Von der VELO wechsle ich zur Fahrradschau. Hip, Modern, Fahrradkultur. Hier geht es definitiv anders zu als unter dem Funkturm. Auch das Publikum ist fühlbar anders. Ich wundere mich, ohne Bart und Wollmütze eingelassen zu werden. Vermutlich nur, weil sie nicht wissen, dass mein Fahrrad eine Schaltung hat.
Schöne Räder, oft im Retro Style oder ganz leichte Carbon Renner (Single Speed!) stehen im Vordergrund, aber auch Accessoires für den urbanen Biker. Die Messe wirkt moderner, stylischer, jünger. Ich kann mich inspirieren lassen für den Fall, mir doch noch ein nettes Rad für die schönen Tage in der Stadt zulegen zu wollen.
Das Angebot von 8bar trifft meinen Geschmack. Insgesamt sind hier viele regionale und lokale Hersteller vertreten, aber auch große Namen fehlen nicht, aus den gehobenen Rennradsegment allemal.
Vielleicht ist der Ausfall des mobilen Geldautomaten aber auch ganz gut für mein Konto…
Zwei Fahrradmessen in der Stadt – beide mit unterschiedlicher Zielgruppe. Ich starte mit der VELO Berlin, die sich mehr an den Touren- und Alltagsradfahrer richtet. Diese Messe besuche ich schon seit ein paar Jahren regelmäßig. Sie bietet einen netten bodenständigen Überblick und auch einige Infos für Radreisende. So nahm ich die Gelegenheit wahr und hörte mir den für mich interessant klingenden Teil eines Vortrags über den R1 an: von Berlin bis St. Petersburg.
Irritierend, wenn auch nicht neu, ist die Tatsache, dass einen am Eingang der Messe erst einmal eine Reihe von Ständen erwartet, die einem motorisierte Mobilität in Form von Car Sharing anbieten. Gleich danach wird es dann aber velophiler und die Welt ist wieder in Ordnung.
Ich schlendere durch die Hallen und schaue mich um. Es gibt auch hier ein paar Single Speed Räder bzw. Fixies – teils schön und nicht mal teuer. Allerdings meist auch deutlich über zehn Kilo schon nach Angaben der Hersteller.
Der Anteil der e-Bikes ist erwartungsgemäß sehr hoch. Gerade elektrisch unterstützte MTB scheinen der große Trend zu sein. Nun ja, ich komme lieber völlig fertig aus dem Wald wieder, dafür tu ich das doch.
Die volle Palette der Radgattungen vom Stadtrad über das Reiserad bis zum Fatbike ist natürlich auch vertreten und auch ein paar Liegeräder, natürlich fast durchweg Trikes.
Die Planung der Reise war im wesentlichen eine Sammlung von Ideen gepaart mit ein paar Notwendigkeiten, die sich aus der An- und Abreise ergaben.
Die ursprüngliche Idee war, Frankreichs Atlantikküste mit dem Rad zu bereisen. Ganz am Anfang stand der Plan, in der Bretagne zu starten, aber es wurde bald klar, daß neben derAnreise vor allem der Endpunkt in Biarritz mit der daraus resultierenden Abreise gewisse Schwierigkeiten in der Planung mit sich brachte.
Die Nachtzüge nach Paris, sowie der Nachtzug ab Cerbère in Südfrankreich werden leider zum Ende des Jahres 2014 eingestellt, sind allerdings bis dahin ideale Verbindungen für den Radreisenden. Die Anreise sollte also über Paris erfolgen – für die Abreise ab Cerbère (oder anderer Stationen in Südfrankfreich auf dieser Strecke) musste die Radtour also bis ans Mittelmeer führen. Damit fiel der Plan, in der Bretagne zu starten und die Idee einer Pyrenäenquerung nahm Gestalt an – als Alternative stand immer noch eine Fahrt über Toulouse im Raum, zum Beispiel wenn die Zeit knapp würde oder das Wetter zu schlecht.
Da aber die Radmitnahme in der französischen Bahn, zumal mit zwei Liegerädern, öfter mal auch buchungstechnisch im Internet zum Wabanque-Spiel wird, entstand schlussendlich noch die Planung, von Paris an den Atlantik einfach mit dem Rad zu fahren. Und da bot sich der Weg über Orleans und die Loire mit ihrem wunderschönen Radweg natürlich an.
Großer Unsicherheitsfaktor der Planung war die Durchquerung der Pyrenäen. Da mir außer meiner Tour durch das Schweizer Jura jegliche Erfahrung mit Bergen fehlte und das Schweizer Jura gemessen an den Pyrenäen eher klein ist, nahm ich einen Daumenwert von 100km pro Tag an und hoffte, daß das klappen würde. Plan B wäre ein Abbiegen in Richtung Norden ins französische Flachland gewesen.
