Unsere Fähre erreichte Frederikshavn pünktlich um vier Uhr morgens, wir hatten mehr schlecht als recht geschlafen. Und uns standen jetzt mehr als 40 Kilometer auf dem Rad bevor, ehe wir in unsere Schlafsäcke kriechen konnten. Im Vorfeld hatte ich mich etwas vertan, was die Entfernung von Frederikshavn nach Skagen anging und war dann auf der Reise nicht mehr dazu gekommen, die Strecke in Dänemark genauer zu planen: Das hatte ich abends noch schnell auf der Fähre getan.
Ein kurzer Klo-Stop an der nächsten Tankstelle, dann ging es los in Richtung, durch die Dunkelheit. Die engen Kurven des Radwegs wurden vom am Ausleger des Liegerads angebrachten Scheinwerfer nur mäßig gut ausgeleuchtet, aber es war genug zu sehen, bis auf einmal, wo Manuel bei der Überquerung eines Bahnübergangs statt auf der Fortführung des Radwegs im Gleisbett landete.
Zwischendurch erwischte uns (natürlich) auch wieder etwas Regen, aber bald schon erhellte das erste Morgenlicht die Dünenlandschaft, durch die wir mittlerweile fuhren.
Gegen 06:30 Uhr waren wir in Skagen, wo wir Brötchen kauften. Judith kam uns schon entgegengelaufen und führte uns zu der Ecke des Campingplatzes, die sie für uns ausgesucht hatte. Nach der Ankunft gingen wir ersteinmal duschen, dann ein Nickerchen machen, um wenigstens den Rest des Tages noch genießen zu können.
Als wir wieder wach waren kochte ich auf meinem Kocher einen heißen Tee und wir frühstückten gemütlich. Das Wetter war mittlerweile sonnig und lud ein, zur Nordspitze Dänemarks zu wandern, den Punkt an dem Skagerrak und Kattegat, Nord- und Ostsee, so eindrucksvoll aufeinandertreffen.
Am Strand entlang führt die Wanderung an großen Bunkerresten vorbei, Hinterlassenschaften der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg. Wir passierten den Leuchtturm, von dort aus kann man die landspitze schon sehen, das aufgewühlte Wasser aber nur erahnen, der man nun immer näher kommt. Viele der Touristen haben in Skagen noch schnell Gummistiefel gekauft und merken schnell, daß die für viele Wege noch zu niedrig sind. Wir versuchen es dann gleich barfuß, die bessere Entscheidung, denn es gibt kaum so schöne Dinge, wie den Sand an den Füßen zu spüren, wenn man über den Strand läuft.
An der äußersten Spitze ist dann gut zu sehen, wie von der einen Seite die Wellen der Nordsee, von der anderen die der Ostsee in entgegengesezter Richtung aufeinander zulaufen und sich dann kabbelnd treffen. Die Flut kommt gerade und so steigt das Wasser langsam, aber doch merklich höher, während wir auf der Landzunge für die Fotos posieren.
Zurück laufen wir durch die Dünen und können uns am Parkplatz nicht zurückhalten, uns mit einem schönen dänischen Hot Dog zu versorgen. Lakritz- bzw. Softeis verschieben wir auf später und aufen erstmal zum Campingplatz zurück.
Abends machen wir noch einen Abstecher in den Ort, wo es dann auch das Eis gibt, entscheiden uns dann aber das Abendessen selbst in der Campingplatzküche zuzubereiten. Da wir recht müde sind, verschwinden wir nicht allzu spät in den Zelten.
Da wir eine lange Etappe vor uns hatten, packten wir und sattelten früh die Räder. Vor dem Aufbrauch gab es ein leckeres Frühstück, alles Bio und alles frisch und wie immer auch sehr reichhaltig.
Draußen erwartete uns ein wolkenverhangener, grauer Tag. Es regnete nicht, aber es war auch nicht wirklich trocken. Nach wenigen hundert Metern durch Värnamo fuhren wir wieder auf die vielbefahrene 27 auf. Am Morgen hatte ich am Frühstückstisch nocheinmal sichergestellt, daß uns unser Track nicht ab Borås über die Autobahn führt, sondern ab Tranemo der 156 folgt. So eine stark befahrene Straße, die nur streckenweise einen genügend breiten Seitenstreifen aufweist ist zwar kein großes Vergnügen auf dem Fahrrad, hat aber den Vorteil, daß man recht gut vorankommt.
