Mehr Daten fürs Training

Bis auf die Zeit des Wintertrainings auf dem Rollentrainer bin ich ja bisher eher nach Gefühl gefahren. Nach meiner Teilnahme an der RTF Rund um Berlin aber wuchs der Wunsch, öfter und vielleicht auch mit wachsendem Erfolg an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Um diesen zu erreichen gibt es natürlich als hauptsächliche Strategie: Training – ohne Training hilft auch keine Technik. Aber Technik kann beim Training unterstützend beitragen.

Als kleinen Trainingshelfer habe ich mir daher einen Garmin Edge 705 Fahrradcomputer gegönnt. Der Edge 705 ist ein GPS-Gerät mit der Möglichkeit, Sportsensoren nach dem ANT+-Funkprotokoll anzuschließen. Die Funktionen des Geräts sind speziell auf den Trainingsbetrieb und die Auswertung der Daten ausgelegt, neben der Fahrradhalterung lagen dem Kit auch gleich der Pulsgurt und ein Trittfrequenz- und Geschwindigkeitssensor bei.

Das kleine und leichte Gerät hat jetzt seinen Platz auf dem Rahmenrohr unter dem Lenker meines M5 CrMo Lowracers gefunden. Dort kann ich das Display gut ablesen und die nötigen Tasten problemlos erreichen. Die mitgelieferte Halterung ist dafür gedacht, entweder auf dem Lenker oder dem Vorbau eines Fahrrades montiert zu werden, die Bauform erlaubt die einfache Montage auf dem breiten Rahmenrohr. Mit dem beigelegten Winkeluntersatz konnte ich den Blickwinkel perfekt anpassen, zudem hat der Gummifuß eine federnde Wirkung.

Für Trittfrequenz und Geschwindigkeit liefert Garmin einen Kombisensor, der eigentlich an der Hinterbaustrebe montiert werden soll, so daß auf einer Seite der Magnet am Pedalarm und auf der anderen Seite der Speichenmagnet des Hinterrades vorbeikommt. Nett gedacht, für Liegeräder jedoch leider ziemlich ungeeignet. Da die Geschwindigkeit in der Regel allerdings eh per GPS ermittelt wird und der Geschwindigkeitssensor nur dann genutzt wird, wenn kein GPS-Empfang besteht (zum Beispiel beim Bahnfahren in der Halle), ist dieser Problem zunächst nicht akut. Ich habe den Sensor jetzt um Umwerferholm angebracht, so daß ich mit dem am inneren Kettenblatt befestigten Magneten meine Trittfrequenz ermitteln kann.

Ein kurzer Test zeigte guten Empfang des drahtlosen Sensors mit passender Kadenz-Anzeige und auch der Pulsgurt tat ohne Probleme seinen Dienst, selbst durch den halben Raum hindurch. Die Werte werden im GPS-Track des Trainings, der auch die Daten des barometrischen Höhenmessers enthält, mitgespeichert. Aus der Auswertung der Daten erhoffe ich mir, besser und früher die Zeichen meines Körpers deuten zu können und gerade bei längeren Fahrten meine Kräfte besser einteilen zu können.

Als nicht ganz unwichtiger Nebeneffekt, zumindest was RTF und das locker angedachte Zeitfahren Hamburg-Berlin angeht, bietet das Edge 705 noch die von meinem Garmin GPSmap 60CSx gewohnten Navigationsoptionen. Gerade bei Touren durch unbekanntes Gebiet kann ich mich so besser auf das Wesentliche konzentrieren, als mühsam nach dem Weg zu suchen.

In den kommenden Wochen werde ich mal erste Praxiserfahrungen sammeln und hoffe dann, hier eine kurze Zusammenfassung geben zu können.

Mehr Licht: Herbstpläne…

Es wird abends schon deutlich früher dunkel und so bekam ein lange brachliegendes Projekt langsam wieder eine höhere Priorität: Fernlicht an der HP Velotechnik Speedmachine. Die meisten benötigten Teile hatte ich ja schon im letzten Jahr mal gekauft und meinen Freund Solon um Hilfe beim Bau der Gehäuse gebeten. Ein wunderschönes gefrästes Gehäuse für den Doppelscheinwerfer bekam ich von Solon jetzt zu meinem Geburtstag geschenkt!