Ein weiterer Faktor war die Strecke am Atlantik. Die Arbeit mit der Karte offenbarte diverse nicht asphaltierte Abschnitte. Nicht asphaltiert kann auch bei einer G1-Kategorisierung vieles heissen. Es kann Grund sein, auf dem man problemlos mit 25km/h vorankommt, oder auch nur mit 18km/h. Wenn es regnet oder geregnet hat, dann kann es nötig werden, Ersatzstrecken zu suchen. Auch hier ist eine sichere Vorhersage für die benötigte Zeit nur eingeschränkt möglich.
Zuguterletzt wurde dann kurz vor der Reise klar, daß ich alleine fahren würde. Das ändert nicht so viel an der Planung – aber durchaus die Gepäckmenge, was spätestens für die Durchquerung der Berge von Relevanz ist. Auf einem 20-Kilometer-Anstieg oder an einer 18%-Kehre merkt man jedes Kilogram Gepäck mehr als deutlich in den Beinen.
Der Reiz der Tour bestand aus ihrer durch die Strecke vorgegebenen Dreiteilung. Die ersten Tage Flussradweg an der Loire: Relativ flach, gute Wege. Danach Atlantikküste: Sand, Wind und Küste. Und schließlich die Pyrenäen: Berge, Höhenmeter, schnelle Abfahrten auf meist ruhigen Straßen.
Was mich über die Tour begleitete war warmes, gutes Wetter. Es gab mal zwischendurch ein wenig Regen, aber hauptsächlich gab es viel Sonne und Wärme. Meine warmen Klamotten habe ich sämtlichst unbenutzt wieder mit nach Hause gebracht – Sonnencreme musste ich nachkaufen. Das kann Mitte September auch schon mal ganz anders sein.
Die Tour war, gerade durch ihre abwechslungsreichen Abschnitte sehr interessant. Einiges lief anders als geplant, die Erkältung der ersten Woche bremste mich aus und bedingte einige kleine Anpassungen und in den Pyrenäen musste ich, auch weil ich vorher langsamer war mit den Ruhetagen, auf meine Alternativroute durch Spanien ausweichen. Insgesamt ging die Planung aber doch sehr gut auf, es war nicht allzu knapp, ich musste nicht hetzen und hatte drei Ruhetage.
Wer das Problem der An- und Abreise nicht scheut, die sich durch die wegfallenden Bahnverbindungen schwieriger gestaltet, dem sei die Tour oder Teile davon durchaus ans Herz gelegt.
Von Paris zum Atlantik: Loire-Radweg
Der Weg von Paris nach Orléans War für mich lediglich die Anfahrt zum Radweg an der Loire. Das Fahren in Paris war zumindest am Montag vormittag auf der gewählten Strecke deutlich angenehmer, als ich es zunächst befürchtet hatte. PAris bietet an vielen Stellen eine halbwegs brauchbare Fahrradinfrastruktur, sobald man in die Vororte kommt, wird es ohnehin ruhiger. Der weitere Weg war ausgelegt, um Kilometer zu fressen. Außerhalb des Großraums Paris stößt man auf die typische französische ländliche Infrastruktur: Ruhige Straßen, nichts zu Essen. Teilweise war es etwas hügelig, ich sammelte einige Höhenmeter, wenn auch immer nur auf sanften Steigungen oder kurzen Rampen, die ich in den Beinen spürte.
Von Orléans bis nach Nantes folgte ich der Loire-Radroute. Diese ist sicher eine der bekanntesten und am stärksten vermarkteten Radrouten in Frankreich. Die Wege sind ruhig, oft Radfahrern vorbehalten, am Fluß kommt man immer wieder durch Orte, die Versorgung zulassen. Die Wege sind durchweg in gutem bis sehr gutem Zustand. Die vielen Schlösser und die interessanten Blicke auf den Fluß, Weinanbau und Höhlen zum Champignonanbau bieten neben den malerischen Orten eine wirklich interessante Umgebung. Die Route ist insgesamt recht flach, wenn dann gibt es mal kleine Rampen zu bewältigen. Ich reiste zur Nachsaison, die Wege waren quasi leer, ich traf nur wenige Radfahrer.
Von Nantes zum Atlantik kürzte per Bootsfahrt ein wenig ab, durchaus ein Tipp, um einen halben Ruhetag zu ergattern und trotzdem weiter zu kommen. Kurz hinter Nantes wäre ich allerdings vom offziellen Radweg abgebogen, denn die Brücke in Saint-Nazaire wollte ich mir nicht entgehen lassen. Die ist allerdings eher etwas für hartgesottene Radfahrer, beim Familienausflug würde ich versuchen, die Brücke zu umgehen.