Bis zu dem Punkt, wo der Regen einsetzte. Wegen des nur unzureichend aussgekräftigen Radarbilds von Schweden, daß ich via Handy abgerufen hatte, gingen wir zuerst davon aus, daß nur ein kleiner Schauer über uns hinweg zieht und pausierten unter dem Tarp. Aber der Regen blieb. Und so fuhren wir dann im Regen weiter. Bis Tranemo.
Dort verpflegten wir uns zunächst in einem Supermarkt, aber der Regen ließ nicht nach, wurde im Gegenteil immer wieder stärker – und uns wurde kalt. Die Temperatur war stark zurückgegangen und wir hatten noch mehr als 100km vor uns. Der Zeitdruck wuchs, wollten wir noch eine der beiden möglichen Fähren bekommen – und wir standen vor einem Dilemma: warme Kleidung, die wir jetzt anziehen würden, würde unweigerlich naß werden und uns dann nach der Ankunft zum Wärmen fehlen. In der Kälte und naß weiterfahren war aber auch keine gute Option, zumal Manuel als Brillenträger auch nicht in der Lage war, der vor uns liegenden Strecke angemessene Geschwindigkeiten zu fahren.
Wir sammelten alle Infos zusammen, um mit der Bahn weiterzukommen. Wenige Kilometer entfernt, in Limared, gab es einen Bahnhof und uns blieb genug Zeit, die Bahn dort zu kriegen, also fuhren wir durch den strömenden Regen dort hin. Am Bahnhof kein Ticketautomat, kaum Informationen, außer der Bestätigung der ermittelten Abfahrtszeit. Wir wärmten uns in der nahen Tankstelle mit einer heißen Schokolade auf, während wir auf den Zug warteten.
Der Zug kam und es gab kein Fahrrad- oder Gepäckabteil. WIr wuchteten die Räder erstmal in einen Eingang. Nach der Abfahrt ging ich durch den Zug zum Zugbegleiter, der mir folgte und beim Anblick der Räder erklärte, daß die schwedische Bahn keine Räder befördert, wir müßten an der nächsten Haltestelle, Borås, aussteigen. Er war nett, hätten wir vielleicht nur zwei Stationen fahren wollen und nicht den ganzen Weg bis Göteborg, ich bin sicher, er hätte ein Auge zugedrückt, so aber ging das nicht – wir versperrten den Weg.
In Borås am Bahnhof versuchten wir den Zugbegleiter in einer Art Ferkeltaxi zu überreden, dort war immerhin mehr Platz, dieser konterte allerdings, wir müßten noch etwas warten mit der Fahrradbeförderung, das ginge ab nächstem Jahr. So waren wir also in Borås gestrandet, von wo nur die Autobahn sinnvoll nach Göteborg führte und die Zeit bis zurAbfahrt der Fähre wurde immer enger. Man verwies uns an den nahen Busbahnhof.
Schwedische Busse transportieren aber auch keine Fahrräder. Damit war auch Plan C gescheitert. Wir wurden an die Busfracht-Firma verwiesen. Kein Fahrrad-Transport. Plan D: gescheitert. Letzter Ausweg Plan X, wir mieten ein Auto. Der freundliche Mitarbeiter des Busfrachtterminals konnte uns die nächste Europcar-Filiale nennen, dort radelten wir dann (im strömenden Regen, natürlich) hin.
Triefend naß, die Räder eingesaut vom Dreck der Straße standen wir dann dort und der Herr von Europcar erklärte mir, er habe einen Golf zur Verfügung. Ungläubig fragte ich nach einem Van, einem Transporter. Nichts dergleichen. Er schaute auf die Räder, auf seinen Golf und begriff, daß das nicht funktionieren würde. Nach etwas Suchen fand sich dann noch ein Golf Kombi. Wir druften ausprobieren, ob wir alles in das fast neue Auto bekommen – was dann auch letztendlich klappte, nachdem wir on Manuels Rad den Lenker abschraubten. Und so ging es dann los, die teuersten 100km unserer Tour.
