Fazit zur South19 Tour

Ich habe lange keine Idee zur Sommertour 2019 gehabt und nach dem missglückten Saisonstart war ich auch vorsichtig mit hochgesteckten Zielen. Erst kurz vor der Fahrt kristallisierte sich aus mehreren lockeren Ideen heraus, wohin ich fahren würde.

Serviceweg der Schnellfahrstecke Halle-Erfurt
Serviceweg der Schnellfahrstecke Halle-Erfurt

Die Schnellfahrstrecke Halle-Erfurt hatte ich schon länger auf der Wunschliste. Und obwohl ich nicht die wohlbekannte Südwesttour machen wollte, wollte ich sie diesmal unterbringen. Es war auf jeden Fall eine spannende Strecke. Keine Ideallösung für Touren, bei denen man schnell von einem Ort zum anderen kommen möchte: mit dem Rad wird es hügelig, teils geht es ganz schön zur Sache. Die Züge, die immer wieder mit hoher Geschwindigkeit vorbeirauschen auf den Teilen, wo man wirklich neben der Strecke fährt, sind faszinierend und machen Spaß. Meine Strecke aus Halle heraus hat definitiv Optimierungsbedarf, nach Erfurt hinein ging es eigentlich.

Radweg im Steigerwald
Radweg im Steigerwald

Der Steigerwald hinter Erfurt brachte schon einiges an Höhenmetern mit. Die Strecken waren hauptsächlich ruhig oder mit gut fahrbaren Radwegen ausgestattet. Für den Abzweig nach Süden – wo es immer über Berge geht – machbar, wenn auch weiter östlich durchs Vogtland eventuell Alternativen mit insgesamt weniger Höhenmetern existieren.

Straße im Ebersburger Tal
Straße im Ebersburger Tal

Bis zur Donau wird es kaum richtig flach, aber die größeren Anstiege sind vorbei. Einige landschaftlich nette Abschnitte waren dabei, aber die Gegend ist für mich kein Grund dort explizit durchzufahren.

Typisch Allgäu
Typisch Allgäu

Durch das Allgäu bis zum Bodensee geht es auf sanften Hügeln aber doch ständig auf und ab. Die Landschaft ist schön, die Strecken oft auf ruhigen Wirtschaftswegen. Auffällig war das dünne gastronomische Angebot in der Region, das sicherlich meiner Reisezeit geschuldet war.

Anstieg zum San Bernardino
Anstieg zum San Bernardino

Vom Bodensee über die Alpen geht es im ersten Abschnitt flach und auf einem toll ausgebauten Radweg entlang des Rheins. Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Schweiz – vier Länder, drei Grenzen, oft merkt man nicht einmal, wann man in ein anderes Land kommt. Europa in seiner schönsten Form. Die Berge sind plötzlich da und irgendwann geht es auch mächtig bergauf. Die Paßstraße zum Bernardino war Recht ruhig, klar ein paar Motorräder gehören auf Alpenpässen immer dazu. Die Abfahrt nach Bellinzona und der Radweg nach Locarno sind super.

Radweg in den Alpen
Radweg in den Alpen

Durch die Alpen bis Bozen sind zum einen gute Radrouten, manchmal aber auch nervige Straßen zu bewältigen. Und es sind eben die Alpen, es sind lange und – gerade auf den Radrouten – auch recht steile Anstiege zu überwinden. Die Panoramen sind dafür überwältigend und die Preise nach dem Verlassen der Schweiz auch wieder leistbar. Top für alle, die ein wenig Kondition mitbringen.

Brenner-Radweg auf italienischer Seite
Brenner-Radweg (Italien)

Über den Brenner nach Innsbruck ist zwiespältig. Der Radweg auf der italienischen Seite ist überwiegend gut ausgebaut, nimmt aber auch die ein oder andere Steigung mehr als nötig. Der Pass selbst ist mit seinen Billigmärkten und dem vielen Beton ein Ort, den man schnell hinter sich lassen möchte. Der erste Teil der Abfahrt findet dann auf der Straße statt. Durch die Durchfahrtverbote und die Verdrängung des Verkehrs auf die Autobahn geht es verkehrsmäßig relativ gut. Und bald gibt es eine Radroute, mit der man aber auch hadern könnte. Es ist kein Radweg wie in Italien, sondern eine mehr oder weniger ausgeschilderte Route auf regulären kleinen Straßen.

