Die diesjährige September-Radtour geht von München nach München, so der Plan und abzüglich gewisser offener Optionen. Da die Auswahl an fahrradtauglichen Verbindungen mit der Bahn von Berlin nach München eher mager ist, ist schon die Anfahrt zum Startpunkt unserer Reise ein Abenteuer: von Berlin mit dem IC nach Leipzig, mit einer privaten Regionalbahn weiter nach Hof, mit einer anderen Bahngesellschaft dann nach München.
Schon im IC wird klar, dass es heute recht voll ist – und dass die meisten Radfahrer im Zug das gleiche Ziel haben. Während es im IC noch entspannt zugeht, ist die Bahn nach Hof knackevoll – es handelt sich um einen kurzen Zug mit nur wenig Platz für die Räder. Der Zug nach München ist zum Glück größer und da wir als erste aus dem Zug in Hof aussteigen, können wir noch sehr gute Plätze ergattern. Die Fahrt dauert knappe acht Stunden insgesamt von Berlin bis München.
In München erwartet uns eine abenteuerliche Mischung aus schlechter Fahrradinfrastruktur und dem geballten Wahnsinn automobiler Fortbewegung in einer engen Stadt. Zunächst steuern wir einen Elektronik-Fachmarkt an, denn Micha hat in der Eile der Vorbereitung zwei Kabel für die Bordelektronik mit vertauschten Steckern versehen. Wir besorgen kurzerhand einen Gaslötkolben, das kann man bei elektronisch hochgerüsteten Rädern wie unseren immer mal brauchen. Bis zur Bastelstunde am Abend versorgen wir seinen Lader per Solarzellen und USB-Powerbank.
Sobald wir aus München raus sind wird der Verkehr ruhiger. Der Stress fällt aber nur langsam ab. Auf Tour angekommen sind wir erst, als auch vor uns das Inntal öffnet und wir am Horizont die ersten hohen Berge im Dunst erkennen können.
Eine Bleibe für die Nacht suchen wir uns in Rott am Inn, magere 60km ausserhalb von München. Aber wir sind ja auch erst am späten Nachmittag dort losgekommen. Nach Dusche und Abendessen geht es ins Bett, morgen geht es dann so richtig los.
Die Chance auf eine Woche Urlaub im August zusammen mit Susanne musste ich nutzen. Nach den Erfahrungen im Herbst 2013 hatte ich eine Radtour auf dem Oder-Neisse-Radweg vorgeschlagen: Schöne Landschaft, guter Radweg – und die Strecke zwischen Frankfurt/Oder und Forst/Lausitz kannte ich auch noch nicht. Zudem bieten die Orte an der Strecke auch Möglichkeiten für ein wenig Sightseeing und Kultur neben der eigentlichen Tour.
Sonntag: Frankfurt/Oder – Guben
Die Anfahrt mit dem RE nach Frankfurt/Oder gestaltete sich etwas schwieriger als im Normalfall, da wegen Bauarbeiten auf der Stadtbahn die Züge ab Erkner fuhren und wir zunächst mit der S-Bahn dorthin mussten. Auf der Speedmachine hatte ich das Gepäck, Susanne fuhr leicht, die Unterkünfte für die ersten zwei Tage in Guben und Bad Muskau hatte ich vorgebucht, da ich nicht sicher war, wie es mitten in den Ferien am Radweg aussehen würde.
Als wir in Frankfurt/Oder ankamen, wollten wir zunächst an der Oder etwas frühstücken – leider waren die wenigen Cafés zu diesem Zeitpunkt alle zu, letztlich fuhren wir nach Słubice und fanden dort ein nettes Café, in dem wir uns stärken konnten.
Die Ausfahrt aus Frankfurt/Oder auf dem Oder-Neisse-Radweg (D12) führt zunächst entlang (zumindest am Sonntag Vormittag) ruhiger Landstraßen, bis es in Brieskow-Finkenheerd endlich auf den Deichradweg geht. Ab diesem Zeitpunkt geht es dann bis auf seltene Ortsdurchfahrten frei von Autoverkehr auf perfekt asphaltierten Radwegen auf oder hinter dem Deich in Richtung Süden. Wir hatten allerdings bei unserer Reise extrem heiße Tage erwischt – und da macht sich bei der Fahrerei auf dem Deich die Kombination aus 34°C und dem Fehlen von schattigen Abschnitten doch bald bemerkbar. Wir vertrugen die Hitze zum Glück beide relativ gut – nur am Abend stellten wir fest, welche Stellen bei der Benutzung der Sonnencreme nicht gut bedacht wurden.
