Projekt: Rennliege

Heute habe ich meine Rennliege, meinen M5 CrMo Lowracer, mit nach Hause genommen. Da ich mit einem großen Rucksack bepackt war blieb mir nicht viel anderes übrig, als das gute Stück zum Bahnhof in Tilburg zu schieben und mich dabei von haufenweise Hollandrädern überholen zu lassen. Warten am Bahnhof TilburgAber selbst ohne Gepäck wäre das Thema „Fahren im Straßenverkehr“ vielleicht noch nicht der Bringer gewesen. Des einfacheren Transports halber hatte ich heute auch die Rennhutze (Heckverkleidung) wieder montiert, so daß sich auch damit das Thema mehr oder weniger erledigte.

Am Bahnhof kaufte ich unter den mißtrauischen Blicken des Fahrkartenverkäufers eine internationale Fahrradkarte und befestigte diese am Rahmen. Im Zug zog das Rad dann auch gleich die Aufmerksamkeit einer älteren Dame auf sich, so daß Judith, die mich bis Deventer begleitete, auf niederländisch Rede und Antwort stehen mußte. In Deventer durfte das gute Stück dann sogar mit ins Bahnhofsrestaurant.

Im IC war das Einsteigen ein Erlebnis, am Fahrradwagen waren die Türen defekt. Die Rennliege im IC nach BerlinDas Fahrradabteil hatte ich erwartungsgemäß für mich und so konnte ich den Lowracer ungeniert quer an die Radhalter stellen, ein Laken zum Schutz der Verkleidung, ein Spanngurt gegen’s Umfallen und ein Schloß zur Sicherheit, dann ging ich auf meinen Platz zwei Wagen weiter. Erst kurz vor Berlin ging ich wieder ins Fahrradabteil und durfte sofort Rede und Antwort stehen. Es hatten sich noch zwei weitere Räder dazugesellt – voll war es also im Radabteil immernoch nicht.

Weil ich mir S- und U-Bahn sowie das jeweilige Umsteigen mit Gepäck und Rad ersparen wollte, hatteich meinen Freund Solon überredet, mich in Spandau mit seinem Transporter abzuholen. Wir machten noch einen kleinen Umweg über Stadler, wo ich mir einen Hinterradständer besorgte und über Ishin, dann ging es nach Hause. Naked BikeZunächst mal die Verkleidung abmontieren und Solon ein paar Blicke auf den Flitzer werfen lassen, schließlich gibt es ein oder zwei Stellen, bei denen ich mir gerne von ihm helfen lassen würde.

Später am Abend stand dann die erste Runde der Grundreinigung ins Haus: Der Sitzbezug wanderte erstmal in die Waschmaschine, die Ventisit-Matte ins Waschbecken. Ich demontierte den Sitz und putzte diesen im Bad, dann kam eine erste Reinigung von Rädern, Rahmen und Lenker mit einem feuchten Tuch dran. Ein paar Stellen verdienten etwas WD-40, aber ansonsten gab es auch in diesem Zustand keine bösen Überraschungen bezüglich des Zustandes. Klar sieht man dem Rad an der ein oder anderen Stelle seine stattlichen zehn Jahre an und auch die Tatsache, daß es das ein oder anderen Rennen hinter sich hat, doch der Gesamtzustand ist wirklich sehr gut. Lediglich am Lenker und am Umwerferrohr gibt es ein paar auszubessernde Lackstellen mit oberflächlichem Rost, aber alles harmlos. Am Rahmen gibt es eine Scheuerstelle von einem Zug ohne Rost, die ich gerne nachbehandeln würde. Ein paar Schrauben wechsle ich sicher noch aus, Kleinigkeiten eben.

Bevor ich weitermache wird das Rad wohl erstmal in die Werkstatt geben, denn die Wartung der hydraulischen Bremse (reine Vorsichtsmaßnahme) überlasse ich gegen etwas Geld gerne Leuten, die sich damit auskennen. Das kennen meine Rennradler, das nehmen sie auch ernstDa ich (noch?) keinen Zentrierständer besitze, werde ich auch gleich das Hinterrad (leichter Seitenschlag, vielleicht 1mm) zentrieren und die Speichenspannung kontrollieren lassen. Ob ich mir einen Satz neuer Brems- und Schaltzüge gönne mache ich mal von einem entsprechenden Angebot der Fahrradwerkstatt  abhängig. Dringend nötig ist das nicht, fiele eher unter „wenn wir gerade dabei sind“.

Eher nötig wäre eine neue Ventisit-Matte und vielleicht auch ein neuer Sitzbezug. Erstere ist natürlich schon etwas plattgelegen (wobei, geht eigentlich), zweiterer wäre vor allem aus optischen Gründen auszuwechseln. Hat also beides auch noch Zeit.

