Eigentlich wäre Ende April eine Tour zusammen mit Micha zur Spezialradmesse nach Germersheim dran gewesen. Und in der anschließenden Woche zurück. Aber 2020 wird wohl vielen in Erinnerung bleiben als das Jahr, in dem alles anders kam.
Statt also an der Schnellfahrstrecke der Bahn zwischen Halle und Erfurt noch einmal – wie im letzten Jahr – entlang zu fahren, in den Steigerwald abzubiegen und dann auf ungewohnten Wegen in Richtung Südwesten zu fahren, muss ich mich bei immerhin schönstem Wetter dazu motivieren, meine Runden im Kreis zu drehen. Durch altbekannte Landschaften mal ein paar neue Strecken zu finden oder auf ausgefahrenen Wegen einfach eine Kopf-aus-Trainingsrunde einzulegen.
Wegen des strammen Ostwinds blieb es dann bei mir bei Trainingsrunden auf leicht variierenden Wegen, meist in Richtung Schönefeld bzw. BER. Immerhin kommt so die vernachlässigte Kondition langsam wieder. Da ich ja frei hatte und unter der Woche unterwegs war, waren die Wege auch halbwegs leer. An den Wochenenden war das Abstandhalten auf den üblichen Berliner Rad- und Skatestrecke quasi nicht möglich, das Fahren machte da auch wenig Spaß.
Wirklich viele neue Wege habe ich dann nicht für mich entdeckt, aber doch festgestellt, dass man zum Beispiel südlich des BER derzeit nur noch in Kiekebusch über schlimmes Kopsteinpflaster rumpelt, der Weg durch Rotberg und die Wege dazwischen abermittlerweile mit feinstem Asphalt und prima Seitenradwegen ausgestattet sein.
Das 45 über Null in Selchow hatte natürlich keinen geöffneten Biergarten und Flugzeuge gab es auch keine zu sehen, aber der Hofladen verkaufte leckere Wildschweinsalami und auch ein paar Dinge für auf die Hand, die man dann in adäquater Entfernung verspeisen konnte.
Was soll ich sagen, die Kondition kam schnell wieder, die Runden wurden schneller und die letzten Beiträge über die Oder-Touren haben ja gezeigt, dass die Trainingsrunde wirkten: bis zu 150km ohne Nachwirkungen zu fahren war eine gute Bestätigung.
Um kurz nach halb zehn holte ich Micha ab, der Weg führte ohnehin direkt bei ihm vorbei. Zunächst fuhren wir auf altbekannten Wegen: Auf dem A100-Deckel in Britz, dann auf der Ostkrone nach Süden und durch Adlershof nach Köpenick. Die EInfahrt zum Müggelsee verpassten wir und kürzten über den Müggelheimer Damm ab. Dem Radweg D3 folgten wir noch bis Altbuchholz.
Dort startete dann ein Experiment: Wir bogen auf die Straße nach Klein Wall ab. Diese führt ruhig und gut asphaltiert durch den Wald und ist auf jeden Fall ein guter Tipp. In Klein Wall gibt es kurz eine sandige Stelle, die hatte OpenStreetMap auch so vorhergesagt. Der dahinter weiter führende G1-Track entpuppte sich, wie bereits vermutet, eher als G2 ohne Asphalt, aber mit verdichtetem und gut fahrbaren Grund. Auch mit meinen dünnen Reifen konnte ich dort problemlos fahren, für reine Asphalt-Freaks ist es nichts.
Dies ist also eine alternative Querverbindung zwischen dem nördlich von Küstrin an die Oder laufenden D3 und dem weiter südlich laufenden Oder-Spree-Radweg, dem wir natürlich alternativ auch schon ab Erkner hätten folgen können. Von Hangelsberg führt der Weg noch ein kurzes Stück entlang der Straße, bevor er zu Müggelspree abbiegt und nahe an deren Ufer durchs Grüne führt.
In Fürstenwalde (Spree) versorgen wir uns beim Bäcker und pausieren auf einer Bank auf dem Marktplatz. Frisch gestärkt vom Brötchen und einem Heißgetränk folgen wir der Route entlang der Straße. Wo für Autos wegen einer Baustelle eine lange Umleitung beginnt, können Radfahrer einseitig auf einem Weg an der Baustelle vorbei fahren. Von Berkenbrück führt dann eine für den Autoverkehr uninteressante Straße weiter, die später zu einem reinen Radweg wird, der durch den Wald verläuft.
