Frankreich 2014: Bagnères-de-Luchon – Sort

Irgendwie kam ich schwer in die Gänge, hatte auch Probleme mein Frühstück runter zu bekommen – aber das waren wohl nur Startschwierigkeiten, denn nach dem Losfahren wurde es auch irgendwann besser.

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Da Spanien nur die Alternativroute darstellte, hatte ich mir hier die Pässe in meinen Tracks nicht markiert (ich kam schlicht nicht mehr dazu vor dem Losfahren) und so musste ich mich auf die Schilder und meinen Kilometerzähler verlassen. Als erstes kam der Col du Portillon, der Grenzpass zwischen Frankreich und Spanien. Auf dem Weg nach oben traf ich ein jüngeres französisches Pärchen, das ein paar Tage durch die Pyrenäen pedialierte. Nicht die ersten Tourenradler, die ich sah, aber zumindest die ersten, mit denen ich kurz ins Gespräch kam. Wir machten gegenseitig Fotos während der Fahrt und tauschten diese dann auf dem Pass per Mail gleich aus.
Die beiden machten noch eine kleine Verschnaufpause oben und wollten unten eh in eine andere Richtung, insofern fuhr ich dann alleine runter. Kurz jagte ich die Guardia Civil, die hier die Grenzpatrouille fährt, diese machte aber nach kurzer Zeit brav Platz. Und kümmerte sich so wenig um die in Spanien geltende Helmpflicht, wie sich in Frankreich jemand um die Warnwestenpflicht für Radfahrer außerhalb von Ortschaften kümmert. Zwei offenbar vollkommen sinnlose Gesetze.
Für mich ging es dann durchs Tal, wohl aber schon leicht aufwärts, in Richtung Vielha weiter. Von dort in den nicht sehr steilen, aber durchaus langen Anstieg in Richtung Port de la Bonaigua – mit 2072 Metern mein zweiter und auf dieser Tour letzter Pass über 2000 Meter. Der lange Anstieg zehrte zwar, aber durch die nicht so heftige Steigung an der Seite des Tals über 25km immer höher war er lange nicht so anstrengend, wie der Aufstieg zum Tourmalet. Zum Glück, muss ich sagen. Leider drohte hinter mir schon wieder schlechtes Wetter und kurz vor dem Pass holte mich leichter Regen ein. Nicht nur das, das dumpfe Gewittergrollen, das auf der anderen Talseite seinen Ausgang nahm und durch das Tal rollte ist – quasi Auge in Auge – schon ziemlich respekteinflößend. Zumal wenn man quasi ohne Deckung auf knapp 2000 Metern Höhe steht.
Das obligatorische Foto auf dem Pass schoss ein anderer Rennradler, der mich zweimal ungläubig fragte, ob ich damit jetzt hier hoch gefahren wäre. Ich versicherte ihm bei zweiten mal nicht nur, daß ich das getan hätte, sondern daß es auch viel einfacher als Col d’Aubisque oder Tourmalet war. Er hat’s glaub ich nicht ganz verdaut.

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Auf der Abfahrt erwischten mich (zum Glück leichte) Gewitterböen, Platzregen und ein  Temperatursturz, der sich gewaschen hatte. Man konnte der Gewitterwolke zuschauen, wie sie schnell über den Berg kroch und ins nächste Tal “floss”. Ich fuhr so schnell es bei diesen Bedingungen eben geht die Abfahrt hinunter, bis ich im Tal eine Brücke fand, unter der ich mich kurz unterstellen konnte. Als es weniger regnete, fuhrich ins nächste Dorf, parkte das Rad unter dem Schirm einer Hotelbar und bestellte mir drinnen warmen Tee und Cola.
Nach kurzer Zeit schieb schon wieder die Sonne, die Temperatur kletterte auch von 11°C schnell wieder auf 17° und der Regen hörte auch auf. Vor mir lagen noch etwa 23 Kilometer bis Sort – das meiste davon flach oder mit leichtem Gefälle. Das Aussehen der Pyrenäen war hier ganz anders, als in Frankreich. Lange Täler mit steilen Berghängen zu beiden Seiten. Oft allerdings bis oben bewachsen, auch mit Bäumen – die Baumgrenze ist hier offenbar erst knapp unter 2000 Metern.
In Sort suchte ich mir ein nettes Hotel. Die spanischen Preise – die erheblich niedriger sind als die französischen – erlaubten mir ein nettes 3-Sterne-Hotel. “Bike friendly” stand auf einem kleinen Aufkleber. Es gab einen verschlossenen Fahrradraum mit einzeln mit Schlössern versehenen Abstellplätzen, einem Montageständer und Werkzeug. Das nenne ich wirklich mal “Bike Friendly”!
Abends ging ich dann noch in die Stadt. Ein 4-Gänge-Menü in einem Land, in dem Essen nicht zwangsweise aus Pommes besteht war genau das, was mir noch fehlte. Auf dem Tacho standen die geplanten 100km, weiter als bis Sort wäre ich jetzt nicht gekommen, denn es kommt hinter Sort nicht nur eine lange Steigung, sondern auch nur wenig Ortschaft mit gesicherter Hotellerie.

