Mit dem südlichsten Punkt unserer Reise und der Ankunft an der Adria hatten wir den ersten Teil geschafft. Nach der langen und teils schnellen Etappe des letzten Tages und den Bergen davor gönnten wir uns in Caorle einen Ruhetag, nachdem wir uns auf dem Track versichert hatten, dass wir gut im Plan liegen.
Den Tag verbrachten wir mit Spaziergängen am Strand und in der Altstadt. Das Wetter war heute sonnig und warm, die Vorhersage für die kommenden Tage sagte anhaltend gutes Wetter voraus. Die Beine erholten sich, lockeres Gehen ist allemal besser als nichts zu tun.
Der Touristentrubel in Caorle ist für einen Ruhetag ganz in Ordnung, aber die Freude, am kommenden Tag wieder back on Track zu sein ist groß, als wir abends in der Hotelbar noch ein Gläschen Wein trinken.
Das Frühstück war gut, entsprach aber nicht ganz dem italienischen Frühstück aus dem Café Vienna unten im Haus zu Hause in Berlin: nichts ausser Süßkram, aber dafür weitaus mehr als zum Beispiel in Frankreich. Nach etwas rechnen und schauen hatte ich uns Hotel in Caorle gebucht – und damit die Latte für den Tag recht hoch angelegt.
Schon die ersten paar Kilometer zeigten eines deutlich: folgt man in der Ebene dem ausgewiesenen Track des Radwegs, dann kommt man nicht voran. Der Weg kreuzt wild links und rechts der großen Strassen herum und führt über endlose Schotterpisten. Wir kürzen an vielen Stellen ab, dass bedeutet allerdings auch, oft über langweilige und nervige große Strassen zu heizen, bevor man wieder auf ruhigeren Wegen ausruhen kann.
Irgendwann kommt die schier endlose Einfahrt nach Udine. Mittlerweile hat sich der Himmel zugezogen und erste Regentropfen fallen. Als wir endlich im Zentrum anbelangt sind, suchen wir am Rande des Tracks nach etwas zu essen, finden aber nur noch Sandwiches – wie sich später herausstellt, hätten wir nur wissen müssen, dass wir dort auch Nudeln oder Lasagne hätten bestellen können.
Aufgrund der restlichen Strecke nehmen wir bis Palmanova wieder eine Abkürzung. Dort angekommen schauen wir uns kurz in der wunderschönen Planstadt um, essen ein Eis und planen die nächste Abkürzung in den Track nach Caorle. Auch so werden wir abends um die 150km auf dem Tacho haben.
Es geht noch 15km über stark befahrene Strassen, dann wird es ruhiger. Als der Regen aufhört, haben wir den Eurovelo 8 erreicht. Diese zeichnet sich zunächst einmal wieder durch eine ausgiebige Schotterstrecke aus. Leider ist in der OSM beim Planen vorher nicht zu sehen, ob Wege mit feinem, gut fahrbaren Schotter oder unangenehm grob geschottert sind. Letzteres scheint italienischer Standard. Wir fahren noch ein paar spontane Abkürzungen, zum Glück auf nicht mehr hat so frequentierten Strassen.
Der Himmel reisst auf, es gibt auf den letzten 20 km nach Caorle sehr schönes Licht. Auf den letzten 5 km erwischt Micha eine Biene, die sich in seiner (kurzen) Hose verfängt – und sticht. Zum Glück hat er sich gut genug unter Kontrolle, so dass es nicht zum Sturz kommt.
In Caorle finden wir schnell unser Hotel. Wir essen zu Abend, machen unsere Planungen und gehen zu Bett.
Diesmal packten wir noch nicht alle Dinge vor dem Frühstück. Einige Sachen waren nach der gestrigen Regenfahrt schlicht noch feucht. Da sich die Wolken und die Nässe auf der Strasse ohnehin nur langsam verzog, liessen wir uns Zeit. Bei der Abreise fragten wir dann noch nach einem Fahrradladen und bekamen einen Hinweis auf einen Laden im nächsten Dorf – und nicht erst in Spittal.
Diesen Fahrradladen fanden wir auch problemlos an der Strecke, er war geöffnet und nahm sich auch recht zügig Michas Hinterrad vor. So konnten wir bald mit neuer Speiche und gut zentriertem Laufrad weiter fahren.