Verbaut sind jetzt zwei Seoul Z-Power P4 LEDs, die ordentlich Leuchtleistung liefern. Das Gesamtwerk wird auf Basis von Framstags Müller aufgebaut. Was jetzt noch fehlt ist die Elektronik zur Ansteuerung. Der auf meine Bedürfnisse angepaßte Schaltplan ist bereits grob gezeichnet, der Weg zur Platine allerdings noch etwas weiter. Der fertige Scheinwerfer soll am Ende sowohl über meinen SON (Nabendynamo) als auch optional über Batterie bzw. Akkustrom ansteuerbar sein, um z.B. bei langsamer Suchfahrt oder vor dem Losrollen kurz mal die Strecke auszuleuchten.

Das ganze wird einhergehen mit einer vom Sitz aus bedienbaren Umschaltung zwischen Lichtanlage und Peripherie-Stromversorgung (sprich E-Werk), einen Zuschaltung für Dynamo-Fernlicht und einen am Lenker befindlichen Schalter für Batterie-Fernlicht, der das kurzfristige Einschalten auch ohne Hauptversorgung durch den Dynamo in kritischen Situationen ohne Umgreifen erlaubt.

Zuguterletzt muß ich mir am Ende noch Gedanken um die Halterung des Schweinwerfers am Rad machen. Das Fernlicht wird nach bisheriger Planung über dem Hauptscheinwerfer sitzen, aber ich werde auch testen, ob ein flacherer Winkel von einer weiter unten gelegenen Anbringen nicht vielleicht besser ist, um bessere Sicht auch bei dunstiger Luft zu haben.

Es bleibt spannend an dieser Front, ich hoffe das Projekt jetzt etwas schneller weiterbringen zu können, als bisher. Der Herbst steht ja bald vor der Tür, da ist bessere Sicht abseits der stark beleuchteten Hauptstadtstraßen auf jeden Fall eine gute Sache!

21. RTF Rund um Berlin

Von der RTF (Radtourenfahrt) “Rund um Berlin” hatte ich schonmal gehört. Für mich ernst genommen hatte ich das bisher nicht. Weit über 200km am Stück zwischen einem Haufen gut trainierter Rennradler? Bei gut über 200km lag bisher mein Maximum. Zugegeben, mit Gepäck durch das hügelige Mecklenburg-Vorpommern (und quasi ohne Langstreckenerfahrung damals) war das sicherlich eine andere kategorie als im Grüppchen relativ flach um Berlin herumzu fahren ohne nennenswerte Beiladung. Trotzdem, der Gedanke lag mir einfach fern.

Vor ein paar Tagen flimmerte über die Mailingliste der [[rennradgruppe.de]] die Anfrage, ob noch andere dabei sein, der der 21. RTF Rund um Berlin – und die Idee, die Runde mit der Rennliege zu fahren keimte in mir. Die Wettervorhersage sah nicht prickelnd aus: Regen, Regen, Regen. Doch ich bereite mich und mein Rad am Samstag vor. Eine Regenfront verharrte knapp östlich von Berlin, von Westen zog nur langsam etwas heran. Ich beschloss, einfach am Sonntag morgen den aktuellen Stand anzuschauen und dann zu entscheiden, ob ich mich auf den Weg machen wollte.

Der Sonntag morgen kam, mein Wecker klingelte um Viertel nach sechs. Totmüde – das ist wirklich nicht meine Zeit – quälte ich mich aus dem Bett, linste aus dem Fenster und schaute im Internet. Akzeptable Temperaturen, leichte Bewölkung, kein immanenter Regen in Sicht. Ich zog mich an, füllte den Wasservorrat auf, trug meinen M5 CrMo Lowracer die vier Stockwerke nach unten und rollte zur S-Bahn. bei so einer langen Tour mußte ich mich nicht 15km im Stadtverkehr einstimmen, ich würde heute noch genug fahren.