Frankreich 2014: Sainte-Marie-de-Campan – Bagnères-de-Luchon

Das Hotel bot kein allzu frühes Frühstück, erst am 08:30 Uhr, aber das kam mir entgegen. Nach dem harten Tag zuvor, musste ich es heute nicht allzu  früh und heftig angehen. Zwei bekannte Tour-de-France-Pässe standen mir ja ohnehin noch bevor auf den ersten paar Kilometern.

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Vom Hotel aus gab es erstmal eine kleine Abfahrt in den Ort, dann ging es zunächst sanft aufwärts, bevor sich der erste Pass vor mir erhob, der Col d’Aspin. Die bekannten Schilder für Radfahrer neben der Straße, die jeden Kilometer die aktuelle Höhe, die Passhöhe und die durchschnittliche Steigung auf dem nächsten Kilometer ankündigen. Wobei das mit der durchschnittlichen Steigung ziemlich obsolet ist. Durchschnittlich 3,5% helfen mir wenig, wenn es die nächsten 200 Meter erstmal leicht bergab geht und dann 9% auf dem Programm stehen. Aber nun gut, meistens geht es ja einfach nur rauf bei den Pässen hier.
Auf dem Col d’Aspin waren viele Rennradler unterwegs, viele auch in meine Richtung, die mich auf ihren leichten Carbongeschossen dann zügig überholten. Erstaunt hat mich die für Rennradler auffällige Quote an Cycling Caps. Einen Rennradler konnte ich überholen und vor ihm auf dem Pass ankommen. Stahlrad, Heldenkurbel und vermutlich Teilnehmer der Tour de France. 1910. ich überholte ihn unten und er kam vielleicht 7-8 Minuten nach mir auf dem Pass an. So fit möchte ich in dem Alter auch mal sein. Alle Achtung!

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Im Rückspiegel und auf meiner Regenalarm App kündigte sich allerdings schon an, daß heute das Wetter nicht so hübsch sein würde. Oben auf dem Pass machte ich das obligatorische Foto. Dann war ich damit beschäftigt, eine hochspezialisierte Kuh zu bändigen. Diese wartete in der Nähe des Schildes. Sie liess sich bereitwillig mit allen Touristen fotografieren, liess sich streicheln und schaute brav Richtung Kamera. Ihre eigentliche Obsession waren aber Fahrräder. Also nicht die Fahrräder an sich. Sobald ein Fahrrad unbeobachtet war, weil der Besitzer jemanden suchte, der das Foto mit ihm und dem Schild schießen könnte, trottete die Kuh zum Fahrrad und leckte genüßlich mit ihrer großen Zunge das Salz von Lenker und Sitz. Auch beim Liegerad hatte siie die entscheidenden Stellen schnell identifiziert. So eine Kuh ist relativ groß, schwer und störrisch. Und kräftig. Ich versuchte sie von meinem Sitz wegzuschieben. Sie bewegte sich keinen Zentimeter. Ich redete mit ihr. Nichts. Ich versuchte, sie bei den Hörnern zu packen. Keine Reaktion. Also musste ich irgendwie mein Rad greifen und unter der Kuh weg ziehen. Sie beäugte mich kurz, muhte … und schlich zum nächsten Fahrrad.
Dann setzte der Regen ein. Ich dachte, er käme von hinten und ich könnte ihm schnell wegfahren. Aber zum einen windet sich die Straße, zum anderen schwappt so ein Wetter dann einfach blitzschnell über den Berg. Nach ein paar hundert Metern suchte ich mir eine Stelle unter einem Baum (zum Glück ist die Baumgrenze hier weit oberhalb 1500m) und zog mein Regenzeug über. Mit Brille konnte ich nichts mehr sehen, also nahm ich sie ab. Ohne Brille pieksen die Regentropfen ab 50 km/h fies im Auge. Also starke Nutzung der Bremse. Ohnehin sollte man bei regennasser Straße nicht allzu stark bremsen, also immer sanft die Geschwindigkeit unten halten.
Der Col d’Aspin war voll mit Motorrädern und Wohnmobilen. Erstere grüßten in langen Kolonnen bei der Auffahrt ständig, so daß mir bald der Arm lahm wurde. Zweitere begegneten sich bei der Abfahrt ständig an engen Stellen hinter Kurven und erzeugten einen Stau. Insofern hat mir der Col d’Aspin nicht so gefallen. Spannend warren aber natürlich die ganzen Namen und Sprüche auf der Straße, die Überbleibsel der Tour de France. Deren Geist kann man hier richtig spüren, zumal die Pyrenäen-Etappen bereits seit der Frühzeit der Tour dabei sind.