Die Verkleidung werde ich vorläufig einlagern. Zuerst steht die Beherrschung des Fahrzeugs auf dem Plan und erst, wenn ich darauf sicher undschnell unterwegs bin – und bei meinen Trainingsrunden konsistente Ergebnisse erziele – fange ich an, die Heckverkleidung anzupassen. Denn nur so kann ich dann auch feststellen, ob und wieviel sie wirklich bringt.

HPV-Treffen und EM 2009 in Leer

Vom 06. bis 09. August fand in Leer in Ostfriesland ein großesTreffen und vor allem die Europameisterschaft der Liegeräder und Velomobile statt. Im Regionalexpress nach LeerAuch wenn ich nicht die Zeit hatte, schon am Donnerstag nach Ostfriesland zu fahren,aber so ganz wollte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen – und so ging es am Freitag Nachmittag zusammen mit Manuel per Bahn nach Leer (wobei wir unsere Räder natürlich dabei hatten). Aus der entgegengesetzten Richtung kam uns Judith per Motorrad entgegen.

Als wir um kurz vor 22 Uhr aus dem Zug stiegen fing es gerade an, etwas zu regnen. Wegen der noch immer vorherrschenden Wärme entschieden wir uns dennoch gegen Regenklamotten und fuhren die nichtmal fünf Kilometer per OpenStreetMap-Routing zum Zeltplatz. Dort hatte Judith schon ihr Zelt aufgebaut und sich mit den anderen Liegeradlern angefreundet, von denen wir einige schon aus Tilburg kannten. Wir warteten den kurzen Regenschauer noch ab, bevor Manuel dann auch sein Zelt aufbaute, während gerade diverse Leute von einer abendlichen Ausfahrt zurückkamen.

Samstag: 200 Meter Sprint

Während des Frühstücks vor dem Ems-Park Einkaufszentrum wurden wir „verpflichtet“, bei der Streckensicherung und am Start des 200-Meter-Sprints zu helfen, was wir gegen ein paar Flaschen isotonischen Getränks dann auch gerne taten. Startaufstellung 200m SprintManuel landete am Ende der Strecke und konnte die Teilnehmer dann bei hoher Geschwindigkeit am Ziel beobachten, während Judith und ich halfen, die Fahrer in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen auf die Strecke zu schicken. So kamen wir zwar alle nicht dazu mal an der gesamten Strecke zu schauen, aber es war doch interessant. Die Anspannung vor dem Start, die unterschiedlichen Strategien – manche traten schon am Afang der 1,5-km-Beschleunigungsstrecke rein, andere rollten sehr langsam vom Start weg – und natürlich der entspannte Blick auf die vielen unterschiedlichen Räder. Sehr viele Eigenbauten aus Stahl, Carbon und sogar Holz neben Rädern „von der Stange“, von denen die meisten dann aber doch noch Tuning-Maßnahmen unterzogen worden waren gingen auf die Strecke. Aufgrund der Beschaffenheit hatten die vollverkleideten Räder (in diesem Falle durchweg Velomobile, keine Einspurer) natülich die Nase vorn Beschleunigungsstrecke 200m Sprintund es entspann sich ein hartes Duell zwischen den Favoriten, das Daniel Fenn im Milan mit ca. 73 km/h klar für sich entschied, vor Ymte Sijbrandij, der im Quest bei knapp unter 70 km/h lag.

Nach dem Rennen erkundeten wir noch ein wenig die Stadt, hielten uns aber größtenteils abseits der Alltagswettbewerbe und genossen einfach ein wenig den ostfriesischen Sommer.

Abends waren wir zunächst fast alleine auf dem Zeltplatz, bis auch der Rest von der offiziellen Veranstaltung wieder eintrudelte. Es gab noch interessante Gespräche, bevor alle in den Zelten verschwanden und es langsam ruhig wurde.

Sonntag: Ein-Stunden-Rennen

Zunächst einmal hieß es die Zelte abzubauen und ein kleines Frühstück zu uns zu nehmen, dann ging es mit vollem Gepäck (in meinem Falle nur zwei Lowrider-Taschen und der Ortlieb-Liegerad-Rucksack) in die Stadt. Genial: PappelholzfahrradIm Rahmen eines Fahrradfestivals fand auf dem abgesperrten Rundkurs mittags hier der letzte EM-Lauf, das Ein-Stunden-Rennen statt. Aufgrund der Strecke und vielleicht auch wegen des Mißmuts einiger Teilnehmer hatte sich die Rennleitung letztlich doch gegen den Le-Mans-Start entschieden und eine Startaufstellung gewählt, die die schnelleren Fahrer nach vorne brachte, die Zeitmessung wurde per Transponder geregelt.