In Fürstenberg (Oder) schauten wir uns kurz um, wollten eigentlich eine kurze Eis- oder Getränkepause machen – allerdings fanden wir kein geeignetes Café, so daß wir dann doch ainfach weiter fuhren. In Ratzdorf, wo die Neisse in die Oder mündet, gab es schließlich eine nette Einkehr für Radfahrer direkt am Weg und wir konnten uns mit Kuchen und größeren Mengen Getränken versorgen – und auch etwas Schatten genießen. Anschließend gab es noch einen kleinen Abstecher an die Neissemündung, dann ging es auch schon weiter auf die letzten paar Kilometer bis Guben.
In Guben hatte ich eine kleine Pension am Stadtrand gebucht, wo wir dann Räder und Gepäck abstellten, uns duschten, umzogen und schließlich zu Fuß in die Altstadt liefen. Nach einer kleinen Stadtbesichtigung (Auskunft des Pensionsbetreibers: „viel zu sehen gibt’s da aber nicht!“) setzten wir uns in das örtliche griechische Restaurant, bevor wir uns auf den Rückweg machten zur Pension. Auffallend immer wieder: die unendliche Stille.
Montag: Guben – Bad Muskau
Am nächsten Morgen, nach einem netten Frühstück, fuhren wir weiter. Vom Hügel aus konnten wir nach Guben rollen, schon in der Stadt bogen wir auf den Radweg ab und waren wieder abseits des Autoverkehrs. Bei Grießen bogen wir kurz vom Radweg ab und folgten einem Hinweisschild auf einen Aussichtpunkt am Tagebau Jänschwalde. Der Blick über diese riesige zerfressene Fläche bedrückend – aber auch beeindruckend. Die Vorstellung, wieviel Landschaft (und teils auch Ortschaften) das in dem kommenden Jahren noch wegnagen wird, fällt ziemlich schwer.
Anschließend führt der Radweg nahe der Bundesstraße 112, bevor er bei Briesnig wieder auf den Deich abbiegt. In Forst (Lausitz) machten wir einen Abstecher in den Ort für eine kleine Stärkung und genügend Getränke. Aufgrund der Hitze und der Frage, wo die bepackten Fahrräder stehen bleiben sollten, streiften wir den Rosengarten nur am Rande und warfen einen Blick über den Zaun.
Weiter geht es am Deich entlang (oder auf demselben), erst einige Kilometer vor Bad Muskau führt der Weg dann auch zunehmend durch den Wald und wir bekommen ein wenig Schatten ab. In Bad Muskau hatte ich uns eine Pension direkt am Marktplatz ausgesucht, so daß wir nach dem Abstellen der Räder und dem Duschen und Umziehen in wenigen Schritten am Pückler-Schloß und mitten im berühmten Park sind.
Die Anlage ist schön wiederhergestellt, wir schauen uns das Schloß und das Schloßvorwerk an, machen dann einen Spaziergang und suchen uns ein Restaurant zum Essen. Auf dem Rückweg entdecken wir eine kleine Gasse, die uns auf den hinter dem Ort liegenden Hügel mit Blick auf Schloß und Park führt, auch ist hier die Ruine einer alten Kirche zu bewundern. Wir genießen den Sonnenuntergang bei einem Spaziergang, finden uns dann noch im örtlichen Café zu einem originalen Fürst-Pückler-Eis ein.
Wegen der Hitze wollen wir bei offenem Fenster schlafen – das laute Brummen einen Hornisse in unserem Zimmer führt dann aber nach dem freundlichen Rausschmiss des Tierchens doch dazu, daß wir zunächst bei geschlossenem Fenster weiter schlafen.
Dienstag: Bad Muskau – Kloster St. Marienthal
Nach dem Frühstück versuchen wir heute etwas früher loszukommen, denn uns steht eine etwas längere Etappe und mit angekündigten 37°C der heisseste Tag bevor. Ich buche uns ein Zimmerchen im Kloster St. Marienthal vor, an das ich gute Erinnerungen von vor zwei Jahren habe.
Aus Bad Muskau heraus führt die Radroute zunächst auf der Bundesstraße entlang, aber schon nach einem kurzen Stück geht es glücklicherweise wieder auf einen Radweg abseits des Verkehrs. Auch wenn die mietsen Autofahrer hier Rücksicht nehmen, nervig ist es dennoch.
Der Weg führt hier nicht mehr auf oder hinter dem Deich entlang, die Neiße läuft in einem Tal und der Weg schlängelt sich durch den Wald und entlang von Feldern. Das sorgt immer wieder für schattige Abschnitte, allerdings gibt es auch immer mal wieder kurze, aber knackige Rampen zum überwinden. Die wenigen Orte am Weg bieten oft keine Gastronomie, aber wir haben genügend Getränke dabei, um uns bis Rothenburg/O.L. selbst zu versorgen. Bei den Temperaturen ist Trinken noch viel wichtiger als sonst, Hunger kommt beim meist eher gemächlichen Tempo nicht so schnell auf.