Vorher hatte ich mich erkundigt, wie man auf das Liegerad reagieren würde. Nach einem abendlichen Test, wie es sich mit Helm auf dem Lowracer fährt war klar: gehen tut das, aber es engt das Blickfeld nach hinten ein. Diverse Leute beruhigten mich, daß es bei der Veranstaltung zwar gefordert wird, es aber keine Helmpflicht gibt. Ich ließ den Helm also zu Hause.

Um 07:30 Uhr traf ich am S-Bahnhof Olympiastadion ein, war nicht der einzige der mit S-Bahn anreiste und traf die Jungs von der Rennradgruppe. Gemeinsam fuhren wir zum Start. Ich meldet mich an, zalte den Obulus, bekam die Rückennummer (die ich aus praktischen Gründen dann auf die Heckverkleidung und nicht auf meinen Rücken klebte), der Stempelkarte und eine Wegbeschreibung.

Gegen 08:00 Uhr rollten wir zum Start, starteten aber nicht gleich mit dem ersten Pulk, sondern in einer kleineren Gruppe dahinter. Ich hielt mich, auch wenn es nicht so richtig in Schwung kam, bei der Gruppe auf, bis wir Berlin verlassen hatten. Mit dem Liegerad kann man fairerweise nur ganz hinten, ganz vorn oder neben der Gruppe fahren. Als RTF-Neuling wollte ich nicht vorneweg fahren, dazu fehlte mir die Erfahrung. Neben der Gruppe ist im Straßenverkehr nicht immer angebracht. Und hinten dran wird es schnell anstrengend (vor allem wegen der Konzentration und weil man imemr die Schlußnudel beim Überqueren von Ampeln ist).

Ich erledigte also ein dringendes Bedürfnis am Straßenrand und überlegte mir, wie ich weitermachen wollte, während ich meine Aufholjagd auf die Gruppe startete. Ich beschloss, die Gruppe hinter mir zu lassen und allein weiterzufahren. Ich hatte den Lowracer bisher nie weiter als 100km am Stück bewegt und meine Erwartung an ie Veranstaltung war “mal sehen, wie weit ich komme”. 130, vielleicht 150km? Dann ab in die S-bahn und nach Hause.

Als ich alleine davonzog fand ich meinen Tritt und es wurde deutlich entspannter zu fahren. Vor dem ersten Kontrollpunkt überholte ich noch zwei kleine Grüppchen. An der Kontrolle holte ich meinen Stempel ab, wartete noch kurz auf “meine” Gruppe um mich bei ihnen regulär auszuklinken, genoß die Verpfelgung und machte mich alsdann wieder auf den Weg. Nach und nach holte ich noch einige kleine Grüppchen ein und ließ sie hinter mir. Von der am Start durch einen der Veranstalter prognostizierten Feindseligkeit (“ein paar blöde Sprüche wirst Du da wohl hören!”) war nichts zu spüren. Meist hielt ich mich nur kurz am Schluß der Gruppe auf, bevor ich auf freier Strecke dann mit 40+km/h vorbeizog. In ausreichendem Abstand reduzierte ich dann wieder mein Wohlfühltempo von 35-37km/h.

Die Kilometer flogen nur so dahin, bis nordöstlich östlich von Berlin einige schlechte Straßenabschnitte meine fahrt und auch die Freude etwas bremsten. Aber auch das ging vorbei und in den kurzen Gesprächen am Kontrollpunkt oder beim Treffen auf offener Strecke war schnell klar, auch die Rennradkollegen hatten nicht umbedingt Spaß daran. Und zusammen leidet es sich ja doch viel schöner.

Bei Kilometer 160 der Tour merkte ich, wie ich mich langsam der leistungsgrenze näherte, die Reserven waren aufgebraucht und mein Magen tat sich schwer die Nahrung an den Verpflegungspunkten wirklich bei der Anstrengung zu verarbeiten. Mit etwas Willen, einem Powergel und einer etwas längeren Pause am nächsten Kontrollpunkt kriegte ich das aber wieder in den Griff, trotzdem pendelte mein Tacho jetzt nur noch zwischen 30 und 35 km/h. Das Feld war mittlerweile weit auseinandergerissen, so daß mich dennoch keine Gruppen überholten, an die ich mich hätte hängen können. Ich traf ein paar Einzelkämpfer, da ich aber nichts zu geben hatte, entscheid ich mich, dann dort auch lieber einfach vorbeizuziehen. Das Gelände südlich von Berlin kam mir deutlich welliger vor al im Norden, das kann aber auch einfach Einbildung gewesen sein, weil die Anstrengung ihren Tribut forderte.