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Nach der Abfahrt wartete ich den Regen ab, dann ging es ohne Regen und nach nur kurzer Verschnaufpause auf den nächsten Pass, den Col du Peyresourde. Mein letzter Tour de France Pass auf dieser Reise. Denn aus Zeit- und auch aus Konditionsgründen hatte ich beschlossen, in Bagnères-de-Luchon auf meinen spanischen Alternativ-Track mit ein paar Kilometern weniger und vor allem deutlich weniger Höhenmetern abzubiegen. Auf dem Track auf der französischen Seite hätten mich ca. 5000 bis 6000 Höhenmeter mehr in den kommenden 3-4 Tagen erwartet, als auf dem spanischen Track. Das ist in der Zeit für mich kaum oder nur mit sehr großen Strapazen schaffbar.
Oben auf dem Peyresourde lockte eine Crepes-Bude, die offen hatte und mit einer Meute Radfahrer besetzt war. Ich wäre liebend gern dort rein gegangen, allerdings drohte hinter mir diesmal nicht nur Regen, sondern Gewitter. Ich entschloss mich zu einer schnellen Abfahrt auf trockener Straße. Diesmal klappte der Plan auch.
Im Ort strandete ich in einem Blumenfest, nach meiner Umfahrung desselben fand ich trotz der Uhrzeit ein Lokal, wo ich zumindest Brot und Käse ergattern konnte. Als der Regen einsetzte und das Gewitter kam, bot man mir auch gleich ein Zimmerchen zu einem passablen Preis an. Ich nutzte die Chance, denn ein Blick aufs Wetterradar liess Schlimmes vermuten. Regen von mir aus, aber Gewitter in den Bergen brauch ich nicht.

Frankreich 2014: Saint-Jean-Pied-de-Port – Laruns

Als um sieben Uhr der Wecker klingelte, war es draußen noch dunkel. Aber man konnte vor dem Fenster die Nebelschwaden sehen. Als es langsam hell wurde, war es draußen feucht und grau vom Nebel. Der Mann vom Hotel beruhigte mich: “Fog is mean nice weather, very hot today!”.

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Er gab mir noch mehr wertvolle Informationen auf den Weg. Es gäbe auch in den kleineren Orten Hotels, speziell dort, wo die Pilger seien. Die seien auch in der Regel bis nach Sonnenuntergang besetzt. Voll würde es nur m Wochenende mit den Motorradfahrern. Zu meiner gewählten Route meinte er, die sei schön. Die weiter im Norden hätte ja keine ordentlichen Pässe. Und die Pyrenäen seien doch für Radfahrer besser als die Alpen – dort würde man ja teilweise 50, 60 Kilometer durchs Tal fahren, hier ginge es immer gleich wieder rauf. Der kennt seine Klientel.
Die ersten Kilometer fuhr ich relativ flach auf einer großen Straße und im Nebel, es war so feucht, daß ich die Brille absetzen musste. Gegen neun Uhr kam die Sonne durch, langsam kam ich etwas höher. Und dann ging es zum ersten Pass hoch. Rauf zum Azuhiko, 1079 Meter. Es handelete sich um eine sehr kleine Straße, auf dem stundenlangen Anstieg traf ich lediglich fünf oder sechs PKW. Der Anstieg hatte es in sich, wo es rauf ging, da meist mit 10% is 16% – zwischendurch dafür immer flach (oder was man nach so einem Anstieg so dafür hält). Und mir wurde klar, daß ich hier bei der Abfahrt extrem aufpassen müsste: Die Straße schmal, keine Leitplanken – und da es keine Zäune gibt hier oben Pferde und Rinder, die unvermittelt auf der Straße stehen können. Oder ihre Hinterlassenschaften.