Das Rennen war sehr spannend anzusehen. Natürlich setzten sich Ymte und Daniel hier auch schnell wieder nach vorne ab und fuhren Geschwindigkeiten jenseits der 50 km/h-Marke. Während Ymte zunächst die Führung erobern konnte, gelang es imweiteren Verlauf Daniel wieder aufzuholen und gegen Ende einen veritablen Vorsprung heruaszufahren – damit ist Daniel, ob wohl er im 100-km-Rennen langsamer war als Ymte, am Ende Europameister geworden. Herzlichen Glückwunsch! Und vielen Dank für die Tipps zur Umgestaltung des Antriebs meiner Speedmachine!

Andreas Seilinger mit TraumveloNach dem Rennen furh Judith dann mit dem Motorrad in Richtung Berlin ab, während Manuel und ich uns noch ein wenig die Zeit in Leer vertrieben und später noch den obligatorischen Besuch auf dem Deich erledigten (inklusive Schafsscheiße-Slalom mit einigen Volltreffern).

Da ich meiner Vorderrad-Bremse nicht o ganz über den Weg traute hatten wir uns entschieden, mit der Bahn direkt ab Leer zu fahren und nicht den Weg nach Oldenburg auf uns zu nehmen. Und so ging es dann mit zweimal umsteigen (davon einmal recht knapp) zurück nach Berlin.

Gedankenspiele

Bevor jetzt jemand Captain Obvious spielt: Mir ist bewußt, daß Geschwindigkeit vorrangig eine Frage trainierter Beine (einhergend mit dem Herz- Kreislauf-System) ist und nicht eine Frage der eingesetzten Technik.

Ich habe mit meiner Speedmachine ein komfortables und schnelles Reiserad. Und wenn ich sie nicht mit Taschen behänge, dann taugt sie auf meinen Trainigsrunden auch problemlos, um sich mal mit ein Rennradamateuren auf der Havelchaussee anzulegen. Spätestens an der nächsten Steigung machen sich 10kg Unterschied im Gewicht des Rades aber bemerkbar. Und fairerweise muß ich auch sagen, daß mein Trainigszustand zwar taugt, um in endlicher Zeit eine 200-km-Reiseetappe zu stemmen, aber nicht, um mich mit Rennradlern zu messen, die es wirklich ernst meinen (daran kann ein anderes Rad allerdings auch nur sekundär etwas ändern).

Trotzdem, seitdem ich mal sowas in der Hand hatte, draufsaß und die Dinger im Rennen bewundern durfte: So schöne, leichte Rennliegen faszinieren mich und lösen ein deutliches Will-Haben aus.

Allerdings reden wir hier ja vom Liegerad-Markt – und da sind Dinge manchmal etwas komplizierter als bei den Aufrechten. Denn bevor man sich für ein Modell entscheidet, muß man erstmal wissen, was für eine Art Rad man denn gerne hätte. Mein Bauchgefühl, mein ästhetisches Empfinden und was ich an Ergebnissen bei der Cycle Vision gesehen habe sind sich da allerdings halbwegs einig: Trotz eines derzeit auf dem markt deutlich spürbaren Trends zu Mid- und Highracern, mich faszinieren die Lowracer doch am meisten. Aber selbst unter dieser Prämisse ist es alles andere als leicht, das richtige zu finden.

  • Challenge Fujin SL2 – leicht, elegant, aber irgendwie zu hoch.
  • Optima Baron – werd ich nicht warm mit. Gibt es aber mittlerweile auch in schön leicht.
  • Raptobike – Schön, schon angenehm niedrig, interessanter Frontantrieb und vor allem recht preiswert. Gewicht so um die 13kg.
  • M5 CrMo Lowracer – Ein Klassiker in der Rennszene. Gewicht hab ich noch nicht rausgefunden. Immer mal wieder auch gebraucht zu bekommen.

Es gibt natürlich, sogar teilweise in gar nicht so extrem höheren Preislagen, auch schöne und sehr tiefe Carbon-Lieger mittlerweile. Geiles Design, schön leicht. Aber ich trau mich an Carbon noch nicht ran, zu empfindlich – gerade zum Beispiel beim Transport in der Bahn oder ähnlichen Situationen.

Kommentare mit Vorschlägen oder Anmerkungen sind hier durchaus erwünscht. Angebote grundsätzlich auch, aber noch bin ich in einer frühen Phase des drüber Nachdenkens – es ist unwahrscheinlich, daß ich hier kurzfristig was kaufe.