Straße in Bayern
Straße in Bayern

Von Innsbruck nach Deutschland geht es erst auf dem meist gut nutzbaren Innradweg entlang. Die Radroute über Achensee ab Wiesing ist kaum empfehlenswert, die Bundesstraße wäre eventuell einen Versuch wert. Die L7 hat derzeit Baustelle. Am Achensee entlang hat man einen schönen Radweg, in Deutschland hört eine durchgängige Radinfrastruktur und Beschilderung de facto auf. Es empfiehlt sich auch dort, wo ein begleitender Radweg ist, die Bundesstraße oder später die kleinen Landstraßen auf der anderen Seite der Isar zu nutzen – der Radweg ist nicht durchgehend asphaltiert und mit seinen Kurven nur für geduldige Sonntagsradler geeignet.

Der letzte Anstieg

Morgens machte ich nach dem Frühstück erstmal einen Abstecher zum Supermarkt, um Geschmack für meine Getränke zu kaufen. Das Wetter zeigte sich kalt und feucht, aber zumindest ohne Regen.

Maisfelder und dunkle Wolken am Inn
Maisfelder und dunkle Wolken am Inn

Meine spontan zusammengeroutete Strecke, um an Innsbruck letztlich vorbeizufahren, kürzte über eine nicht befestigte Strecke ab, allerdings nur vielleicht 200 Meter, vermutlich war das gar nicht so schlecht. Am Ende kam ich erfolgreich am Inn auf dem Radweg raus. Die Wolken hingen tief, verfingen sich in den Berghängen.

Am Inn entlang führte die Strecke durch Industriegebiete, Felder und neben der Autobahn entlang, war aber gut fahrbar. Einige Kilometer vor Jenbach traf ich auf einige Rennradler, die gerade mit einer Reifenpanne beschäftigt waren. Vor mir hatte ein anderer Radreisender bereits gestoppt und mit einer Standpumpe(!) ausgeholfen. Ich fragte, ob ich noch helfen konnte und wir kamen ins Gespräch. Die Rennradler wollten in die entgegengesetzte Richtung, der andere Radreisende war Massimo aus Italien und er folgte der gleichen Route wie ich.

Schiebestrecke, 12% auf Schotter
Schiebestrecke, 12% auf Schotter

Da ich keinen großen Zeitdruck verspürte, beschloss ich einige Kilometer gemeinsam mit Massimo zu fahren. In Jenbach stellte sich heraus, dass ich meine geplante Strecke nicht nehmen konnte, wegen Bauarbeiten. Die Umgehung via Wiesing erwies sich als nicht minder problematisch, da sie über weite Strecken bei erheblicher Steigung nicht asphaltiert war. Wir schoben die Räder.

Nach einer kurzen Einkehr auf dem Pass fuhren wir dann getrennt weiter, ich wollte nach Bad Tölz, mein Begleiter etwas preiswerter und näher eine Unterkunft oder Campingplatz suchen. Am Achensee war es naturbedingt flach, dann ging es in die sanfte Abfahrt.

Tunnel an der Talsperre
Tunnel an der Talsperre

Ich schaute mir die Sylvensteinsperre an, nach einem kurzen Stück Radweg war dann aber bis Lenggries Bundesstraße angesagt. Der begleitende Radweg, wenn überhaupt vorhanden verwand sich in unnötigen Steigungen und war nicht durchgehend asphaltiert.

Ab Lenggries bis Bad Tölz fuhr ich auf der anderen Isar-Seite entlang auf einer ruhigen Straße. In Bad Tölz genossbich erst die Badewanne im Hotel und ging dann in die Innenstadt. Übrigens in Regenhose, da mir bei 10°C die kurze Hose doch zu kühl war.

Und plötzlich Herbst

Die Wettervorhersage hatte bereits über die letzten Tage angekündigt, dass es heute regnerisch würde – diesseits wie jenseits des Brenner. Der Morgen startete allerdings ersteinmal mit blauem Himmel.

Brennerradweg, italienische Seite
Brennerradweg, italienische Seite

Um neun Uhr machte ich mich auf den Weg. Der Radweg lag direkt vor dem Hotel, ich konnte quasi direkt auf die Route einbiegen. Der Radweg war wie gehabt gut ausgebaut und ich folgte ihm, während das Navi noch rechnete, einfach der Ausschilderung entsprechend. Einige kurze Abschnitte waren nicht asphaltiert, aber fahrbar. An einer Stelle jedoch folgte ich der Ausschilderung und nicht dem Track und hatte eine etwas längere nicht asphaltierte Strecke vor mir. Ob die Alternative auf der Straße aber besser gewesen wäre, darf ob des Verkehrs bezweifelt werden.

