Hitze war angesagt für den 4. Juli. 37°C – einer der wärmsten Tage, den die Republik seit langem gesehen hat. Und genau für diesen Tag hatte Andi zur diesjährigen Ketzin-Runde mit den Liegeradlern gerufen.
Start der Runde war Spandau, am Bahnhof. Die Anfahrt dorthin am späten Morgen trat ich allein an, ich kam aber recht gut durch und die schon jetzt hohen Temperaturen machten mir auch nicht sonderlich zu schaffen. Meine Strecke führte zudem zu einem guten Teil durch den Grunewald und andere durch Bäume schattige Straßen, so daß es erträglich blieb. Nichtsdestotrotz kam ich durchgeschwitzt in Spandau an und freute mich über eine kurze Pause mit Abkühlung im Bahnhofsgebäude. Um meine Vorräte nicht anzugreifen, kaufte ich mir ein kaltes Getränk.
Als wir dann vollständig zu unsrer Runde versammelt waren – die Zahl blieb überschaubar – ging es auch bald los. Die Fahrt bis Kladow entöang der belebten Straßen ist etwas nervig wegen des Verkehtrs, aber sei’s drum, danach wird es schön.
Ab Kladow geht es über kleine Straßen raus aus Berlin, dann in Richtung Werder. Über die Dörfer und auf den Nebenstraßen herrscht relativ wenig Verkehr. Ein paar Idioten, die zu eng überholen gibt es natürlich immer, aber das ließ sich an einer Hand abzählen. So erreichten wir mit gutem Tempo schon bald die Eisenbahnbrücke, an deren Seite wir uns über die Havel drängen konnten. Leider ist der Weg hinauf und hinab über die Treppen dort beschwerlich, es existiert zwar eine Schiebeschiene, diese ist jedoch seitlich so dicht neben dem Geländer angebracht, daß der Nutzen quasi null ist.
In Werder machten wir zunächst Pause an der Marina Vulkan Werft, ein kleiner Snack und viel zu trinken. Da meine Eltern zufällig gerade vorbei kamen nutzte ich die Gelegenheit und kühlte mich vom Heck der Andante aus noch in der Havel ab, bevor es weiter ging.
Der Havelradweg ab Werder ist gut ausgebaut, zunächst entlang der Bundesstraße bis Phöben mit einem gut fahrbaren Seitenradweg, ab Phöben auf dem Haveldeich autofrei. Wir folgtem Weg bis zu Fähre Ketzin, wechselten dort die Seiten und fuhren dann auf der anderen Havelseite wieder zurück. Eine geplante Einkehr scheiterte leider daran, daß das Lokal nicht mehr existierte, so mussten wir mit einem Supermarkt in Fahrland Vorlieb nehmen, um uns nochmal mit kalten Getränken zu versorgen.
An der B2 trennten sich die Wege der Gruppe, ich fuhr mit Norbi und Micha in Richtung Wannsee weiter. Dort ging ich Baden, Micha fuhr nach Hause, Norbi setzte sich an der Glienicker Brücke ab um die Rückfahrt durch die Stadt lieber mit der S-Bahn anzutreten.
Zugegeben: Die Woche Mallorca Mitte Juni zusammen mit meinen Eltern war anderen Ereignissen geschuldet, nicht der Familienurlaub und nicht das Rennrad-Training trieben mich nach Puerto Alcudia. Dennoch bietet es sich natürlich an, wenn man schon vor Ort ist und am ein oder anderen Morgen Zeit findet, sich ein Rennrad zu leihen und täglich eine nette Guten-Morgen-Runde zu fahren. Nichts ist leichter, als sich auf Mallorca ein Rennrad zu mieten: Gerade im Nordosten der Insel, in Port d’Alcudia, Platja de Muro oder Port de Pollença, gibt es dutzende großer und kleiner Verleiher, vom einfachen Alu-Renner bis hin zur Carbon-Zeitfahrmaschine kann man dort gegen einen Preis, für den man in anderen Regionen gerade mal ein olles Citybike kriegt, so ziemlich alles leihen. Jedenfalls, wenn man nach der typischen Fahrradsaison kommt, so wie ich Ende Juni. Da ich keine große Erfahrung auf dem Rennrad hatte und kein Anhänger der Carbon-statt-Kondition-Fraktion bin, entschied ich mich für ein BMC Gran Fondo GF02 in Alu mit einer netten Ultegra-Ausstattung. Ein solider, schneller Renner so irgendwo um die 8-9kg fahrfertig. Deutlich leichter als alles, was ich sonst bewege. Aber man muss ja noch Raum nach oben lassen.