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Infrastruktur bot der Pass keine, nicht mal ein Schild oben auf dem Pass für das obligatorische Foto. Dort stand ich dafür von den dort lebenden Pferden argwöhnisch beäugt, nach kurzem für ungefährlich befunden und nicht weiter beachtet. Sonst war niemand da. Ich freute mich auf die Abfahrt. Die war allerdings überraschend kurz, da noch ein kleines Pass anstand. Der hatte ein Schild, war aber so klein, daß er mir im Höhendiagramm meiner Planung vorher nicht so aufgefallen wäre, daß ich ihn markiert hätte. Danach kam dann die ersehnte Abfahrt. Kaum Bremsmanöver, relativ sanft und unbehelligt von auf der Fahrbahn stehenden Tieren. Die lagen alle lieber direkt daneben und blinzelten mich in der Mittagssonne müde an.
Im Tal suchte ich mir ein Restaurant für das Mittagessen. Eine kurze Unterhaltung mit ein paar deutschen Motorradfahrern war ganz angenehm – endlich mal wieder ein Plausch in der eigenen Sprache. Dann ging es weiter. Vor mir lag der Col de Marie Blanche. Bis dahin hatte ich ein Stück zurückzulegen, auch hier ging es immer ein wenig auf und ab. Und dann stand ich um 16 Uhr am Eingang des Passes.

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Infrastruktur für Radfahrer: WC und Wasser am Fuß, eine Beschreibung des Profils und jeden Kilometer mit der aktuellen Höhe, der durchschnittlichen Steigung für den kommenden Kilometer und den Restkilometern bis zum Pass. Durchschnittssteigung knappe 8% auf 9 Kilometer – mit dem kleinen Haken, daß es unten mit 2% losging und nach oben immer steiler wurde. Nicht spektakulär, keine Serpentinen, einfach nur Wald, Tal und: steil. Die letzten 4km waren zwischen 10% und 13% angesiedelt. Ich brauchte insgesamt etwa eindreiviertelstunden bis oben – und war dort kaum zu mehr als einer Art Urschrei fähig. Ich bekam Applaus von einer Gruppe Motorradfahrer.
Die Abfahrt begann sanft, ich machte noch ein paar Fotos – und dann kam der lustige Teil. Leider war ich so doof und liess beim Losfahren noch ein Auto vorbei – hinter dem ich dann die Abfahrt über festhing. Der Autofahrer liess sich aber auch nicht lumpen und gab sein bestes. Auf die Idee, mich einfach mal an passender Stelle überholen zu lassen kam er leider nicht.
Im Tal suchte ich dann die nächsten Orte. Der erste war klein, bot nichts, ich suchte auch nicht speziell, denn es kam ein größerer vor dem nächsten Pass, der jetzt ca. 23km und  1300hm vor mir liegt  – als “Frühstück”. In Laruns traf ich zuerst auf ein Gite d’Hote, das aber voll war. Die Dame bemühte sich aber am Telefon und fand ein anderes im Ort, daß noch ein Platz für mich hatte. Sie meinte: Ziemlich voll am Wochenende. Mir schwebten schon Horrorvorstellungen von Nachtfahrten oder Übernachtungen auf dem Marktplatz vor Augen. Allerdings bieten die Orte hier in der Regel eine Menge Unterkünfte, voll sind zuerst die leicht zu findenden an der Straße. Nach den anderen muss man fragen – suchen war mit meinen Bein kaum noch eine Option.
Die Unterkunft war schön, ich gönnte mir abends noch Gallettes und Crepes und ein Schlückchen Cidre im Ort.