Die Kontrollpunkte lagen zum Ende der Strecke (zum Glück) dichter beieinander. Ab dem letzten waren es noch etwa 20 Kilometer – aber die hatten es in sich, ging es doch hier nochmal über die Havelchaussee. Trotzdem beschloss ich auch hier, mich nicht an eine Gruppe zu hängen, sondern das in Einzelkämpfermanier anzugehen. Zum ersten mal schaltete ich auf freier Strecke auf das kleine Kettenblatt, als ich den WIlli erklomm. Nehme ich den mit dem Lowracer sonst bei 22-24 km/h, waren jetzt nach über 200km nur noch ca. 18-19km/h drin. Das reichte dennoch, um ein respektvolles “Gute Geschwindigkeit!” einer Rennradlerin zu erhaschen, die ich überholte. Mit einer kleinen Steigung und etwas Kopfsteinpflaster kam ich endlich am Startpunkt am Olympiastadion wieder an. 221km stabnden auf dem Tacho. 218 waren es offiziell, aber an einer Stelle hatte ich die (sonst hervorragende) Ausschilderung wohl übersehen – und zwei andere mit mir – was mir gute 3km Umweg einbrachte.

  • Strecke: 221 km
  • Netto-Schnitt: 32,4 km/h
  • Brutto-Schnitt: 28,2 km/h
  • Fahrzeit: 07:51 Stunden

Nach dem Erhalt meiner Urkunde über die Teilnahme und einer kleinen Stärkung fuhr ich dann noch mit Leuten aus der Rennradgruppe, die bald nach mir eintrafen, die letzten 15 Kilometer nach Hause.

Fazit: Jederzeit wieder. Das war ein freundliches Miteinander, an keiner Stelle kam verbissenes Rennfeeling oder ein Kampf der Systeme auf, im gegenteil, ich kriegte interessierte Fragen zu meinem Gefährt gestellt und Respekt ob der gefahrenen Leistung. Nunja, ich hab ja auch niemanden geärgert. beim nächsten mal würde ich vermutlich die Runde gleich von Anfang an allein angehen und meine Pausenzeiten etwas kürzer halten (da fehlt dann die Gruppe, die einen weitertreibt…). Aber jetzt müssen sich meine Beine erstmal erholen.

Rund um Berlin – Track

Rekordwochenende 2010

Worum geht es?

Jan van StegVom 30.07. bis zum 01.08.2010 fand auf dem Dekra-Test-Oval in der Lausitz eine Veranstaltung der besonderen Art statt: Diverse Fahrer waren angetreten, um eine Reihe vom Rekorden im Bereich der HPV (Human Powered Vehicles, von Menschenkraft angetriebene Fahrzeuge) anzugreifen.

Für Rekorde über eine oder sechs Stunden waren dazu hochspezialisierte Fahrzeuge angetreten, für die die Umgebungsbedingungen ideal sein müssen, um die bestehenden Rekorde noch zu überbieten. Durch das heiße Wetter und am Sonntag teilweise auftretendenDaniel Fen Wind waren die Bedingungen hier leider nicht ganz optimal, so daß zumindest ich keine Chancen hatte, die Versuche zu beobachten – abgesehen von Ellen van Vught, die aber ihren sechs-Stunden-Versuch wegen der Wärme im Fahrzeug nach rund einer Stunde abbrach.

Für die 12- und 24-Stunden-Rekorde sind die Bedingungen durch die Fahrzeuge nicht ganz so eng gesetzt, hier war noch mehr Potential nach oben und der begrenzende Faktor wird mehr und mehr der Mensch. Die eingesetzten Fahrzeuge waren hier größtenteils straßentaugliche Serienfahrzeuge mit Renntrimm oder einigen kleinen Veränderungen, meist an der Aerodynamik.

