Erfurt – Dessau (- Berlin)

Wie lang der Tag werden würde, wussten wir morgens noch nicht. Mindestens bis Halle mussten wir kommen, denn zwischendrin gibt es wirklich sehr wenig. Um kurz nach neun Uhr ging es bei schönstem Wetter und wieder getrockneten Straßen also los. Die Route vom Hotel zum Track hatten wir beim Frühstück schnell zusammengeschustert, aber sie versprach zumindest, den Erfurter Stadtverkehr schnellstmöglich hinter uns zu lassen.

Kurz nach dem Einbiegen auf den Weg entlang der Schnellfahrstrecke kam bereits das erste Highlight, die Gamme-Furt. Bei unserem sonnigen Wetter war es natürlich kein Problem, die Schuhe und socken auszuziehen und die Hosen hochzukrempeln, um das Rad durch das etwa 30cm tiefe Wasser zu schieben. Aufgrund des rutschigen Untergrunds und der Lücken zwischen den Betonplatten bietet sich das Fahren leider nicht wirklich an.

Anschließend ging es erst einmal viele Kilometer leicht hügelig entlang der Bahnstrecke ohne Verkehr, womit Entspannung garantiert war. Neben uns blühten und dufteten die Raps-Felder, alle paar Minuten rauschte ein ICE vorbei und immer wieder konnte man über die Landschaft schauen.

Von Zeit zu Zeit ging es etwas entfernt von der Bahnstrecke auf Straßen weiter. Entweder mussten wir aufwärts und oberhalb des unter uns verlaufenden Bahntunnels fahren oder es ging ins Tal und die Bahn querte auf hohen Brücken über uns. Bei einem dieser Wege abseits, etwa auf der Mitte zwischen Erfurt und Halle, kamen wir durch Bad Bibra, wo es zumindest an Supermärkten die Möglichkeit gibt, einen Snack zu besorgen – was wir auch taten.

Kurz vor Halle geht es zurück auf Straßen, Pflastersteine und teils schlecht geführte und rumpelige Radwege. In Halle gibt es eine alte Hafenbahntrasse, auf der heute ein Radweg führt. Normal ist diese gut zu fahren, aber da gerade ein Fußballspiel zu Ende war, war der Weg recht voll mit Fußgängern. Auf der Insel Peißnitz legten wir einen weiteren kleinen Essens- und vor allem Getränkestop ein. Da wir beide uns noch fit fühlten, beschlossen wir bis Dessau durchzufahren und von dort den Rest des Weges mit der Bahn anzutreten.

Nördlich von Halle geht es zunächst auf einen Hügel, dann auf Landstraßen weiter. Zum Glück war ein großer Teil kurz vor Dessau wegen Bauarbeiten für den Autoverkehr gesperrt, so dass wir auch auf diesem Abschnitt noch ein paar tolle, ruhige Wege fanden.

Statt am Sonntag die altbekannten Wege durch Brandenburg zu fahren, nahmen wir die Regionalbahn ab Dessau, so dass Micha in die Sauna und ich zur VELO Berlin Fahrradmesse konnten.

Ilmenau – Erfurt

Den Freitagmorgen gingen wir langsam an. Aufgrund der bis zum Ziel verbleibenden Kilometer und vor allem der Strecke, hatten wir beschlossen nur die knapp 50 Kilometer bis Erfurt zu fahren. Ein Hotel suchten wir bereits beim Frühstück aus und buchten ein Zimmer.

Durchgang vom Radweg zur Wiese (und zur Straße)

Der erste kleine Stopp nach dem Losfahren war der alte Bahnhof Ilmenau-Bad gleich neben dem Hotel für ein paar Fotos, dann fuhren durch ein paar kleine Straßen zur Landstraße 3004 aus der Stadt heraus. Weil diese ziemlich befahren war und wir Zeit und gutes Wetter hatten, wagten wir das Experiment, nicht unserem Track zu folgen, sondern dem ausgewiesenen Radweg nach Elgersburg, um von da in Richtung Martinroda zu fahren und wieder auf unseren geplanten Track zu stoßen.

Wie eigentlich fast immer, war die Entscheidung nur mäßig gut. Die Fahrradroute war nicht asphaltiert und fuhr sich gerade auf schmalen Reifen wegen feinen Kiesbelags eher unangenehm. Wir bogen also über Wiese ab in Richtung der parallel verlaufenden Elgersburger Straße, die auch nur bedingt weniger Verkehr als unsere ursprüngliche Route hatte. In Elgersburg konnten wir mit den Rädern durch eine Baustelle, wo Autofahrer nicht durchkamen und so war der Rest der Strecke nach Martinroda dann OK.

