Am letzten Freitag im Mai war es wieder soweit – und dank herrlichen Wetters und ausführlicher Medienberichte auch mit richtig vielen Teilnehmern. Eine ernsthafte Schätzung ist schwer, aber selbst an Stellen, wo sich der Zug über weithin einsehbare Straßen bewegte waren oft weder Anfang noch Ende zu sehen.
Um 20 Uhr kamen zufällig einige Radfahrer am Heinrichplatz in Kreuzberg zusammen. So viele, daß schon bald kaum noch Platz war und es für andere Verkehrsteilnehmer schwierig wurde durchzukommen. Die Polizei war auch bereits vor Ort, mittlerweile ist die kritische Masse an Radfahrern allerdings erreicht, die Polizei versucht nicht (mehr) zu lenken oder zu be- oder verhindern, sondern sichert die Critical Mass einfach ab.
Es geht durch Kreuzberg und Mitte, dann in Richtung Treptow und Neukölln. Nach zwei Stunden kommen die Unmengen an Radfahrern am Brandenburger Tor an. Obligatorisch dann noch als Abschluß die Fahrt um den Kreisverkehr an der Siegessäule, bevor sich die Menge auflöst und in alle Richtungen zerstreut.
Die meisten Autofahrer reagieren gelassen, manche zücken das Handy, man winken. Nur einige versuchen zu hupen oder zwischen den Radfahrern hindurch zu fahren, was dann lediglich dazu führt, daß sie komplett blockiert in der Mitte stehen und alles noch etwas länger dauert. Die aggressiven Reaktionen sind aber deutlich in der Minderheit, das ganze ist sehr friedlich – interessierten wird geduldig das Anliegen der Critical Mass erklärt.
Am letzten Sonntag im Mai trafen sich diverse Liegeradler aus Berlin (und Umgebung) für eine kleine Rundtour. Bei schönstem Fahrradwetter, größtenteils sonnig, nicht zu heiss und vor allem ohne Regen ging es über ruhige Straßen und schöne Radwege südwestlich von Berlin.
Um jedem die Zeit zu lassen, vorher noch zur Europawahl zu gehen und sein Kreuzchen für die Volksabstimmung über den Erhalt des Tempelhofer Feldes ohne Randbebauung zu machen, trafen wir uns um 10:30 Uhr in Spandau am Bahnhof. Zunächst einmal ging es in Richtung Süden, auf der Wilhelmstraße in Richtung Gatow. Von der Gatower Straße bogen wir kurz ab, um bei einem Zwischenstopp Grillgut in Andis Kühlschrank zu verstauen.
Von dort drehten wir über kleine Straßen eine Runde am Groß Glienicker See vorbei und über Sacrow, dann weiter über Neu Fahrland, Bornim und Golm nach Wildpark West. Dort überquerten wir die Havel in Richtung Werder auf der Eisenbahnbrücke, obwohl dort auf beiden Seiten die Treppen zu überwinden sind (die Schiebestreifen sind mit dem Liegerad nur schwer zu nutzen).
Auf der anderen Seite erwarteten uns schon meine Eltern für einen kurzen Gruß, bevor wir weiter auf den Havelradweg furhen, der zwischen Werder und Phöben mittlerweile deutlich besser ausgebaut ist, als ich das noch kannte von meiner letzten Nutzung. Ab Phöben geht es ohnehin auf den Haveldeich und damit fernab des störenden Autoverkehrs. Trotz des schönen Wetters war der Weg auch nicht mit Ausflüglern überfüllt, so daß wir sehr angenehm fahren konnten.
Bei Ketzin querten wir die Havel schließlich ein zweites mal, diesmal ohne Treppen auf der Fähre. In Paretz kehrten wir auf eine kleine Stärkung ein, bevor es dann weiter über Marquardt nach Neu Fahrland und von dort zurück in Richtung Gatow ging.
In Gatow hatte Andi seinen Garten und den Grill zur Verfügung gestellt, so daß der Tag in einer netten Runde seinen Ausklang nahm. Ich fuhr auf dem Rückweg das erste mal mit der neuen Wannseefähre. Als ich die lange Warteschlange sah, hatte ich große Befürchtungen, ob ich denn noch an Bord kommen würde – aber die neue Fähre bietet wirklich sehr viel Platz, gerade auch für Fahrräder, so daß alles problemlos klappte.