Der offzielle Radweg schlängelt sich am Atlantik entlang, ist besser fahrbar, als es die Wegeplanung zunächst vermuten ließ. Die Qualität ist nicht durchgehend so gut, wie an der Loire, es gibt häufiger mal schlechtere Wege oder Straßen – an einigen Stellen, wo der Weg sich sehr stark durch die Gegend schlängelte, kürzte ich auch ab. Ich bin nicht überall strikt dem ausgeschilderten Radweg gefolgt, um einige Orte mitzunehmen.
Ich fuhr über die Passage du Gois, die nur bei Ebbe befahrbar ist. Hier ist Zeitplanung angesagt, die Tidenzeiten sind im Internet einsehbar, ich hatte sie mir ins GPS gespeichert und nochmal vor Ort überprüft. Fahrbar ist die Passage jeweils ab 90 Minuten vor bis 90 Minuten nach Niedrigwasser. Die Fahrbahn ist an vielen Stellen sehr rutschig, da Salzwasserreste auf der Fahrbahn üblich sind, sollte man das Rad hinterher mit Süßwasser abspülen.
Von La Rochelle nahm ich die Fähre zur Île d’Oleron vorbei am Fort Boyard. Die Überfahrt ist nett, man kommt nahm am Fort vorbei, die Nutzung der Fähre mit dem Rad ist einfach, allerdings fährt sie nicht sehr häufig in der Nebensaison. Die Île d’Oleron ist sehenswert, war aber ziemlich überlaufen.
Die Fähre ab Royan ist eine große Autofähre, Benutzung ist absolut problemlos, die Fähre fährt häufig, sie ist auch Teil des offziellen Radweges.
Das Cap Ferret ist sehenswert, die Fähre nach Arcachon – zumindest in der Nebensaison – ist allerdings eher sowas wie der Schulbus und mit bepackten Rädern nur umständlich zu nutzen, von den Fährzeiten mal abgesehen. Auch in der Nebensaison war es nicht ganz einfach, am Cap Ferret eine bezahlbare Unterkunft zu finden.
Von Arcachon bis Biarritz ist der Atlantik-Radweg dann wieder hervorragend ausgebaut, man kommt gut voran und es macht Spaß zu fahren. Biarritz ist auf jeden Fall eine Reise wert!
Wer auf der Atlantik-Route allerdings glaubt, ständig den Atlantik zu sehen, der liegt falsch. Mal eben im Atlantik baden ist zum einen ein oft kühles Vergnügen, zum anderen muss man erstmal eine geeignete Stelle finden. Für den Alleinreisenden mit Gepäck nicht ganz einfach, denn schließlich will man Rad und Gepäck ja auch in Sichtweite behalten, gerade an etwas belebteren Stränden. Zu bemerken sei noch, daß ich exzellentes Wetter hatte: (fast) keinen Regen, kein Wind. Der Atlantik war spiegelglatt. Man sollte am Atlantik aber auch die Möglichkeit von Regen und vor allem starkem Wind in Betracht ziehen. Das kann auf einbigen Teilen des Weges dann doch ganz schön bremsen!
Die vielen Orte am Meer bieten deutlich bessere Versorgungsmöglichkeiten als das Landesinnere. Moules-et-Frites gibt es oft auch außerhalb der engen französischen Essenszeiten.
Geht es zunächst einmal harmlos los, wenn man von Saint-Jean-de-Luz in die Pyrenäen startet, so werden die Pässe bald höher. Das Wetter im September war sehr gut, die Straßen waren ruhig, oft begegneten mir selbst in langen Aufstiegen keine Autos. Je näher man den großen Tour-de-France-Pässen kommt, desto mehr Rennradler sieht man.
Meine gewählte Route wand sich öfter mal über die spanische Grenze, dort wird die Versorgungssituation bedeutend einfacher – und die Preise erheblich niedriger. Alles in allem ist die Situation aber gut. Auch die kleinen Straßen sind in meist guter Qualität, auf der spanischen Seite in der Regel in sehr guter.
Was zehrt sind die Höhenmeter – aber dafür fährt man ja in die Berge. Lange Anstiege bei 7% bis 10% Prozent, aber auch mal mehrere Kilometer bei 12% bis 14% sind keine Seltenheit, selten gibt es auch mal Rampen, wo es für einige hundert Meter an die 16% bis 18% gehen kann.
