Mit dem M5 die Krone unsicher gemacht

Der Wetterbericht hatte für heute nichts Gutes verheißen. Der Tag startete neblig und kalt. Ich setzte mich – eher lustlos – auf mein T300 und radelte ins Büro. Feuchte Kälte, grauer Himmel. „Nein, das gibt heute nichts…“, denke ich, als ich das Rad neben meinem Schreibtisch parke.

Beim Mittagessen fällt mein Blick aus dem Fenster. Sonne. Ich freue mich, traue aber dem Frieden noch nicht so ganz. Zudem liegt noch ein Nachmittag voller Arbeit vor mir. Aber auch als ich später aus dem Bürofenster schaue hält der Trend an und das Radarbild sagt zumindest, daß kein Regengebiet im Anzug ist. Die Temperatur durchbricht die magische 15°C-Frühlingsgrenze. Ich beschließe, daß ich diese Chance nutzen muß für eine kleine Feierabendrunde, auch wenn meine Fahrradklamotten zu Hause auf dem Berg ungewaschener Wäsche liegen.

Im Büro stehen drei Räder zur Auswahl. Und in einer spontanen Aktion entscheide ich: Today is the day! In Jeans und Sweatshirt, und mit den schweren Lidl-Klickschuhen schnappe ich mir meinen M5 CrMo Lowracer. Ich schiebe ihn zum S-Bahnhof Savignyplatz, an Fahren im dicksten Innenstadtverkehr oder auch nur auf dem Kopfsteinpflaster auf dem Weg zur S-Bahn wage ich nicht zu denken. Fahrscheine kaufen, auf die S-Bahn nach Grunewald warten. Am Bahnhof werde ich auf das Rad angesprochen. Bei meiner HP Velotechnik Speedmachine lautet die erste Frage meist: „Wieviel kostet das?“ – die erste Frage heute: „Wie schnell fährt man damit?“. Man sieht dem Ding offenbar auch als Nicht-Insider an, wozu es gebaut wurde.

Vom Bahnhof Grunewald schiebe ich den Lowracer vorsichtig zum Auerbachtunnel, der Fußweg ist eng und voller Split. Auf die Straße traue ich mich nicht mit meinen ersten Fahrversuchen in der Wildnis. Hab ja noch nichtmal einen Spiegel, sehe nicht was hinter mir ist.

Am Start der für Autofahrer gesperrten Strecke gleite ich in den Sitz. Ich versuche die Zuschauer zu ignorieren. Zwei kurze Fehlversuche, dann klappt das Anfahren, die Steigung hier ist ja auch sanft. Ich beschleunige, sanft, auf etwas über 20 km/h. Die Mission heute heißt die Kontrolle zu behalten, nicht Geschwindigkeit. Nach wenigen hundert Metern brauche ich nur noch die Hälfte der Straßenbreite, aber der erste Gegenverkehr ist ziemlich spannend. Plötzlich, mangels Spiegel wie aus dem Nichts, rauschen zwei Rennradler an mir vorbei. Kontrolle, nicht Speed bete ich mein Mantra runter und lasse sie ziehen.

Die Zahlen auf dem Tacho werden höher. 25, 28, 30 km/h. Locker geht anders, aber mein Lowracer gibt mir Vertrauen – mit zunehmender Geschwindigkeit kommt die Stabilität. Ich hole die beiden Rennradler wieder ein, bleibe 10-15 Meter hinter ihnen. Nervöse Blicke von vorne, als ich unaufmerksam bin und sich mein Abstand verringert – das laute, typische Geräusch meines Campa-Freilaufs verrät mich. Die beiden fahren an die Seite und bedeuten mir so, vorbeizufahren. Ich trete etwas in die Pedale: 32 km/h, ich ziehe langsam vorbei. Ich entschuldige mich mit den Worten: „Sorry, ich weiß noch nicht, was ich hier tue, ist mein erster Tag!“ – „Na das wird schon, geht ja ganz schön ab!“. 35 km/h. Angespannt rausche ich weiter. An der Havelchaussee mache ich eine Pause. Adrenalin pocht durch meine Adern, 39 km/h Max Speed zeigt mein Tacho. Ich zittere, muß erstmal an den nächstbesten Baum pinkeln.