Erst in Neubrück landen wir wieder auf der Straße, aber der Verkehr ist auch hier eher dünn bis Müllrose. auf der Bundesstraße ist trotz Ortsumgehung einiges los und wir sind froh, als wir wieder auf ruhigen Radwegen entlang des Friedrich-Wilhelm-Kanals sind.
In Finkenheerd müssen wir uns entscheiden, ob wir in die Regionalbahn springen und via Frankfurt(Oder) nach Hause fahren oder ob wir per Rad nach Frankfurt oder Eisenhüttenstadt weiter fahren wollen. Wir entscheiden uns für die längste Variante, noch einmal 26 Kilometer, dafür flach und ruhig hinter dem Oderdeich entlang. So geht es weitem Bogen bis Eisenhüttenstadt. Von Westen zieht bereits eine dunkle Wolkenwand heran. IN Eisenhüttenstadt angekommen gibt es eine Regionalbahn nach Frankfurt mit gutem Anschluss an den RE1 nach Berlin. Zwar käme eine halbe Stunde später der durchgehende Regionalexpress, aber die Verbindung mit Umsteigen ist dennoch deutlich früher in Berlin, deshalb entscheiden wir uns dafür.
Kurz nach Verlassen von Frankfurt(Oder) kommt schon der erste Regen, kurz vor Berlin wird es dunkel und sehr nass draußen. Wir sind froh, im Zug zu sitzen. Am Ostkreuz angekommen hat es aber schon wieder aufgeklart und wir beschließen, dass beide vor der nächsten Regenfront zu Hause sind, wenn wir von hier mit dem Rad fahren. Am Mauerweg trennen wir uns, denn für Micha ist der südliche Weg besser, ich bleibe nördlich des Tempelhofer Feldes.
Beide sind wir mit einsetzendem Regen zu Hause, gerade rechtzeitig, bevor es richtig losgeht.
Wir trafen uns um 09:30 Uhr am Brandenburger Tor. Bedingt durch Corona ist die Innenstadt immer noch deutlich leerer als sonst und Micha und ich hatten am Vorabend entschieden, dass wir die Fahrt aus der Stadt mehr oder weniger entlang der Route des Berlin-Usedom-Radwegs machen wollten. Und so folgten wir diesem, von kleinen Ausnahmen wie der Umfahrung des Schlossparks Niederschönhausen abgesehen, auf der offiziellen Route. Baustellenbedingt auch durch eine sehr gut ausgeschilderte und angelegte Umleitung in Französisch Buchholz – es empfiehlt sich, hier wirklich auf das Umleitungsschild zu achten…
Ab Karow wird alles deutlich entspannter, entlang der Panke geht es auf zwar oft nicht asphaltierten, aber gut fahrbaren, Wegen durch’s Grüne oder durch kleine Nebenstraßen. Wer am Ende des Tages auf seinen Tachoschnitt schauen möchte wählt aber insgesamt nicht diese Ausfahrt aus der Stadt – wobei der Nordosten Berlins nicht mein Revier ist, somit kann ich auch leider nichts zu guten Alternativen sagen, nach einem Blick auf die Karte stechen keine ins Auge und meine Erfahrungen mit den großen Straßen in diesem Bereich ist auch nicht die Allerbeste. Aber für uns zählte heute eher das chillige Fahren.
In Bernau versorgte ich mich bei einem Bäcker mit einer Zwischenmahlzeit, die aber erstmal in der Hecktasche landete, denn wir wollten lieber außerhalb eine Pause einlegen.
Bernau bis Schiffshebewerk Niederfinow
Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, in Bernau von der Route des Berlin-Usedom-Radweges abzuweichen und eine Abkürzung über Kreis- und Landstraßen zu wählen. Also ging es nordöstlich weiter in Richtung Albertshof und Tempelfelde. Zwar wurde der Verkehr nach Albertshof bereits ruhiger, aber so richtig ungestörtes Dahingleiten war es noch nicht. Erst ab Tempelfelde , von wo es nördlich bis Grüntal, dann östlich bis Gersdorf ging, wurde es deutlich ruhiger.
Nur noch wenige Autos begegneten uns, der Abstand beim Überholen wurde meist vorbildlich eingehalten – hier machte das Dahingleiten auf der Landstraße Spaß und es ging gut voran. Die Landschaft ist leicht wellig, aber echte Steigungen gibt es hier nicht. So ging es dann bis Hohenfinow. Nach Niederfinow gibt es dann eine tolle steile Abfahrt mit Blicks über die Landschaft und zu den Hebewerken auf der Straße und nach dem Verlassen des Örtchens kommt auch gleich das alte Schiffshebewerk in voller Pracht in Sicht.