Freitag Abend

Bernhard BöhlerDa ich am Freitag noch arbeiten mußte und mich eh sehr kurzfristig entschieden hatte, konnte ich am Freitag selbst noch nicht zu den ersten Streckentests kommen. Ich setzte mich am Nachmittag in den Regional-Express nach Doberlug-Kirchhain und fur von dort die restlichen ca. 30km zum Lausitzring, der neben dem Dekra-Test-Oval liegt. Da ich nicht wußte, daß ich auf dem Dekra-Gelände bei den Teams mein Zelt hätte aufschlagen können fuhr ich erstmal (da es schon langsam dunkel wurde) zum Speedway-Camp und versuchte dort mein Glück. Es wimmelte von Security-Personal und Arbeitern, die die Installationen für das Red Bull Airrace am kommenden Wocheende aufbauten – für die war auch das Camp reserviert. Nach freundlicher Nachfrage bei derSecurity und einigen Worten mit den campenden Arbeitern war geklärt, daß ich dort mein Zelt aufschlagen konnte.

Daniel Fenn beim Reifen flickenNeben einem Zelt stand ein Liegerad, so dachte ich, ich befände mich in Gesellschaft von Besuchern oder Teilnehmern der gleichen Veranstaltung, wie es aber der Zufall so wollte, war einer der Arbeiter mit seinem Liegerad angereist.

Später am Abend kam dann noch Peter mit seinem Sohn vorbei, der auch am nächsten Tag zum HPV-Rekordwochenende wollte. Er verwettete bei den Arbeitern erstmal einen Kasten Bier, daß die 1000km in 24 Stunden machbar sein, den er allerdings dann am Sonntag nicht einforderte.

Samstag

Sofort mittendrin

Nach der Angabe einiger persönlicher Daten an der Pforte komme ich aufs Gelände und stehe mitten in den Vorbereitungen. Um 9 Uhr soll es losgehen, die Fahrer für die 12- und 24-Stunden-Rekordversuche müssen auf die Strecke. Teilnehmer auf dem Dekra Test OvalDie Vorbereitungen sind in vollem Gange, es wird geschraubt, getuned und die Maltodextrin-Vorräte werden gemixt. Ich sehe einige (mir) bekannte Gesichter und lerne neue kennen. Nach kurzem kommt auch Daniel Fenn mit seinem Evo, an dem bis zur letzten Minute optimiert wird … und das Evo stellt sich mit einem Knalleffekt vor: Die Felge des Hinterrades hat dem Druck des aufgezogenen Reifens nicht standgehalten. EIn Ersatzrad ist nicht dabei. Ich biete Daniel das Hinterrad meiner Speedmachine an – zu meiner Überraschung und vermutlich vor allem weil nichts anderes zur Verfügung steht geht er auf das Angebot ein und tauscht sein superleichtes Rad gegen mein Nordkap-mit-Gepäck-DD-Speichen-Monster. Das wiegt sicherlich das dreifache. Aber dafür hält es.

Damit wurde aus meiner Speedmachine vorübergehend eine Immobilie, so daß ich Peter fragte, ob er mich später im Auto mit zum Speedway Camp nehmen würde, um das Zelt dort abzubauen und es dann hier im HPV-Lager wieder aufzustellen. Da Peter eh sein eigenes Zelt noch holen muß ist das kein Problem.

Nach einem Briefing gehen die Fahrer nach und nach zu ihren Fahrzeugen. Einspurer, voll- und teilverkleidet, und Velomobile (Milane, Quests, das Evo R) gehen nach und nach auf die Piste. Als erster und in aller Stille ist Christian von Ascheberg mit seinem gelben Milan mit der Nummer 7 gestartet und zieht schon gleichmäßig wie ein Uhrwerk seine Runden, als die anderen noch beim Briefing sind.