Die Zeit war knapp und so sorgte ein Stau bei der Einfahrt nach Göteborg dafür, daß wir keine Hoffnung mehr hatten, die Fähre um 18:30 Uhr zu bekommen. Wir beeilten uns dennoch bei der Abgabe des Autos, beim Aufsatteln der Räder und kamen um 18:33 Uhr am Fährterminal an. Die Fähre legte gerade ab – und der Fahrkartenschalter war geschlossen. Keine Information, alles ausgestorben – nichts. Bis ich einen Wachmann fand und ihn nach der Nachtfähre um kurz vor Mitternacht fragte. Er teilte mir mit, daß diese nur LKWs und Autos transportiere und daher das Passagierterminal dann zu sei, bei Fahrrädern sei er sich nicht sicher – wir woltlen es mal am Frachtterminal versuchen, bei den LKWs, da sei immer jemand.
Am Frachtterminal die rettende Auskunft, daß wir mit den Rädern auf die Fähre dürften, das Terminal öffnet um 22 Uhr, dann sei ein Kauf der Tickets per Kreditkarte möglich. Unser Anblick war wohl so mitleiderregend, daß uns sogar angeboten wurde, daß wir in der Trucker-Longe trocken und warm warten könnten bis dahin – wir nahmen aber die Gelegenheit wahr und drehten eine Runde durch Göteborg, bevor wir in einem Pub einkehrten und erstmal ordentlich Kalorien nachlegten. Draußen stürmte es.
Püktlich um 22 Uhr waren wir am terminal und konnten Tickets kaufen und gesellten uns zu diversen LKWs, zwei Wohnmobilen und wenigen PKWs im Wartebereich, bis die Fähre ankam. Diese spuckte diverse riesige Schwertransporte (mit separat gelenkter Hinterachse, über 40 Meter lang , 80 Tonnen schwer) aus, ein faszinierender Anblick. Nach dem Entladen durften wir als allererstes auffahren – mit guter Geschwindigkeit in den leeren Bauch der Fähre preschen, sich ein Eckchen suchen und dann ab in irgendeinen ruhigen Bereich der Fähre, wo wir auf der vierstündigen Überfahrt vielleicht ein wenig Schlaf finden.
Wir verfolgen amFenster noch ein wenig die Ausfahrt aus Göteborg und dösen langsam weg. Als die Fähre den schützen Schärengarten von Göteborg verläßt wache ich nocheinmal kurz auf, weil das riesige Schiffe unter heftigen Vibrationen in die Wellen des aufgewühlten Kattegatt eintaucht. Unglaublich, mit wieviel Wucht sich eine solche Menge an Stahl plötzlich bewegen kann.
Camping am See und die dunstig graue Wetterlage bescherten uns am Morgen nasse Zelte und daß viele Dinge (wenn sie nicht in den dichten taschen steckten) klamm waren. Wir konnten uns von einem der anderen Camper Schlüssel für die Sanitären Anlagen leihen, so daß eine Wäsche mit warmem Wasser möglich sowie die Benutzung einer ordentlichen Toilette.
Vom Campingplatz fuhren wir nur ein kurzes Stück, bevor wir auf eine teilweise Autobahnähnlich ausgebaute Straße 27 fuhren. Zwar kam man hier schnell voran, aber der rechte Fahrspaß stellt sich nicht ein, wenn ständig Autos und LKWs in knapper Entfernung überholen. Da wir allerdings einige Kilometer auf den kommenden zwei Etappen vor uns hatten, war dies eine der wenigen überhaupt nutzbaren Alternativen.
Zunächst geht es gemäßigt bergauf, auf der Straße erwarten uns auch einige ausgedehnte Baustellen, in deren Enge das Fahren nicht immer Spaß macht. Später kommen wir auf dem Randstreifen gut voran und haben auch kleine Passagen, an denen es bergab geht. Das Wetter allerdings wird dunkler. Einen ersten kleinen Schauer kriegen wir kurz vor Rydaholm ab, wo wir die Gelegenheit nutzen und an einer Tanke etwas essen. Aufgeheitert und verlängert wird unser Besuch dort durch einen Schweden, der zwar kaum englisch oder deutsch sprach, aber seine Begeisterung über unsere Räder vielfältig zum Ausdruck brachte. Neben beschwerlicher verbaler Kommunikation, teils mit Übersetzer, wurden wir auch fotografiert und über unsere seltsamen Gefährte wurde ausführlich telefonisch berichtet.