Für den Samstag war lediglich die Rückfahrt per Bahn angesetzt. Von Wien nach Berlin gibt es einen durchgehenden EuroCity, der allerdings fast zehn Stunden unterwegs ist. Nach dem spontan anberaumten Frühstück im Hotel galt es zunächst, die Räder aus dem „Bike Storage“ des Hotels zu befreien: Zwisschenzeitlich hatten zwei andere Radfahrer ihre Fahrräder dort auch abgestellt, aufgrund der Enge des Raum allerdings so, daß wir nicht mehr an unsere Räder und das Schloß herankamen. Mit Hilfe des Hotelpersonals gelang es uns dann aber doch, unsere Räder zu befreien, der Weg über die Tiefgarage zur Strasse war dan auch nur mit Umwegen frei zu kriegen, da das Hotelpersonal die Tür nur nach Klingelsignal öffnen konnte – und die Klingel nur außen vorhanden war…
Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, aber es war kühl und grau – dafür war die Stadt um diese Uhrzeit noch relativ leer, so daß der Weg zum Bahnhof Meidling (wo der Zug ein paar Minuten mehr Aufenthalt hat als im eventuell besser zu erreichenden Simmering).
Bei der Buchung der Tickets war leider eine Reservierung im Wagen 259, der ein etwas großzügigeres Fahrradabteil hat, nicht mehr möglich. Und bei der Menge der Räder und Kinderwagen konnten wir uns auch nicht dort hinein diskutieren. So blieb uns nur, die Fahrradnischen im Wagen 256 zu nutzen. Wir waren vorgewarnt worden, daß diese dermaßen eng seien, daß es unmöglich sei, das Liegerad dort sicher zu befördern. Aber wir versuchten es trotzdem. Und es klappte. Micha hatte Glück und konnte seine Speedmachine mit dem Vorderrad einhängen, da er auf Grund kürzerer Beine seinen Ausleger wesentlich kürzer eingestellt hat, als das zum Beispiel bei mir der Fall ist. Bei mir ging es mir Tricksen und einigen Spannbändern dann aber auch. Und bei dem Chaos in Wagen 259 war es vermutlich nicht einmal die schlechteste Variante.
Die Fahrt verlief pünktlich, zwischendurch gönnten wir uns noch einen Ausflug in den Speisewagen, während wir durchs Elbtal fuhren. In Südkreuz stiegen wir aus und fuhren nach einer schönen Tour müde nach Haus.
Die Nacht auf dem übervollen Campingplatz war erwartungsgemäß nicht ganz ruhig und endete früher als geplant durch den wiederkehrenden Alarm irgendeines Telefons im Nachbarzelt. Im Gegensatz zur letzten Zeltübernachtung war das Zelt diesmal doch recht feucht geworden, da die Temperatur nachts ziemlich gefallen war. So packten wir erstmal zusammen und ließen zum Frühstück im Campingplatz-Café die leeren Zelte noch zum trocknen stehen. Da die Sonne langsam rum kam, half dies auch sehr gut.
Anschließend ging es weiter nach Krems, wo ich nochmals versuchte, unsere Bahnreservierungen zu ändern – was aber nicht ging. Von dort fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein auf wirklich hervorragenden Wegen die letzten knapp 90km in Richtung Wien. Meist führt der Radweg in absolut genialer Qualität an der Donau entlang, oben auf dem Deich, so daß man auch etwas sehen kann. Neben Ausflüglern und Reiseradlern waren heute sehr viele Rennradler unterwegs. Wir nutzten die Situation aus, als eine Dreiergruppe mit knapp über 30km/h an uns vorbei kam und ließen uns ein paar Kilometer ziehen. Die Blicke der entgegenkommenden Rennradler oder der überholten oder am Rand pausierenden Radfahrer waren einfach herrlich anzusehen. Allerdings kostet so eine Fahrerei natürlich Kraft, vor allem aber auch Konzentration, um auf dem Weg niemanden auf die Hörner zu nehmen. Und so ließen wir den einzelnen Rennradler von dannen ziehen, als sich die kleine Gruppe trennte und die anderen zwei in eine andere Richtung abbogen.
Schon bald sahen wir die erste Silhouette von Wien bei einer der Donauquerungen auf Brücken und Kraftwerken, dann fuhren wir auch schon auf guten Radwegen in die Stadt. Hier waren die Wege zwar großzügig, häufig aber mit gemischtem Rad- und Fussverkehr, so daß es etwas langsamer voran ging, aber das kam uns entgegen, so konnten wir ausrollen.