Die Fahrer sind unterwegs

Jetzt beginnt zunächst eHans Wesselsinmal das große Warten. Nach ein oder zwei Stunden kann man noch nicht wirklich sagen, wie sich die Dinge entwickeln bei einem 12- oder 24-Stunden-Versuch. Ganz so ruhig wie gedacht ist es dann aber doch nicht kurz nach dem Start. Daniel kommt schon bald wieder rein, Reifenpanne vorne rechts. Neuer Schlauch und wieder auf die Strecke. Nach einer Runde: Wieder ein platter Reifen. durch das Weiterfahren ist auch der Mantel hinüber. Die Hilfe zwischen den Teams funktioniert aber, so geht es bald weiter – aber Zeit hat er dennoch verloren. Im Laufe der nächsten Stunden kommen noch zwei weitere Platte dazu und körperliche Beschwerden an den Füßen und Waden setzen ein, so daß Daniel aufgeben muß. So ein Rekordversuch geht an die Grenzen des Leistbaren und so bleibt er nicht alleine.

Verzweifelt fragt, nachdem alle Teilnehmer gestartet sind, ein Fahrer nach seinen Fahrdaten. Insgeheim mißtraut er seinem Tacho, er fährt 55 km/h und wird ständig überholt von Leuten, die teilweise Rundengeschwindigkeiten von 60+km/h fahren. Sein Tacho trügt ihn nicht, die Fahrer gehen wirklich mit solchen Geschwindigkeiten über die Bahn.

Ellen van VughtAn der Boxengasse wird mitgefiebert. Wie liegen die Bruttoschnitte der Fahrer? Wer wird nach den 12 Stunden wirklich noch auf den 24-Stunden-Rekord spekulieren? Auf 12 Stunden sind 607,62km zu brechen, bei 24 Stunden steht der offizielle Rekord von Christian von Ascheberg aus dem letzten Jahr bei 1069km, inoffiziell gilt es die 1109km von Jeff Nielsen aus Australien zu brechen.

Ich finde kaum die Zeit mal zwischendurch mein Zelt zu holen und wieder aufzubauen, so spannend ist es. Auch die Gespräche mit den anderen Zuschauern und Team-Mitgliedern sind unwahrscheinlich interessant, das geballte Wissen der Liegerad-Szene kommt hier auf engem Raum zusammen. Ob es um Technik, Aerodynamik oder Ernährung geht – hier gibt es eine Menge zu lernen. Angenehm ist, daß es kaum große Geheimniskrämerei gibt, man versucht in freundschaftlicher Konkurrenz gemeinsam das Ziel zu erreichen.

Rekorde fallen

Mehr und mehr Zeit verrinnt und es kristallisiert sich heraus, daß heute Rekorde fallen werden. Aber auch die Belastung fordert ihre Opfer. In den vollverkleideten Fahrzeugen ist es heiß, der Körper ist bei der geforderten Anstrengung nur schwer in der Lage, genügend Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Überhitzung droht, auch Muskeln und Sehnen fordern ihren Tribut, Magenprobleme treten auf. Einige Fahrer versuchen nach ersten Problemen eine Pause zu machen und danach weiterzufahren, aber schnell wird klar, wenn die Probleme einmal eingesetzt haben, dann erholt sich der Körper nicht schnell genug, schon gar nicht, wenn ihm sofort wieder dieselbe große Leistung abgefordert wird.

Wulf Kranais und Christian von Ascheberg liegen dichtauf, als es auf die 12 Stunden zugeht. Wulf allerdings kriegt technische Probleme am Fahrzeug. Zuerst fällt der Verdacht auf eine überhitzte UmlCharles Henryenkrolle, erst später stellt sich heraus, daß sich ein Ketenschutzrohr gelöst hat und langsam am Kettenblatt zerfräst wird. Das kostet Wulf viel Zeit. Christian hat nach knapp mehr als elf Stunden den alten 12-Stunden-Rekord erreicht, beim Erreichen der 12-Stunden-Marke hat er ihn mit rund 670km deutlich gebrochen. Wulf hat das Pech, daß er nach Christian gestartet ist: Auch er bricht den alten Rekord. Wäre er vor Christian gestartet, dann hätte die kurze Zeit zumindest gereicht, um in der Historie des Rekords aufgeführt zu werden. Dennoch zeigt er sich mit seinem Ergebnis zufrieden, auf die 24 Stunden legt er es aber nicht an.

