Am Abend, als ich Bad Homburg erreichte, begann ich meine linke Achillessehne zu spüren. Eigentlich war ich gut trainiert in die Tour gegangen, auch die Schuhe sind erprobt. Natürlich waren die Etappen lang, die letzte hatte auch einiges an Steigungen zu biegen, vielleicht hatte ich auch meine Dehnübungen vernachlässigt. Egal wie, ich kenne das Problem und reagiere auf die leichtesten Anzeichen entsprechend sensibel.
Da auch am kommenden Morgen noch immer ein leichtes Ziehen zu spüren war, entschied ich mich, nach Berlin zu fahren und der Sehne Ruhe zu gönnen. Glücklicherweise konnte ich meinen Urlaub unterbrechen bzw. verschieben. So geht die Tour dann erst Mitte September weiter. Die Hoffnung ist, dass ich mir dennoch kein Wetterproblem dadurch beschere. Andererseits entzerrt der zweite Ansatz ab Bad Homburg (wo ich das Rad stehen lassen konnte) auch die Tourplanung, ich kann mit kürzeren Etappen fahren bzw. nach hinten etwas mehr Puffer rausfahren.
Zwar leider nicht back on track in Schweden, aber meine Sehne hat sich beruhigt und ich steigere langsam wieder die tägliche Dosis Radfahren auf ein für mich normales Maß. Das Wetter trägt seinen Teil dazu bei, daß dies natürlich im Moment auch sehr viel Spaß macht und Ideen zur kurzfristigen Umsetzung reifen.
Zum einen laden Wärme und Sonne natürlich ein, sich am Wochenende auf die Speedmachine zu setzen und mit Schlafsack und Zelt bewaffnet irgendwo ins Umland zu fahren, sich abends einen Campingplatz zu suchen (oder sich irgendwo in die Landschaft zu legen) und neue schöne Wege und Orte zu entdecken.
Zum anderen reizt mich natürlich auch das schnelle Fahren auf meinem Lowracer. Die Heckverkleidung ist angepaßt, eine (wenn auch vorerst kleine) Trinkblase habe ich mir auch besorgt. Im Moment erkunde ich Wege, um mal eine Schnittgeschwindigkeit auf 100km vorzulegen, die ich danach versuche zu steigern. Die aktuelle Idee ist der Oder-Radweg zwischen Frankfurt/Oder und Schwedt. In Teilen kenne ich diesen Weg schon, ob das wirklich für mein Vorhaben geeignet ist werde ich dann in den kommenden Wochen mal erkunden.
Ideen für einen kleinen Radurlaub im September wälze ich auch schon, aber das ist ja eher schon als mittelfristig anzusehen.
Seit einigen Tagen würde ich meine Zahnprobleme als endgültig überstanden deklarieren. Die Blasenentzündung liegt lang genug zurück. Ich kann endlich wieder richtig reintreten auf dem Rad.
Nach der Arbeit ging es dann noch auf eine kleine Runde über die Havelchaussee zur Loeretta am Wannsee. Nach einer kurzen Stärkung ging es dann im Schein des Edelux zurück, der den Kronprinzessinnenweg vor mir wunderbar ausleuchtete.
Die Anstiege und die vielen kleinen Pausen, die Manuel und ich noch benötigten, drückten den Schnitt etwas, aber inklusive der Stadtfahrten morgens und mittags kam immerhin noch ein Schnitt von über 23 km/h heraus. Nicht überragend, aber in Anbetracht der Situation (erster richtiger Trainingstag seit langem) noch immer ganz OK.
Und vor allem war das Gefühl, nach rund 45 km (davon etwa 37 nach der Arbeit) und wenigstens zwei versägten Rennradfahrern nach Hause zu kommen richtig gut.
Die kleine Tour nach Potsdam Montag letzter Woche vor dem Liegerad-Treff war ja prima gelaufen. Am Dienstag und Mittwoch fielen Leistung und Motivation etwas ab. In der Nacht auf Donnerstag hab ich schlecht geschlafen. Und am Donnerstag startete ich mit 39,5° Fieber in den Tag. Nach einem Arztbesuch (mal nicht der Zahnarzt…) durfte ich dann Antibiotika schlucken. Das ganze hat mich dann bis gestern mal wieder vom Radfahren abgehalten. Ich zweifle langsam, ob ich dieses Jahr wirklich noch auf einen grünen Zweig komme und frage mich, wofür ich das ganze Wintertraining gemacht habe, wenn die Kondition jetzt wegen Nichts-Tun-Könnens flöten geht.
Heute aber war es soweit. Zwar sollte ich mich in dieser Woche noch zurückhalten und keine fiesen Sprints fahren, aber eine nette Afterworktour sollte kein Problem darstellen. Und so fuhr ich ohne konkretes Ziel nach der Arbeit, diesmal allein, ersteinmal in Richtung Schloßpark Charlottenburg. Für ein nettes Bild des Tages ist das immer gut.