Als meine morgendliche Trainingsstrecke wählte ich die Fahrt von Port d’Alcudia – das Appartement lag am südlichen Ende des Ortes kurz vor Platja de Muro – über Port de Pollença zum Leuchtturm am Cap de Formentor. Die Gesamtstrecke war damit knapp über 60km lang, davon jeweils ca. 15km zum Ein- bzw. Ausrollen flach entlang des Ufers, der Rest der Strecke durch bergiges Gelände mit teils ordentlichen Steigungen, insgesamt ca. 870hm. Mit einer kleinen Trink- und Photopause am Leuchtturm nahm ich mir dafür ca. zweieinhalb Stunden, gestartet bin ich früh morgens, wenn es noch nicht so heiß war und sich auch noch keine größeren Touristen-Ströme in Autos über die enge Straße wälzten.
Vorab: Das Radfahren auf spanischen Straßen in den letzten Jahren ist mir jedesmal extrem positiv aufgefallen, die Autofahrer nehmen sehr viel Rücksicht und halten Abstand. Der Zustand der Straßen ist in der Regel sehr gut. Wer die Straße zum Cap der Formentor kennt: Diese wurde im letzten Winter (endlich) erneuert und ist jetzt in exzellenter Qualität.
Bei morgendlichen 25°C bis 27°C ließ sich das Rad für mich problemlos mit guten 35km/h über die flachen Straßen bewegen. Auch um diese Jahreszeit gab es noch eine Menge Rennräder auf den Straßen zu sehen, aber die wirklich sportlichen Leute sind natürlich alle deutlich früher im Jahr unterwegs. Während meiner fünf Ausflüge zum Cap gab es nur eine einzige Begegnung mit einem deutlich schnelleren Rennradler – das fand ich fast etwas enttäuschend. Aber wie gesagt, das liegt natürlich an der Jahreszeit – im Frühjahr wimmelt es auf Mallorca wohl eher von Leuten, die deutlich besser im Training sind.
Der Weg über Alcudia (kleiner Hügel zum eingewöhnen) und entlang der Küste ist gut zu fahren, die große Umgehungsstraße um Port de Pollença ist qualitativ besser als die Straße im Ort, aber natürlich nicht so schön. Ich fuhr mal so, mal so. Hinter Port de Pollença geht es dann recht bald in den ersten Anstieg: Auf der Ma-2210 geht es hinauf zum Mirador es Colomer – einem imposanten Aussichtspunkt mit einer gut 300 Meter senkrecht zum Meer abfallenden Felsklippe. Da ich zum Radfahren hier bin lasse ich den Aussichtspunkt links liegen und folge weiter der Straße. Diese geht nur an den steilen Bergen in netten aber oft halbwegs einsehbaren Serpentinen auf und ab, die Landschaft wechselt zwischen blankem Felsen und mediterranen Nadelwäldern. Bald durchquert man eine Ebene mit einer langen Geraden, dann geht es wieder in die bergigen Serpentinen. Die einzig etwas unangenehme Stelle ist ein Tunnel von wenigen hundert Meter Länge, der durch seine Enge und Dunkelheit besticht. Da es aber geradeaus geht, kann man sich gut am Tunnelausgang orientieren. Ich hatte nur immer etwas Sorge, ob von hinten ein Auto angeschossen kommt – aber zum Glück war morgens so wenig Verkehr, daß das nie passierte.
