Die letzten zwei Wochen waren bei mir von einigem beruflichen und privaten Streß geprägt, der dazu führte, daß ich weniger als sonst auf dem Rad saß. Die Lust war weg, ich fühlte mich müde. Auch wenn es Kraft gekostet hat: aber an diesem Wochenende habe ich mir selbst einen kleinen Tritt in den Arsch verpasst und mich aufs Rad gesetzt. Herausgekommen sind bei wunderbarem Wetter zwei schöne Touren auf der Speedmachine, die die Lust am Fahren zurückgebracht haben und vor allem eine gewisse Sehnsucht geweckt haben nach Touren. Ich hoffe, das bringt mich dazu, endlich mal den Sommerurlaub zu planen.
Zu den beiden netten Ausflügen werde ich dann diese Woche noch Artikelchen veröffentlichen. Nicht besonderes, aber es lohnt sich – zumindest mal für mich selbst!
Da meine Freundin Judith seit einiger Zeit ja auch Liegerad fährt (ein Challenge Hurricane), hatten wir beschlossen, eine kleine gemeinsame Tour zu unternehmen. Der Einfachheit halber und weil Brandenburg ja in dieser Hinsicht einiges zu bieten hat, entschieden wir uns, dem Havelradweg bis zur Elbe zu folgen und bei Bedarf dann auf dem Elberadweg noch etwas zu verlängern.
Samstag, 11.09.2010
Bereits am Freitag hatten wir unsere Taschen gepackt, Samstag morgen ging es dann ersteinmal zu meinen Eltern zum Frühstück. Es bestand kein Bedarf, extrem früh zu starten, wir wollten nicht Kilometer fressen, sondern einfach ruhiges Urlaubsradeln zelebrieren. Nach dem Frühstück beluden wir unsere Räder und fuhren über den Kronprinzessinnenweg in Richtung Bahnhof Wannsee. Wir kauften Fahrkarten nach Werder/Havel und standen vor der ersten Herausforderung: Zwar gibt es einen Fahrstuhl, mit dem man von der Straßenebene auf die Zwischenebene kommt, Fahrstühle zu den Bahnsteigen aber gibt es nur bei der S-Bahn, der Aufstieg zu den Regionalzügen führt über eine lange Treppe. Die beladenen Räder dort hochtragen fällt nicht unter Spaß.
In Werder angekommen fuhren wir gleich auf der Westseite vom Bahnsteig herunter und fädelten uns nach wenigen hundert Metern auf den Havelradweg ein, der hier zunächst noch für eine Kilometer auf der Straße verläuft, bevor er durch kleinere Dorfstraßen dann zu einem reinen, gut asphaltierten Radweg fernab der Straße und nahe des Havelufers wird. Wir hatten ausgezeichnetes Spätsommerwetter und kamen gut voran. Trotz der super Bedingungen trafen wir nicht auf übermäßig viele andere Radfahrer und so war die Fahrt sehr gemütlich und erholsam.
Dank ihrer mittlerweile gut eingestellten Schaltung meisterte Judith die Hügel auf dem Weg ohne Probleme. Bei unserer letzten kleinen Tour im Münsterland konnte sie das kleine Kettenblatt nicht nutzen und so wurden 5% bereits zu einer Qual. Niederländische Radhändler und -mechaniker bestehen ja immer gerne drauf, daß man das zweite Kettenblatt nicht brauche … wenn man nur mit Schwung mal auf einen Deich fahren muß, es sonst aber komplett flach ist, dann ist das wohl auch wahr.