Frankreich 2014: Biarritz – Saint-Jean-Pied-de-Port

Wegen der geänderten Gepäckausstattung dauerte das Packen heute morgen etwas länger. Anschließend ging es zum Frühstück dann wieder auf die Straße. Der weiter nach vorne und unten gewanderte Schwerpunkt am Rad machte sich beim Fahren positiv bemerkbar – einziger negativer Effekt: Eine Bremsung in der Abfahrt nur mit der Hinterradbremse wird durch die gesenkte Belastung des Hinterrades deutlich schwieriger.
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In Biarritz fuhr ich zunächst noch einen kleinen Bogen zur Rocher de la Vierge, um noch ein Foto mit Rad und mir am (fast) weitesten Punkt von zu Hause zu machen. Zudem sparte das verkehrsreich Stadtstraßen und ein paar Steigungen innerhalb der verwinkelten Altstadt. Die weitere Etappe nach St.-Jean-de-Luz offenbarte einmal mehr, wie die Höhendaten der Karte und die Realität völlig verschiedene Eindrücke vermitteln können. Nach der Planung wäre ich von einer vielleicht welligen Fahrt ausgegangen, der Radweg führte aber gerne mal zum Strand runter und auch wieder auf die Felsküste hoch, das härteste war eine frisch gebaute 18%-Rampe. Ich bekam ein gutes Intervalltraining statt eines gemächlichen Einrollens.
In St.-Jean-de-Luz umkurvte ich den Markt, machte Halt am Bahnhof um die Rückfahrt zu organisieren und dann ging es in Richtung der nun deutlich sichtbaren Berge. Zunächst sanft, mir kamen viele Rennradler entgegen, die ihre Bergetappen bereits hinter sich hatten. Dann ging es zum ersten Pass hinauf – der Heilige Ignazius ist vermutlich nur zum Einstimmen ausgeschildert, Starthöhe 17 Meter, Passhöhe 169 Meter, 3 Kilometer mit 5%. Easy, selbst ohne Wind bei 27°C und vom Ozean feuchter Luft. Zur Belohnung gab es trotzdem eine kleine Abfahrt.

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Stand ich wenige Kilometer vorher noch am Strand des Atlantik und hörte die Brandung an die Felsen schlagen, so erinnerte die Umgebung nun plötzlich eher an die Schweiz und Heidi-Filme. Kuhglocken, weiße Häuser mit alpinem Flair (und mediterranem Einschlag). Die Berge vor mir wurden auch merklich höher und steiler. Zum Glück hatte ich in meiner Routenplanung die Pässe als Wegpunkte markiert, so daß ich beim Abfahren meiner Tracks die Restkilometer bis zum Pass sehen kann. Das kann zwar manchmal etwas nervig sein, aber mir als nicht so geübtem Bergfahrer erlaubt es vor allem abzuschätzen (zu lernen), was an Strecke noch schaffbar ist und was nicht. Aber zwischen diesem Punkt und der Abfahrt vom Col de St.-Ignace standen noch zwei weitere Pässe, die es etwas ernster meinten im Höhenprofil.
Als nächstes stand der Otxondo an. Die Straße führte in meist sanften Kurven auf 602 Meter hoch, Steigungen zwischen 5% und 8% waren gut zu fahren. Zwischendurch zogen ein paar graue Wolken über die Bergkämme, das schonte mich zumindest zweitweise vor der Sonne. Das laute Donnern unter mir im Tal war aber etwas unheimlich, es beschränkte sich aber auf einen einzigen Donnerschlag. Auf dem Gipfel war es mit 23°C dann auch Bitterkalt, so daß ich mir für die Abfahrt etwas wärmeres überzog. Unten im Tal, ich war mittlerweile in Spanien, besorgte ich mir etwas zu essen. Das Rad führte draußen draußen zur Dorfversammlung. Gestikulieren, Diskutieren, Zeigen – und am Ende fotografieren. Zumindest aber nicht anfassen.

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Danach ging es zum Izpegi hinauf. Der Track auf dem GPS sah aus, als hätte jemand seine Wolle beim Stricken fallen gelassen. Die Steigung hielt sich meist in Grenzen und so liess auch dieser Pass sich gut fahren, bei blauem Himmel und Sonne und wieder 27°C auf dem Thermometer. Von den wenigen überholenden oder entgegen kommenden Autofahrern gab es diverse die grüßten, anfeuerten, Daumen hoch zeigten – ich empfand das als angenehm. Ein paar Rennradler kamen entgegen, mit mir in die gleiche Richtung fahrend traf ich erst bei einer kurzen Pause am Pass welche.
Die Abfahrt ins Tal war großartig. Kaum Verkehr, meist gut einsehbare und fahrbare Kurven bei dezentem Gefälle.
Ich fuhr dann noch etwas weiter, stelllte aber fest, daß der nächste Pass 900hm über mir (der erste 1000er!), 28km vor mir und dazwischen nur noch ein größerer Ort war. Um 17:30 Uhr definitiv Zeit eine Unterkunft zu suchen, denn die Steigung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Und ich weiss noch nicht, wie spät man hier ankommen darf, um noch ein Zimmer zu kriegen.
Im Ort sind viele Hotels auf Rennradler eingestellt. Die Abstellmöglichkeit für das Rad wird ohne Nachfrage gezeigt (meist ein abgeschlossener Raum in der Nähe der Rezeption). Die Preise variieren stark. Aufpassen muss man mit den Pilgerherbergen. 35€ für eine Nacht im Vierbettzimmer mit drei Fremden können da schonmal locker vorkommen. Für 10 bis 20 Euro mehr gibt es ein Hotel.