Hinter Rothenburg/O.L. läuft der Weg abseits der Neisse, auch über einige Zeit an der Straße entlang (mit benutzbarem Seitenradweg). Die Einfahrt nach Görlitz ist aber wegen Bauarbeitren etwas beschwerlich und die Sonne und Hitze macht sich langsam bemerkbar. Wir fahren in die Altstadt. Da wir gut durchgekommen sein und bis zum Kloster St. Marienthal nur noch etwas mehr als 20 Kilometer vor uns haben, können wir uns in Görlitz eine ausführliche Pause leisten – mit viel Trinken und ein wenig Essen. Sogar für eine kleine Stadtbesichtigung (und einen Besuch beim örtlichen Radhändler für ein kleines Ersatzteil) reicht es noch.
Der Weg bis Ostritz verläuft weit genug abseits, aber doch parallel zur Bundesstraße, ein kurzes Stück muss man derzeit noch drauf (angeblich erfolgt der Lückenschluß in Leuba im September, die Bauarbeiten sind in vollem Gange). Der Ort Ostritz zeiht sich dann, bis man das Kloster am Südende erreicht. Nachdem wir uns frischgemacht haben kehren wir zunächst in der Klosterschänke ein, dann erkunden wir noch ein wenig das Gelände, bevor wir im modern eingerichteten Zimmer im Obergeschoss des alten Gemäuers schlafen gehen.
Mittwoch: Kloster St. Marienthal – Zittau / Dresden
Vom Kloster aus führt der Radweg bis Hirschfelde durchs idyllische Neissetal. Der Fluss, Wald, eine sich durch das Tal schlängelnde Eisenbahnstrecke mit hohen Brücken sind ein guter Start, nachdem wir zunächst noch ein wenig das Kloster und seine Kirche erkundet hatten. Zwischen Hirschlfelde und Zittau geht es auf einem Radweg entlang der Bundesstraße weiter, erst in Zittau kommen wir zurück an die Neisse.
Als erstes machen wir einen Abstecher zum Dreiländereck, auf der polnisch-tschechischen Seite versteht sich. Von dort fahren wir den Haken nach Süden, um die deutsche Seite auch noch mitzunehmen, dann suchen wir uns einen Weg in die Altstadt von Zittau. Diese erkunden wir per Rad, gönnen uns Getränke und und Eiskaffee, schließlich fahren wir zum Bahnhof um den Zug in Richtung Dresden zu nehmen.
In Dresden habe ich uns ein Hotel in der Altstadt gebucht, wir machen einen netten Stadtbummel zu Frauenkirche, Semperoper und Zwinger und feiern meinen Geburtstag mit einem guten Essen in der Altstadt.
Am kommenden Vormittag haben wir noch ein wenig Zeit in der Stadt, dann geht es per Zug zurück nach Berlin.
Das heutige Frühstück war zwar reichhaltig, aber eher süß ausgelegt. Wir genossen es trotzdem, bevor wir in aller Ruhe packten und zur letzten kleinen Etappe dieser Tour aufbrachen.
Nach dem Check-out ging es zunächst auf den bekannten Radweg Richtung Loreno, von wo wir nach kurzer Fotopause die Uferstraße in Richtung Luino nahmen. Diese war mäßig befahren, aber die Enge forderte die italienischen Möchtegern-Rallye-Piloten natürlich wieder hinreichend heraus, an den unmöglichsten Stellen sehr eng zu überholen.
Schön war die Strasse dennoch, wir genossen den Blick über den Lago Maggiore bei wolkenlosem Himmel. Im ein oder anderen Ort wählten wir die kleinen Strassen für einen kurzen Moment der Ruhe. Auch wenn das die ein oder andere Rampe bedeutete.
In Luino suchten wir uns ein Café am Ufer, wo wir nochmal zu italienischen Preisen essen und trinken konnten und derweil den Blick über den See genießen. Nach zwei ruhigen Stunden machten wir uns dann auf in Richtung Schweiz. Dort waren die Autofahrer deutlich angenehmer beim Überholen, die Preise in Restaurants oder Cafés allerdings jenseits unseres Budgets.
Da vor dem Bahnhof Baustelle war fuhren wir noch in ein wenig ruhigere Gefilde. Wegen der großen Steigungen allerdings nur den halben weg zum Luganer See, mit guten Überblick dafür.