Wir kehrten auf dem Weg noch in einer kleinen Gastwirtschaft zum Mittagessen ein, kurz vor Brandenburg kauften wir frische Äpfel und Birnen vom Bauern, dann ging esnach Brandenburg hinein, wo wir uns Eis und später noch ein kleines Abendessen gönnten, bevor wir unsere Odyssee zum Campingplatz Buhnenhaus starteten: Ich hatte nicht viel vorbereitet und wir hatten uns den Campingplatz spontan ausgesucht. Unvorsichtigerweise überprüfte ich das Routing des Garmin nicht nocheinmal, bevor wir uns auf den Weg machten. Ein kleine nicht verzeichnete (flache) Treppe an einer Brücke war kein großes Problem, doch dann folgten wir der kürzesten Route – die um diese Tageszeit jedoch einen Haken hatte: Die Fähre fuhr nicht mehr… Und so mußten wir ein gutes Stück zurück fahren und hatten am Ende sicher sechs Kilometer Umweg gemacht. Die allein waren sicher kein großes Ding, aber das bedeutete auch, daß wir das Zelt im Dunkeln aufstellen mußten. Mit der Stirnlampe ging das. Doch die Unmengen an Mücken nervten. Wir schafften es zwar, daß nur eine einzige mit ins Zelt schlüpfte, aber die Aufbauzeit und der Weg zur Dusche hatten gereicht, daß wir beide mächtig zerstochen waren.
Durch die kühle Luft war das Zelt morgens nicht unbedingt trocken, aber die Sonne kam langsam durch und half dabei, die Feuchtigkeit bald zu vertreiben. Ich hängte das Tarp, das nachts unsere Räder abgedeckt hatte noch zum trocknen auf, während wir unsere Dinge zusammenpackten, dann fuhren wir auch bald los. Wegen der vielen Mücken hatten wir uns entschieden, das Frühstück ein paar Kilometer weiter zu uns zu nehmen, jedenfalls ein erstes Kleines, was wir dann mit Blick auf den Breitling See auch taten. Doch auch hier ließen uns die Mücken nicht recht in Ruhe. Nach kurzer Rast fuhren wir weiter in Richtung Kirchmöser, am Ortseingang stießen wir auf einen Campingplatz mit offener Bewirtschaftung und fragten dort nach Frühstück. Kurz nach zehn am Sonntag, Terrasse mit Seeblick. „Na so richtig Frühstück nicht, aber ich guck mal, was ich im Kühlschrank habe!“, sagte die Dame hinter dem Tresen und nach kurzem Blick bot sie an, uns zumindest Rührei machen zu können. So saßen wir dann da, aßen köstliches Rührei, tranken kalte Milch dazu – und kamen uns zwischen den Leuten an den anderen Tischen, die nicht mehr beim ersten Bier waren oder eine Weinflasche auf dem Tisch hatten, etwas deplaziert vor.
Ab Kirchmöser erwarteten uns zunächst einige Straßenkilometer. Zum Glück sind diese Straßen nicht stark befahren und man kommt ab und an durch Dörfer, die etwas Abwechslung bieten. Der Havelradweg führt zunächst somit etwas entfernt von der Havel weiter, aber immer wieder trifft man auf den Fluß, meist in kleinen Orten, die sonntags wie ausgestorben scheinen. Dennoch finden wir hie und da immer mal wieder ein Plätzchen für eine kleine Pause und können auch mal irgendwo einkehren, um etwas zu essen oder zu trinken. Mit knapp über 20°C und viel Sonne zeigt sich das Wochenende nochmal von seiner besten Seite.
Am Nachmittag erreichen wir Rathenow. Um den Mückenschwärmen zu entgehen, die jede auch nur kurze Pause immer schnell zur Qual werden ließen und weil für die Nacht Regen erwartet wird, entscheiden wir uns, nach einem Abendessen im Ort (hervorragenden Fisch gibt es entlang der Havel allerorten!) für eine Pension. Diese heißt Billardcafé Südpark und bietet abgesperrte Unterstellmöglichkeiten für die Räder sowie recht großzügige Räume. Das Billardcafé ist im ersten Stock, abends ist es dort dennoch ruhig und wir haben noch die Chance auf einen kleinen Cocktail zur Nacht.