Der Weg bis Spittal war gut, zwischen Spittal und Villach gab es einige nicht asphaltierte Abschnitte, die wegen des gestrigen Wetters auch einige kleine Matschlöcher enthielten. Aber insgesamt besser als die Bundesstraße. Hinter Villach ging es zunächst an der in einen Lauf gepressten Drau entlang, zur einen Seite Autobahn, zur anderen Industrie. Da wir Hunger bekamen, zückten wir dennoch Vorräte und Kocher und genossen unser Reisgericht.
Nach wenigen Kilometern auf der (erträglichen) Bundesstraße bzw. dem Radweg daneben erreichten wir dann die Grenze nach Italien. Es gab eine steile Auffahrt, dann führte ein ziemlich guter Radweg oberhalb der Strasse entlang. Noch einige Kilometer später wurde daraus ein perfekter Bahnradweg. Anfänglich gab es noch einen sanften Anstieg, aber irgendwann wurde daraus ein Gefälle. Mit etwas über dreißig Kilometern pro Stunde rollten wir durch die Landschaft, die hinter jeder Biegung atemberaubender wurde.
In einem angrenzenden Ort gönnten wir uns eine kleine Kaffeepause, dann ging es weiter. An einem Aufstieg zurück zum Bahnradweg trafen wir zwei Rennradler, mit denen wir viele Kilometer mit 35 bis 45 km/h abwärts rauschten – dabei zückten wir immer wieder die Kameras. In den Tunnels ergänzten wir die stets vorhandene Beleuchtung zusätzlich durch eigenes Licht, was uns ein freundliches “Danke!“ mit Daumen hoch von den Rennradlern einbrachte.
Irgendwann war leider die Ausbaustrecke zu Ende, an dort ging es erst kurz entlang der Strasse, dann auf einen Weg, der aber seinerseits gerade über weite Teile noch Baustelle war – und somit herausfordernde Schotterpassagen enthielt. Am Ende hatten wir knapp 155km mit über 700hm in den Beinen und fanden eine nette Unterkunft.
Das Frühstück war ausgiebig, als guten Geschmack gab es für die Flaschen am Rad sogar einen guten Saft aus der Region. Die Sonne schien, der Himmel war blau. Und so ging es zurück auf den Track. Aus der Planung und Gesprächen mit anderen Radfahrern wussten wir: zunächst würde es noch relativ flach bleiben, dann aber standen noch diverse Höhenmeter auf dem Programm. Und einige davon ordentlich steil.
Der Radweg an der Salzach ist nicht überall asphaltiert, aber zumindest bei trockenem Wetter gut zu fahren. Es waren diverse andere Radfahrer unterwegs, die wenigsten aber Reiseradler, eher Mountainbikes, oft mit E-Antrieb. Dafür waren weite Teile des Weges frei von Autoverkehr. Beim Einbiegen in das Gasteinertal wurde es dann aber alsbald steil. Auf kleinen Wirtschaftswegen ging es bergauf. Aber selbst mit Asphalt sind 14-18 Prozent Steigung dann kein Klacks mehr.
Der Weg folgte oben am Berg einem ständigen auf und ab, während die Bundesstraße weiter unten relativ gleichmäßig anstieg. Wir hatten den Tipp bekommen, deswegen lieber auf dieser zu fahren – beim Anblick des Verkehrs waren wir sehr, sehr sicher, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten, diesen Tipp nicht zu befolgen. So viele 14%-Steigungen gibt es selbst hier nicht, das ich mir sowas im Urlaub antun müsste.
Auf dem Weg überholten wir zwei ältere Damen, die wir später nach dem Durchqueren zweier Tunnel wieder trafen, als wir zum Mittag einkehrten. Wie sich herausstellte zwei Amerikanerinnen aus Portland, Oregon, deren Hobby offenbar Radtouren durch Europa waren. Wir trafen sie noch ein paar mal wieder, denn sobald wir Pause machten, holten die beiden uns immer wieder ein. Respekt!
