Wir waren extra früh unterwegs gewesen, um um 09:00 Uhr das Stundenrennen mitzukriegen. Am Camp fragten wir nach dem Weg zur Rennstrecke und folgten der Beschreibung. Wir fanden eine nicht abgesperrte Strecke in einem Industriegebiet und keinerlei Orga, Teilnehmer und nur wenige Menschen, die wie wir zuschauen wollten. Die Situation änderte sich auch während eines Picknicks nicht, so daß wir beschlossen, zur Ausstellungshalle und zum Testparcours zu wechseln.
Dort angekommen erfuhren wir, daß die Informationen im Internet offenbar veraltet waren und das Stundenrennen erst nachmittags stattfinden sollte. So besichtigten wir die (teilweise noch im Aufbau befindlichen) Stände in der Halle und liefen dann zum Testparcours, wo wir ein paar alte Bekannte (Trikes und Liegeräder) nochmal probefuhren, um sie mit von uns noch nicht probegefahrenen Geräten zu vergleichen. Auch Judith traute sich, auf dem Parcours ihre ersten Liegeradversuche zu machen und war nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten dann auch bald soweit, daß sie selbständig ein paar Runden auf verschiedenen Rädern drehte.
Später gingen Manuel und ich dann wieder zur Strecke des Stundenrennen, wo diesmal wirklich Vorbereitungen im Gange waren. Die Strecke wurde allerdings verkürzt (ein starker Nachteil für Velomobile und verkleidete Liegeräder), weil trotz erteilter Sperrgenehmigung offenbar von irgendeiner Firma doch LKW fahren mußten. Durch den notwendigen Umbau der Zeitmessung verzögerte sich der Start des Rennens dann auch.
Die ersten drehten ihre Runden und wir dachten noch “OK, den ersten macht da keiner von uns, aber den letzten wohl auch nicht”. Allerdings ließ sich die Geschwindigkeit schwer einschätzen und was wir von Teilnehmern später hörten, sollten wir unsere Meinung da vielleicht revidieren. Mit laufender Zeit kamen dann auch schnellere Teilnehmer ins Feld und die langsameren verließen es. Mittlerweile wurden die Geschwindigkeiten extrem hoch. Auf den Geraden des engen Viereckskursen wurden Geschwindigkeiten jenseits der 45 km/h gefahren, um das Bremsen an den Kurven ausgleichen zu können.
Leider sahen wir auch zwei sehr unschöne Crashes, die zum Glück ohne Verletzungen (wenn man mal von einem blutigen Knie absieht) abliefen, aber in beiden Fällen zur Zerstörung der Verkleidung führten. Beide Crashes dürften bei Geschwindigkeiten von mindestens 40 km/h in den Kurven stattgefunden haben.
Nach dem Rennen mischten wir uns noch unter die Leute am Camp und führten interessante Gespräche, es war eine schöne Athmosphäre.
Am Freitag, den 3. Juli, fanden die ersten Rennen statt. Ich entschied mich, mir das Kriterium auf der Bahn (unter freiem Himmel) anzuschauen. Zunächst schaute ich über den Campingplatz, dann auf die Bahn, wo schon die ersten Lieger kreisten, noch langsam, um die Strecke kennenzulernen, später aber schon schneller, bis schließlich das Rennen gestartet wurde.
In der Kurve war es recht spannend, selbst die Velomobile rauschten mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit vorbei. Nach dem Rennen fuhren Manuel und ich auch noch einmal die kurvenreiche Strecke ab, die Geschwindigkeiten der Rennteilnehmer erreichten wir wohl aber nicht ganz.
Die offizielle Eröffnung der Cycle Vision 2009 wurde am 2. Juli abends mit einem Liegerad- und Velomobil-Korso in die Innenstadt und eine kleine Ansprache abgehalten. Manuel und ich fuhren zur angegebenen Zeit zum Cycle Vision Camp, wo wir bereits diverse Velomobile und Liegeräder bewundern konnten. Die 20-minütige Verspätung beim Start des Korsos war dann ein kleiner Vorgeschmack auf die weiteren Erfahrungen mit der Organisation.
Der Korso setzte sich dann angeführt durch das Double-Quest und begleitet von Presse in Richtung Innenstadt in Bewegung. An zu passierenden Ampeln und Kreuzungen wurde die Gruppe (bestimmt 40 Räder) ab und zu getrennt, die Information wanderte dann durch lautes Rufen nach vorne, so daß wir schließlich doch alle gemeinsam am Pieter-Vreede-Plein im Zentrum ankamen. Unter einem Schwalbe-Tor posierten wir mit unseren Gefährten für die örtliche Presse, der stellvertretende Bürgermeister und die Organisatoren hielten kurze Reden, dann fuhren wir nocheinmal um den Platz, bevor sich die Gruppe in Richtung 20-km-Kurs bzw. Camp verteilte und wir nach einem netten Abend in der Tilburger Innenstadt auch nach Hause radelten.