Nach einer (fast, ein Alarm ging nachts los) ruhigen Nacht packen wir entspannt unsere Sachen und gehen überpünktlich hinauf ins Café – wir hatten uns das Frühstück zu neun Uhr bestellt. Draußen regnet es, drinnen steht ein gut gedeckter Frühstückstisch. Als wir etwas schüchtern fragen, ob wir etwas anderes als Kaffee haben könnten, kriegen wir problemlos kalte Milch – sogar einen ganzen Liter! Wir lassen uns Zeit, laut Regenradar sollte der Regen irgendwann nachlassen und zum Nachmittag ganz aufhören.
Der erste Weg – im leichten Nieselregen – führt uns zur Apotheke. Etwas gegen Mücken muß her, ein Fläschchen zur Prävention, eine Tube zur Nachsorge. Anschließend durchqueren wir nocheinmal Rathenow, dann geht es raus auf die Landstraße. Heute sind wir wieder zu einem guten Teil auf kleinen Fahrradstraßen oder asphaltierten Wegen durch den Wald unterwegs. Der Regen wird auch bald weniger, nur einmal nimmt er für eine Minute kräftig zu – ich hatte zu laut gesagt, daß das bischen Nieselregen doch kaum etwas ausmache. Zum Mittag hört der Regen auf und wir kommen gut vorwärts. Das müssen wir auch, denn jeder Stop konfrontiert uns wieder mit dem Mückenproblem.
Mittags kehren wir in Grütz in der örtlichen Gaststätte ein, typisch Brandenburg. Das Essen ist reichlich und preiswert – und wir haben Glück: Während wir essen geht draußen ein kräftiger Schauer nieder – sobald wir fertig waren, war es draußen auch wieder trocken. Ab hier erwarten uns außer Landstraßen auch mal Plattenwege (aber alle gut fahrbar). Neben den gut vorbereiteten Routen auf dem GPS ist auch die Beschilderung der Wege sehr gut, selbst ohne Karten und Navigationshilfe wären wir hier problemlos weitergekommen.
Nachmittags sind wir in Havelberg und für Judith steht fest: Mit fast 100 Mückenstichen und der Erfahrung, daß die Nervensägen sich auch von Autan nur sehr bedingt abhalten lassen geht es nicht weiter. Nach kurzem Sightseeing, Kuchen, Kirschschorle und Bier fahren wir deshalb von Havelberg weiter nach Glöwen, wo alle Stunde ein Regionalexpress nach Berlin fährt. Das Wetter der nächsten Tage gab uns wohl auch recht mit dieser Entscheidung. Dennoch, bis hierhin war es eine wunderschöne Tour über perfekte Wege (wenn man nicht gerade aufs Kilometerfressen aus ist), die Lust auf mehr machte – vielleicht unter anderen Bedingungen.
Von der RTF (Radtourenfahrt) „Rund um Berlin“ hatte ich schonmal gehört. Für mich ernst genommen hatte ich das bisher nicht. Weit über 200km am Stück zwischen einem Haufen gut trainierter Rennradler? Bei gut über 200km lag bisher mein Maximum. Zugegeben, mit Gepäck durch das hügelige Mecklenburg-Vorpommern (und quasi ohne Langstreckenerfahrung damals) war das sicherlich eine andere kategorie als im Grüppchen relativ flach um Berlin herumzu fahren ohne nennenswerte Beiladung. Trotzdem, der Gedanke lag mir einfach fern.
Vor ein paar Tagen flimmerte über die Mailingliste der [[rennradgruppe.de]] die Anfrage, ob noch andere dabei sein, der der 21. RTF Rund um Berlin – und die Idee, die Runde mit der Rennliege zu fahren keimte in mir. Die Wettervorhersage sah nicht prickelnd aus: Regen, Regen, Regen. Doch ich bereite mich und mein Rad am Samstag vor. Eine Regenfront verharrte knapp östlich von Berlin, von Westen zog nur langsam etwas heran. Ich beschloss, einfach am Sonntag morgen den aktuellen Stand anzuschauen und dann zu entscheiden, ob ich mich auf den Weg machen wollte.