Die Gastronomiebetriebe durften keinen Außerhausverkauf machen, damit hatten wir aber gerechnet. Nach einem kurzen Aufenthalt, bei dem wir beim Absenken des Troges zuschauen konnten, fuhren wir am neuen Hebewerk vorbei und machten einige hundert Meter später an einem Feldweg eine kurze Pause mit mitgeführten Vorräten.
Von Niederfinow zur Oder
Die Straße vom Hebewerk in Richtung Oderberg wird ab Liepe wieder hügelig, es geht durch den Wald. Doch dafür wird man rechterhand kurz vor Oderberg mit einigen schönen Ausblicken über die Oderberger Gewässer belohnt.
In Oderberg biegen wir nördlich ab und folgen nicht dem Oder-Havel-Radweg, denn ich bin nicht sicher, ob der gut mit meinen schmalen Reifen fahrbar ist, asphaltiert ist er zwischen Oderberg und Oder jedenfalls nicht. Auf der B158 haben wir außerdem die Chance, an einem Supermarkt noch eine kurze Kaffeepause einzulegen, bevor wir auf die L282 in Richtung Hohensaaten einbiegen. Sobald man den kleinen Anstieg in Oderberg geschafft hat, wird es flach bzw. geht zur Oder nochmal kurz hinab.
In Hohensaaten überqueren wir die Wriezener Alte Oder und biegen auf den Oderdeich und damit der Oder-Neiße-Radweg ein.
Von Hohensaaten bis Schwedt (Oder)
Auf dem Oderdeich fährt man fern von Autos zwischen der Alten Oder und der Oder entlang. Es ist ruhig, nur die Vögel sind zu hören und manchmal der elichte Wind, der sich in den Bäumen fängt. Der Weg ist perfekt asphaltiert und man gleitet regelrecht dahin.
Schon kurz hinter Hohensaaten teilt sich der Weg und man kann sich entscheiden, ob man via Stolzenhagen und Stolpe an der Alten Oder entlang fährt oder ob man dem Fluss mit Blick auf die polnische Seite folgt. Da wir nach Schwedt wollen und nicht in Stolpe nach Angermünde abbiegen, entscheiden wir uns für den Weg an der Oder. Der Weg ist ruhig, perfekt ausgebaut – und spart zwei Kilometer. Wir wollen in Schwedt der Regionalexpress um 17:06 Uhr erreichen, mit dem wir ohne Umsteigen zurück nach Berlin fahren können.
Am Rand des Weges sieht man viele Tiere, Vögel, eine Ringelnatter. Der Blick schweift weit über das flache Land, nur die Grenzpfähle erinnern daran, dass man sich hier an einem Grenzfluss entlang bewegt – und derzeit ist der Grenzübertritt nach Polen an den hier oben ohnehin seltenen Brücken auch nicht gestattet.
Irgendwann biegt der Weg von der Oder ab und geht wieder zurück zur Alten Oder. Bis Schwedt ist es nicht mehr weit. Am Ortseingang von Schwedt biegt der offizielle Verlauf des Radweges in den Ort ab, wir aber durchqueren das Gelände des Schöpfwerks Schwedt und fahren noch bis zur B166 weiter, erst dort biegen wir in die Stadt ab und fahren zum Bahnhof. Die Zeit reicht noch, um Getränke für die Rückfahrt im nahen Supermarkt zu besorgen.
Nachdem ich mit meinen Touren dieses Jahr ja eher Pech hatte, werde ich jetzt hoffentlich mit meiner September-Tour erfolgreicher sein. Allerdings war auch bei dieser Tour der Start nicht planmäßig. Eigentlich sollte es am Samstag losgehen, doch ein privater Fall von Notfalllogistik bescherte mir am Samstag zwar 800km, allerdings in der Bahn.
Den Sonntag ließ ich gemütlich beginnen, der Tourstart war erst gegen halb elf. Auf meiner üblichen Südwest-Ausfallstrecke kenne ich mich ja hinreichend aus, so hatte ich zwar nichts vorgebucht, allerdings Dessau als passendes Ziel im Sinn. Da ich ja mit einer samstäglichen Abfahrt gerechnet hatte, hatte ich meine Route etwas länger, aber ruhiger über den R1 via Potsdam geplant. Auch sonntags ist das vermutlich die ruhigere und schönere Strecke aus der Stadt und ihrer Umgebung.