Der Anstieg nach Bad Gastein und durch den Ort hatte es dann nochmal richtig in sich. Extrem kurvig und steil, wenig aber in so einer Situation spürbarer Autoverkehr. Zudem zogen dicke dunkle Wolken über die Berge, so dass der Regen nicht lange auf sich warten liess. Von Bad Gastein bis zum Bahnhof Böckstein ging es zwar nur noch sanft aufwärts, dafür feucht.
Ab Böckstein geht es ein kurzes Stück bis Mallnitz nur mit dem Zug weiter, selbst Autos werden hier auf den Zug verladen, weil keine Strasse existiert, sondern nur der Bahntunnel. Für uns eine willkommene Pause am höchsten Punkt dieser Alpenüberquerung. In Mallnitz war der Himmel leider noch dunkler, dumpfes Grollen rollte durch das Tal und Blitze zuckten an den Flanken der Berge. So zogen wir Regenzeug über gehen Nässe und Kälte.
Von Mallnitz geht es dann zunächst abwärts. Auf der Strasse. Der Regen peitscht ins Gesicht – und jenseits der 60km/h wird das dann auch leicht schmerzhaft. Übrigens tut es bei 70km/h nicht weniger weh. Mehr habe ich nicht getestet auf der kurvenreichen Strecke.
Im Tal kostet der Radweg dann wieder mehr Kraft, denn er windet sich links oder rechts der gleichmäßig fallenden Bundesstraße immer wieder den Hang hinauf. Da der Regen schlimmer wird, beschließen wir eine Unterkunft zu suchen. Die letzten paar Kilometer fahren wir auf der Strasse. Die Autofahrer sind hier auch nicht besser als in Deutschland.
Fun fact: als kleine Remineszenz an unsere Tour vom letzten Jahr braucht Micha eine neue Speiche im Hinterrad.
Der Wecker ging um sieben, denn wir sollten bis acht das Zimmer frei machen. Wir zogen uns an und räumten unsere paar Dinge zusammen, dann ging es auf die Räder – zumindest für 150m bis zur Bäckerei zwecks Frühstück.
Von Rott am Inn ging es ein klein wenig nördlich, nach wenigen Kilometern waren wir zurück auf unserem Track. Dieser erwies sich als ziemlich hügelig, dennoch ging es gut voran, allein es zehrte an den Kräften. In Seeon, in Sichtweite des ehemaligen Klosters, machten wir eine kurze Pause. Das Café öffnete eigentlich erst später, wir wurden dennoch freundlich mit kalten Getränken bewirtet.
Weiter ging es, oft auf kleinen Strassen oder Wirtschaftswegen. Der Countdown mit den Restkilometern bis Salzburg ging mal quälend langsam, dann wieder rasend schnell der ersehnten null entgegen. In abnehmender Entfernung waren bereits die ersten Berge zu sehen. Nur 20km vor Salzburg kamen wir an einem netten Gasthaus vorbei, so dass wir zu einem guten Mittag kamen.
Der Grenzübertritt auf einer kleinen Brücke war unspektakulär, dann ging es auch schon direkt nach Salzburg, am Flughafen vorbei und quer durch’s Sptital. Schliesslich erreichten wir die Salzach, von der wir einen schönen Blick auf die Stadt hatten. Doch durchquerten wir Salzburg nur und folgten dem Radweg am Fluss entlang. Zwar zeigte der Steigungsmesser 0%, aber an der angezeigten Höhe und der gefahrenen Geschwindigkeit merkten wir doch, dass es langsam aufwärts ging. Als der Radweg allerdings vom Fluss abzweigte, ging es öfters auf teils steilen Rampen bergan, danach aber auch meist gleich wieder hinunter.
Der Pass Lueg war dann unser erster richtiger Pass. Der Anstieg neben der Strasse war noch harmlos, die letzte Rampe aber, da der Tunnel für Radfahrer nur eingeschränkt nutzbar ist, war extrem steil. Beim Gasthaus gönnten wir uns etwas zu trinken, ein Zimmer gab es leider nicht – und so rollten (und pedalierten teilweise auch kräftig aufwärts) die restlichen 15km bis Werfen, wo wir eine Bleibe fanden. Mit 135km und gut über 1000hm in den Beinen war es dann für den zweiten Tag auch genug.