Radweg entlang der Gera

Nach einigen Kilometern wenig befahrener Straße bis Plaue gab es dann die Möglichkeit, einen Radweg entlang der Gera zu nehmen, der teils asphaltiert war und wo nicht, zumindest besseren Belag bot, als der vorherige Weg. Das Fahren war also auf diesem Weg sehr entspannt. So blieb es dann auch bis Erfurt.

Die Fahrt durch Erfurt ging dann auch noch und so kamen wir früh am Hotel an. Dieses bot einen geräumigen Fahrradkeller und unser Zimmer war auch bereits fertig. Wir frischten uns etwas auf und entledigten uns der Radklamotten, dann ging es – dank des frischen D-Tickets! – mit der Tram in die Erfurter Innenstadt. Etwas Stadtbesichtigung, ein Eis, ein Getränk – alles bei bestem Wetter.

Abends trafen wir noch einen Schulfreund von Micha, gingen zusammen Essen und saßen hinterher noch anderswo zusammen. Währenddessen zog starker Regen über die Stadt, dieser zog über Nacht aber wieder ab.

Gerolzhofen – Ilmenau

Wie jeden guten Morgen starteten wir auch diesen mit einem ordentlichen Frühstück. Das war auch dringend nötig, denn es war klar: der Tag der Steigungen war gekommen für diese Tour. Natürlich ist das deutsche Mittelgebirge nicht der Mt. Ventoux oder der Tourmalet, aber Höhenmeter sammeln gelingt über die vielen Auf- und Abfahrten.

Los ging es zunächst einmal auf oder an Landstraßen in Richtung Haßfurt. Der Verkehr auf der gewählten Route hielt sich in Grenzen, so dass das Fahren Spaß machte. Auch das Wetter spielte mit Sonne und blauem Himmel mit. Zudem fielen die vielen neuen oder erneuerten Straßen, aber auch Radwege auf.

Bei Haßfurt überquerten wir den Main, dann fuhren wir teils auf einem Bahnradweg weiter in Richtung Thüringen. Die Landschaft wurde merklich hügeliger und vor allem war auch die Gesamtbilanz eher in Richtung Anstieg verschoben.

In Trappstadt legten wir eine kleine Getränkepause ein, die größere Pause mit Essen machten wir dann 20 Kilometer später in Hildburghausen. Auf dem Marktplatz gönnten wir uns eine Pho, ich anschließend ein kleines Eis. Denn ab jetzt ging es in die Steigungen. Hinter Hildburghausen noch etwas „zum Üben“, aber ab Waldau hieß es dann mit 5, später eher 8 bis 10 Prozent bergauf zu kurbeln. Jeder Schatten war willkommen!

Oben wähnten wir uns bei 782 Metern am höchsten Punkt der Reise. Vielleicht hätte dies auch gestimmt, allerdings riet uns ein Anwohner in Frauenwald bei einer kurzen Pause, nicht den geplanten Weg, sondern über die L1141 und K56 nach Ilmenau zu fahren. Durch eine Sperrung für den Autoverkehr auf dieser Route war wohl der Verkehr auf unserer Ursprünglichen Strecke sehr stark. Allerdings mussten wir noch ein kleines Stück zum neuen höchsten Punkt und schliesslich zum wirklich allerhöchsten Punkt der Reise hinauf kurbeln.

die Abfahrt verlief bei 12% Gefälle dann aber rasant und in Ilmenau bezogen wir dann gleich an unserem Track am Eingang der Stadt ein Zimmer in einem Hotel. Nach dem Abendessen war noch ein kleiner Spaziergang mit Einkauf angesagt, dann ging es nach einem anstrengenden Tag früh ins Bett.

Eisenach – Melsungen

Morgens um sieben traf ich mich mit Micha am Hauptbahnhof in Berlin, um den ICE nach Eisenach zu nehmen. Wir besorgten uns Brötchen beim Bäcker, dann ging es runter zum Bahnsteig. Pünktlich rollte ICE 595 in den Bahnhof und wir konnten entspannt einsteigen. Das Fahrradabteil des ICE4 war. Noch leer, außer uns stiegen nur zwei weitere Radfahrer ein. Für uns hatte ich die Hängeplätze 107 und 108 direkt neben der Tür reserviert das ist mit dem Lieber meist besser als die quer im Gang stehenden Plätze, gerade wenn andere dort mit anderen Rädern oder Gepäck durchwuchten. Auch wenn es ab Leipzig voller würde, war die Fahrt pünktlich und angenehm.