Als wir schließlich weiterkamen hatte der Regen auch ertsmal aufgehört, doch kaum 10km später setzte er wieder ein – und wurde langsam stärker. Da Manuel als Brillenträger nur noch schlecht sehen konnte und die LKWs dicht neben uns massenweise Wasser aufwirbelten, beschlossen wir, unter meinem Tarp in einem kleinen Seitenweg Schutz zu suchen. Tarpwing Duck wurde eingeweiht. Und jedesmal, wenn wir dachten: Jetzt wird’s weniger, dann prasselte kurz darauf die nächste Husche auf uns hernieder.
Irgendwann jedoch beschlossen wir, trotz des anhaltenden Regens uns wieder auf die Straße zu wagen. Und nach nur 4-5km gerieten wir in einem Platzregen, der selbst mit als Nicht-Brillenträger die Sicht so stark einschränkte, daß wir nicht weietrfahren konnten. Bei der nächstbesten Gelegenheit bogen wir auf einen Bauernhof ab und suchten unter dem Vordach eines Stalls Unterschlupf. Nach einigem Warten beschlossen wir, der Regen sei schwach genug um weiterzufahren. Nach gut einem Kilometer wieder Wolkenbruchartiger Regen. Wir machen unter dem Vordach eines Bootsladens halt.
Da der Regen kaum Anstalten macht, sich abzuschwächen, beschließen wir dennoch weiterzufahren, trotz der unangenehmen LKWs und ungeachtet der Tatsache, daß das Wasser langsam beginnt, sich auch innerhalb der Regenkleidung breit zu machen. Der nächste Ort ist Värnamo und wir haben noch ca. 12km vor uns.
An der Ortseinfahrt nach Värnamo wieder ein Platzregen, der selbst langsames Weiterfahren nahezu unmöglich macht, wir warten kurz ab, dann geht es weiter zur Touristen-Information. EIn Vandrahem muß her, sonst haben wir keine Chance, die Sachen über Nacht trocken zu kriegen. Da dieses ausgebucht ist, beschließen wir, uns Bed & Breakfast zu gönnen, nachdem der Besitzer dort auch trockene Plätze für die Räder zsuagen konnte – und soviel teurer ist das auch nicht. Kurz nach der Entscheidung, wir kennen das ja bereits, hört der Regen auf.
Dennoch bereuen wir die Wahl keine Minute: Unsere Räder stehen in einer großzügigen Garage, wo wir sogar die Zelte auslegen können zum Trocknen. Wir finden ein idyllisches Zimmerchen vor, frische Äpfel und gegen einen geringen Mehrpreis dürfen wir sogar die Sauna benutzen – genau das, was wir nach so einem Tag brauchen.
Wir waschen und trocknen unsere Sachen, dann laufen wir in die Stadt, wo wir zuerst in einem Supermarkt Vorräte auffrischen, dann in einem Asia-Restaurant essen gehen. Auf die harte Tour lerne ich am Buffet, daß das Wort, was ich für die schwedische Version von „Ingwer“ hielt „Knoblauch“ heißt. Prophylaktisch entschuldige ich mich bei Manuel für die zu erwartenden olfaktorischen Konsequenzen.
Wir fragen uns, ob die im Textilladen ausgestellten bunten Stoffe an einer querlaufenden Stange denn wohl schwedische Gardinen seien.
Vor dem Einschlafen stellen wir den Wecker auf 06:30 Uhr früh. Wir haben eine egwaltige Strecke vor uns, nachdem wir heute nur 65km geschafft haben.
In der Nacht hatte es geregnet und so waren die Zelte morgens naß. Herrschte anfänglich auch noch etwas Dunst, sonst kamen aber schon bald wieder die ersten Sonnenstrahlen durch. Es half jedoch nichts, wir mußten die Zelte im nassen Zustand zusammenpacken. Vor der Abfahrt frühstückten wir noch aus unseren Vorräten gemütlich auf dem Steg des freundlichen Schweden, bei dem wir am Vortag nach dem Platz gefragt hatten, dann machten wir uns auf.