Auf dem Rückweg bin ich schon sicherer, kurz vor dem Auerbachtunnel stehen 46 km/h auf dem Tacho. Ich ziehe schon ziemlich gezielte Kurven um die Skater und die anderen Radler. Überholt hat mich kein einziger. Wow. Nach einem Blick auf die Uhr entscheide ich, daß ich genug Zeit habe, die Strecke nochmal zu nehmen. Also wieder in Richtung Havelchaussee. Auf halbem Wege kommt mir an anderer Tieflieger mit orangem Heckkoffer entgegen, ich schaffe es sogar zu grüßen. In einem der leichten Gefälle (wir reden hier von 1%, wer den Kronprinzessinnenweg nicht kennt – da sind keine Berge, nichtmal Hügel) trete ich vorsichtig in die Pedale: 50 km/h – mein heutiges Maximum.

Am Wendepunkt wieder absteigen, Rad umdrehen, aufsetzen und losfahren. Eine kurze Unterhaltung mit einem Skater, der mich wohl vorher auf der Strecke schon gesehen hat: „Wahnsinn, wie schnell Du bist!“ – Ja, denke ich, Wahnsinn bei der ersten Fahrt draußen in Jeans und Sweatshirt.

Ein paar Tropfen vom Himmel, aber es fängt nicht an zu regnen. Allerdings fängt es an zu dämmern. Kein Licht, keine Reflektoren – ich sollte bald an der S-Bahn sein. Aber das ist mit diesem Geschoss kein Problem. Als besonderen Kick gebe ich mir noch die letzten paar Meter auf einer „echten“ Straße bis zum Bahnhof, dann geht es mit der S-Bahn nach Hause.

Vom Bundesplatz bis zu mir mag ich trotz Dunkelheit natürlich auch nicht schieben, so fahre ich vorsichtig über den Gehweg, der zum Glück leer ist und auf dem man auch sieht, wenn jemand aus einem Hauseingang kommt, hier gibt es Vorgärten. Ein paar Meter nehme ich mit schlechtem Gewissen noch die Radspur auf der Straße, aber es kommt gerade keiner.

Spaß hat’s gemacht und unter die Haut ging es. Ein Helm- oder Brillenspiegel ist dringend nötig, eine Radbrille mindestens ratsam. Die Ventisit-Matte hat ihren Zweck erfüllt, mein Rücken ist erstaunlich wenig verschwitzt. Wahnsinn, dieses Teil.

War gar nicht schwer…

Nachdem ich den M5 CrMo Lowracer gekauft hatte, habe ich ihn ja zuerstmal etwas überholt. Danach kam der Winter un die Straßenverhältnisse erlaubten es nicht, sich mit dem Gerät rauszuwagen, so wurde die Rennliege mein Trainingsgefährt auf dem Rollentrainer. Jetzt wurde das Wetter besser, aber zunähst war noch so viel Split auf der Straße, daß ich das weder den dünnen Reifen noch mir beim Üben zumuten wollte. Aber langsam juckte es mich, das Biest zu zähmen.

Am Samstag war zwar noch immer kein gutes Wetter (bzw. das gute Wetter war wieder weg), aber ich wagte den Weg ins Büro, nahm den Rollenreifen vom Hinterrad, zog den Straßenreifen auf – und stand vor dem Renngerät und dachte mir: wie blöd, daß ich noch immer nicht üben konnte mit dem Ding zu fahren.

Kurzerhand beschloss ich, daß die Tiefgarage unter dem Büro ein idealer Platz sei: Am Wochenende ist sie leer – keine Autos, viel Platz, kein Split, kein Regen. Und keine Zuschauer, wenn ich mich beim Losfahren doof anstelle.