Frankeich 2014: Cap Ferret – Biarritz

Der Wecker klingelte um 05:45 Uhr. Früh, sehr früh – draußen war es noch dunkel, an Frühstück war nicht zu denken. Meine Taschen waren größtenteils gepackt, die nötigsten Dinge der Nacht verstaute ich dann schnell, holte das Rad, belud es so, daß die Taschen schnell abnehmen konnte und machte mich auf den Weg zur Fähre.

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Dort kam ich um 20 vor sieben an. Zu früh, ich war noch der einzige auf dem Steg. Ein sanfter Schein von Morgenlicht lugte im Osten durch ein paar Wolken, die Strömung unterm Steg erzeugte ein gleichmäßiges Geräusch. Nach und nach füllte sich der Steg mit Menschen: Die 7-Uhr-Fähre ist hier der Schulbus. Und so teilte ich den Platz auf dem kleinen Boot mit einer Horde müder Schüler.
In Arcachon fuhr ich und suchte zunächst mal eine Möglichkeit für ein Frühstück. Nach einigen Kilometern fand ich ein Café, das wohl auch geeignet wäre, Sozialstudien zu treiben. Aber immerhin: Ich bekam Tee und zwei Croissants (ohne irgendwas, Butter und Marmelade im Hotel sind ein Zugeständnis an die Touristen). Besser als Kekse und Iso-Drink allemale.

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Südlich von Arcachon kommt dann die Dune du Pilat – vom Meer aus konnte ich die allerdings besser sehen, als von der Straße. Von dort war sie nur über einen riesigen leeren Parkplatz und langes laufen zugänglich, was mir verschlossen blieb, da ich das Rad mit Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen konnte oder teilweise über einige Campingplätze. Auf einem davon gönnte ich mir dann auch das zweite Frühstück und füllte den Getränkevorrat auf.
Der Eurovelo 1 südlich von Arcachon bis Biarritz ist hervorragend ausgebaut, es gibt selten ein paar verwurzelte Abschnitte, meistens ist es ein exzellenter Weg durch die Pinienwälder oder ab und zu entlang der Straßen. Die Landschaft ist schön, allerdings nicht sehr abwechslungsreich. Abwechslung bringen nur die wenigen durchfahrenen Orte oder der Abstecher an die kleinen Seen im Hinterland. Ich kam etwas zäh voran, das änderte sich aber nach dem Mittagessen.
Es zeichnete sich ab, daß ich es bis Biarritz schaffen würde und so buchte ich ein Hotel für zwei Tage, um dort einen Ruhetag zu haben. Irgendwo auf dem Weg überholte mich ein Rennradler, an dem ich dann noch ein par Kilometer dran blieb, bevor ich ihn ziehen liess, dann ging es über kleinere und größere Straßen durch die ineinander übergehenden Ortschaften in Richtung Biarritz.

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Als ich nach Bayonne einfuhr, sah ich zum ersten mal am Horizont die Ausläufer der Pyrenäen. Weit weg und klein, aber doch schon respekteinflößend.
Als ich Biarritz erreichte, tönte neben mir ein freundliches “Bonjour!” und der Rennradler vom EV1 war wieder neben mir. Vermutlich war er über ruhigere Wege in die Stadt gefahren, ich war von meiner Planung abgewichen, weil ich mich vom GPS in Richtung Hotel leiten liess. Dennoch schaute er nicht schlecht. Er bot mir an, mich über weniger befahrene Strassen in Richtung meines Hotels zu lotsen, was ich gerne annahm.
Genau um 20 Uhr erreichte ich mein Hotel und konnte so sogar noch direkt einchecken (da die Rezeption um 20 Uhr schloss). Man hatte mir aber für den Fall, daß ich später käme den Eingangscode mitgeteilt und Schlüssel sowie WLAN-Zugang lagen bereit.
Nach dem Duschen ging ich nur kurz zum Strand, dann noch etwas essen und anschließend bald ins Bett.