Da mir leider nicht wirklich Zeit blieb, die 700km nach Tilburg auf der Speedmachine zurückzulegen, machte ich mich am 1. Juli mit der Bahn in Richtung Amersfoort auf. So konnte ich das Umsteigen in Deventer sparen und zumindest die letzten 100km standesgemäß zur Cycle Vision 2009 in Tilburg anreisen. Am Abend vorher hatte ich alles wesentliche gepackt und mir Wegpunkte im Garmin gespeichert, so mußte ich zwar noch immer früher als gewohnt aufstehen, um den Zug um 08:39 Uhr am Hauptbahnhof zu erreichen, aber es hielt sich noch in erträglichem Rahmen.
Die Zugfahrt verlief unspektakulär, ich hatte meine Speedmachine im Tandemständer hochkant eingehängt, so daß sie trotz ihrer geringfügigen Überlänge den Gang nicht blockierte. In Amersfoort stieg ich schließlich aus, startete das GPS und fuhr gegen 14:35 Uhr los. Meine Wegpunkte in Zusammenhang mit dem OpenStreetMap Autorouting führten mich nicht immer auf dem kürzesten Weg durch die Lande, allerdings über sehr schöne und schattige Radwege – denn es war sonnig und sehr warm. Schon bei der Ankunft in Amersfoort war meine Getränkevorrat gut einen Liter kleiner als bei der Abfahrt, obwohl ich zwischendurch auch noch extra Wasser zugekauft hatte, jetzt aber nahm er stetig ab. Obwohl ich nicht wirklich sparte, hatte ich aber genug für die knapp mehr als hundert Kilometer, die vor mir lagen.
Kurz hinter Amersfoort, bei Maarn, zweigte ich von der großen Landstraße ab und folgte einem kleinen Waldweg, der sich dennoch ganz gut fahren lies (er war befestigt) – und derwischte den vermutlich einzigen “Berg” der Niederlande. OK, 35 Meter Anstieg ist nichts, was die meisten als Berg bezeichnen würden, aber da die Niederlande sonst ja eher platt sind überraschte das dann schon etwas.
Ich fuhr westlich an Wijk bij Duurstede vorbei und nahm dann die erste Fähre. Danach ging es hinüber nach Zaltbommel, wo mich auf einer Brücke der nächste kleine Anstieg erwartete. Pausen? Wozu denn! Ich wollte eigentlich die vier Stunden nach Tilburg schaffen, schnell war mir aber klar, daß das mit dieser Strecke, drei Fähren und meinen Beinen nicht gehen würde und ich schraubte meine Ansprüche auf fünf Stunden herunter. Auf der Brücke leerte ich (fast) meine “Spezialflasche”, die ich testweise mit einem (relativ harmlosen) Maltodextrin-Zitronensaft-Wasser-Mix mit einer Preise Salz versehen hatte. Mit der Extra-Energie konnte ich wieder gut loslegen und fuhr zur nächsten Fähre (bei Bern) und kurz danach zur Fähre bei Heusden weiter.
Die OSM auf dem Garmin wollte mich partout via ‘s-Hertogenbosch bzw. knapp daran vorbei führen – ich wollte partout in die andere Richtung durch die Drunense Duinen, die in den umgebenden Waldgebieten kühlen Schatten versprach. So fuhr ich entgegen der Anweisungen meines GPS und hoffte, daß die Gerüchte über einen fahrbaren Weg durch die Dünen stimmten. Kurz bevor ich endgültig ins Naturschutzgebiet einfuhr kam mir eine Gruppe Mountainbiker entgegen, die mir sagen konnten, welcher Weg für mich geeignet war, so daß ich mit einem kleinen Schlenker auf einem wunderschönen Weg Loon Op Zand erreichte, von wo es nach Tilburg nicht mehr weit war.
Nach 04:45 Stunden und mit einem Tachoschnitt, der nur knapp unter dem Bruttoschnitt lag kam ich nach 106 km Fahrt (ab Amersfoort) noch pünktlich, um beim Grill anzünden helfen zu können.
Zum Abschluß meines Aufenthalts in den Niederlanden hatte ich mir die Strecke von Tilburg nach Duisburg aufgehoben: Am Pfingsmontag fuhr der IC von Amsterdam nach Berlin eh nicht und ab Duisburg mußte ich nicht umsteigen und auch keinen internationalen Tarif bezahlen.
Da die letzte für mich sinnvolle Zugverbindung ab Duisburg um 17:33 Uhr in Richtung Berlin abfuhr hieß es für mich, daß der Wecker früh klingelte, genauer gesagt mal wieder um sieben, denn um acht wollte ich los. Achteinhalb Stunden für etwa 140km und eine Stunde Puffer. Bei meiner Wegplanung achtete ich auf Bahnhöfe mit sinnvollen Verbindungen, so daß ich mir eine Exit-Strategie bei unerwarteten Verzögerungen zurechtlegte: Eindhoven und Venlo bei einem bzw. zwei Srittel der Strecke boten sich an.
Die Wettervorhersage versprach einen regenfreien, sonnigen Tag mit einem Nord-Ostwind der Stärke 3-4, später auffrischend – also eine ordentliche Portion Gegenwind.