Reisefertige Liegeräder im Berliner Hauptbahnhof

In Eisenach stiegen wir aus, die Handgriffe und gegenseitige Hilfe war mit den beiden anderen aussteigenden Radfahrern abgestimmt, so dass alles leicht von der Hand ging, sehr zur Freude des Zugbegleiters. Zügig verließen wir die Stadt auf dem erprobten Weg, auch wenn dieser einen kurzen nicht asphaltierten Anstieg bereithält. Der Himmel zog sich langsam zu, aber das Wetter blieb freundlich. Etwa auf halbem Weg zwischen Eisenach und Bebra ging es denn auf uns unbekannte Strecken, vornehmlich entlang der Bahnstrecke. Das klingt im ersten Moment nach flacher Strecke, es gibt auch wirklich keine langen Anstiege, aber die Servicewege sind nicht nivelliert und bieten immer wieder kräftige Rampen und knackige Schussfahrten, bei denen man wegen Sand in denKurven dann aufpassen muss.

Kurz hinter Eisenach

In Bebra bogen wir schließlich auf den Fuldaradweg ein, der zumeist auf Wirtschaftwegen oder als expliziter Radweg mit gutem Belag und weniger Steigungen entlang der Fulda führt. Einen kleinen Zwischenstopp erlaubten wir uns in Rotenburg a.d. Fulda, wo wir zu Mittag aßen. Außerdem schauten wir nach möglichen Orten für die erste Nacht. Eine Entscheidung hatten wir aber nicht getroffen.

An der Seil(bahn)fähre

Ein Highlight der Etappe war sicherlich die handbetriebene Seilbahn über die Fulda hinter Binsforth, bei der es dann auch für die Arme Training gab und etwas Ruhe für die Beine. Anschließend verläuft der Radweg noch einige Zeit durch die Wiesen nahe des Flusses oder neben der im Tal verlaufenden Bahnlinie, kurz vor Melsungen als begleitender Radweg neben der Bundesstraße 83.

Innenstadt von Melsungen

Bei einem kleinen Snack gegen halb vier am Ortseingang von Melsungen entschieden wir, in Melsungen ein Hotel zu suchen, was schnell gefunden war. Zwar war es nah am Track, aber es lagen doch ein paar Höhenmeter dazwischen und das Navi genierte sich nicht, einen Weg zu suchen, der knackig über 15% Steigung bot. Die Räder bekamen einen sicheren Platz und wir konnten duschen und etwas ausruhen, bevor wir einen kleinen Stadtrundgang in Melsungen machten.

Ewiges Auf und Ab

Leichter Dunst hing noch über Erfurt, als ich startete. Es dauerte etwas, bis sich das Garmin einkriegte bei der Berechnung der Route, während ich schonmal nach Gefühl losgefahren war, aber schließlich fand ich meinen Weg und mein Navi sind Contenance.

Allee in Thüringen
Allee in Thüringen

Wie so häufig ist die Ausfahrt aus Städten mit großen Straßen und Verkehr verbunden, aber an den Stellen, wo es keinen begleitenden Radweg gab, waren die Autofahrer ungewohnt fair. Das ist gerade bei den vielen Steigungen, wo man langsam voran kommt sehr wichtig. Und Steigungen gab es, bis Ilmenau waren es gerade 40km und ich hatte schon 500 Höhenmeter auf der Uhr.

Hinter Ilmenau ging es dann aber richtig zur Sache, eine lange Steigung mit mehr als 10% erwartete mich. Und in der Abfahrt auf einer engen kurvigen Straße ein Autofahrer, der es wohl eilig hatte und der hinter mir drängelte. Bis er versuchte, die erste Kurve in der gleichen Geschwindigkeit wie ich zu nehmen. Ich hörte quietschende Reifen, fliegenden Kies. Haarscharf ging es gut. Und ich verlor den Kandidaten aus dem Rückspiegel, da seine Eile offenbar schlagartig nachgelassen hatte.

Wetter voraus
Wetter voraus

Auf ruhigen Straßen fuhr ich weiter, auf dem Rennsteig Radwanderweg, der sich auf den Bergen hielt und dann runter nach Hildburghausen. Hier beschloss ich, eine Mittagspause einzulegen, bevor es auf die letzten Kilometer nach Haßfurt ging, wo ich mir eine Bleibe gesucht hatte.

Zwischendurch hörte ich hinter mir dumpfes Grollen, Gewitter bildeten sich um mich herum. Eines lag dann genau vor mir und ich näherte mich langsam. Weniger die Regentropfen, mehr die Häufigkeit an Blitzen und zunehmend kürzere Zeiten zwischen Blitz und Donner veranlassten mich, Schutz zu suchen. Eine Trauerhalle bot ihn mir. Draußen zog das Gewitter langsam durch. Drinnen bemerkte ich, dass etwas aus meiner Hecktasche tropfte. Ich hatte die Getränkeblase falsch gepackt und die Traubenschorle hatte sich in meine Tasche ergossen und die ungeschützten Dinge verklebt. Ein Problem für später.

Irgendwann ließen Blitze und Regen nach und ich fuhr weiter, die Straßen waren zunächst noch feucht, aber sie trockneten schnell. Gegen 18:30 Uhr erreichte ich dann das Hotel. Erste Aktion: Sachen waschen.