Regen, Zweifel, Sonnenschein

Am Sonntag Nachmittag erwischte mich noch der erste Regen. Eigentlich hatte ich gehofft, dem wenigstens am ersten Tag entgehen zu können. Langsam zog es sich immer dichter zu, dann fielen die ersten Tropfen. Ich suchte Schutz in einem Wartehäuschen und wartete den Schauer ab. Danach folgte länger anhaltender schwacher Regen, so zog ich die Regenjacke an und setzte meinen Weg fort. Bis Knäred, wo ich auf einem Campingplatz eine Hütte mietete. Das war auch nicht viel teurer, als dort zu zelten – aber warm und trocken und bot die Gelegenheit, alle Sachen wieder zu trocknen, anstatt noch mehr naß zu machen.

Der nächste Morgen war trocken, etwas Hochnebel verdeckte zunächst die Sonne, doch die kam immer stärker durch, so daß ich schon kurz nach dem Losfahren kurzärmlich unterwegs war. Allerdings fing mein rechtes Knie an zu zicken – und das zweiten Tag. Ich nahm mich etwas zurück. Langsamer fahren, gleichmäßig und rund treten. So wurde es zumindest nicht schlimmer, aber dieser Zustand weckte Zweifel, ob ich mein Vorhaben wirklich so durchstehen konnte. Die Landschaft wurde hügliger, ich quälte mich mehr als daß die Fahrt so richtig in Fluß geriet. Zudem setzte auch noch ein böser Gegenwind ein. Bergauf ging es kaum noch voran, bergab mußte ich schon mehr als mir lieb war mittreten, um wenigstens mal 20 oder 25 km/h zu erreichen. Trotz des ansonsten schönen Wetters versetzte das der Motivation einen kleinen Hieb. Aber ich erreichte die Straße 26, der ich ab nun weitestgehend folgen wollte.

Nach einer Pause in Gislaved, wo ich eine Pizza verdrückte (Pizza-Läden sind hier fest in türkischer oder arabischer Hand, meist gepaart mit Döner-Buden) und ein nettes Gespräch mit dem türkischen Chef, geboren in Deutschland und ausgewandert nach Schweden, führte, hatte ich wieder genug Energie, um mir die restlichen ca. 15km bis zum nächsten Campingplatz anzutun. Da die 26 rund um Gislaved wegen Zäunen neben den Spuren eh für Radfahrer lebensgefährlich, wenn auch nicht verboten, ist nahm ich einen Radweg, der zwar nicht auf meiner Karte verzeichnet, war, aber wunderbar ausgebaut. Dieser führte auch direkt bis auf den anvisierten Campingplatz Hestra-Isaberg. Wer allerdings auf die Idee kommt, die Plätze fürs Zelten keine 50m neben der stark befahrenen Straße 26 anzulegen, wo auch die ganze Nacht über LKW durch die Gegend braten, der hat was gegen Gäste wie mich. Also entschied ich mich nach einem Blick auf eine Umgebungskarte mein Glück ab von der großen Straße in der freien Natur zu suchen. Hinter einem Golfplatz kam ich in eine kleine Siedlung, wo ich den Besitzer der umliegenden Wiesen fragte, wo ich denn mein Lager aufschlagen dürfte. Dieser sagte mir, die Wiese direkt unten am See gehöre auch ihm, da könne ich wenn ich wolle direkt am Wasser campen. Idylle, Natur, absolute Ruhe. Kaum Mücken und wenn dann keine, die gestochen haben. Und kostenfrei auch noch. Was will man mehr?

Auftakt

Gestern ging es los. Mit dem Zug in Richtung Rostock und in Begleitung von Judith, meinen Eltern, Doro und Manuel. Wir verbrachten einen netten Nachmittag in Rostock und ich versuchte noch einige Kalorien anzulagern. Beim Abschied am Bahnhof kriegte ich dann doch ein wenig Angst vor der eigenen Courage – denn jetzt ging es wirklich los. Nach einem kurzen Treffen mit Katrin am Hafen fuhr ich schließlich in Richtung Fährterminal.

Um kurz nach halb zehn hatte ich eingecheckt und durfte wie schon beim letzten Schweden-Urlaub ganz nach vorne fahren. Der Unterschied diesmal: Ich durfte sogar noch vor den LKW in den Brauch der Tom Sawyer fahren. Als einziger Radfahrer hatte ich freie Auswahl an den Fahrrad-Ständern und stellte meine Speedmachine der Einfachheit halber quer. Anschließend bezog ich meine Doppelkabine (die ich natürlich einzeln bewohnte). Ich gönnte mir noch etwas Apfelscjorle und eine komplette Tafel Schokolade und unterhielt mich mit mehreren Leuten, die sich schon in Warteschlange vor der Fähre an meinem Vorhaben interessiert gezeigt hatten, während ich das Auslaufen bis zur Warnemünder Mole verfolgte. Nach einer schönen warmen Dusche ging es dann ins Bett – der Wecker stand auf 5 Uhr morgens.