Unser Hotel lag in der Nähe des Tracks, wir mussten nur einmal abbiegen, eine Einbahnstrasse von der richtigen Seite nehmen (wäre vermutlich auch von der anderen Seite gegangen) und checkten in unser reserviertes Zimmer ein. Nach dem Duschen folgte ein kleiner Stadtrundgang, das Hotel hatten wir möglichst zentral gewählt, um zu Fuss weiter zu kommen.
Kaum waren wir zurück aus der Stadt, begann draußen Gewitter, Starkregen und Hagel. Wir dösten etwas, später ging es dann (im anhaltenden Regen) nochmal ein paar Ecken weiter, um ein wenig zu essen.
Wie gewöhnlch erwachten wir heute kurz vor dem gestellten Wecker. Dies war dennoch erstaunlich, denn in der Nacht fuhren nicht nur viele Schiffe auf der Donau vorbei, sondern es rüttelte auch heftiger Wind an den Zelten, der zu dem vorbeiziehenden Gewitter gehörte, so daß wir zwischendurch ein paar mal geweckt wurden. Dennoch war der Morgen schön, denn die Zelte waren trocken und die Temperaturen angenehm.
Nach einem kurzen Plausch mit zwei Radfahrern, die in der anderen Richtung unterwegs waren, machten wir uns auf. Wenige Kilometer weiter gab es die Möglichkeit für ein Frühstück, die wir auch freudig nutzten. Danach ging es weiter, wenn ach erst einmal wieder nur ein kurzes Stück bis zum nächsten Café, denn wer viel isst, der muss auch viel … also wir brauchten jedenfalls ein geeignetes Örtchen.
Mittlerweile hatte es aufgeklart, die Sonne kam durch und es wurde angenehm warm. Der Donau-Radweg in Österreich ist auch einfach eine wundervolle Erfahrung. Hallo Deutschland, so geht das! Durchgehend asphaltierte, gut in Schuss, in der Regel gute Beschilderung, der man problemlos auch ohne Karte folgen kann. Die wenigen Umleitung an Baustellen sind auch engmaschig und gut lesbar ausgewiesen. Der Radweg führt sehr oft hinter, noch öfter auf dem Deich oder an Uferwegen entlang, so daß man die Donau immer wieder in tollen Perspektiven sehen kann. Überquerungen an Brücken oder (oder Fähren, was wir jedoch nicht testeten) sind auch gut gebaut, führt der Weg an Straßen entlang ist er breit, Straßenüberquerungen sind selten und so gebaut, daß man nicht das Gefühl kriegt, der Planer wollte Radfahrer umbringen (wie ständig in Bayern).
Entlang des Weges gibt es viele Lokale, die auch gut auf Radfahrer eingerichtet sind (sogar Supermärkte, die mir Radweg-Anbindung werben!). Bänke, teils mit Tischen, kommen ab und zu vor, Hinweise auf öffentliche Toiletten finden sich auch am Weg, die eine getestete war tadellos in Ordnung. Der Weg ist 1a und eine absolute Empfehlung! Auch in Österreich ist der 1. Mai ein Feiertag, gefeiert wurde auf diversen Festen in den Orten, die wir durchfuhren. Wir trafen zwar einige Reiseradler, aber die Zahl war überschaubar, öfter kamen uns Rennradler oder Tagesausflügler entgegen. Wirklich eng wurde es aber eigentlich nie, trotz des sonnigen Wetters.
Gegen Nachmittag entschieden wir uns, einen Campingplatz kurz vor Krems anzusteuern. Nach einer Kuchenpause hatten wir noch einige Kilometer vor uns, so daß wir kurz nach Sonnenuntergang ankamen. Der Platz war brechend voll, eine andere (sichere) Chance hatten wir aber nicht und so quetschten wir die Zelte noch irgendwo dazwischen.
Am Platz gab es ein nettes Restaurant, wo wir aßen und ein Hotel für Wien vorbuchten (was nicht so einfach war). Nach dem Essen ging es bald in die Zelte (die wir noch zu Ende aufbauen mussten), wir waren nach dem zweiten langen Tag beide recht müde. Dafür waren wir nur noch etwa 90km vor Wien, so daß wir hoffen, noch ein wenig von Wien zu sehen, bevor es am Samstag zurück geht.