Der Sonntag morgen kam, mein Wecker klingelte um Viertel nach sechs. Totmüde – das ist wirklich nicht meine Zeit – quälte ich mich aus dem Bett, linste aus dem Fenster und schaute im Internet. Akzeptable Temperaturen, leichte Bewölkung, kein immanenter Regen in Sicht. Ich zog mich an, füllte den Wasservorrat auf, trug meinen M5 CrMo Lowracer die vier Stockwerke nach unten und rollte zur S-Bahn. bei so einer langen Tour mußte ich mich nicht 15km im Stadtverkehr einstimmen, ich würde heute noch genug fahren.
Vorher hatte ich mich erkundigt, wie man auf das Liegerad reagieren würde. Nach einem abendlichen Test, wie es sich mit Helm auf dem Lowracer fährt war klar: gehen tut das, aber es engt das Blickfeld nach hinten ein. Diverse Leute beruhigten mich, daß es bei der Veranstaltung zwar gefordert wird, es aber keine Helmpflicht gibt. Ich ließ den Helm also zu Hause.
Um 07:30 Uhr traf ich am S-Bahnhof Olympiastadion ein, war nicht der einzige der mit S-Bahn anreiste und traf die Jungs von der Rennradgruppe. Gemeinsam fuhren wir zum Start. Ich meldet mich an, zalte den Obulus, bekam die Rückennummer (die ich aus praktischen Gründen dann auf die Heckverkleidung und nicht auf meinen Rücken klebte), der Stempelkarte und eine Wegbeschreibung.
Gegen 08:00 Uhr rollten wir zum Start, starteten aber nicht gleich mit dem ersten Pulk, sondern in einer kleineren Gruppe dahinter. Ich hielt mich, auch wenn es nicht so richtig in Schwung kam, bei der Gruppe auf, bis wir Berlin verlassen hatten. Mit dem Liegerad kann man fairerweise nur ganz hinten, ganz vorn oder neben der Gruppe fahren. Als RTF-Neuling wollte ich nicht vorneweg fahren, dazu fehlte mir die Erfahrung. Neben der Gruppe ist im Straßenverkehr nicht immer angebracht. Und hinten dran wird es schnell anstrengend (vor allem wegen der Konzentration und weil man imemr die Schlußnudel beim Überqueren von Ampeln ist).
Ich erledigte also ein dringendes Bedürfnis am Straßenrand und überlegte mir, wie ich weitermachen wollte, während ich meine Aufholjagd auf die Gruppe startete. Ich beschloss, die Gruppe hinter mir zu lassen und allein weiterzufahren. Ich hatte den Lowracer bisher nie weiter als 100km am Stück bewegt und meine Erwartung an ie Veranstaltung war „mal sehen, wie weit ich komme“. 130, vielleicht 150km? Dann ab in die S-bahn und nach Hause.
Als ich alleine davonzog fand ich meinen Tritt und es wurde deutlich entspannter zu fahren. Vor dem ersten Kontrollpunkt überholte ich noch zwei kleine Grüppchen. An der Kontrolle holte ich meinen Stempel ab, wartete noch kurz auf „meine“ Gruppe um mich bei ihnen regulär auszuklinken, genoß die Verpfelgung und machte mich alsdann wieder auf den Weg. Nach und nach holte ich noch einige kleine Grüppchen ein und ließ sie hinter mir. Von der am Start durch einen der Veranstalter prognostizierten Feindseligkeit („ein paar blöde Sprüche wirst Du da wohl hören!“) war nichts zu spüren. Meist hielt ich mich nur kurz am Schluß der Gruppe auf, bevor ich auf freier Strecke dann mit 40+km/h vorbeizog. In ausreichendem Abstand reduzierte ich dann wieder mein Wohlfühltempo von 35-37km/h.
Die Kilometer flogen nur so dahin, bis nordöstlich östlich von Berlin einige schlechte Straßenabschnitte meine fahrt und auch die Freude etwas bremsten. Aber auch das ging vorbei und in den kurzen Gesprächen am Kontrollpunkt oder beim Treffen auf offener Strecke war schnell klar, auch die Rennradkollegen hatten nicht umbedingt Spaß daran. Und zusammen leidet es sich ja doch viel schöner.