Die Alpen kenne ich (bisher) nur aus Erzählungen, aber die Pyrenäen haben Spaß gemacht, gerade weil man über viele Kilometer auch mal alleine mit sich und der Welt sein konnte – ein Zustand, den man über Alpenpässe eher selten hört. Die klimatischen Bedingungen gerade auf der Südseite ergeben führen zudem dazu, daß man auch Mitte September noch bei sehr angenehmen Temperaturen fahren kann.
Nachts waren Gewitter über die Region gezogen, im weiteren Umkreis gab es auch Unwetterschäden, die den Bahnverkehr beeinträchtigten – wenn auch nicht auf unserer Strecke. In Trier war es grau, kühl, aber trocken.
Wir liessen uns Zeit beim Frühstück, danach packte ich meine Sachen und wir checkten aus. Micha lief in die Stadt runter, ich fuhr. Wir trafen uns an der Porta Negra. Nach ein paar Fotos ging es weiter zum Marktplatz, wo wir uns noch in ein Cafe setzten und etwas tranken.
Der Bahnhof war nicht weit entfernt und wir liefen gemeinsam rüber, mit einem Abstecher zum Dom, und waren frühzeitig da. Die Streckensperrung in Richtung Koblenz hatte großes Chaos auf dem Bahnsteig zur Folge, ich war halbwegs beruhigt, als sich die Horde Radfahrer dann in einen anderen Zug begab. Anschließend kam auch unser Zug nach Köln, dort waren wir im Rad-Abteil alleine, auch sonst hielt sich der Füllgrad in Grenzen.
Auf dem Weg nach Köln läuft entlang der Strecke über viele Kilometer ein gut ausgebauter Radweg, den es sich sicher nochmal zu inspizieren lohnt. Es könnte ein nettes Teilstück zum Beispiel auf einer Fahrt zur SPEZI sein.
In Köln hatten wir einen eineinhalbstündigen Aufenthalt, den wir wegen fehlenden gastronomischen Angebots an Bord des ICs nach Berlin für ein Mittagessen nutzten. Das Radabteil des IC war halbwegs leer (zumindest in Köln), ich konnte die Speedmachine an den in der Ecke befindlichen Haken hängen, so daß sie aus dem Weg war. Denn vor Hannover wurde es immer voller. In Hannover leerte sich der Zug dann aber auch wieder. Wir kamen nahezu pünktlich in Berlin Südkreuz an, von dort fuhr ich die wenigen Kilometer nach Hause, wo ich um Viertel vor elf abends ankam.
Trotz der langen Pausen, die der Zug nachts auf Abstellgleisen macht, hatte er es nicht geschafft, die 20 Minuten Verspätung aufzuholen, sondern hatte eine gute Stunde Verspätung.
Da das Personal sich nicht genötigt sah, mehr als die nächsten Stationen durchzusagen und sonst abgetaucht war, standen viele Leute aussteigebereit viel zu früh im Gang. Vom Gerumpel der Taschen und den Gesprächen der Leuten wurde ich lange vor dem Wecker wach und hatte noch mehr als zwei Stunden Zeit bis zum Aussteigen.
In Luxemburg wollte ich einfach nur raus und weg. Micha wartete in Trier auf mich, er holte mich ab, um die gemeinsam gebuchte Rückreise mit Radreservierung nicht verfallen zu lassen. Er hatte mir einen Track nach Trier fertig gemacht, den ich aufs GPS geladen hatte und so konnte ich einfach losfahren. Luxemburg machte einen netten – aber in den Innenstadt auch vollen – Eindruck, doch ich hatte irgendwie kein Auge dafür und sah zu, daß ich so schnell wie möglich aus der Statd heraus kam.
Durch Luxemburg ging es durch eine hügelige Landschaft auf kleinen Wegen und Straßen bis Wasserbillig, wo ich die Grenze nach Deutschland passierte und an die Mosel kam. Ab dort ging es dann auf dem schön ausgebauten Flussradweg nach Trier. Micha erwartete mich dort an einer Brücke, allerdings zu Fuss. Wir gingen gemeinsam erstmal in die Innenstadt, wo wir assen und tranken, dann fuhr ich zum Hotel, während Micha lief. Als ich gerade eingecheckt hatte und das Fahrrad verstaute, kam er auch schon angelaufen.
Nachdem ich mich geduscht und umgezogen hatte, machten wir einen kleinen Spaziergang mit Blick über das Tal und einer Portion Kuchen, abschließend noch zum Supermarkt und dann zurück zum Hotel. Wir schauten die Bilder der Fahrt an und quatschten noch eine Weile, dann gingen wir auf die Zimmer und schliefen.