Rechtzeitig waren wir am Bahnhof, unser Zug kam – wir von der Schweizer Bahn erwartet – pünktlich und die Fahrt nach Basel lief weitgehend ohne Probleme durch aufregende Landschaften.
In Basel fuhr unser Nachtzug nach Berlin nahezu pünktlich, vor allem aber am selben Gleis ab, der Umstieg lief perfekt.
Nach dem sichern der Räder und dem Beziehen unseres Anteils duschten wir, dann machten wir uns über den mitgebrachten Rotwein, dass Brot und die italienische Salami her. Das sanfte Schaukeln des Schlafwagens begleitete uns in die Nacht.
Da wir heute keine große Strecke vor uns hatten, gingen wir den Morgen ruhig an. Nach dem Frühstück suchten wir zunächst vergebens einen offenen Supermarkt, um uns mit Wasser zu versorgen, dann packen wir und schließlich fuhren wir los.
Zunächst waren wir wieder dem heftigen italienischen Verkehr mit eng überholenden Fahrzeugen ausgesetzt, aber stellenweise gab es in den Orten Radwege am Ufer oder kleine Strassen, auf die man ausweichen konnte und der Stress ging etwas zurück.
Die Landschaft am See ist wunderschön und zunehmend gab es auch prachtvolle Hotels und Villen entlang der Strasse. Das Wetter war zunächst diesig, aber nach und nach klarte es auf, warm war es eh.
Kurz vor Intra, wo unsere Fähre über den Lago Maggiore abging, gab es sogar einen sehr gut ausgebauten Radweg neben einer Einbahnstraße, die große Straße verlief weiter oben – am dieser Stelle war ich dann mit Italien erst einmal versöhnt.
Die Autofähre über den See war auch sehr einfach zu nutzen, Dio ging es rüber nach Laveno. Von hier führte ein sehr guter Radweg bis nach Cittiglio, wo wir ein Hotel gebucht hatten. Nach dem Duschen und Umziehen ging ich noch zum Supermarkt, Micha legte sich ein wenig aufs Bett. Anschließend rollten wir zum Abendessen und Sonnenuntergang genießen noch einmal nach Laveno. Der Abend verlief ruhig, da das WLAN im Hotel alles, nur kein Internet lieferte.
Auch wenn der Morgen nicht so warm war wie der letzte Abend, lange Kleidung brauchten wir nach dem Frühstück definitiv nicht mehr. Dafür gute Nerven.
Der italienische Verkehr verlangt einem einiges an ständiger Rundumsicht ab, was angesichts von Schlaglöchern gigantischen Ausmaßes schon für sich nicht einfach ist. Überhaupt, dass Ferrari und Lamborghini nutzlos sind ist ja eine Sache, bei der Infrastruktur ihres Heimatlandes dürften sie hier auch ziemlich unbenutzbar sein.
Die Po-Ebene bietet viele Strassen, aber wenig Abwechslung. Meist herrscht spürbarer bis hin zu nervigem Verkehr, Alternativen sind dünn gesät oder in Zweifel zwar als Radroute ausgeschrieben, vor Ort aber bestenfalls Schotter – und die Qualität der OpenStreetMap und anderer Karten in der Ausweisung des Untergrundes lässt auch zu wünschen übrig. Kurzum: bis auf kurze Abschnitte machte die Etappe wenig Spaß. Die Dörfer waren teils ganz nett, aber keines fiel wirklich durch malerische Schönheit auf.
Da wir noch Vorräte zu verbrauchen hatten, wollten wir kochen. Von netten Pausenplätzen mit Tisch und Bänken war nicht zu träumen, so war unsere einzige Anforderung, wegen drückender Schwüle wenigstens ein wenig Schatten zu finden. Wir fanden diesen unter einer Eisenbahnbrücke auf einem staubigen Feldweg. Schön geht anders, aber schlechter als Imbisse in den Orten direkt an der Strasse mit den Lkw war es dann auch nicht.
Am Ende, etwa 20km vor dem Ziel am Lago Maggiore, fing es schließlich an zu regnen. Am einer Tankstelle wollten wir uns eigentlich nur umziehen, da aber ein Gewitter in der Nähe war warteten wir das Gröbste ab.
Auf der kleinen kurvigen und hügeligen Strasse grenzte es an ein Wunder, dass wir nicht Zeugen eines Unfalls wurden, überholt wurde in der Kurve und bei Gegenverkehr. Uns teilweise nah, den Gegenverkehr problemlos aber auch mit nur Zentimetern Abstand passierend.
Am Lago Maggiore hatten wir ein nettes Hotel gefunden, wo wir uns einquartieren. Duschen, essen, entspannen. Es folgen ruhige Tage, also gab es sogar etwas Wein zum Abendessen.