Wie oft in den Alpen zeigt sich hier, dass Hauptverkehrsadern, im Eisacktal sind das eine Bahnlinie, eine Autobahn und die allgemeine Straße, sich im Tal bündeln und Radrouten, um dem heftigen Verkehr zu entgehen, dann auf kleinen Wegen weiter oben am Hang geführt werden. Unten sieht man die gleichmäßig ansteigende Straße und selbst fährt man mit wilden Steigungen, um anschließend in starkem Gefälle wieder 10 oder 20 Meter zu verlieren. Das geht auf die Kondition und irgendwann auch auf die Motivation. Der Brennerradweg ist sicherlich wirklich schwer dadurch, aber auch er kennt das Phänomen.

Regenwolken im Anmarsch
Regenwolken im Anmarsch

Der letzte Teil zum Brenner hinauf führt dann über die alte Bahntrasse, hier lässt es sich perfekt radeln. Der Brennerpass selbst ist dann eher eine Hölle aus Verkehr, schlechter Gastronomie, Einkaufszentrum und Billigflohmarkt. Zudem wechselt man hier vom komfortablen Südtiroler Radweg auf die befahrene Straße auf der österreichischen Seite. Eine Radrouten, die auch nu seltenst auf dedizierten Wegen führt, beginnt erst später. Bei der Abfahrt ist dies weniger problematisch, weil man selbst mit dem Rad ja ziemlich schnell wird. Rauf möchte ich auf der österreichischen Seite mit dem Rad nicht fahren.

Da mir der Pass selbst zu hässlich war, kehre ich einen Ort weiter unten ein. Hatte ich auf der italienischen Seite noch 20°C und Sonne, zeigt das Thermometer jetzt 12°C an, es weht ein kräftiger Wind von vorn (nicht nur Fahrtwind) und es ziehen Wolken auf.

Ich ziehe mir wärmere Sachen an, esse und trinke warm. Und als ich losfahren will schüttet es. Ich warte bei einem Stück Kuchen ab, bis der Regen nachlässt. Kurz nachdem ich – in Regenklamotten – losgefahren bin, wird es heller und der Regen hört auf. Ich ziehe die Regensachen wieder aus, denn sie werden mir zu warm.

Hölle auf dem Brennerpass
Hölle auf dem Brennerpass

Eine Weile kann ich so fahren, dann fängt es wieder an zu regnen. Es ist nicht mehr weit bis zum Hotel und es gibt keine gute Möglichkeit zum Umziehen. Ich beschließe, dass ich meine Dinge im Hotel trocknen kann. Leider kommt noch eine Baustelle mit längerer Wechselampelphase, so dass ich doch ganz schön nass werde.

Im Hotel gibt es ein Spa mit Sauna, genau das Richtige bei diesem Wetter, ich nutze die Gelegenheit, bevor ich zu Abend esse und müde ins Bett falle.

Drei Länder, keine Grenzen

Am Wochenende gab es im Hotel erst ab 07:30 Uhr Frühstück. Da ich früher wach war, hatte ich noch Gelegenheit, kurz eine Route zurück zu meinem Track auszuarbeiten und auf’s Navi zu übertragen, dann ging es Frühstück einwerfen.

Radstrecke am Rhein
Radstrecke am Rhein

Eine kurze Fahrt auf einer belebten Straße mit Randstreifen, dann konnte ich schon abbiegen auf kleinere Wirtschaftswege und nach kurzem auf den Radweg am hier kanalisieren Rhein. Die Strecke ist dann zwar wenig spektakulär in Bezug auf touristische Merkmale, aber man kann gut und sicher durchfahren, selbst die Querungen grosser Straßen läuft problemlos, in der Regel sind diese untertunnelt.

Nahezu unbemerkt, nur ein paar Fahnen am Weg deuteten es an, verließ ich Österreich und fuhr durch Liechtenstein, auch wenn von Vaduz nicht sonderlich viel zu sehen war. Da Liechtenstein sehr klein ist, fand ich mich auch bald in der Schweiz wieder, so recht habe ich den Grenzübertritt allerdings nicht gemerkt.

Noch diverse Kilometer am Rhein mit ziemlich genau 1m Steigung auf 1km und dann bog der Weg ab. Und selbst im Tal kann es hier dann zu den Seiten ganz schön hoch gehen.