Die Nacht

Christian ist nach einer 13-minütigen Pause wieder auf der Strecke, jetzt geht es in die Nacht. Gespannt warten wir immer wieder auf die hellen LED-Lichter, die in rund einem Kilometer Entfernung aus der Kurve auftauchen. Nur noch vier Fahrzeuge sind auf der Strecke, im Laufe der Nacht wird die Zahl auf drei sinken, die dann auch alle ins Ziel fahren. Christian von Ascheberg im Milan-Velomobil, Charles Henry im vollverkleideten Einspurer und Andreas Kraus auf dem heckverkleideten Birk Comet sind am nächsten Morgen noch auf der Strecke – und werden alle erfolgreich die 24 Stunden beenden.

Christian von Ascheberg holt den 24-Stunden-Rekord mit 1223,25km, das entspricht einem Durchschnitt von 50,8km/h! CharlChristian von Ascheberges Henry liegt mit 1159,18km zwar hinter Christian, hat aber den alten (inoffiziellen) Rekord noch immer um 50km übertroffen. Andreas Kraus hat mit 815,5km seine persönlich gesetzte Marke von 800km auch übertroffen (einen offiziellen WRRA Rekord über teilverkleidete Liegeräder auf 24 Stunden konnte ich nicht finden). An diesem Wochenende sind die Rekorde über 12 und 24 Stunden gefallen sowie der 1000-km-Rekord. Fahrer und Fahrzeuge haben Leistungen gezeigt, die die meisten Menschen für schier unmöglich halten würden.

Kleine Schlußbetrachtung

Diese Veranstaltung hat mit den so deutlich gebrochenen Rekorden gezeigt, daß hier noch viel Potential steckte, das erfolgreich ausgenutzt wurde. Auch für zukünftige Veranstaltungen dieser Art ist wohl das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Neben Optimierungen an den Fahrzeugen können die Boxenstopps noch verbessert werden. Die Rekorde wurden sicherlich von außergewöhnlichen Menschen vollbracht, von diesen würde sich selbst aber vermutlich keiner als “Ausnahmeathlet” bezeichnen (ich würde das vielleicht schon tun). Nach dem RekordwochenendeDie Rekorde wurden von engagierten Amateuren in seriennahen Fahrzeugen geholt, keine großen Budgets, niemand, der fünf oder sechs mal die Woche und mit einem Stab an Physiotherapeuthen trainieren kann, sondern Menschen, die das in ihrer Freizeit neben dem Beruf tun (und damit sicher ihren Freunden und Familien einiges abverlangen).

Interessant war für mich die Entwicklung hin zum Velomobil, die Dreispurer holen an Effizienz auf und bieten gerade bei so langen Fahrten sicherlich den ein oder anderen Komfort, den ein Einspurer nicht bieten kann.

Chance genutzt

Da Daniel ja die ganze Zeit mein Hinterrad nutzen konnte durfte ich als Dank am nächsten Tag als die Strecke frei war ins Evo R steigen und mal auf dem Oval zwei Runden drehen. Im Gegensatz zur letzten von mir gefahrenen Version (auf der Spezi) hat die neue Version etwas mehr Platz und als merklichsten Unterschied eine Panzerlenkung.

Ich kann das Evo R4 problemlos auf über 50 km/h beschleunigen, muß mich allerdings an die Lenkung erst gewöhnen. Trotz des Seitenwindes und der ungewohnten Lenkung traue ich mich, noch etwas draufzulegen und fahre die Runden mit über 62-65 km/h, auf der Nordstrecke mit gefühlt etwas mehr Platz und mehr Seitenwindschutz komme ich spielend auf über 70 km/h. Ich spüre, daß durchaus auch bei meinem Trainingsstand noch mehr drin wäre, traue mich aber wegen der mangelnden Erfahrung mit dem Fahrzeug dann doch nicht wirklich. Trotzdem ist es ein beeindruckendes Erlebnis, wie man mit der gleichen Kraft, die selbst auf dem Lowracer nur für unter 50km/h gereicht hätte mit dem Evo R bei über 60 km/h liegt.