Ich suchte mir eine breite, lange Stelle aus, stellte meinen Lowracer in die Mitte, setzte mich drauf. Erster Versuch: Das Rad begibt sich in eine enger werdende Kurve, kurz vor dem Umfallen halte ich an und fange es ab. Der Zweite Versuch scheitert ähnlich, aber es waren schon fünf statt drei Meter. Beim dritten Versuch macht es irgendwie klick. Wacklig zwar, aber ich fahre. Ich fahre, soweit die Garage reicht. Also soweit die Garage geradeaus reicht. Dann halte ich an, drehe das Rad um und fahre den Weg wieder zurück. Ein unglaubliches Hochgefühl macht sich breit.

Klar ist: Die Breite der Garage reicht nicht aus, um mit dem Lowracer runden zu drehen, der Lenkeinschlag bevor das Rad unweigerlich an der Kette schleift ist zu gering (oder ich nicht schnell genug für die entsprechende Kurvenlage). Aber ich habe die Chance gezielt mal die eine oder andere Auffahrt zu nehmen oder in weitem Bogen in die Abzweigungen zu fahren. Und ich schaffe es: Das Rad fährt in die Richtung, in die ich will – und nicht umgekehrt. Ich bin ein bischen stolz auf mich, denn es hat nur zwei, drei Versuch gedauert und es ging. Bis ich den Lowracer so sicher wie meine Speedmachine beherrsche wird es wohl noch ein paar Kilometer brauchen, aber die Grundlage sich für diese Kilometer mal auf den Kronprinzessinnenweg zu trauen, die habe ich auf alle Fälle gelegt.

Jetzt warte ich nur noch auf die Gelegenheit. Dann geht’s mit der S-Bahn raus zum Bahnhof Grunewald und dann werde ich die erste Strecke draußen mit dem Lowracer bezwingen. Wie ich mich darauf freue!

Nachtrag: Am Montag habe ich in Erwartung der ersten Trainingsrunde die alte Sitzauflage gegen eine Ventisit-Matte getauscht. Optisch ist das gegenüber der altersbedingt verschlissenen alten Matte natürlich ein deutliches Plus. Ein kurzer Sitztest ergab auch einen leicht gestiegenen Sitzkomfort, leichter ist die Matte auch. Bei meinen Trainingseinheiten auf der Rolle wurde die alte Matte – und mein Rücken – immer ziemlich naß. Auch dabei sollte die Ventisit-Matte Abhilfe schaffen. Ob dem wirklich so ist wird man vermutlich in einem der nächsten Rennliegen-Postings an dieser Stelle lesen können.

Rollentrainer Saison gestartet

Nach einer selbstauferlegten Trainingspause und in den letzten Wochen auch wenig Möglichkeit, draußen mit dem Liegerad unterwegs zu sein, wurde heute der Trainingsraum im Büro wieder hergerichtet. Da ich vorläufig meinen M5 CrMo Lowracer auf der Rolle fahre, mußte ich diese von 26 auf 28 Zoll umbauen. Das Vorderrad brauchte einen neuen Schlauch. Auf dem Boden mußte die Vibrationsdämmung wieder eingerichtet werden und ich mußte das neue Rad auf meinem Tacx Flow kalibrieren.

Manuel mußte seine Rolle wiederum von 28 auf 26 Zoll umbauen, da er in diesem Jahr auf seinem Challenge Ventus trainiert und nicht auf dem Rennrad. Er nutzt, bis ich meine HP Velotechnik Speedmachine zum Wintertraining ins Büro stelle, mein Laufrad mit dem Hometrainerreifen.

Nachdem wir alles hergerichtet hatten ging es mit dem Training los. Ich gönnte mir statt meines üblichen zehnminütigen Warmups satte 15 Minuten und fuhr bis auf zwei kleine Sprints ein eher ruhiges Training. Eine Stunde, 172 Watt Schnitt und 27 virtuelle Kilometer, das ganze noch bei einem zehnminütigen Cooldown. Weit unterhalb der Werte der letzten Trainingseinheiten im letzten Jahr, allerdings mit voller Absicht. Zum einen hat der Lowracer eine für mich ungewohnte Geometrie und ich muß sicherlich noch die Länge des Auslegers korrigieren, zum anderen sollte man nach einer Trainingspause eh nicht beim ersten mal gleich alles geben.