Anschließend geht es noch einige male hoch und runter, bis dann plötzlich hinter einer engen Kurve sich der Blick auf den Leuchtturm am Cap öffnet. Wenige Minuten später stehe ich dort, lassen Blick schweifen, trinke aus meiner Flasche, vielleicht noch eine kurze Unterhaltung mit anderen Rennradlern oder notfalls den Ziegen, dann geht es auf dem gleichen Weg zurück.
Am Mirador es Colomer ist es dann geschafft. Anschließend kommt die lange Abfahrt, die man mit Höchstgeschwindigkeit und nur ein paar kurzen Bremsern nehmen kann, dann geht es weitgehend flach wieder zurück zum Appartment. Rad abstellen, Klamotten vom Leib, rein in die Badehose, kurz abduschen und dann in den Pool. Nach der verdienten Abkühlung dann Frühstück mit den Eltern und vielleicht ein Bad im Meer.
Nach den 60 Kilometern war ich dann aber meist froh, vom ungemütlichen Rennradsattel runter zu sein. So ein leichtes Rad mal eben die Berge hoch zu treten war aber eine definitiv tolle Erfahrung. Obwohl ich ohne Helm fuhr gab es darüber keine einzige Diskussion mit anderen Rennradlern – die meisten (bei weitem nicht alle!) hatten zwar einen Helm, auffallend viele hatten den jedoch vorn am Lenker baumeln. Da sich die Auf- und Abfahrten dort schnell abwechseln galt das für beide Fälle. Bei den Autofahrten über die Insel kam ich defintiv an anderen Straßen vorbei, die ich gerne mal mit dem Rad bezwingen würde zu allererst die Straße nach Port de Sa Calobra. Das allerdings ist vermutlich nur wirklich früh morgens und früher im Jahr, wenn dort keine Badeverkehr herrscht eine wirklich gute Idee. Schon allein die Anfahrt bis dort ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Und zurück muss man ja auch noch.
Das heutige Frühstück war zwar reichhaltig, aber eher süß ausgelegt. Wir genossen es trotzdem, bevor wir in aller Ruhe packten und zur letzten kleinen Etappe dieser Tour aufbrachen.
Nach dem Check-out ging es zunächst auf den bekannten Radweg Richtung Loreno, von wo wir nach kurzer Fotopause die Uferstraße in Richtung Luino nahmen. Diese war mäßig befahren, aber die Enge forderte die italienischen Möchtegern-Rallye-Piloten natürlich wieder hinreichend heraus, an den unmöglichsten Stellen sehr eng zu überholen.
Schön war die Strasse dennoch, wir genossen den Blick über den Lago Maggiore bei wolkenlosem Himmel. Im ein oder anderen Ort wählten wir die kleinen Strassen für einen kurzen Moment der Ruhe. Auch wenn das die ein oder andere Rampe bedeutete.
In Luino suchten wir uns ein Café am Ufer, wo wir nochmal zu italienischen Preisen essen und trinken konnten und derweil den Blick über den See genießen. Nach zwei ruhigen Stunden machten wir uns dann auf in Richtung Schweiz. Dort waren die Autofahrer deutlich angenehmer beim Überholen, die Preise in Restaurants oder Cafés allerdings jenseits unseres Budgets.
Da vor dem Bahnhof Baustelle war fuhren wir noch in ein wenig ruhigere Gefilde. Wegen der großen Steigungen allerdings nur den halben weg zum Luganer See, mit guten Überblick dafür.
Rechtzeitig waren wir am Bahnhof, unser Zug kam – wir von der Schweizer Bahn erwartet – pünktlich und die Fahrt nach Basel lief weitgehend ohne Probleme durch aufregende Landschaften.
In Basel fuhr unser Nachtzug nach Berlin nahezu pünktlich, vor allem aber am selben Gleis ab, der Umstieg lief perfekt.
Nach dem sichern der Räder und dem Beziehen unseres Anteils duschten wir, dann machten wir uns über den mitgebrachten Rotwein, dass Brot und die italienische Salami her. Das sanfte Schaukeln des Schlafwagens begleitete uns in die Nacht.