Bei Kilometer 160 der Tour merkte ich, wie ich mich langsam der leistungsgrenze näherte, die Reserven waren aufgebraucht und mein Magen tat sich schwer die Nahrung an den Verpflegungspunkten wirklich bei der Anstrengung zu verarbeiten. Mit etwas Willen, einem Powergel und einer etwas längeren Pause am nächsten Kontrollpunkt kriegte ich das aber wieder in den Griff, trotzdem pendelte mein Tacho jetzt nur noch zwischen 30 und 35 km/h. Das Feld war mittlerweile weit auseinandergerissen, so daß mich dennoch keine Gruppen überholten, an die ich mich hätte hängen können. Ich traf ein paar Einzelkämpfer, da ich aber nichts zu geben hatte, entscheid ich mich, dann dort auch lieber einfach vorbeizuziehen. Das Gelände südlich von Berlin kam mir deutlich welliger vor al im Norden, das kann aber auch einfach Einbildung gewesen sein, weil die Anstrengung ihren Tribut forderte.
Die Kontrollpunkte lagen zum Ende der Strecke (zum Glück) dichter beieinander. Ab dem letzten waren es noch etwa 20 Kilometer – aber die hatten es in sich, ging es doch hier nochmal über die Havelchaussee. Trotzdem beschloss ich auch hier, mich nicht an eine Gruppe zu hängen, sondern das in Einzelkämpfermanier anzugehen. Zum ersten mal schaltete ich auf freier Strecke auf das kleine Kettenblatt, als ich den WIlli erklomm. Nehme ich den mit dem Lowracer sonst bei 22-24 km/h, waren jetzt nach über 200km nur noch ca. 18-19km/h drin. Das reichte dennoch, um ein respektvolles „Gute Geschwindigkeit!“ einer Rennradlerin zu erhaschen, die ich überholte. Mit einer kleinen Steigung und etwas Kopfsteinpflaster kam ich endlich am Startpunkt am Olympiastadion wieder an. 221km stabnden auf dem Tacho. 218 waren es offiziell, aber an einer Stelle hatte ich die (sonst hervorragende) Ausschilderung wohl übersehen – und zwei andere mit mir – was mir gute 3km Umweg einbrachte.
Strecke: 221 km
Netto-Schnitt: 32,4 km/h
Brutto-Schnitt: 28,2 km/h
Fahrzeit: 07:51 Stunden
Nach dem Erhalt meiner Urkunde über die Teilnahme und einer kleinen Stärkung fuhr ich dann noch mit Leuten aus der Rennradgruppe, die bald nach mir eintrafen, die letzten 15 Kilometer nach Hause.
Fazit: Jederzeit wieder. Das war ein freundliches Miteinander, an keiner Stelle kam verbissenes Rennfeeling oder ein Kampf der Systeme auf, im gegenteil, ich kriegte interessierte Fragen zu meinem Gefährt gestellt und Respekt ob der gefahrenen Leistung. Nunja, ich hab ja auch niemanden geärgert. beim nächsten mal würde ich vermutlich die Runde gleich von Anfang an allein angehen und meine Pausenzeiten etwas kürzer halten (da fehlt dann die Gruppe, die einen weitertreibt…). Aber jetzt müssen sich meine Beine erstmal erholen.
Am letzten Wochenende habe ich mich auf den mir von einer Tour im letzten Herbst in positiver Erinnerung gebliebenen Oder-Radweg begeben, um seine Tauglichkeit für schnelle Trainingsfahrten mit meinem M5 CrMo Lowracer unter die Lupe zu nehmen.
Nach meinen eigenen Erinnerungen und Gesprächen mit anderen,die den Radweg bereits gefahren sind und weil es sich aufgrund einer Tour einiger Leute von der Liegerad-Berlin-Liste so ergab, entschied ich mich, mit der Bahn nach Schwedt/Oder zu fahren und dann in Richtung Süden nach Küstrin mal kräftig reinzutreten. Ich wußte, daß es eine kleine Schiebestrecke geben würde, weil am Oderdeich knapp südlich von Schwedt gebaut wird. So fuhr ich mich erstmal langsam etwas warm (was bei guten 30°C morgens um neun Uhr nicht so schwer war) und querte dann die einige hundert Meter lange Baustelle. Hinter der Baustelle gönnte ich mir noch ein bis zwei Kilometer um in Schwung zu kommen, dann setzte ich den Fahrradcomputer zurück und gab Stoff.