Im Park habe ich dann mal Wege erkundet, die ich bisher noch nicht kannte und schließlich am hinteren Ende rausgefahren. Ich fuhr einen Schlenker in Richtung Spandau, entschied mich aber spontan auf dem Fürstenbrunner Weg einer Abbiegung, die für Fahrradfahrer und Fußgänger ausgeschildert war zu folgen. Für Fahrradfahrer hieß in diesem Falle, daß es einen schmalen Streifen zum Schieben des Rades neben den Treppen gab. Nach Auskunft eines Ortskundigen im Ruhwaldweg lohnte sich der Weg durch die Kolonien nicht und der Weg am Wasser sei seit dem Ausbau der Havel (ein Reizthema in dieser Gegend) selbst für Fußgänger kaum noch zu nutzen. So fuhr ich die Straße hoch zum Spandauer Damm bzw. zur Charlottenburger Chaussee, dann in die Havelchaussee.
Obwohl ich mit den aerodynmisch ungünstigen Taschen am Lowrider, dem ladenden Zzing am Dynamo und in Jeans und normalen Klamotten unterwegs war merkte ich, daß es mit meiner Kondition nach all diesen Pausen zwar nicht zum besten stand, aber das Training im Winter doch etwas gebracht hatte: Die Steigungen der Havelchaussee spürte ich, aber sie haben deutlich ihren Schrecken verloren, ich kann sie jetzt einfach und problemlos nach oben pedalieren. Geschwindigkeitsmäßig ist sicher noch Potential zur Verbesserung vorhanden, aber das ist ja erstmal zweitranging.
Da die Entscheidung noch etwas weiter zu fahren gar zu spontan war hatte ich allerdings nur eine leere Flasche mitgenommen, so daß ich im Waldhaus (nahe Grunewaldturm) ersteinmal eine Apfelschorle verdunsten mußte – und einem interessierten und durchaus positiv eingestellten Wirt zu meinem Rad Rede und Antwort stand.
Anschließend ging es wieder auf die Piste. Beim Einbiegen auf die Havelchaussee, kurz bevor es die rasante Abfahrt hinunter geht, schaut ein Rennradfahrer auf mich herab. Ich ziehe mit ihm auf gleiche Höhe, lächle freundlich, als es auf die Abfahrt geht und rufe ihm zu: “Komm, gib Stoff!”. Keine Reaktion, außer weiter glotzen. Tja, wer nicht will, der hat schon. Ich trete mal kurz rein und sehe ihn trotz ernüchternder 59 km/h sehr schnell kleiner werden. Naja, ich soll mir ja auch keine Kämpfe liefern. Nicht diese Woche. Und spätestens an der nächsten Steigung würde ich die im Moment wohl gnadenlos verlieren, wenn nicht gar schon in der Ebene.
Ich besuche noch kurz Solon und bewundere sein neues Spielzeug, dann geht es über den Kronprinzessinnenweg zurück. Rennradler kommen mir nur entgegen. Soll mir heute recht sein. Erst in Grunewald auf der Fontanestraße treffe ich einen. Er sieht unetschlossen aus, folgt mir dann plötzlich auf die Hagenstraße und hängt sich an mich ran. Er bleibt dicht dran, erst ab 35 km/h bei leichter Steigung (verdammt, hab ich mich hinreißen lassen?) wird der Abstand etwas größer – aber keinesfalls mehr als 10-15 Meter. Erst als ich am Roseneck abbiege wählt er die andere Richtung.
Auf dem Rest des Weges nach Hause lasse ich es ruhig angehen.
Knappe 50 Kilometer. Und inklusive schleichen auf Waldwegen, schieben auf Treppen und langsam durch den Park cruisen habe ich am Ende komfortable 22,1 km/h Schnitt auf dem Tacho.
Eine nette Tradition aus dem letzten Jahr waren gemeinsame kleine Touren nach der Arbeit. Je nach Lust, Wetter und Zeit waren das meist so 30-70 Kilometer, mal etwas mehr, mal etwas weniger.
Nachdem nun endlich das Wetter schön ist und auch die Schwellung meiner Wange zurückgeht, kann ich es natürlich nicht lassen. Noch ist Vorsicht angesagt, aber ich muß etwas für die Ausdauer tun (das heißt eh im unteren Pulsbereich fahren, von daher ist das nicht so problematisch). Und so machten Manuel auf seinem Ventus und ich auf der Speedmachine heute einen kleinen Ausritt, der uns durch Charlottenburg zum Flughafen Tegel führte. Am Spotterpoint West genossen wir das Dröhnen der Motoren, wenn die Jets knapp über uns hinwegfegten um kurz darauf aufzusetzen. Wir trafen dort auch eine Familie, die Rädern unterwegs war – und die Liegeräder lieferten wie üblich sofort Gesprächsstoff. Kontaktscheu darf man mit so einem Ding nicht sein!
Anschließend machten wir die Runde um den Flughafen noch komplett, wobei Manuel die erste Erfahrung mit Sand und einem 20-Zoll-Vorderrad machte: In Zeitlupe umfallen. Nunja, ist mir ja auch schon passiert.
Auf der Rückfahrt erlebten wir wieder diesen erstaunlichen Effekt, wenn man aus der Kühle des Waldes kommt und sich weiter in die Stadt begibt, wie merkbar wärmer es doch wird. Nach einem kurzen Abstecher zum Supermarkt – ein paar Proteine für danach brauchte ich noch – ging es dann nach Hause.
Das fühlte sich gut an!
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