Ausgeschlafen war ich natürlich nicht wirklich, als die Weckdurchsage kam. Aber es half nichts, ich packte meine Taschen und ging dann kurz vor sechs zum Autodeck, wo ich mein Rad klar machte. Aus der Pole Position ging es dann durchs Hafengelände und nach Trelleborg. Entgegen meiner Routenplanung und Karten traf ich zunächst mal auf ein Schild, das Radfahren auf der 108 verbot. Ich umfuhr das, allerdings zeigte mein GPS schon hier einen leichten West-Drall (im Gegensatz zur festgelegten Route im Mapsource), so daß ich letztlich bis Lund einen kleinen Umweg hinlegte, dafür aber über malerische kleine Straßen kam.

In Lund gab es die erste größere Pause und endlich ein Frühstück, die Supermärkte und Cafés machten gerade auf, als ich ankam. Und so fand ich ein freies Wireless Netzwerk und dieser erste kleine Bericht entstand.

Vorbereitungen auf Hochtouren

Hier war jetzt ja einige Zeit Ruhe – der Grund liegt nicht zuletzt darin, daß die Zeit vor der Reise langsam knapp wird und beruflich wie privat natürlich noch so einiges zu regeln war. Die Haustiere müssen versorgt werden, in der Wohnung wird gebaut, zwischendurch übernachten da auch Leute. So kommt eins zum anderen.

Auch am Rad und der Ausrüstung haben sich in der letzten Woche noch einige Änderungen ergeben. Am Rad wurde die Elektrik jetzt vollständig installiert und der Kabelwust gegen besser aufgeräumte Kabel mit jeweils mehreren Anschlüssen ersetzt. Das E-Werk hat seinen Platz unter dem Sitz gefunden, es gibt jetzt die Möglichkeit aus dem E-Werk wahlweise USB oder die Versorgung für den Minigorilla Pufferakku zu ziehen, ebenso kann die Solarzelle nicht nur den Minigorilla versorgen, sondern auch am E-Werk angeschlossen werden und so zum Beispiel das Laden von USB-Geräten aus der Solarzelle ohne Umweg über den Minigorilla ermöglichen.

Neben kleinen Ergänzungen meiner Ausrüstung (Rollspeichen, neue Socken) mußte ich – leider, so kurz vor der Fahrt – auch ein paar Änderungen an der vorhandenen Ausrüstung vornehmen. Der Ersatz des Bordwerkezeugs gegen ein vollständigeres, was nebenbei auch diverse Werkzeuge für Ausrüstung abseits des Rades umfaßt war sicher noch einer der unproblematischen Punkte. Leider zeigten meine Radschuhe in den letzten Wochen zunehmende Auflösungserscheinungen, so daß ich jetzt mit fast neuen Schuhen unterwegs sein werde. Dafür erfüllen die zwei Kriterien, die bei den alten nur mit zusätzlichen Hilfsmitteln zu erreichen waren: Sie sind wasserfest und wärmer als meine alten Pearl-Izumis. Daß sie etwas schwerer sind gleiche ich durch das weglassen von Neopren-Socken oder Gamaschen aus. „Gut getestet“ geht allerdings anders.

Meine Routenplanung, die ich ja nach Tipps von Christoph aus Schweden, den ich auf dem Weg auch besuchen werde, ja im mittel- und nordschwedischen Bereich komplett auf die Befahrung der E45 (Inlandsvägen) umgestellt habe, ist jetzt weitgehend finalisiert. Im südschwedischen Bereich habe ich mir Tracks anderer Radfahrer zur Hilfe genommen und nebenbei noch in OSM anhand dieser Tracks (und der Verifikation auf anderen Karten) Straßen ergänzt, so daß dort auch mein Autorouting klappt.

Für das Säubern, die letzte Kettenpflege und das Testpacken steht meine Speedmachine jetzt im Wohnzimmer. Damit geht es jetzt in die heiße Phase. Zur Einstimmung gönne ich mir in dieser Woche wohl noch den Vortrag von Thomas Richter, der mit seiner Streetmachine um die Welt gefahren ist.