Spaß gemacht hat es und gut hat es auch getan.

Fertig (vorläufig)

Am Samstag bekam der Lowracer ein kompletten Satz neuer Züge und Zughüllen für die Schaltung und die vordere Bremse. Zugegebenermaßen konnte ich es kaum erwarten alles komplett fertig zu bekommen und habe mich aus Zeitgründen entschieden, die Züge einfach beim Radhändler gleich montieren zu lassen. manchmal obsiegt eben doch die Faulheit – abgesehen von einer gewissen Termindichte am Wochenende.

Ein lustige Anekdote am Rande: Auf dem Weg zum Radladen (diesmal nicht der bei mir gegenüber) sprach mich jemand auf das Rad an – selbst ein Liegeradler (wenn auch zu diesem Zeitpunkt auf dem Upright unterwegs), der von meinem Kauf schon im Liegeradforum gelesen hatte. Zufälle gibt es manchmal, die sind wirklich erstaunlich!

Für den vorderen Schaltzug ließ ich mir gleich eine Führung wie für den hinteren montieren. Damit ist der Aufbau am Lenker jetzt sehr sauber und die Zughülle ist weniger knickgefährdet. Es sind jetzt durchweg beschwichtete Züge für leichtes Schalten und Bremsen verbaut.

Für die hintere Bremse bekam ich vom Händler zwei neue Plastikringe mit, so daß ich die Zylinder neu ausrichten konnte und den Radabstand justieren konnte. Damit ist die Überholung nun abgeschlossen. Vor mir liegt nur noch (vermutlich auf der Rolle) die Feineinstellung der Auslegerlänge und der Schaltung.

Und dann warte ich auf das passende Wetter.

M5 Lowracer – ein Puzzle in hundert Teilen

Nachdem ich heute morgen die zentrierten und nachgespannten Räder und den Ausleger mit dem wieder eingesetzten Tretlager vom Fahrradladen gegenüber abholen konnte, Dre frisch lackierte Ausleger glänzthatte ich dann heute abend doch nichts besseres zu tun, als die vielen Einzelteile wieder zu einem großen ganzen zusammenzusetzen.

Eigentlich wäre heute eine nette kleine Statdrunde mit der Rennradgruppe drangewesen, aber ich wollte meine Neuerwerbung endlich wieder in einem brauchbaren Zustand vor mir sehen und auch das Chaos in meinem Wohnzimmer langsam etwas eindämmen – also entschied ich mich, keine 25km auf der Speedmachine zu fahren, sondern den Schraubenzieher zur Hand zu nehmen.

Beim Zusammensetzen achtete ich darauf, an allen passenden Stellen doch etwas nachzufetten. Als erstes kamen die Räder wieder dran, damit ich das Rad wieder aufstellen konnte. Dann der Ausleger, damit ich als nächstes die Kette korrekt spannen konnte. Ich setzte den Lenker zusammen und paßte dessen Länge meinen langen Armen an, Das stolze Rad in neuem Glanzdann kamen die ganzen Kleinteile: Züge verlegen, Bremse festschrauben und einstellen, Schaltung wieder anbringen und justieren.

Ich hatte zuerst überlegt, den alten Tacho zu behalten, aber mich dann doch entschieden, einen neuen mit Temperatur- und Steigungsanzeige zu besorgen. Dieser wure also auch montiert. Als letztes folgte noch der Sitz – und schon war aus dem Puzzle wieder ein schönes Fahrrad geworden.

Ich nahm meine Rennliege dann mit runter auf die Straße, um mit etwas mehr Platz zu testen, ob meine über-den-Daumen-Einstellungen so annähernd hinkamen (kamen sie) und dann war es auch schon Zeit, zur Pizzeria zu laufen, um meine Rennradler noch schnell abzupassen. Fahren habe ich mich ohne Licht im Dunkeln in Schlangenlinien nicht wirklich getraut.