Der Tag war nicht wirklich ideal gewählt, da doch 36°C bis 38°C erwartet wurden und auffrischender Wind aus südlichen Richtungen herrschte. Anfänglich war der Wind allerdings noch kaum spürbar und ich legte mit ca. 45 km/h auf dem Tacho los. Bis kurz vor der Schleuse in Hohensaaten traf ich nur sehr wenige andere Radler, der Platz reicht auch aus, diese zu umfahren, auch wenn der Weg zu einem großen Teil auf dem Deich verlief.
An der Schleuse Hohensaaten wird die Fahrt gebremst, da man auf holprigen Plattenwegen und teils mit Straßenüberquerungen durch die Schleusenanlage und den Ort fahren muß, dann geht es ein kleines Stück besser, bis man gleich danach Hohenwutzen erreicht, wo die Ortsdurchfahrt auch kaum bei hoher Geschwindigkeit möglich ist. Dafür bietet Hohenwutzen einen netten Gasthof, den ich 25km nach Start meiner Messung (bis hierhin 41,5 km/h Schnitt!) für eine Abkühlung und ein Frühstück nutze. Die Sonne kam jetzt von schräg vorne und es waren gute 34°C erreicht.
Hinter Hohenwutzen bietet sich die Gelegenheit, falls es einem nicht unbedingt auf die (wunderschöne!) Landschaft ankommt, auf einem Versorgungsweg auf der Rückseite des Deiches zu fahren. Dieser hat sehr glatten Asphalt und ist in der Breite so angelegt, daß auch LKW ihn befahren können (zur Wartung der Deiche), ist aber für den Autoverkehr gesperrt. Die meisten Freizeitradler fahren wegen der besseren Aussicht lieber oben auf dem Deich, wenn man unten auf dem Weg mal welche trifft ist das überholen selbst bei hohen Geschwindigkeiten unproblematisch. Für einen Samstag im Sommer bei schönstem Wetter war ohnehin wenig los.
Bis wenige Kilometer vor Küstrin geht der Weg übersichtlich, ohne enge Kurven und ohne Hindernisse hinter dem Deich entlang. Ich benötigte wegen der Hitze bei Kilometer 50 eine Pause unter einem Baum (Schnitt: 39,5 km/h – die Hitze und der mittlerweile auf 10-15 km/h aufgefrischte Wind bremsten mich etwas). Dann ging es weiter bis zum Ortseingang Küstrin (genauer: bei Bleyen). Auf den letzten Kilometern wird die Strecke etwas kurviger und bei hohen Geschwindigkeiten verpaßt man schonmal eine Abbiegung, was mich beides nebendem Wind weiter ausbremste. So hatte ich bei Ende meiner Messung in Bleyen 75km bei 38,4 km/h Schnitt (netto) hinter mir.
Ich fuhr dann langsam nach Küstri-Kietz, wo der etwa alle Stunde verkehrende Nahverkehrszug gerade weg war. Also besorgte ich mir im Ort kurz vor dem Grenzübergang noch ein Fischbrötchen und vor allem etwas zu trinken, bevor ich mich auf den Rückweg machte.
Fazit
Die Strecke zwischen Küstrin und Hohenwutzen ist definitiv empfehlenswert, wenn man es auf eine schnelle, ungestörte Fahrt absieht. Aufpassen sollte man mit dem Wetter: Es gibt wenig Bäume und auf der Strecke absolut nirgendwo Schatten (ein paarmal etwas abseits auf einer Wiese), bei knallender Sonne ist das ganze also mit Vorsicht zu genießen. Durch die fehlenden Bäume oder andere Hindernisse ist die Strecke windanfällig. Da sie aber quasi komplett in Nord-Süd-Richtung verläuft, kann man bei West- oder besser Ostlagen (besser, denn dann steht der Deich davor) problemlos fahren, wenn der WInd ein gewisses Maß nicht überschreitet.