Da wir heute keine große Strecke vor uns hatten, gingen wir den Morgen ruhig an. Nach dem Frühstück suchten wir zunächst vergebens einen offenen Supermarkt, um uns mit Wasser zu versorgen, dann packen wir und schließlich fuhren wir los.
Zunächst waren wir wieder dem heftigen italienischen Verkehr mit eng überholenden Fahrzeugen ausgesetzt, aber stellenweise gab es in den Orten Radwege am Ufer oder kleine Strassen, auf die man ausweichen konnte und der Stress ging etwas zurück.
Die Landschaft am See ist wunderschön und zunehmend gab es auch prachtvolle Hotels und Villen entlang der Strasse. Das Wetter war zunächst diesig, aber nach und nach klarte es auf, warm war es eh.
Kurz vor Intra, wo unsere Fähre über den Lago Maggiore abging, gab es sogar einen sehr gut ausgebauten Radweg neben einer Einbahnstraße, die große Straße verlief weiter oben – am dieser Stelle war ich dann mit Italien erst einmal versöhnt.
Die Autofähre über den See war auch sehr einfach zu nutzen, Dio ging es rüber nach Laveno. Von hier führte ein sehr guter Radweg bis nach Cittiglio, wo wir ein Hotel gebucht hatten. Nach dem Duschen und Umziehen ging ich noch zum Supermarkt, Micha legte sich ein wenig aufs Bett. Anschließend rollten wir zum Abendessen und Sonnenuntergang genießen noch einmal nach Laveno. Der Abend verlief ruhig, da das WLAN im Hotel alles, nur kein Internet lieferte.
Auch wenn der Morgen nicht so warm war wie der letzte Abend, lange Kleidung brauchten wir nach dem Frühstück definitiv nicht mehr. Dafür gute Nerven.
Der italienische Verkehr verlangt einem einiges an ständiger Rundumsicht ab, was angesichts von Schlaglöchern gigantischen Ausmaßes schon für sich nicht einfach ist. Überhaupt, dass Ferrari und Lamborghini nutzlos sind ist ja eine Sache, bei der Infrastruktur ihres Heimatlandes dürften sie hier auch ziemlich unbenutzbar sein.
Die Po-Ebene bietet viele Strassen, aber wenig Abwechslung. Meist herrscht spürbarer bis hin zu nervigem Verkehr, Alternativen sind dünn gesät oder in Zweifel zwar als Radroute ausgeschrieben, vor Ort aber bestenfalls Schotter – und die Qualität der OpenStreetMap und anderer Karten in der Ausweisung des Untergrundes lässt auch zu wünschen übrig. Kurzum: bis auf kurze Abschnitte machte die Etappe wenig Spaß. Die Dörfer waren teils ganz nett, aber keines fiel wirklich durch malerische Schönheit auf.
Da wir noch Vorräte zu verbrauchen hatten, wollten wir kochen. Von netten Pausenplätzen mit Tisch und Bänken war nicht zu träumen, so war unsere einzige Anforderung, wegen drückender Schwüle wenigstens ein wenig Schatten zu finden. Wir fanden diesen unter einer Eisenbahnbrücke auf einem staubigen Feldweg. Schön geht anders, aber schlechter als Imbisse in den Orten direkt an der Strasse mit den Lkw war es dann auch nicht.
Am Ende, etwa 20km vor dem Ziel am Lago Maggiore, fing es schließlich an zu regnen. Am einer Tankstelle wollten wir uns eigentlich nur umziehen, da aber ein Gewitter in der Nähe war warteten wir das Gröbste ab.
Auf der kleinen kurvigen und hügeligen Strasse grenzte es an ein Wunder, dass wir nicht Zeugen eines Unfalls wurden, überholt wurde in der Kurve und bei Gegenverkehr. Uns teilweise nah, den Gegenverkehr problemlos aber auch mit nur Zentimetern Abstand passierend.
Am Lago Maggiore hatten wir ein nettes Hotel gefunden, wo wir uns einquartieren. Duschen, essen, entspannen. Es folgen ruhige Tage, also gab es sogar etwas Wein zum Abendessen.