Aus der Gerüchteküche

Hans Wessels auf die Frage nach seinen Knieproblemen: “Ich hab nicht wegen des Knies aufgehört, sondern weil ich nicht mehr winken konnte – da hat es keinen Spaß mehr gemacht!”

Der gleiche Christian von Ascheberg, der nach den 24 Stunden sagte, er würde das nie wieder tun, fiel schon einen Tag nach der Veranstaltung durch Äußerungen wie “1300km sind möglich” auf. Wir dürfen gespannt sein.

Die niederländische Fraktion überlegt nach der diesjährigen mangelnden Repräsentation in den Finisher-Listen nächstes Jahr einfach mit mehr Leuten aufzutauchen.

Es wird verzweifelt um eine umsetzbare Definition des Begriffes psychologischer Windschatten gerungen.

Weitere Berichte und Ergebnisse gibt es auf DropLimits!

Räder weg von den Radwegen!

Wer mich kennt, der weiß, daß ich kein Freund der innerstädtischen Radwege bin. Radspuren, Fahrradstraßen – alles prima und in Berlin ist eine sehr positive Tendenz wahrzunehmen. Aber es gibt eben auch noch diverse der altmodischen Radwege.

Normalerweise vermeide ich diese Radwege und fahre konsequent auf der Straße. Selbst an Stellen, wo noch mit dem Zeichen 237 eine Benutzungspflicht ausgewiesen ist, fahre ich in der Regel lieber auf der Straße – ein drohendes Bußgeld (ich habe aber trotz neben mir fahrender Polizei noch nicht einmal eine Situation gehabt, wo das Thema gewesen wäre) ist mir angesichts der Gefahr auf Radwegen ziemlich egal.

Es gibt eine kleine Strecke, wo ich jedoch ab und zu den Radweg nutze: Wenn ich auf dem Rückweg vom Büro die Verlängerung der Straße am Schölerpark zur Bundesallee durchfahre, dann fahre ich meist auf dem Radweg bis zum Bundesplatz, da es nicht so einfach ist, auf die Straße zu wechseln.

Beim Ausfahren aus dem kleinen Weg bin ich langsam, denn hier laufen öfters ältere Menschen oder Kinder und der Blick auf den Weg ist schlecht. Alle Vorsicht hilft nichts, wenn am engsten Rand des Weges eine Radlerin, Typ ältere Hausfrau, mit sicherlich fast 20 km/h (die sind doch sonst nie so schnell!) auf dem Gehweg in verkehrter Richtung fährt. Ich bin mit dem Aufrechtrad unterwegs und schaffe es nur mit Mühe nicht zu stürzen. “Pass doch auf!” ruft die Frau im Wegfahren.

Zwischen der Straße Am Volkspark und der Hildegardstraße fährt ein älterer Mann in umgekehrter Richtung auf dem Gehweg. Ich muß einen ziemlichen Schlenker fahren, als er plötzlich vor mir auf den Radweg rüberzieht. Meinen Protest kontert er, daß ich doch hätte sehen können, daß er dem Fußgänger ausweichen mußte und ich hätte doch wohl Platz gehabt.

An der Hildegardstraße wartet ein Autofahrer die vor mir fahrende Radfahrerin ab – und fährt dann direkt vor mir los. Im letzten Augenblick sieht er mich (vermutlich wegen meines lauten Schreis) doch noch, so daß ich mit einem dicken Bogen um ihm herum fahren kann.

Zwischen Mainzer Straße und Bundesplatz läuft mir schließlich noch ein unachtsamer Fußgänger vor das Rad, der nur mal eben zu seinem geparkten Auto wollte.

Ich weiß jetzt jedenfalls wieder, warum ich Radwege meide: Sie sind mir einfach zu gefährlich. Auf der Straße regen sich zwar regelmäßig unwissende Dosentreiber auf, daß ich dort und nicht auf dem Radweg fahre – für dieses Aufregen gibt es aber eine wichtige Voraussetzung: sie sehen mich.