Stausee bei Splügen
Stausee bei Splügen

Bis Chur verlief der Weg dann teils auf Straßen, teils auf nicht immer asphaltierten Radwegen. Kurz vor Chur traf ich auf eine Dreiergruppe mit Rennrädern, von denen ich mich eigentlich nur um eine Baustelle Herumlotsen lassen wollte – doch die Pläne änderten sich, denn essen und trinken schien allen eine gute Idee.

Nach dem Mittag fuhr ich wieder allein weiter, zunächst am Rhein und relativ flach, aber schon bald ging es mit teils heftigen Steigungen in etwas höhere Lagen, vom Haupttal bog ich durch enge Schluchten in die Nebentäler ein. Damit begann der Aufstieg zum San Bernardino. Und der hatte es in sich. Ich wollte aber schon so nah wie möglich an den Pass heranfahren, um am folgenden Tag, der laut Wetterdienst nachmittags Regen bringen könnte, möglichst früh in die Abfahrt gehen zu können.

Die Strecke bot mit den Schluchten und Bergblicken tolle Momente, der motorisierte Verkehr störte allerdings immer wieder stark.

Einmal Allgäu, bitte

Jochen und Ramona bereiteten mir ein wunderbares Frühstück und es war schwer, sich irgendwann loszureissen. Doch irgendwann musste es ja losgehen, ich hatte ja noch etwas vor.

Blick auf Donau und Ulm
Blick auf Donau und Ulm

Jochen begleitete mich auf dem Rad noch runter bis zur Donau, ab dort konnte ich wieder meinem Track folgen. Ein kurzes Stück fuhr ich also entlang der hier (ohne Hochwasser) eher schmächtigen als mächtigen Donau, bei Donaustetten bog ich nach Süden ab. Zunächst war es noch relativ flach und ließ sich locker fahren, aber je weiter ins Allgäu ich vordrang, desto höher würden die Hügel, bis auf über 700 Meter ging es hinauf.

Aber da es zwischendurch immer wieder Gefälle gab, sammelte ich Höhenmeter am laufenden Band, bewegte mich aber letztlich nur zwischen 600 und 700 Meter über NN. Das allerdings schlaucht ziemlich. Der Himmel war blau und die Sonne schien, auf angenehme 25°C bis 27°C stiegen die Temperaturen, beim erklimmen der teils mit mehr als 10% recht ordentlichen Steigungen ist das aber ziemlich warm.

Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick
Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick

Auffällig ist die hohe Zahl von E-Bike Touristen, meist älteren Semesters. Vermutlich stünde dieser Gruppe ohne die elektrische Unterstützung die Erkundung des Allgäu per Rad nicht offen. Allerdings waren bis auf ein paar Rennradler auch viele jüngere elektrisch unterstützt unterwegs.

Als erstaunlich problematisch erwies sich die Essensversorung. Quasi jede Dorfgaststätte hatte entweder Betriebsferien oder öffnete erst ab 17 Uhr. Bestenfalls in Wangen hätte ich wohl eine Chance gehabt, da führte mich meine Route dann aber am Zentrum vorbei und ich hatte für mich beschlossen, dass es bei der zu erwartenden Abfahrt zum Bodensee und den wenigen Restkilometern kaum Sinn machte, dort abzubiegen. Also fuhr ich weiter.

Ich hatte erwartet, irgendwann aus der Höhe noch einen Blick über den See erhaschen zu können, doch dem war nicht so. Nach der Abfahrt kam ich in Lindau erst zu einer Baustelle, dann irgendwann nach Österreich und hatte dort die erste Chance auf einen Seeblick.

Als ich ein kleines Stück weiter in Bregenz endlich einkehrte, sah ich auf Twitter die Message eines velomobilen Followers, der in Bregenz wohnt und ein Treffen anbot, so nahm ich einheimischen Rat zur Wahl einer passenden Lokation an und wir fachsimpelten ein wenig über das Reisen mit Liegerad oder Velomobil.

Selfie am See
Selfie am See

Darüber verging die Zeit und anstatt noch wild Kilometer zu machen, suchten wir gemeinsam eine Unterkunft in der Nähe, genauer in Dornbirn. Christian zeigte mir mit seinem df vorausfahrend den Weg und ich hechelte hinterher. Aber ganz klar geht nichts über Ortskenntnis, so kam ich fix beim Hotel an und hatte zwischendurch noch einen Supermarkt aufsuchen können.

Im Hotel war dann nur noch Waschtag für mich und die Klamotten angesagt. Und natürlich den Bericht für’s Blog zu schreiben.