Obwohl die Bahnverbindung ab Südkreuz nach Schwedt besser ist, würde ich das nächste mal ab Lichtenberg mit der NEB nach Küstrin fahren und dann mit dem Rad Küstrin-Hohenwutzen-Küstrin angehen. Die einfache Strecke nach Hohenwutzen sind etwa 50km, die ersten 4-5km sind etwas langsamer und damit zum warmfahren bzw. ausrollen geeignet. Dann hat man etwa 100km Gesamtstrecke, davon 90km für einen wirklich guten Schnitt. Auf der Hälfte in Hohenwutzen bietet sich der Gasthof für eine Pause mit preisweter Getränke- und Essensversorgung an. Auf der Strecke sind Geschwindgkeiten zwischen 40 und 50 km/h von der Qualität des Belages und der Übersicht völlig problemlos fahrbar.
Für das Wochenende war allerbestes Wetter angekündigt und so hatten Manuel und ich beschlossen, einen gemütlichen Sonntagsausflug auf unseren Liegerädern zu machen: Wir wollten dem Havel-Oder-Radweg folgen, das Schiffshebewerk in Niederfinow sehen und vielleicht sogar bis zur Oder weiterfahren.
Am Samstag plante ich die Tour am Rechner schnell durch und lud die Route in mein GPS, am Sonntag morgen klingelte der Wecker reichlich früh, denn wir wollten mit der S-Bahn um 08:30 Uhr ab Steglitz nach Oranienburg fahren. Als ich in voller Montur und bepackt mit allen Dingen, die ich so mitnehmen wollte, in der Tür stand klingelte das Telefon: Manuel teilte mir mit, daß er einen Platten hat. Ich beschloß, dennoch in Richtung Steglitz loszufahren und hoffte drauf, daß wir die S-Bahn 20 Minuten später nehmen könnten. In der Wartezeit gönnte ich mir noch einen Kakao und Manuel schaffte es tatsächlich, seinen Reifen schnell genug zu flicken, so daß wir um 08:50 Uhr in der S-Bahn nach Oranienburg saßen.
Nach einer kurzweiligen S-Bahn-Fahrt mit Fahrgastbefragung und Unterhaltung durch ein paar Jugendliche, die auf dem Weg zum Fußballspielen waren stiegen wir um zehn vor zehn bei strahlendem Sonnenschein und perfekt blauem Himmel aus der Bahn. Die Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull war vom Boden unsichtbar und der Himmel durch das Flugverbot frei von Kondensstreifen, ein seltener Anblick!
Wir begaben uns also auf einen Abschnitt des Berlin-Kopenhagen-Radwegs am Lehnitzsee entlang – und mußten kurz hinter der Schleuse ersteinmal kehrt machen, denn die laut Karte Track des Radwegs verkehrende Fähre verkehrt derzeit nicht. Statt eines kleinen Umwegs über die Straße schlugen wir uns über kleine holprige Wege mitten durch den Wald am Grabowsee vorbei und konnten ab dort wieder dem offiziellen Verlauf des Radwegs auf einer perfekten Piste folgen. Nach einigen hundert Metern auf einem Radweg neben der Landstraße zwischen Kreuzbruch und Liebenwalde bogen wir dann auf den Havel-Oder-Radweg ein, der hier zunächst auf einer teils etwas holprigen, aber noch gut fahrbaren, kleinen und unbefahrenen Straße beginnt.