Ich merkte die Defizite bei der Sonnencremenutzung nicht und so lief es auch bei über 30°C und praller Sonne ziemlich gut. Ein Hungergefühl setzte erwartungsgemäß einige Kilometer vor Bad Belzig ein. Vermutlich wäre die bessere Entscheidung gewesen, 10km weiter nach Wiesenburg zu fahren, so landete ich mit im Bad Belziger Altstadtfest.
Essenstechnisch führte das eher zu einem Imbiss und Teile der Bevölkerung, die mir beim letzten Besuch schon aufgefallen waren zeigten sich auch diesmal wieder in (für einen Berliner) auffälliger Anzahl. Zum Glück bin ich nicht offensichtlich deren Hasszielgruppe, aber unangenehm sind sie mir dennoch.
Hatte ich bis hierher eine Schnitt nahe 29km/h gefahren, sank dieser in der Nachmittagshitze doch etwas. Meine Überlegung, die erste Etappe bis Halle zu verlängern verwarf ich, trotz der frühen Ankunft in Dessau, wo ich gegen 16 Uhr das Eiscafé an der Elbe erreichte. Ich suchte mir eine Unterkunft in der Nähe, auch nah beim Track und ruhte etwas aus, bevor ich in die Stadt lief, um ein Abendessen in passender Größe zu ergattern. Ein Schnitt von knapp 27km/h stand schliesslich bei über 130km immernoch auf dem Tacho.
Obwohl ich einige Kilometer vor mir hatte, entschied ich mich, nachdem ich mich abends ganz schön platt gefühlt hatte für einen Morgen ohne Wecker. Dennoch war ich, wohl auch, weil ich früh schlafen gegangen war, um kurz nach sieben Uhr wach.
Der Vorteil am Reisen mit kleinem Gepäck ist die kurze Packzeit – und da meine Tasche auch alles andere als voll ist, ist das Packen auch recht unkompliziert. Nach dem Aufbruch war das primäre Problem, ein Frühstück zu organisieren. In Bad Belzig gab es nur eine Bäckerei mit begrenzter Auswahl und so entschloss ich mich, die zehn Kilometer bis Wiesenburg nach einer Hälfte des Frühstücks zu fahren und dort im Supermarkt nicht nur Saft, sondern auch ein paar süße Croissants zu kaufen.
Weiter ging es angenehm zügig bis Dessau, wo ich mich kurz verfranste, etwas, was mich ubtypischerweise durch den Tag begleitete. Baustellen, Unaufmerksamkeiten. Naja, passiert. Bis Halle reichte mein Frühstück jedenfalls und dort plante ich ein Mittagessen an Bord des bewährten Restaurantschiffs ein. Dort versuchte ich angesichts der überschaubaren Restdistanz von ca. 70km auch eine Übernachtung in der Jugendherberge Wasserburg Heldrungen zu bekommen. Da diese aber mit einer 200-Personen-Gruppe restlos belegt war, suchte ich eine andere Unterkunft und wurde in Heldrungen auch fündig. Damit war das Tagesziel klar.
Nachdem ich das Hallesche Baustellenchaos hinter mich gebracht hatte, überraschte mich mal wieder die Tatsache, dass zwischen mir und meinem Ziel Querfurt und die Himmelsscheibe von Nebra (naja, in Form eines Anstiegs) liegen. Den wollte ich mir am Leimbacher Gasthof versüßen, der allerdings heute wegen Krankheit geschlossen hatte. Also ging es so weiter.
Hinter dem Anstieg wird man nicht nur mit einer schönen Abfahrt belohnt, sondern bald auch mit den ersten Blicken auf den Kyffhäuser. Fotografieren ist und bleibt aber schwierig.
Vom Unstrutradweg nahm ich zwischen Artern und Reinsdorf eine Abkürzung. Bei der Einfahrt nach Reinsdorf traf ich zufällig meinen Retter von 2011, den ich ja im Frühjahr bereits kurz besucht hatte. Nach einer kurzen Rast fuhr ich auf dem Radweg die letzten zehn Kilometer nach Heldrungen und bezog mein Zimmer.
Frühstück am Sonntag morgen wird ein spannendes Thema, ein Abendessen fand ich aber zumindest noch. Dort traf ich Ludwig, auch mit dem Rad auf Tour. Das gab ein nettes Fachsimpeln am Abend.