Wir hatten mittlerweile beschlossen, schon an diesem Tag den Abzweig ins Inland in Richtung Växjö zu fahren, zunächst führte uns unsere Route aber noch nach Ronneby. Dort fragte Manuel zuallererst nach einer Post, um überflüssiges Gewicht loszuwerden und nach Hause zu schicken. Eine freundliche Schwedin half beim Finden der Post, beim Kauf der Kartons und bot auch noch an, daß wir bei ihr (sie arbeitete bei einer Sozialstation des Roten Kreuzes) Packband und andere Utensilien haben könnten. Wir waren ein weiteres mal überrascht von der unglaublichen Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen in diesem Land.
Das Packen dauerte eien Weile, aber es hat sich gelohnt: runde 8kg unnötigen Gepäcks schickte Manuel per Post nach Hause (kein billiges Unterfangen), einiges aus unseren Lebensmittelvorräten spendeten wir den Mitarbeitern der Sozialstation. Anschließend versorgten wir uns mit ein paar leckeren schwedischen Stückchen Gebäck und dann ging es los in Richtung Inland.
Nicht weit hitner Ronneby fing der langsame Anstieg an, in Wellen ging es auf gute 180 Meter hinauf – und die Gewichtsreduzierung zeigte bei Manuel Wirkung, er konnte sofort besser dranbleiben, wenn ich die Berge hinaufpedalierte. Wir folgten zuerst der Straße 27 landeinwärts, stark befahren aber an dieser Stelle ohne wirkliche Alternativen. Erst bei Hallabro entschieden wir uns, auf eine kleinere Straße auszuweichen, auch wenn sich der Weg etwas verlängerte und wir wieder Schotterpisten fahren mußten – aber die schwedische Landschaft genießt man eben doch lieber abseits des Autoverkehrs.
Bei Tingsryd fahren wir wieder auf die 27, die Alternativen bringen uns sonst weit vom Kurs ab. Wir merken auch bald, daß ein Würstchen und ein paar Teilchen an einer Tanke zwischendurch keine adäquate Ernährung darstellten und müssen ob der anhaltenden Hügellandschaft das erste mal auf dieser Tour mit einem Superzündi (Power-Gel für die nicht Eingeweihten) nachhelfen.
Als wir uns Växjö nähern beginnt der Regen. Naß beschließen wir wegen der ohnehin feuchten Zelte, im Tourist-Info nach einem Vandrarhem zu fragen, ohne Erfolg allerdings, die sind alle ausgebucht. Die Campingplätze in der Nähe sind unbesetzt. Wir beschließen zunächst einmal in der Stadt etwas zu essen, was sich als gute Entscheidung erweist, denn es hört auf zu regnen. Ich checke auf dem Notebook die Umgebung und wir wollen unser Glück mit wildem Camping in einem nahegelegenen Waldstück versuchen.
In dem Waldstück gibt es allerdings kaum geeignete Fleckchen um zwei Zelte aufzubauen – und an den halbwegs geegnete Stellen kommen ständig Autos mit Jugendlichen vorbei, was keinen ruhigen Schlaf verspricht. Wir drehen ab und nehmen Kurs auf einen Campingplatz außerhalb von Växjö, nahe der 27, die uns am nächsten Tag weiterbringen soll.
Der Campingplatz ist relativ leer, aber ein paar Camper sind noch in den Wagen. Wir bauen leise unser Zelt an irgendeiner Stelle auf, denn um diese Zeit ist natürlich keiner mehr an der Rezeption. Im Zelt ist es erfreuklich warm und trocken, so schlafe ich auch diesmal wieder gut in meinem dicken Schlafsack. Und ich bin froh, ein paar Gramm mehr mitzuhaben und mich gegen den wesentlich kleineren und leichteren Sommerschlafsack entschieden zu haben.
Der Wecker klingelte um 07:30 Uhr, dann gingen wir daran, unsere Sachen zu packen und das Zimmer zu säubern – das Frühstück war für 08:30 Uhr bestellt. Nach dem Aufsatteln der Räder bekamen wir ein grandioses Frühstücksbuffet mit frischen Äpfeln, Fisch, Wurst, Käse, Müsli – einfach allem, was man sich zum Frühstück eben so wünscht. Leider hält so ein grandioses Buffet natürlich länger auf, als man da vorher so plant und so kamen wir erst gegen zehn Uhr los. Verzeihlich, denn mit diesem Frühstück sparten wir uns mindestens eine Essenspause.