Im wesentlichen folgt der Radweg dem Verlauf des Kanals, biegt nur ab und zu in den angrenzenden Wald ab. Wir machten nach 42 Kilometern bzw. zwei Stunden im Wald eine Pause. Während ich gemütlich mein Brot aß schepperte es plötzlich neben uns: Eine Frau hatte so fasziniert auf unsere abseits stehenden Liegeräder geschaut, daß sie den inmitten des Radwegs stehenden Poller übersehen hatte und darüber stürzte. Natürlich eilten wir sofort zur Hilfe, aber es war glücklicherweise bis auf den Schreck und vermutlich einen dicken blauen Fleck am Oberschenkel nichts geschehen. Da die Frau in Begleitung ihres Mannes unterwegs war konnten wir nach kurzer Pannenhilfe dann auch bald weiter.
Ab Finowfurt führt der Radweg im wesentlichen entlang des alten Treidelwegs, also sehr idyllisch direkt am Wasser, von den umliegenden Dörfern kriegt man nur sehr wenig mit und alles läuft abseits des Autoverkehrs, erst in Niederfinow selbst kamen wieder ein paar Meter Straße innerorts, wenn man zum Schiffshebewerk fährt. Da wir noch immer gut in der Zeit lagen gönnten wir uns eine Erfrischung mit Blick auf das wunderbare Bauwerk, anschließend verließen wir den offiziellen Radweg, der ab hier bis zur Oder auf Landstraßen verläuft. Ich warnte Manuel vor, daß ich ab diesem Punkt experimentierfreudig geplant hatte und so ging es südlich des Oder-Havel-Kanals auf einen kleinen Radweg, der teils nur ein unbefestigter schmaler Pfad war, teils auf Landwirtschaftswegen verlief.
Ab Bralitz folgte eine Straße – oder zumindest etwas, was man im Mittelalter dafür gehalten hätte. Dicke Pflastersteine – und am Anfang ein Schild: „Straßenschäden 3 km“ Mit 10 bis 15 km/h folgten wir diesem Weg, ein guter Test für die Federung am Rad. „Na die drei Kilometer sind ja bald vorbei“, freute sich Manuel und ich warnte ihn vor: „Freu Dich nicht zu früh, als nächstes kommt ein Weg, der hier als ‚unpaved‘ markiert ist…“
In Neuenhagen entschieden wir uns dann wirklich für den ungepflasterten Weg, um nicht der B-Straße folgen zu müssen. Was am Afang unproblematisch war, festgefahrene Spuren von Landwirtschaftswegen, wurde zunehmend sandiger – irgendwann so sandig, daß wir schieben mußten. Nunja, soll keiner sagen, ich hätte nicht vorher gewarnt. Nach etwas mehr als zwei Kilometern und wirklich kurz vor erreichen der Oder konnten wir endlich wieder vorsichtig fahren und gelangten dann bei Hohenwutzen nicht nur wieder auf gute Wege, sondern mit der Oder auch ans Ziel.
Da wir nicht mehr genügend Zeit hatten bis nach Küstrin zu fahren machten wir einen erst einen kurzen Abstecher zum Oder Center Berlin auf der polnischen Seite und genehmigten uns dann ein Stück weiter wieder auf der deutschen Seite in der Gaststätte Fuchsbau noch Kuchen und kalte Getränke.
Die nächste Bahnstation war Bad Freienwalde, wo um 16:59 Uhr unser Zug fahren sollte. Die letzten acht Kilometer gingen dann recht schnell, wurden nur unterbrochen, weil Manuel, der dicht hinter mir fuhr, mit dem Hinterrad auf einer Sandfläche wegrutschte, weil ich vor ihm gebremst hatte. Sein Lenker hatte zwar etwas gelitten, das Rad war aber noch fahrbereit und so schaften wir es, 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof zu sein. Eigentlich genügend Zeit, wenn man allerdings versucht den Automaten zum Verkauf der korrekten Fahrkahrten zu bewegen können 10 Minuten schon denkbar knapp sein.
Die Züge waren (erwartungsgemäß) relativ voll, allerdings alles noch im erträglichen Bereich. Mit nur wenigen Minuten Versprätung erreichten wir Berlin Südkreuz, wo jeder in seine Richtung weiterfuhr.
Eine nette Tour, der erste Tag mit Sonnenbrand in diesem Jahr und wegen des kreativen Routing auch wieder mit einem Hauch Abenteuer verbunden.