite ist frage ich an einem Haus, wo jemand zu Haus ist, man zeigt mir freundlich einen Platz. Als mein Zelt steht und ich mich in den Schlafsack verkrieche ist es fast Mitternacht – eine Taschenlampe ist nicht nötig, es herrscht Dämmerung. Und nebenan läuten mich die Kuhglocken in den Schlaf.