Nach einem Tipp der Herbergsbetreiberin fuhren wir durch ein Militärübungsgebiet, auf dem zu diesem Zeitpunkt gerade keine Übungen stattfanden auf relativ direktem Wege in Richtung Åhus. Der Weg führte uns über Schotterstrecken, mitten auf der Fahrbahn standen manchmal hinter Ecken plötzlich Schafe oder auch Kühe bzw. irgendetwas Kuh-ähnliches – groß, mit langen geschwungegenen Hörnern und zottelig rotem Fell. Die Tiere beäugten uns mißtrauisch, blieben aber glücklicherweise sehr entspannt. Wir durchquerten Wiesen und Wälder auf nicht asphaltierten Strecken, aber die Landschaft war so schön, daß uns das nicht störte.
In Åhus versorgten wir uns an einer Tankstelle, danach fuhren wirn auf Straßen weiter. Die Sonne brannte und der Weg wurde zunehmend hügeliger. Keine großen Steigungen, es ging immer nur 20, vielleicht 30 Meter aufwärts und wieder runter. Aber als Flachlandfahrer nimmt man das dann doch ganz schön wahr. Und man merkt auch, ob man zuviel Gepäck hat.
Wir holten uns noch einmal Wassernachschub bei einer Pinkelpause in einem Yachtclub kurz vor Sölvesborg, bevor wir weiter nach Karlshamn fuhren. Ich fühlte mich von der Sonne etwas angegriffen und um keinen Sonnenstich zu riskieren machten wir in Karlshamn eine längere Mittagspause bei einem leckeren Kebab-Teller. Der Schatten, das Essen, viel Flüssigkeit und eine Kopfschmerztablette holten mich dann ins Leben zurück und so konnten wir unsere Tour weiter fortsetzen. Eine kleine Runde durch die Stadt, ein Blick rüber zum Kastellet und schon ging es weiter. Zunächst auf kleinen Straßen an der Küste entlang, dann parallel zur großen E22, bevor wir schließlich wieder in Richtung Küste abbiegen.
Hinter Karlshamn wurde der Weg zu einer einzigen Berg- und Talfahrt. Kurze, aber knackige Steigungen brachten Manuekl zu der Erkenntnis, daß er für den Weg durchs Landesinnere definitiv Gewicht loswerden mußte. Auf einer kleinen Straße treffen wir immer wieder einen alten Schweden, der zwar kein Wort Englisch oder Deutsch versteht, sich aber munter versucht mit uns zu unterhalten und uns dazu zu bewegen, an der Küste noch etwas schwimmen zu gehen. Wir versuchen ihn nach einem Lagerplatz für die nacht zu befragen und deuten seine Antwort, daß wir im folgen sollten, was wir tun. Wir landen in einem winzigen Dorf, wo er uns verläßt. Wir fragen ein paar Schweden, wo wir unsere Zelte aufbauen könnten, diese schicken uns zum Fragen zu einem anderen Haus, da sie selbst hier nur angeln.
Ich klingle bei besagtem haus, sehe, daß die Familie drinnen gerade zu Abend ißt. Trotz der Störung werde ich hereingebeten, mir wird erklärt, daß ja in Schweden das Allemannsrätten (Jedermannsrecht) gilt und ich daher einfach nach Lust und Laune in der Mitte des Ortes am Hafen mein Zelt aufschlagen könne, oder wenn mir das lieber sei, dann auch direkt bei der Familie im Garten. Wir entscheiden uns für den Hafen, um nicht aufdringlich zu sein und bauen unser kleines Lager auf. Der freundliche Schwede kommt vorbei, bietet uns die Nutzung eines Tisches an seinem Steg an und daß wir bei ihm am Haus selbstverständlich auch Wasser holen könnten. Er erzählt noch, daß er mit seinem 2CV durch Deutschland und Tschechien getourt sei und verabschiedet sich dann.
Wir holen den Kocher raus und bereiten uns noch ein warmes Abendbrot im Schein der Taschenlampen, bevor wir in den Zelten verschwinden, hier inmitten eines kleinen vertäumten Ortes in der atemberaubenden schwedischen Landschaft.