Projekt Nordkapp: Abfahrtstermin steht

Lange habe ich mir Zeit gelassen, die Überlegung gewälzt ob ich um der Symbolhaftigkeit direkt von meiner Haustür losfahre oder nicht. Strecken geplant, Material gesammelt, Ausrüstung verbessert. Und natürlich trainiert.
Heute habe ich die Fähre gebucht, die mich über die Ostsee bringt: Am Samstag, den 29.05.2010 nachts geht es von Rostock nach Trelleborg. Damit habe ich auch die Entscheidung getroffen, daß ich mit der Bahn nach Rostock fahren werde. Ich habe den Samstag vormitag um das Rad reisefertig zu packen, kann ohne Streß das Haus verlassen und vielleicht in Rostock noch einen kleinen Abschied mit Freunden feiern (ja, ihr, die Leser meines Blogs seid gemeint – siehe rechts unter „Meet Me„). Sonntag morgen um sechs Uhr in der Frühe rolle ich dann von der Fähre und dann geht es nach Norden. Das Wetter, die Strecke – vieles macht es schwer einzuschätzen, wie lange ich für die rund 2800 Kilometer von Trelleborg zum Nordkapp wirklich brauche. Orientiere ich mich an anderen Radfahrern, die diese Strecke halbwegs sportlich angegangen sind, sind drei Wochen zu schaffen. Durch den Abfahrtstermin gönne (auch gewissermaßen symbolische) 23 Tage, wenn ich die Sommersonnenwende am Kap verbringen möchte (von Einsamkeit dürfte dann da oben keine Rede sein!).
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Am Rad gibt es noch einige kleinere Änderungen. Das Steuerkopflager wird neu eingepaßt (HP hatte das Ersatzteil vorher noch nicht parat, sie haben ein Neues gebaut). Mein Händler hat mir für die Tour ein neues Hinterrad eingespeicht. Festere Speichen, bessere Nabe – und vor allem handgespeicht, gewalkt und mit hoher Speichenspannung nach meinen Wünschn, ich hatte es heute in der Hand und zum Einfahren kommt es natürlich in den kommenden Tagen ans Rad. Auch in Sachen Strom habe ich mit dem B&M E-Werk, einem größeren Pufferakku und der optionalen Möglichkeit per Solarzellen zusätzlichen Strom zu erzeugen nochmal kräftig im Gegensatz zum letzten Jahr nachgelegt. Eine neue Kamera, die wie fast der gesamte Rest meiner Technik mit AA-Zellen läuft liegt auch bereit. Eine Unmenge von Kleinigkeiten sind erledigt und besorgt, einiges wie Rollspeichen, fehlendes Werkzeug (in der reisetauglichen Variante) und etwas Kleidungsersatz steht noch auf dem Plan.
In dreieinhalb Wochen geht es los – ich kann das fast nicht glauben. Ich bin gespannt, aufgeregt. Aber die Angst vor dem Mammutprojekt ist der Vorfreude gewichen.

Kleiner Nachtrag zum Liegeradschnack

Eigentlich wollte ich ja noch ein paar Worte zum Liegeradschnack am letzten Samstag verlieren – allerdings hat Lars irgendwie schon alles wichtige erwähnt. In Kürze: Es hat Spaß gemacht, war spannend und informativ und sollte definitiv im nächsten Winter wieder stattfinden!

Einen kleinen Nachtrag in eigener Sache habe ich allerdings: Nachdem meine Routenplanung für die Strecke von Trelleborg zum Nordkapp eigentlich schon recht weit fortgeschritten war und ich sie grob auf dem Liegeradschnack vorgestellt hatte, habe ich sie jetzt noch einmal völlig über den Haufen geworfen.

Zwei Leute, die teilweise mehrfach dort unterwegs waren und die Route an Schwedens Ostküste über die E4 kennen haben mir eindringlich davon abgeraten, diese Route zu nehmen. Ich hatte vorher schon gelesen, daß auf der E4 mit einigem Verkehr zu rechnen und diese nicht empfehlenswert sei. Ich hab das zwar enrstgenommen, habe das aber dem Ziel schnell vorwärtszukommen und vielleicht am Rande der STrecke doch etwas zu sehen – ich liebe nunmal das Meer – untergeordnet. Die letzten zwei, die ich direkt danach gefragt habe, die haben mir das detaillierter dargelegt: Die E4 ist in der Nähe der größeren Orte für Fahrräder verboten, der Verkehr ist erheblich und kommt dem Radfahrer sehr nahe (ich habe das in Schweden schon erlebt) und die Alternativstrecken bringen einen nicht wirklich gut voran.

Somit plane ich jetzt meine Strecke über die Inlandsroute. Mehr Mücken, weniger Verkehr – vor allem aber viele gute Möglichkeiten sein Lager aufzuschlagen. Etwas eintöniger, aber es geht gut voran, so gut, daß erfahrene Radler meine zeitliche Planung nicht für völlig abwegig halten. Das sind überzeugende Argumente, auch wenn es heißt, manchmal tagelang links und rechts nur Bäume und vor mir das graue Band der Straße zu sehen.