In Tilburg begleitete mich Judith bis an den Wilhelmina-Kanal, von dort aus ging es auf einem wunderschönen Radweg am Kanal entlang über Haghorst, Oirschoot und best, dann nördlich an Eindhoven vorbei bis hinter Son. Meinen (extra im GPS eingespeicherten) Abfahrtspunkt vom Kanal bei Gerwen verpaßte ich jedoch, weil ich zu sehr damit beschäftigt war einen Rennradfahrer durch die Landschaft zu jagen, so daß sich ein kleiner Umweg ergab.
Weiter ging es durch Helmond und Deurne, wo ich mal wieder mit den Tücken des GPS, das mich partout auf eine für Radfahrer nicht zugelassene Straße schicken wollte, und den Tücken der Radroutenbeschilderung in den Niederlanden kämpfte. Am Ortsausgang fragte ich schließlich zwei Rennradler, wie sich herausstellte Amerikaner auf dem Weg nach Köln, die aber eine etwas größere Radwegkarte dabei hatten. Da die beiden eine Geschwindigkeit angaben, die mir nach dem bisherigen Weg zu niedrig erschien, entschied ich mich, den Weg entlang des Bahndamms (über America) ohne Begleitung zu nehmen – allerdings bremste der Wind mich ab hier dann auch stärker ab als auf dem bisherigen Teil der Strecke.
An der Strecke machte ich noch eine kleine Pause und probierte ein paar kleine Sackgassen aus, weil ich mich für die falsche Seite des Bahndamms entschied, endgültig problematisch wurde der Weg dann aber durch Venlo, wo ich einige Zeit brauchte, eine für mich sinnvolle Kennzeichnung der Radwege wiederzufinden. Und in Venlo traf ich dann auch die beiden Rennradler wieder. Gemeinsam kämpften wir uns unseren Weg durch die Stadt, bis wir uns nahe der deutschen Grenze trennten, weil für mich mal wieder Pausenzeit war. Da es hinter dem “Willkommen in Deutschland”-Schild gleich erstmal einen Hügel hinaus ging, entschloß ich mich, einem gekennzeichneten Radweg (nicht in meinem GPS…) zu folgen, der grob in die richtige Richtung führte – und traf an dessen Ausgang zur nächsten B-Straße meine beiden Rennradler wieder. Nach kurzen GPS bzw. Karten-Studium verabschiedeten wir uns neben guten Wünschen für die weitere Reise mit den Worten: “If we meet again today something went really wrong, at least for one of us…”
Mein weiterer Weg wurde wegen des mittlerweile starken Gegenwinds, der mich teilweise auf 22-23 km/h abbremste sehr beschwerlich. Wenn dann noch kleine Steigungen dazukamen, war ich dabei mir guter Trittfrequenz und satten 15 oder 16 km/h gegenanzukurbeln. Mein letzter Exit-Point Venlo lag hinter mir. Aber ich hatte noch immer ein dickes Zeitpolster und entschied mich weiterzufahren. Dennoch litt meine Pausendisziplin, denn aufgrund des langsamen vorankommens hätte ich den Weg zwischen den Pausen etwas verkürzen sollen und so wurden die letzten 15 Kilometer zur Hölle. Aber was nicht umbringt macht ja bekanntlich stärker.
Ich durchfuhr Wachtendonk, Neukirchen-Vluyn und schließlich Moers, wo gerade ein großes Jazzfest war. Und endlich stand auf den Wegweisern auch Duisburg angeschlagen. Kurz vor Duisburg kam dann noch eine große, langgezogene Autbahnbrücke. Die (in meinem Zustand gefühlt nicht enden wollende) Steigung wurde mit einem schönen Blick über den Rhein belohnt. Anschließend ging es hinab zu den Rheinwiesen und durch das Hafengebiet in Richtung Hauptbahnhof. Auf Nachfrage, ob ich noch auf dem richtigen Weg sein, bot mir ein anderer Radfahrer an, ihm einfach ein Stück hinterher zu fahren, bis kurz vor den Hauptbahnhof, was ich dankend annahm.
Nach ca. 07:45 Stunden Bruttofahrzeit, 45 Minuten schneller als geplant und 30 Minuten vor meiner geplanten Ankunftszeit (ich war 15 Minuten zu spät losgefahren) erreichte ich den Hauptbahnhof. Ich gönnte mir eine Pause im Bahnhof bei Kuchen und heißer Schokolade, dann ging ich zum Bahnsteig und bereitete mein Rad vor, indem ich das Gepäck zum schnellen Abnehmen bereit machte, während ich auf den Zug wartete.
Da mein eigentlich reservierter Platz durch eine schlafende Person belegt war, aber der Zug nicht voll setzte ich mich ein kleines Stück weiter. So mußte ich den Müden Kerl auf meinem Platz nicht wecken und hatte gleichzeitig mit einer Frau, die mir schon beim Einstieg Hilfe angeboten hatte eine gute Konversation bis Berlin, was mich ganz sicher vor dem Einschlafen bewahrte.